European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00061.15S.0630.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Die Ehe der Eltern der 2007 geborenen mj L***** und des 2010 geborenen mj A***** wurde im März 2012 einvernehmlich geschieden. Im Scheidungsfolgenvergleich wurde die gemeinsame Obsorge und der überwiegende Aufenthalt der Kinder im Haushalt der Mutter vereinbart. Eine Besuchsrechtsregelung wurde vorerst nicht getroffen.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 10. 10. 2014, GZ 6 Ps 135/13z‑32, wurde dem Vater ein Kontaktrecht zu den beiden Kindern alle 14 Tage, beginnend mit 17. 10. 2014, von Freitag, 17:00 Uhr, bis Sonntag, 18:00 Uhr, sowie ein Ferienkontaktrecht für die Zeit vom 26. 12. 2014, 12:00 Uhr bis 1. 1. 2015, 18:00 Uhr und vom 13. 7. 2015, 10:00 Uhr bis 26. 7. 2015, 18:00 Uhr eingeräumt.
Dieser Entscheidung lagen die Feststellungen zugrunde, dass nach der Scheidung die Kontakte zwischen den Kindern und dem Vater unregelmäßig, aber häufig und mit Übernachtung stattgefunden hatten, sich jedoch seit zwei Jahren die Ausübung des Kontaktrechts immer schwieriger gestaltet habe. Grund hiefür sei vor allem die neue Lebensgefährtin des Vaters der Kinder, weil die Mutter diese Lebensgemeinschaft missbillige. Die Mutter sei nicht in der Lage, ihre eigene Beziehung zum Vater ihrer Kinder ausreichend von den gemeinsamen Kindern zu differenzieren bzw abzugrenzen. Sie werfe dem Vater im Zusammenhang mit der neuen Lebensgemeinschaft Betreuungsmängel im Umgang mit den Kindern vor und wolle, dass der Kontakt zu den Kindern nur in Abwesenheit der neuen Lebensgefährtin stattfinde. Beim Vater der Kinder lägen aber weder Einschränkungen in seiner Fähigkeit im Umgang mit den Kindern, noch Betreuungsdefizite vor. Er sei in der Lage, auf die Bedürfnisse der Kinder ausreichend einzugehen und sie zu versorgen, dies auch bei Kontakten mit Übernachtung. Die Tatsache, dass die Lebensgefährtin bei den Kontakten anwesend sei, sei unbedenklich. Die Kinder hätten ein gutes Verhältnis auch zu den beiden Kindern der Lebensgefährtin.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls lägen keine objektiv nachvollziehbaren Gründe vor, die eine Einschränkung der Kontakte dahin rechtfertigen könnten, dass keine Übernachtungen stattfinden sollten. Da die Beziehung des Vaters zu seiner Lebensgefährtin bereits seit zwei Jahren bestehe, könne auch keine Rede davon sein, dass die Kinder vom Vater durch das „Vorsetzen“ einer „neuen Frau“ überfordert wären.
In ihrem Rekurs beantragte die Mutter, diese Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Vater ein Kontaktrecht zu den Kindern in den geraden Kalenderwochen (nur) von Freitag, 18:00 Uhr, bis Samstag, 18:00 Uhr, eingeräumt und der Antrag auf Einräumung eines Ferienkontaktrechts abgewiesen werde. Sie brachte ‑ unter anderem ‑ vor, das Kindeswohl sei gefährdet, weil die Kinder durch ein derart ausgedehntes Wochenendbesuchsrecht mit zwei Übernachtungen völlig überfordert wären. Bei schulpflichtigen Kindern wäre ein Kontaktrecht im Abstand von zwei Wochen über zwei Tage des Wochenendes mit einer Übernachtung die Regel.
