European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00048.23S.0604.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Rekurs wegen Nichtigkeit wird verworfen.
Im Übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der Grundstücke Nr 150 und Nr 156 KG * auch in seinen Punkten I.B.1.h. und I.B.1.i. als nichtig aufgehoben wird.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Begründung:
[1] Die Beklagten sind Eigentümer der Liegenschaft EZ 22 KG *, zu der unter anderem die Grundstücke Nr 144, 145, 150 bis 153, 155, 156, 159 und 160/1 gehören und über die mehrere Wege verlaufen. Die Klägerin ist eine Stadtgemeinde in Niederösterreich.
[2] Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Feststellung von (neun) gesonderten Dienstbarkeiten des Fußweges für neun im Plan Beilage ./B dargestellte und (großteils) über dieselben Wege bzw Wegtrassen der EZ 22 verlaufende Wanderwege. Weiters begehrt sie, die Beklagten zur Einwilligung in die Einverleibung der Dienstbarkeiten und Duldung von diversen Instandhaltungsarbeiten an den Wegen zu verpflichten.
[3] In einem weiteren, früher anhängig gemachten (Parallel‑)Verfahren zwischen den Streitteilen begehrt die Klägerin die Feststellung und Einverleibung der Dienstbarkeit des Fußweges für einen weiteren Wanderweg, der über die Grundstücke 150, 151/1, 152, 153, 155, 156, 159 und 160/1 verläuft und dessen Trasse sich teilweise mit dem Verlauf von hier streitverfangenen Wegen deckt.
[4] Das Erstgericht wies die Klage teilweise wegen Streitanhängigkeit zurück, erkannte teilweise inhaltlich und unterbrach das (restlich verbleibende) Verfahren. Auf der Grundlage seiner Rechtsansicht, dass auf derselben Trasse (Wegstrecke) nur eine und nicht idente Dienstbarkeiten für unterschiedlich bezeichnete Wanderwege begründet werden könnten, entschied es hinsichtlich der einzelnen Wanderwege und der von ihnen jeweils betroffenen Grundstücke wie folgt über das Feststellungsbegehren (in Klammer ist der jeweilige Spruchpunkt genannt):
Wanderweg a.
Begehren: 144, 145, 150, 151/1, 152, 153, 155, 156, 160/1
Zurückweisung: 151/1, 153, 155 (I.B.1.a.)
Zuspruch: 144, 145, 150, 152, 156, 160/1 (II.A.1.a.)
Wanderweg b.
Begehren: 152, 159, 160/1
Zuspruch: 152, 159, 160/1 (II.A.1.b.)
Wanderweg c.
Begehren: 160/1
Abweisung: 160/1 (II.B.1.c.)
Wanderweg d.
Begehren: 152, 155, 156, 160/1
Zurückweisung: 155 (I.B.1.d)
Zuspruch: 152, 156, 160/1 (II.A.1.a. und II.A.1.i.)
Abweisung: 152, 156, 160/1 (II.B.1.d)
Wanderweg e.
Begehren: 144, 145, 150, 151/1, 152, 153, 155, 156, 160/1
Zurückweisung: 151/1, 153, 155 (I.B.1.e.)
Zuspruch: 144, 145, 150, 152, 156, 160/1 (II.A.1.a.)
Abweisung: 144, 145, 150, 152, 156, 160/1 (II.B.1.e.)
Wanderweg f.
Begehren: 150, 151/1, 152, 153, 155, 156, 160/1
Zurückweisung: 150, 151/1, 153, 155 (I.B.1.f.)
Zuspruch: 150, 152, 156, 160/1 (II.A.1.a.)
Abweisung: 152, 156, 160/1 (II.B.1.f.)
Wanderweg g.
Begehren: 144, 145, 150, 151/1, 153, 155, 156, 160/1
Zurückweisung: 151/1, 153, 155, 156 (I.B.1.g.)
Zuspruch: 144, 145, 150, 160/1 (II.A.1.a. und II.A.1.i.)
Abweisung: 144, 145, 150, 160/1 (II.B.1.g.)
Wanderweg h.
Begehren: 150, 151/1, 152, 153, 155, 156, 160/1
Zurückweisung: 150, 151/1, 153, 155 (I.B.1.h.)
