Spruch:
I. Die Parteienbezeichnung der beklagten Partei wird auf „E***** GmbH, *****“ berichtigt.
II. Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
I. Die Änderung der Firma der Beklagten ergibt sich aus dem Firmenbuch (FN 1***** Handelsgericht Wien), weshalb die
Parteienbezeichnung auf Antrag der Beklagten gemäß § 235 Abs 5 ZPO richtigzustellen ist.
II. Die Beklagte fungierte als Abschluss‑ sowie Konzernprüferin für die A***** AG für die Jahre 2000 bis 2008, für deren I*****-Konzernabschlüsse für die Jahre 2004 bis 2008 und für die Jahres‑ und Konzernabschlüsse der A***** Gruppe AG für die Jahre 2001 bis 2008. Bei sämtlichen Abschlüssen bis zum Jahr 2007 erteilte die Beklagte uneingeschränkte Bestätigungsvermerke. Erstmals bei den Jahresabschlüssen des Jahres 2008 erteilte sie jeweils nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk.
Der Kläger erwarb am 23. Mai 2007 über Vermittlung der A***** AG drei A*****‑Genussscheine der A***** Gruppe AG zu je 2.782,55 EUR. Die Gesamtkaufsumme inklusive 7 % Agio betrug 8.931,99 EUR.
Bei den A*****‑Genussscheinen handelte es sich um ein sogenanntes Schneeballsystem (Pyramidenspiel). Bis zum Oktober 2008 kauften die A*****-Gesellschaften die Genussscheine zum jeweiligen Kurswert zurück. Ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Im Mai 2010 wurde über die A***** AG und die A***** Gruppe AG das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit seiner am 30. 9. 2011 bei Gericht eingelangten Klage begehrte der Kläger 8.391,99 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung von drei A*****‑Genussscheinen. Eventualiter begehrte er die Feststellung der Haftung der Beklagten für jenen Schaden, der ihm aus dem Ankauf der drei A*****‑Genussscheine entstanden ist. Er bringt ‑ soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich ‑ vor, die Beklagte habe bei Prüfung der Jahres‑ und Konzernabschlüsse zumindest grob fahrlässig gehandelt, indem sie diverse ‑ im Einzelnen ausgeführte ‑ Unrichtigkeiten in den Bilanzen nicht aufgedeckt und uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt habe. Insbesondere hätte sie erkennen können und müssen, dass es einen sehr starken Kapitalfluss der A***** Gruppe AG an die A***** AG gegeben habe, indem wesentliche Finanzmittel von der nicht börsennotierten A***** Gruppe AG an die börsennotierte A***** AG verschoben wurden. Diese Finanzmittel erhöhten das Betriebsergebnis und damit auch das Bilanzergebnis der A***** AG, wobei sich ein laufend gesteigertes Bilanzergebnis auf den A***** AG Kurs ausgewirkt habe. Aus dieser Verschiebung der Geldmittel hätten sich exorbitante Kurssteigerungen der A***** AG ergeben. Die A***** Gruppe AG, deren Substanz durch den A*****‑Genussschein reflektiert werden sollte, sei zu 75 % an der A***** AG beteiligt gewesen. In dem Maße, in dem der Kurswert der A*****‑Aktie gestiegen sei, habe sich daher der Substanzwert der A***** Gruppe AG erhöht. Nur dadurch habe die laufende Kurssteigerung der A*****‑Genussscheine begründet werden können. Schon eine überblicksmäßige Überprüfung der bilanzmäßigen Vermögenswerte der A***** Gruppe AG an Hand der der Beklagten bekannt gewesenen Anzahl an begebenen Genussscheinen hätte ergeben, dass der bekanntgegebene Wert dieser Genussscheine lediglich im Ausmaß von 25 % bis 61 % substanzgedeckt gewesen sei. Daraus habe sich für Neuanleger ergeben, dass die Genussscheine bei weitem überzahlt waren. Dies sei geradezu eine typische Erscheinung eines „Schneeballsystems“, welches durch die pflichtgemäße Prüfung der Beklagten verhindert worden wäre. Diese wäre verpflichtet gewesen, die Bestägigungsvermerke zu versagen oder einzuschränken oder zumindest von ihrer Redepflicht Gebrauch zu machen. Ganz offensichtlich seien die Prüfberichte und testierten Jahresabschlüsse mit der