Mit Beschluss des Rekursgerichts vom 21. 11. 2014, GZ 20 R 124/14x‑39 (im Folgenden nur mehr: „Vorentscheidung“), wurde dem Rechtsmittel der Mutter teilweise Folge gegeben und das Kontaktrecht dahin abgeändert, dass es dem Vater jeweils in geraden Kalenderwochen von Freitag, 17:00 Uhr, bis Sonntag, 17:00 Uhr (statt 18:00 Uhr), eingeräumt wurde. Im Übrigen wurde dem Rekurs nicht Folge gegeben. Auch wenn die Übernachtungen der Kinder beim Vater kurze Zeit nach Scheidung der Eltern wesentlich reduziert und letztlich entfallen seien, bestünden noch immer hinreichende Kontakte des Vaters zu den Kindern, die eine Grundlage für deren Übernachtung beim Vater bildeten und diese als dem Kindeswohl entsprechend erscheinen ließen. Eine Beschränkung des Wochenendkontaktrechts auf freitags abends und samstags ohne Miteinbeziehung des Sonntags würde einen eingehenden, für die Kinder förderlichen Kontakt zum Vater nicht hinreichend ermöglichen. Es sei daher auch der Sonntag in die Besuchsrechtszeit mitaufzunehmen. Im Hinblick auf den Schulbesuch am nächsten Tag sei es aber zweckmäßiger, wenn die Kinder am Sonntag bereits um 17:00 Uhr (und nicht erst um 18:00 Uhr) heimgebracht werden.
Diese Entscheidung des Rekursgerichts erwuchs in Rechtskraft.
Am 22. 1. 2015 beantragte der Vater, über die Mutter wegen Vereitelung der Kontakte eine angemessene Beugestrafe zu verhängen und ihm für bereits entfallene Kontakte „Ersatzkontakte“ einzuräumen. Statt der ihm laut der Vorentscheidung seit Dezember 2014 „zustehenden“ 438 Kontaktstunden hätten die Kinder mit ihm lediglich insgesamt 24 Stunden verbringen dürfen.
Die Mutter sprach sich gegen den Antrag aus und beantragte ihrerseits die Abänderung des bestehenden Kontaktrechts dahingehend, dass die Kinder jeden zweiten Samstag im Monat in der Zeit um 9:00 Uhr an ihrem Wohnsitz vom Vater abgeholt und dorthin um 18:00 Uhr wieder zurückgebracht werden. Die in der Vorentscheidung festgesetzte Kontaktrechtsregelung entspreche nicht dem Kindeswohl. Sie selbst fördere aber den Kontakt des Vaters zu den Kindern und setze alles daran, dass er aufrecht bleibe.
Das Erstgericht verhängte über die Mutter eine Geldstrafe von 200 EUR, wies den Antrag des Vaters auf Einräumung von Ersatzkontakten zurück und den Antrag der Mutter auf Abänderung des bestehenden Kontaktrechts ab.
Es traf im einzelnen Feststellungen dazu, zu welchen Zeitpunkten Kontakte des Vaters zu den Kindern von der Mutter verhindert bzw eingeschränkt wurden. Zu den zuletzt stattfindenden Kontakten wurde festgestellt, dass diese alle 14 Tage an nur jeweils einem Tag des Wochenendes zwischen 11:00 Uhr und 18:00 Uhr (ohne Übernachtung) stattfinden konnten. Die Mutter habe sich für dieses Vorgehen auf die Bestätigung bzw Einschätzung einer Kinder‑ und Jugendlichenpsychotherapeutin vom 19. 2. 2015 berufen, wonach eine sofortige, abrupte Umsetzung der vom Gericht festgesetzten Kontaktregelung nicht dem Kindeswohl entspreche. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass eine Neuregelung des Kontaktrechts nur bei einer Kindeswohlgefährdung oder einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse in Betracht komme. Da seit der Vorentscheidung nur vier Monate vergangen seien und die darin festgelegte Kontaktregelung von der Mutter bislang nicht umgesetzt worden sei, sei keine Änderung der Verhältnisse eingetreten. Überlegungen zur Einschätzung der Kinder‑ und Jugendlichenpsychotherapeutin seien nicht anzustellen, weil die Besuchsrechtsregelung bereits im Rahmen der Vorentscheidung geprüft und als dem Kindeswohl entsprechend angesehen wurde.
Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Mutter nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionrekurs nicht zu. Die Zurückweisung des Antrags des Vaters auf Einräumung von Ersatzkontakten erwuchs in Rechtskraft.