Zuspruch: 150, 152, 156, 160/1 (II.A.1.a.)
Abweisung: 152, 156, 160/1 (II.B.1.h.)
Wanderweg i.
Begehren: 150, 151/1, 152, 153, 155, 156, 160/1
Zurückweisung: 150, 151/1, 152, 153, 155, 156 (I.B.1.i)
Zuspruch: 160/1 (II.A.1.i.)
[5] Über die jeweils erhobenen Begehren auf Zustimmung zur Einverleibung entschied es dementsprechend (I.B.2., II.A.2. und II.B.2.). Das Verfahren über das Begehren auf Duldung von Instandhaltungsarbeiten unterbrach es im Umfang der Zurückweisung (I.C.) und gab ihm im Umfang des Zuspruchs statt (II.A.3.). Die Kostenentscheidung behielt es der Endentscheidung vor.
[6] Das Berufungsgericht hob aus Anlass der nur von den Beklagten erhobenen Berufung das Ersturteil in den Spruchpunkten I.B.1.f und I.B.1.g. (Zurückweisung) betreffend die Grundstücke Nr 150 und 156, I.C. (Unterbrechung) und II. (Zuspruch und Abweisung) als nichtig auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass auf einer Wegtrasse nur eine Dienstbarkeit bestehen könne, sei zwar nachvollziehbar. Sein Urteilsspruch stehe damit aber nicht im Einklang, weil es die auf einzelne Wanderwege bezogenen identen Begehren sowohl zuspreche als auch abweise (Spruchpunkt II.). Seine Ansicht hätte derart zum Ausdruck kommen müssen, dass für einen bestimmten Wegverlauf nur eine Dienstbarkeit zugesprochen werde, ohne dass dabei auf einzelne Wanderwege Bezug genommen werde. Das Vorgehen des Erstgerichts verwirkliche dagegen den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 zweiter Fall ZPO, weil nicht nachvollzogen werden könne, welches Begehren nun abgewiesen und welches zugesprochen worden sei. Gleiches gelte für die Teilzurückweisung, weil das Erstgericht hinsichtlich der Grundstücke Nr 150 und 156 einzelne Begehren sowohl zurückgewiesen (I.B.), als auch inhaltlich behandelt habe (II.). Der Wahrnehmung der Nichtigkeit stehe nicht entgegen, dass die Beklagten die zurück- und abweisenden Aussprüche nicht bekämpft hätten, weil der noch überprüfbare Entscheidungsteil in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit den unangefochten gebliebenen Teilen stehe und diese daher gar nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen könnten.
[7] Den Rekurs ließ das Berufungsgericht zu, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorhanden sei, ob ein den Eintritt der (Teil-)Rechtskraft ausschließender untrennbarer Zusammenhang auch dann bestehen könne, wenn verschiedene Entscheidungsformen mit unterschiedlichen Rechtsmittelfristen vorliegen.
[8] Dagegen richtet sich der von der Klägerin beantwortete, auf die Anfechtungsgründe der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs der Beklagten, mit dem sie zusammengefasst begehren, die Klage zur Gänze in eventu teilweise zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären. Hilfsweise streben sie die Behebung des bekämpften Beschlusses und eine Entscheidung in der Sache dahin an, dass die von ihrer Berufung betroffenen Begehren ab- oder zurückgewiesen werden.
Rechtliche Beurteilung
[9] Der Rekurs ist zur Klarstellung zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
[10] 1. Aus ihrer sprachlich nicht immer leicht nachvollziehbaren Argumentation lässt sich zunächst ableiten, dass die Beklagten die Zurückweisung der (ganzen) Klage sowie die Nichtigerklärung des Verfahrens wegen Fehlens der Prozessvoraussetzung der gesetzlichen Vertretung anstreben.