Geschäftsführung der A***** AG aber abgestimmt und „geschönt“ worden. Vernachlässige der Abschlussprüfer seine ihm vom Gesetz aufgetragene Sorgfaltspflicht und stelle einen unrichtigen Bestätigungsvermerk aus, hafte er einem Dritten gegenüber, der im Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Bestätigungsvermerks disponiert habe und dadurch zu Schaden gekommen sei. Der Kläger habe sich selbst regelmäßig über die Entwicklung der Genussscheine informiert und auf die Angaben auf der Homepage der A*****, auf die Prospektunterlagen und monatlichen Aussendungen vertraut, in denen wiederholt auf die besonders gute Ertragslage und positive Entwicklung hingewiesen worden sei. Diese Angaben hätten auf den von der Beklagten testierten Bilanzen und Jahresabschlüssen aufgebaut. Der Kläger habe also auf die korrekte und gewissenhafte Arbeit der Beklagten vertraut. Auch sein Berater habe die Entwicklung der Genussscheine verfolgt und sämtliche damit zusammenhängenden Informationen regelmäßig an die Anleger weitergeleitet. Dazu habe auch die Überprüfung gehört, ob der Wirtschaftsprüfer Einwände gegen die Jahresabschlüsse erhoben habe. Wäre die Beklagte ihrer Warnpflicht nachgekommen, so hätte dies der Berater sofort realisiert und entsprechende Warnungen an die Kunden, so auch an den Kläger, weitergeleitet. Dieser hätte keine Ankäufe getätigt. Allenfalls bereits angekaufte Genussscheine hätte er unverzüglich verkauft, weil bis Oktober 2008 ein jederzeitiger Verkauf der Genussscheine zu einem höheren Kurs als dem Ankaufskurs möglich gewesen wäre. Bei korrekter Informationslage hätte der Kläger die verfahrensgegenständlichen Dispositionen (den Erwerb und das Halten der Wertpapiere) nicht getroffen.
Neben ihrer Tätigkeit als Wirtschaftsprüferin sei die Beklagte auch Prospektkontrollorin des Verkaufsprospekts zu den Genusscheinen Serie 2001 der A***** Beteiligungs AG (später A***** Gruppe AG) gewesen. Die leicht erkennbare grobe Abweichung zwischen dem tatsächlich wirtschaftlich relevanten Sachverhalt und jenem im Emissionsprospekt abgebildeten hätte der Beklagten auffallen müssen. Hätte die Beklagte den Emissionsprospekt nicht für in Ordnung befunden, wäre eine Börsenzulassung und damit Börsennotierung der A*****‑Genusscheine nie erfolgt.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete Verjährung gemäß § 275 Abs 5 UGB und gemäß § 11 Abs 7 KMG ein. Sämtliche gegen sie als Abschlussprüfer erhobenen Vorwürfe würden bestritten und seien gänzlich ungerechtfertigt. Eine Abschlussprüfung sei eine bloße „Ordnungsmässigkeitsprüfung“; die wirtschaftliche Gebarung, also die Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Dispositionen des Vorstands über fremdes Vermögen sei nicht Gegenstand der Abschlussprüfung. Eine Haftung könnte überhaupt nur unter der Voraussetzung gegeben sein, dass dem Kläger bei Erwerb der Genussscheine ein Bestätigungsvermerk bekannt gewesen wäre und konkrete Sorgfaltswidrigkeiten sowie der Kausalzusammenhang festgestellt sein sollten. Soweit der Kläger auf den Verkauf bereits erworbener Genussscheine abstelle, sei ein allfälliges pflichtwidriges Handeln der Beklagten nicht kausal, weil bei früherer Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks der Zusammenbruch des Unternehmens nur zeitlich vorverlagert worden wäre.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es traf über die eingangs wiedergegebenen Feststellungen hinaus bisher folgende weitere Feststellungen:
„Die Genussscheine der Serie 2001 notierten am 17. 9. 2001 im Freiverkehr an der Frankfurter Börse. Auf dem vom Kläger erteilten Kaufauftrag scheint als Vermittler die A***** AG auf. Vertragspartner des Klägers war die A***** Gruppe AG. Dem Erwerb der Genussscheine ging ein Informationsgespräch mit dem Finanzdienstleister voraus, der den Erwerb der Genussscheine als risikofrei einstufte, da sie jederzeit verkauft werden konnten. Er legte dem Kläger Informationsmaterial vor, unter anderem eine Gewinnkurve und die Bilanzen der letzten fünf Jahre, ohne dass festgestellt werden konnte, von welchem (A*****‑)Unternehmen diese Bilanzen stammten. Der Kläger sah sich die Entwicklung der Genussscheine auch im Internet und auf den Börsenplätzen an. Es war ihm wichtig, dass es eine Kontrolle gab. Er ging davon aus, dass eine solche vorhanden sei, wenn die Genussscheine an der Börse notieren. Er nahm auch Einsicht ins Firmenbuch, um herauszufinden, ob es 'Verstrickungen' mit anderen Unternehmen gäbe. Der positive Eindruck der Bilanzen ließ im Kläger zu 33 % den Entschluss zum Ankauf reifen, ohne dass jedoch festgestellt werden konnte, welcher konkrete Punkt welcher Bilanz entscheidend für seinen Anlageentschluss war. Dass dem Kläger vor dem Erwerb der Genussscheine ein von der Beklagten kontrollierter Prospekt vorgelegen wäre, kann nicht festgestellt werden. Letzter Bestätigungsvermerk der Beklagten vor der Kaufentscheidung des Klägers war jener zu den Rechnungsabschlüssen der A***** Gruppe AG zum Geschäftsjahr 2005, der am 7. Juli 2006 offengelegt wurde.“
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die auf die Haftung der Beklagten als Prospektkontrollorin gestützten Ansprüche im Hinblick auf die Beendigung des prospektpflichtigen Angebots am 17. 9. 2001 verjährt seien. Zudem sei dem Kläger vor dem Erwerb der Genussscheine kein Prospekt vorgelegen. Für die Haftung der Beklagten als Abschlussprüfer fehle es am Kausalzusammenhang zwischen einem schuldhaft fehlerhaft erteilten Bestätigungsvermerk und dem Erwerb der Genussscheine oder einer späteren Behalteentscheidung. Die Einsichtnahme in Bilanzen ‑ welcher Art von A*****-Unternehmen auch immer ‑ sei nicht ausreichend. Es hätten konkrete Bilanzpunkte für den Anlageentschluss wesentlich sein müssen. Habe dieser Zusammenhang vom Kläger nicht unter Beweis gestellt werden können, komme dem Klagebegehren keine Berechtigung zu. Überdies sei die Klagsforderung ohnedies nach § 275 Abs 5 UGB verjährt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Rechtlich ging es davon aus, dass keine Verjährung nach § 275 Abs 5 UGB eingetreten sei, weil die Klage innerhalb von fünf Jahren nach jenem Zeitpunkt eingebracht worden sei, zu dem der Kläger die Genussscheine erworben habe. Außerdem habe er mit dem Vorbringen, die Beklagte habe die Prüfberichte „geschönt“, auch den Vorwurf der vorsätzlichen Pflichtverletzung erhoben. Bei einer vorsätzlichen Pflichtverletzung des Abschlussprüfers beginne die fünfjährige Verjährungsfrist aber nicht mit der Entstehung des Schadens zu laufen, sondern erst mit der Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger. Hingegen sei die Rechtsansicht des Erstgerichts zu billigen, nach der die Prospekthaftungsansprüche präkludiert seien. Es verbleibe als Anspruchsgrundlage die Haftung des Abschlussprüfers. Vernachlässige der Abschlussprüfer die ihm bei Erfüllung seines Prüfungsauftrags obliegenden Sorgfaltspflichten und stelle er deshalb einen unrichtigen Bestätigungsvermerk aus, werde er einem Dritten gegenüber ersatzpflichtig, der im Vertrauen auf die Verlässlichkeit dieses Bestätigungsvermerks disponiert und dadurch einen Schaden erlitten habe. Es komme daher darauf an, dass dem Kläger die konkreten Jahresabschlüsse samt Bestätigungsvermerken bekannt gewesen seien. Da dies nach den erstgerichtlichen Feststellungen nicht der Fall war, könne sich der Kläger nicht erfolgreich darauf berufen, dass er bei ordnungsgemäßer Prüfung die Genussscheine nicht erworben hätte.