OGH 10Ob31/08v

OGH10Ob31/08v6.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Clemens M*****, geboren am 18. August 1990, und der minderjährigen Cordula M*****, geboren am 22. November 1993, beide vertreten durch ihre Mutter Andrea M*****, diese vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 20. November 2007, GZ 23 R 165/07p-U-26, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mistelbach vom 5. September 2007, GZ 1 P 46/07x-U-20, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Eltern der beiden ehelich geborenen minderjährigen Kinder haben im Herbst 2006 die häusliche Gemeinschaft aufgelöst. Die beiden Minderjährigen leben bei ihrer Mutter, die auch die Familienbeihilfe bezieht und sind als Schüler ohne Einkommen. Der Vater bezieht aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen von 5.100 EUR (12 mal jährlich).

Die Minderjährigen beantragten, den Vater ab 1. 12. 2006 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 830 EUR für Clemens und 730 EUR für Cordula zu verpflichten. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Vater auch gegenüber der Mutter unterhaltspflichtig sei, würde Clemens ein monatlicher Unterhaltsanspruch von 969 EUR (= 19 % von 5.100 EUR) und Cordula ein solcher von 867 EUR (= 17 % von 5.100 EUR) zustehen. Nach Abzug der von der Mutter für die beiden Kinder bezogenen Familienbeihilfe von jeweils 137,40 EUR monatlich betrage der monatliche Unterhaltsanspruch 830 EUR (Clemens) bzw 730 EUR (Cordula).

Der Vater wendete ein, dass seine Sorgepflicht für die Mutter mit dem Abzug von zwei Prozentpunkten vom Unterhaltsanspruch der Minderjährigen zu berücksichtigen sei und der Unterhalt für Cordula in der Höhe des 2,5-fachen Regelbedarfs ausreichend sei. Bei Anrechnung der Transferleistungen nach § 12a FLAG errechne sich für Clemens ein monatlicher Unterhalt von 760 EUR und für Cordula von 655,50 EUR. Unter Berücksichtigung der vom Vater erbrachten Naturalunterhaltsleistungen betrage der restliche Geldunterhaltsanspruch 572,50 EUR für Clemens und 468 EUR für Cordula.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater ab 1. 12. 2006 zu einem monatlichen Unterhalt von 780 EUR für Clemens und 660 EUR für Cordula und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren der Minderjährigen ab. Es sprach weiters aus, dass der Vater berechtigt sei, bei beiden Kindern eine monatliche Unterhaltsleistung von je 187,50 EUR als Naturalunterhalt einzubehalten. Es berücksichtigte bei der Unterhaltsbemessung die Sorgepflicht des Vaters von monatlich 700 EUR für die Mutter mit dem Abzug von zwei Prozentpunkten vom Unterhaltsanspruch der Minderjährigen. Es stellte fest, dass die Mutter und die beiden Minderjährigen nach wie vor im elterlichen Haus leben und der Vater in diesem Haus eine Ordination führt. Der Vater bezahlt die Hälfte der anfallenden Kosten für das Haus, und zwar 477,64 EUR Kreditraten und 277,36 EUR an Betriebskosten. Aufgrund des Unterhaltsanspruchs von Clemens in Höhe von 18 % und von Cordula in Höhe von 16 % würde sich eine monatliche Unterhaltsverpflichtung von 920 EUR für Clemens und 815 EUR für Cordula errechnen, wobei letztere Unterhaltsverpflichtung zur Vermeidung einer Überalimentierung mit 787 EUR zu begrenzen sei. Die Anrechnung der Transferleistungen würde nach der in der Rechtsprechung entwickelten Berechnungsmethode bei Clemens 149 EUR und bei Cordula 128 EUR monatlich betragen. Da die steuerliche Entlastung des Vaters jedoch nicht höher sein könne als die von der Mutter tatsächlich bezogene Familienbeihilfe (von 137,40 EUR je Kind), errechne sich für Clemens ein monatlicher Unterhaltsanspruch von 780 EUR und für Cordula von 660 EUR. Auf diesen Geldunterhaltsanspruch sei die vom Vater erbrachte Naturalunterhaltsleistung in Höhe von jeweils 187,50 EUR anzurechnen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen insoweit Folge, als es den Minderjährigen den bereits vom Erstgericht zuerkannten monatlichen Geldunterhalt allerdings ohne Anrechnung eines Naturalunterhalts zuerkannte. Das Erstgericht habe die Unterhaltsverpflichtung des Vaters im Sinne der ständigen Rechtsprechung über die Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichten, der Anwendung des sogenannten „Unterhaltsstopps" bei überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltspflichtigen sowie der Anrechnung von Transferzahlungen zutreffend ermittelt. Die Anrechnung eines Naturalunterhalts sei hingegen aus den vom Rekursgericht näher dargelegten Erwägungen im Ergebnis nicht berechtigt. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil von den Rekurswerbern zu Recht kritisiert werde, dass die Form der von den Höchstgerichten vorgegebenen Anrechnung von Transferleistungen auf die Höhe der Unterhaltsverpflichtung dem der Höhe nach begrenzten System der Auszahlung von Familienbeihilfe und Kinder- bzw Unterhaltsabsetzbeträgen grob widerspreche, sodass darin nicht eine verfassungskonforme Auslegung des § 12a FLAG gesehen werden könne. Auch wenn die Unterhaltsbemessung nach den konkreten Vorgaben der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erfolgt sei, sei diese Vorgangsweise inhaltlich nicht überzeugend, wenn Transferleistungen nahezu gänzlich dem Geldunterhaltspflichtigen und nicht dem Betreuenden zugute kämen. Dieses Ergebnis rechtfertige trotz der bereits gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine neuerliche Überprüfung der Frage der Anrechnung von Transferleistungen durch das Höchstgericht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.