[11] 1.1. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, dass nach dem von der Klägerin vorgelegten, mit 27. Juni 2022 datierten Protokoll der Sitzung ihres Gemeinderatsvom 23. Juni 2022 (Beilage ./A) zwar die Genehmigung einer auf Feststellung einer Dienstbarkeit gerichteten Klage gegen die Beklagten erteilt worden sei. Es sei aber nicht klar, auf welche (Wander‑)Wege bzw genauen Wegverlauf (Wegtrassen) sich die Genehmigung beziehe, weil die Klägerin lediglich das Protokoll, nicht aber den darin erwähnten Klageentwurf vorgelegt und das Erstgericht ihr dies auch nicht aufgetragen habe. Es könne somit nicht verlässlich nachvollzogen werden, welche konkrete Klage der Gemeinderat genehmigt habe. Das schade derzeit aber nicht, weil dieser Mangel verbesserungsfähig sei. Im fortgesetzten Verfahren sei der Klägerin daher die Vorlage des im Protokoll vom 27. Juni 2022 erwähnten Klageentwurfs oder der nachträglichen Genehmigung der Klage durch den Gemeinderat aufzutragen.
[12] 1.2. Die Beklagten stellen nicht in Abrede, dass die Einleitung oder Fortsetzung eines Rechtsstreits nach § 35 Z 16 NÖ GemO 1973 einen Beschluss des Gemeinderats erfordert, der sich auf einen bestimmten Rechtsstreit bezieht (RS0059247). Ebenso wenig bezweifeln sie, dass ein daraus resultierender Mangel der gesetzlichen Vertretung iSd § 6 Abs 2 ZPO sanierbar ist (RS0059247 [T1]; 1 Ob 158/18v ua). Sie meinen nur, wenn das Berufungsgericht den Beschluss des Gemeinderats vom 23. Juni 2022 als nicht ausreichend ansehe und kein Verbesserungsverfahren einleite, folge daraus, dass die Prozessvoraussetzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht vorgelegen sei. Das hätte zwingend zur Zurückweisung der Klage führen müssen.
[13] Diese Ausführungen sind nicht nachvollziehbar.
[14] 1.3. Zunächst führt der Mangel der gesetzlichen Vertretung gerade nicht zur sofortigen Zurückweisung der Klage und zur Nichtigerklärung des Verfahrens, sondern verpflichtet zunächst das Gericht, iSd § 6 Abs 2 ZPO alles Erforderliche vorzukehren, damit der Mangel beseitigt werden kann (2 Ob 27/17k ErwGr 6.; vgl auch RS0118613). Es kommt hier auch nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts an, weil der in Rede stehende Mangel nachträglich saniert, die Klagsführung also rückwirkend genehmigt werden kann (8 ObA 22/21z Rz 9; RS0059247 [T3]; vgl RS0035373). Die Beklagten behaupten auch nicht, dass eine Verbesserung von vornherein offenbar aussichtslos (oder ein dahingehender Auftrag des Erstgerichts erfolglos) geblieben sei (RS0118612 [T6]). Richtig ist nur, dass das Rechtsmittelgericht bei Bedenken an der gesetzlichen Vertretung in der Regel selbst nach § 6 ZPO vorzugehen hat (vgl RS0035331). Eine dem Berufungsverfahren deshalb anhaftende Mangelhaftigkeit machen die Beklagten aber nicht geltend. Es bestehen auch keine grundlegenden Bedenken dagegen, die Sanierung dieses Mangels im Einzelfall dem Erstgericht aufzutragen (vgl 1 Ob 9/13z).
[15] 2. Im Übrigen wenden sich die Beklagten im Rekurs zusammengefasst dagegen, dass sie in ihrer Berufung die teilweise Zurückweisung der Klage durch das Erstgericht (Spruchpunkt I.B.) nur insoweit bekämpft hätten, als das dazu abgeführte Verfahren nicht für nichtig erklärt worden sei. In Bezug auf die abgewiesenen Klagebegehren (Spruchpunkt II.B.) hätten sie sich in ihrer Berufung bloß dagegen gewandt, dass das Erstgericht diese nicht ebenfalls zurückgewiesen habe. Nicht in Rechtskraft erwachsen sei somit lediglich der von ihnen (inhaltlich) angefochtene stattgebende Teil des Ersturteils (Spruchpunkt II.A.). Wenn das Berufungsgericht daher das Ersturteil über den bekämpften Umfang hinaus als nichtig aufhebe, verstoße es gegen die Teilrechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung. Hätte das Berufungsgericht diese beachtet, wäre ihrer Berufung gegen den stattgebenden Teil des Ersturteils Folge zu geben gewesen.