Das Rekursgericht billigte die Ansicht des Erstgerichts, dass seit der Vorentscheidung keine Änderung der Situation eingetreten sei, die zu einer Abänderung der Kontaktrechtsregelung in der von der Mutter gewünschten Form führen könnte. Die Mutter bringe lediglich zum Ausdruck, mit dem in der Vorentscheidung festgelegten Kontaktrecht zum Vater (weiterhin) nicht einverstanden zu sein. Worin konkret die von ihr behauptete „Überforderung der Kinder mit der Situation“ bestehen solle, lasse sie offen. Dies werde auch in der von der Mutter vorgelegten Bestätigung der Kinder‑ und Jugendtherapeutin nicht nachvollziehbar begründet. Da die Mutter von Beginn an mehrfach das gerichtlich festgesetzte Kontaktrecht ‑ unter anderem auch das Ferienkontaktrecht des Vaters ‑ missachtet habe, sei die Verhängung der Geldstrafe von 200 EUR gerechtfertigt, um dem Kontaktrecht des Vaters in Hinkunft zum Durchbruch zu verhelfen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
I.1 Nach ständiger Rechtsprechung sind auch im außerstreitigen Verfahren ergangene Entscheidungen der materiellen und formellen Rechtskraft fähig und binden die Betroffenen und das Gericht (§ 43 Abs 1 AußStrG; RIS‑Justiz RS0007171). Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung ist auch im außerstreitigen Verfahren in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (RIS‑Justiz RS0007477). Nur gegenüber nachträglichen Tatbestandsänderungen hält die materielle Rechtskraft nicht stand (RIS‑Justiz RS0007171 [T21]). Im außerstreitigen Verfahren ergangene Entscheidungen können daher nur bei einer Änderung der Verhältnisse abgeändert werden (RIS‑Justiz RS0007148). Entscheidend ist, ob gegenüber jenem Sachverhalt, der für die frühere Entscheidung maßgeblich war, eine Änderung eingetreten ist (RIS‑Justiz RS0007201) oder ob Tatsachen vorliegen, die zur Zeit der früheren Entscheidung zwar bereits eingetreten, dem Gericht aber erst nachträglich bekannt geworden sind (RIS‑Justiz RS0007148). Die Verhältnisse müssen sich wesentlich und nicht bloß unbedeutend geändert haben (2 Ob 85/00i mwN ua). Die Änderung muss den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt betreffen.
I.2 Im vorliegenden Fall macht die Revisionsrekurswerberin derartige nachträgliche Änderungen gegenüber dem der Vorentscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht geltend. Soweit im Revisionsrekurs vorgebracht wird, der Umfang des derzeit festgesetzten Kontaktrechts sei mit den dazu für Kinder dieser Altersstufe bestehenden Grundsätzen der Rechtsprechung nicht vereinbar und bedeute eine „völlige Überforderung“ der Kinder, wird lediglich die inhaltliche Unrichtigkeit der (rechtskräftigen) Vorentscheidung und der Wunsch nach deren Abänderung im Sinne eines eingeschränkten Kontaktrechts geltend gemacht. Eine seit der Vorentscheidung eingetretene Änderung des Sachverhalts ergibt sich auch nicht aus der Bestätigung der Kinder‑ und Jugendlichenpsychotherapeutin vom 19. 2. 2015. Diese enthält nur eine subjektive Einschätzung bzw Bewertung der sich aus der Vorentscheidung auf die Kinder ergebenden Folgen, ohne dass dafür eine nachvollziehbare Begründung abgegeben wird. Insbesondere wird in der Bestätigung nicht darauf eingegangen, aus welchem Grund Übernachtungen für das Wohl der Kinder nunmehr abträglich sein sollten, obwohl nach der Scheidung die Kontakte zwischen den Kindern und dem Vater wenngleich unregelmäßig, aber häufig mit Übernachtung stattgefunden hatten. Die Rechtskraft der Vorentscheidung steht somit einer neuerlichen Entscheidung über das Kontaktrecht entgegen.
I.3 War die inhaltliche Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung der Vorentscheidung nicht mehr zu überprüfen (vgl 5 Ob 240/07s), kommt der im Revisionsrekurs erhobenen Verfahrensrüge, das Erstgericht habe nur ein „Aktenverfahren“ ohne mündliche Anhörung der Eltern und der Kinder durchgeführt und kein kinderpsychologisches Gutachten eingeholt, von vornherein keine Berechtigung zu.