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob eine Haftung nach § 275 UGB die Kenntnis des konkreten haftungsbegründenden Bestätigungsvermerks voraussetze oder nicht. Weiters könnten die Ausführungen zur „Anlagestimmung“ in den Entscheidungen 4 Ob 5/13m und 10 Ob 69/11m darauf hindeuten, dass der Oberste Gerichtshof ein Abgehen von der bisherigen Judikatur erwäge, wonach es für eine Haftung nach § 11 KMG auf die Kenntnis des Prospekts ankomme.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, der Klage stattzugeben; eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Der Kläger wendet sich in seiner Revision ua gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Kenntnis der konkreten Bestätigungsvermerke durch den Anleger sei zwingende Voraussetzung für die Kausalität des von diesem behaupteten Schadens. Er vertritt den Standpunkt, sofern eine ausreichend Kausalkette zwischen der rechtswidrigen und schuldhaften Handlung des Abschlussprüfers und dem Schaden des Anlegers bestehe, schade es nicht, wenn ein Anleger den mangelhaften Bestätigungsvermerke nicht selbst gekannt habe. Es werde auf das zu diesem Thema bisher erstattete Vorbringen verwiesen. Hätte die Beklagte als Abschlussprüferin bei ordnungsgemäßer Prüfung einen der Bestätigungsvermerke für die Jahre 2001 ‑ 2005 nur eingeschränkt oder gar nicht erteilt, so wäre zwingend der damit einhergehende Kursverfall zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung schon eingetreten gewesen. Der Kläger hätte nicht mehr investiert bzw wäre das „A*****-System“ bereits schon damals zusammengebrochen, sodass eine Investition gar nicht mehr möglich gewesen wäre.
Dazu ist auszuführen:
1. Der Vertrag zwischen Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft stellt einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter dar, der alle potentiellen Gläubiger der geprüften Gesellschaft erfasst, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen. Die Haftung des Abschlussprüfers ist Folge der vorgeschriebenen Offenlegung des Jahresabschlusses einschließlich des Bestätigungsvermerks und erstreckt sich daher auf potentiell geschädigte Dritte, die im Vertrauen auf die Richtigkeit des Jahresabschlusses mit der geprüften Gesellschaft kontrahierten und im Insolvenzfall mit dem (teilweisen) Ausfall ihrer Forderungen konfrontiert sind (RIS‑Justiz RS0116076; RS0116077). Der Oberste Gerichtshof anerkennt damit die Haftung des Abschlussprüfers auch gegenüber geschädigten Anlegern (3 Ob 230/12b; 3 Ob 231/12k).
2. Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, besteht die Haftungsgrundlage des Abschlussprüfers gegenüber dem geschädigten Dritten in der durch den veröffentlichten Bestätigungsvermerk geschaffenen Vertrauensbasis zwischen der geprüften Gesellschaft und den (potentiellen) Anlegern. Diese Vertrauensbasis kann enttäuscht werden, wenn der Anleger auf die Richtigkeit des konkreten (uneingeschränkten) Bestätigungsvermerks vertraut hat. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Abschlussprüfer, der die gebotene Sorgfalt vernachlässigt und deshalb einen unrichtigen Bestätigungsvermerk ausstellt, einem Dritten, der im Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Bestätigungsvermerks disponiert und dadurch einen Schaden erleidet, ersatzpflichtig wird (RIS‑Justiz RS0116077). Maßgeblich ist also, ob der Kläger auf einen (nach den Behauptungen) unrichtigen Bestätigungsvermerk vertraut hat und sein Anlageentschluss davon beeinflusst war.
3. In der jüngst ergangenen Entscheidung 8 Ob 105/13v wurde aber bereits ausgesprochen, dass ein solches Vertrauen nicht nur durch die Kenntnis des konkreten Bestätigungsvermerks geschaffen werden kann, sondern auch denkbar ist, wenn die auf die Anlageentscheidung positiv einwirkende Beratung des Beraters von den erteilten Bestätigungsvermerken beeinflusst war. Dies setze voraus, dass der Berater die Bestätigungsvermerke gekannt oder sonst von deren Erteilung erfahren hat.