[16] 2.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht auch im Rechtsmittelverfahren an den Sachantrag der Partei gebunden (RS0041059; RS0041333). Dieser begrenzt die Kognitionsbefugnis des Rechtsmittelgerichts, wodurch die Pflicht zur Wahrung der Teilrechtskraft garantiert wird (vgl RS0007416). Geht daher das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung über die Berufungsanträge hinaus, greift es in die Teilrechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung ein und verwirklicht damit einen (nicht in § 477 ZPO genannten) Nichtigkeitsgrund (RS0041170; RS0107779). Der Grundsatz der Wahrung der Teilrechtskraft kommt allerdings nicht zur Geltung, wenn der unangefochten gebliebene Teil nur scheinbar formell, inhaltlich aber gar nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen konnte, sondern in einem untrennbaren Zusammenhang mit der noch überprüfbaren Entscheidung steht (RS0007269; RS0041347). Rechtlich selbständig und für sich rechtskraftfähig ist ein Entscheidungsteil insbesondere dann, wenn wenigstens eine quantitative Scheidung des unangefochten gebliebenen und des angefochtenen Teils der Entscheidung möglich ist (RS0007269 [T4]; 8 Ob 21/23f Rz 30 ua).
2.2. Zum meritorischen Entscheidungsteil
[17] 2.2.1. Die Beklagten bestreiten die (zutreffende) Ansicht des Berufungsgerichts, dass das Ersturteil mit sich selbst in Widerspruch steht, weil die Aussprüche im Spruchpunkt II. die identen Begehren sowohl zuerkennen als auch abweisen, nicht (§ 477 Abs 1 Z 9 zweiter Fall ZPO; RS0041306; RS0042171). Zu ergänzen ist nur, dass das auch auf die Entscheidung über das Begehren zum Wanderweg b. dem zur Gänze stattgegeben wurde (II.A.1.b.), und jenem zum Wanderweg c., das zur Gänze abgewiesen wurde (II.B.1.c.), zutrifft: Zwar verläuft der Wanderweg b. nach dem Plan (Beilage ./B) prima vista auf einer andern Trasse als die anderen Wanderwege. Sein Ausgangspunkt befindet sich allerdings auf dem Grundstück Nr 152, auf dem das Erstgericht ansonsten das Bestehen einer Dienstbarkeit sowohl bejaht (II.A.1.a.) als auch verneint (II.B.1.d., II.B.1.e., II.B.1.f., II.B.1.h.) hat. Der Wanderweg c. deckt sich wiederum (zumindest nach der Beilage ./B) vollständig mit den Wanderwegen d. und g., für die eine Dienstbarkeit bejaht (II.A.1.i.) und verneint (II.B.1.d., II.B.1.g.) wurde.
[18] 2.2.2. Bilden zwei Klagebegehren eine Einheit, sodass eine abweichende Entscheidung über sie unmöglich ist und daher den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 zweiter Fall ZPO verwirklicht, besteht zwischen ihnen (auch) ein untrennbarer Sachzusammenhang (vgl 8 Ob 255/98b).
[19] Der dem zugrundeliegende Gedanke, dass bei einander ausschließenden Aussprüchen kein Entscheidungsteil für sich in Rechtskraft erwachsen kann, gilt in gleicher Weise auch in der hier vorliegenden Konstellation, bei der nicht zwei korrelierende, sondern dieselben Begehren gleichzeitig zuerkannt und abgewiesen wurden. Es lässt sich in diesem Fall nämlich nicht beurteilen, welche Entscheidung tatsächlich getroffen wurde. Ist das nicht klar, kann es von vornherein keinen rechtlich selbständigen Teil geben, der für sich allein in Rechtskraft erwachsen könnte. Diese Überlegung spiegelt sich auch in § 477 Abs 1 Z 9 ZPO wieder. Eine Nichtigkeit nach dieser Bestimmung setzt nämlich voraus, dass den dort genannten Mängeln nicht durch eine Berichtigung (§ 419 ZPO) abgeholfen werden kann. Der Nichtigkeitsgrund schützt also (nicht die inhaltliche Richtigkeit, sondern) die objektive Überprüfbarkeit des Urteils und ist folglich nicht gegeben, wenn klar ist, dass und welcher Ausspruch bloß irrig erfolgte, also in Wahrheit nicht vom Willen des Gerichts gedeckt ist (vgl 3 Ob 218/11x; Pimmer in Fasching/Konecny 3 § 477 ZPO Rz 11 [aE] und 77). Entsprach das so gefällte Urteil dagegen dem Entscheidungswillen des Gerichts, liegt der (gewollte) Widerspruch mit sich selbst und die daraus resultierende Unklarheit darüber, was eigentlich entschieden wurde, zwangsläufig insgesamt und nicht bloß teilweise vor. Der widersprüchliche Entscheidungswille als Grundlage der Nichtigkeit wird daher auch nicht – was die Beklagten anstreben – beseitigt, indem (nur) der angefochtene Teil eines Urteils durch das Instanzgericht (ersatzlos) behoben wird. Im Fall einer Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist die Entscheidung vielmehr – soweit die Nichtigkeit nicht – zur Gänze nichtig und daher von dem Gericht, dem die Nichtigkeit unterlaufen ist, neu zu fällen (4 Ob 240/98t vom 9. März 1999). Auch das von den Beklagten (erkennbar) angesprochene Verbot der reformatio in peius reicht nicht so weit, dass dadurch die Wahrnehmung von Nichtigkeitsgründen eingeschränkt wird (Konecny in Fasching/Konecny 3 Einleitung IV/1 Rz 77).