II. Zur Geldstrafe:
II.1 Beschwerdegegenstand bei Geldstrafen ist nicht die Strafe als Geldwert des Strafbetrags, sondern die Bestrafung als solche (RIS‑Justiz RS0008617 [T2]; RS0038625). Damit handelt es sich bei einer Geldstrafe um einen Gegenstand, der iSd § 62 Abs 3 und 4 AußStrG nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (RIS‑Justiz RS0109789 [T16]). Der Revisionsrekurs ist daher wertunabhängig grundsätzlich nach Maßgabe des § 62 Abs 1 AußStrG zu behandeln (RIS‑Justiz RS0038625 [T2]).
II.2 Das Gericht hat auf Antrag oder von Amts wegen auch im Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung des Rechts auf persönlichen Kontakt angemessene Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG anzuordnen (§ 110 Abs 2 AußStrG). Bei den Zwangsmitteln zur Durchsetzung der Anordnungen handelt es sich nicht um Strafen für die Missachtung einer gerichtlichen Verfügung; sie sollen lediglich dazu dienen, der Anordnung in Zukunft zum Durchbruch zu verhelfen. Sie müssen daher als ultima ratio für den Fortgang des Verfahrens notwendig sein und dürfen nur nach dem Prinzip des gelindesten Mittels eingesetzt werden (RIS‑Justiz RS0007330 [T3]).
II.3 Ob es zur Durchsetzung einer Kontaktrechtsregelung notwendig ist, eine Zwangsmaßnahme zu verhängen, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (1 Ob 67/10z mwN). Eine dabei den Vorinstanzen unterlaufene korrekturbedürftige Fehl-beurteilung zeigt die Revisionsrekurswerberin nicht auf:
II.3.1 Ihrem Vorbringen, es sei nicht überprüft worden, ob ihr im Hinblick auf den Inhalt der Bestätigung der Kinder‑ und Jugendlichenpsychotherapeutin überhaupt ein Verschulden an der Nichtbefolgung der Kontaktrechtsregelung zur Last zu legen sei, ist entgegenzuhalten, dass Zwangsmittel zur zwangsweisen Durchsetzung des Kontaktrechts auch bei unverschuldeter Nichtbefolgung eines gerichtlichen Auftrags verhängt werden können (RIS‑Justiz RS0007310). Dahinter steht nicht nur die allgemeine Überlegung, dass gerichtlichen Anordnungen Folge zu leisten ist, sondern auch dass die Kontaktrechtsregelung dazu dient, den Entwicklungsbedürfnissen des Kindes zu entsprechen. Selbst wenn sich daher ein Elternteil bei Verhinderung der Ausübung des Kontaktrechts in einem Rechtsirrtum befunden haben sollte und ihm kein Verschulden oder Unrechtsbewusstsein anzulasten wäre, könnte daraus für die gebotene Wahrung der Interessen des Kindes nichts gewonnen werden (Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 110 Rz 16).
II.3.2 Das Gericht darf von der Fortsetzung der Durchsetzung (auch von Amts wegen) nur absehen, wenn und solange das Wohl des Minderjährigen gefährdet ist (§ 110 Abs 3 AußStrG). Mit dieser Regelung übernahm der Gesetzgeber die zu § 19 AußStrG 1854 ergangene Rechtsprechung, nach der von der Anordnung jeder Vollzugsmaßnahme abzusehen war, wenn sie dem Kindeswohl zuwiderlief oder die Beziehung des Kindes zum pflegeberechtigten Elternteil unerträglich gestört hat (RIS‑Justiz RS0008614). Im Hinblick auf die seit Rechtskraft der Vorentscheidung vergangene kurze Zeitspanne und den seither gleichgebliebenen Sachverhalt war jedoch ‑ wie bereits oben ausgeführt ‑ im vorliegenden Fall keine Überprüfung der der Vorentscheidung zu Grunde liegenden Umstände in Richtung Gefährdung des Kindeswohls vorzunehmen.
II.3.3 Letztlich vermag auch der Hinweis darauf, dass die Revisionsrekurswerberin den Kontakt zwischen den Kindern und dem Vater nicht zur Gänze unterbunden, sondern zuletzt im Ausmaß eines Tages am Wochenende von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr zugelassen hat, die Verhängung einer Zwangsstrafe nicht zu hindern, hat sie doch auf diese Weise die rechtskräftig festgesetzte Kontaktrechtsregelung nicht bzw nur zum Teil erfüllt.
4. Da die Revisionsrekurswerberin mit ihren Ausführungen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt, war ihr Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.
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