4.1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Geschädigte nicht nur den Eintritt des behaupteten Schadens und dessen Höhe, sondern auch den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Schadenseintritt zu behaupten und zu beweisen hat (RIS‑Justiz RS0022862). Ebenso trifft die Beweislast, dass bei pflichtgemäßem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, den Geschädigten (RIS‑Justiz RS0022900 [T5 und T11]). Auch bei einer Haftung wegen Aufklärungs- und Beratungsfehlern bei einer Vermögensanlage hat demnach der geschädigte Kläger die Voraussetzungen für seinen Ersatzanspruch nachzuweisen und die Behauptungs- und Beweislast für die Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten zu tragen. Es besteht kein Anlass für Beweiserleichterungen in Bezug auf die Kausalität (3 Ob 225/11a mwN; RIS‑Justiz RS0108627).
4.2. Nach der Rechtsprechung sind an den Beweis eines hypothetischen Kausalverlaufs aber keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Diese werden deshalb geringer angesetzt als die Anforderungen an den Nachweis der Verursachung einer Schadenszufügung durch positives Tun, weil sich die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der (potentielle) Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten lässt, hat doch dieses Geschehen eben nicht stattgefunden. Es genügt daher die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist. Der Anleger hat ein Vorbringen zu erstatten, mit dem die Verursachung eines Schadens plausibel gemacht wird. Dem Beklagten steht dann der Nachweis offen, dass ein anderer Verlauf wahrscheinlicher sei (RIS‑Justiz RS0022900 [T1]).
4.3. Es trifft daher auch im vorliegenden Fall den Kläger die Behauptungs- und Beweislast für ein Fehlverhalten der Beklagten sowie dafür, dass er bei deren korrektem Verhalten die tatsächlich gekauften Genussscheine nicht erworben oder bereits erworbene Genussscheine unverzüglich verkauft hätte. Dieser Behauptungslast hat der Kläger mit seinem bereits im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Vorbringen entsprochen, indem er (plausibel) behauptet hat, sein Berater habe die Entwicklung der Genussscheine verfolgt, wozu auch die Überprüfung gehört habe, ob der Wirtschaftsprüfer Einwände gegen die Jahresabschlüsse erhoben habe. Wäre die Beklagte ihrer Warnpflicht ordnungsgemäß nachgekommen, so hätte dies der Berater sofort realisiert und entsprechende Warnungen an die Kunden, so auch an ihn (den Kläger) weitergeleitet. Diesfalls hätte der Kläger keine Anlage in Genussscheine der A***** Gruppe AG mehr getätigt. Mit diesem Vorbringen hat der Kläger nicht nur die Sorgfaltspflichtverletzung, den Schaden und die Sorgfaltswidrigkeit, sondern auch den kausalen Zusammenhang zwischen Sorgfaltswidrigkeit und Schaden in ausreichender Weise behauptet und dafür Beweise angeboten (siehe Schriftsatz ON 6 vom 20. 12. 2011, AS 109 ff).
5. Die Revision erweist sich daher im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags erfolgreich. Im fortzusetzenden Verfahren werden die fehlenden Feststellungen nachzuholen sein.
Im Hinblick auf die bisher getroffene Feststellung, nach der der Berater über „Bilanzen“ verfügte, die er dem Kläger zeigte (wenngleich nicht feststellbar ist, von welchem A*****‑Unternehmen diese Bilanzen stammten), ist schon jetzt klarzustellen, dass die Bilanz gemeinsam mit der Gewinn- und Verlustrechnung den Jahresabschluss bildet (§ 193 Abs 4 UGB). Dieser sowie der Lagebericht von Kapitalgesellschaften ist durch einen Abschlussprüfer zu prüfen (§ 268 UGB). Den Jahresabschluss und den Lagebericht haben die gesetzlichen Vertreter der Kapitalgesellschaft mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Kapitalgesellschaften einzureichen (§ 277 Abs 1 UGB).
6. Auf die Haftung der Beklagten als Prospektkontrollerin kommt der Kläger in seiner Revision nicht mehr zurück. Die Anspruchsgrundlage nach § 11 KMG war damit nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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