[20] 2.2.3. Wenn das Berufungsgericht daher davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall die nicht angefochtenen Aussprüche nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen können, entspricht das der Rechtslage.
2.3. Zur Zurückweisung
[21] 2.3.1. Auch zur Teilzurückweisung (Spruchpunkt I.B.) stellen die Beklagten nicht in Abrede, dass die Entscheidung des Erstgerichts insofern mit sich selbst in Widerspruch steht, als die Klage hinsichtlich des Bestehens einer Dienstbarkeit an derselben Wegtrasse der Grundstücke Nr 150 und 156 zurückgewiesen und darüber gleichzeitig inhaltlich (stattgebend und abweisend) entschieden wurde (Wanderwege a., d., e., f., g. und h.).
[22] 2.3.2. Darauf aufbauend gelten die dargelegten Grundsätze auch hier, weil auch im vorliegenden Kontext, nicht beurteilt werden kann, welche Entscheidung hinsichtlich der Dienstbarkeit an den Grundstücken Nr 150 und 156 getroffen wurde.
[23] In der Rechtsprechung ist überdies geklärt, dass ein der Teilrechtskraft entgegenstehender Zusammenhang auch zwischen verschiedenen Entscheidungen bestehen kann. So kann der Oberste Gerichtshof im Zuge der Abänderung eines vom Berufungsgericht gefällten Teilurteils (ausnahmsweise) auch einen gleichzeitig ergangenen, unanfechtbaren Teilaufhebungsbeschluss beheben (RS0040804 [insb T4]; Musger in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 519 ZPO Rz 100). Ein untrennbarer Zusammenhang wird aber auch zwischen einer die Hauptsache betreffenden und einer anderen (prozessualen) Entscheidung bejaht, wenn diese zueinander in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen: Ist der vom Berufungsgericht zu Unrecht zugelassene Eintritt nach § 234 ZPO der Grund für den von ihm unter einem gefällten (nicht anfechtbaren) Aufhebungsbeschluss, kann aufgrund eines erfolgreichen Revisionsrekurses gegen den Beschluss nach § 234 ZPO auch der in der Hauptsache ergangene (nicht bekämpfbare) Aufhebungsbeschluss behoben werden, weil damit seine Grundlage wegfällt (3 Ob 129/05z).
[24] Dies gilt umso mehr im Anlassfall, wenn über einen Klageanspruch in derselben Entscheidung, aber in unterschiedlicher Form abgesprochen wird und dabei die jeweiligen Aussprüche einander ausschließen.
[25] 2.3.3. Die Ansicht des Berufungsgerichts ist daher auch insofern nicht zu beanstanden. Es hat allerdings übersehen, dass über die Grundstücke Nr 150 und 156 (die daran bestehende Dienstbarkeit) nicht nur in den Spruchpunkten I.B.1.f und I.B.1.g., sondern auch I.B.1.h und I.B.1.i. erkannt wurde. Dass die zu Recht angenommene Nichtigkeit auch insofern besteht, war mit einer Maßgabebestätigung nachzutragen.
[26] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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