Die Rechtsmittelwerber stellen nicht in Abrede, dass die Unterhaltsbemessung im vorliegenden Fall in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erfolgt ist. Sie wenden sich aber dagegen, dass die von der Mutter für die beiden Minderjährigen bezogene Familienbeihilfe in Höhe von jeweils 137,40 EUR zur steuerlichen Entlastung des Vaters bei Clemens zu 100 % (137,40 EUR) und bei Cordula zu 93,2 % (128 EUR) von ihrem Unterhaltsanspruch in Abzug gebracht worden sei. Ein solches Ergebnis entspreche nicht der Absicht des Verfassungsgerichtshofs, im Fall getrennt lebender Eltern auch dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil die sogenannten Transferleistungen zugute kommen zu lassen. Es sei auch nicht einzusehen, warum gerade besser verdienende Unterhaltspflichtige doppelt bevorzugt würden, nämlich einerseits durch den „Unterhaltsstopp" und andererseits durch das „volle Ersparen" der Familienbeihilfe. Die in der unterhaltsrechtlichen Judikatur entwickelte Berechnungsmethode entspreche daher nicht der Absicht des Verfassungsgerichtshofs. Würde man die „Deckelung" der Anrechnung von Transferleistungen richtigerweise bei der Hälfte der Familienbeihilfe ansetzen, käme man konkret zu einem Abzug von (höchstens) 68,70 EUR, sodass der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Clemens (gerundet) 850 EUR (= 920 EUR abzüglich 68,70 EUR) monatlich und jener der minderjährigen Cordula (gerundet) 720 EUR (= 787 EUR abzüglich 68,70 EUR) monatlich betragen würde. In diesem Sinne werde auch die Abänderung der angefochtenen Entscheidung begehrt.

Zu diesen Ausführungen ist zu bemerken, dass der Oberste Gerichtshof seit der Aufhebung des zweiten Halbsatzes des § 12a FLAG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua (VfSlg 16.562 = JBl 2003, 505) der Ansicht des Verfassungsgerichtshofs folgt, wonach der Geldunterhaltsanspruch des Kindes aufgrund der (teilweisen) Anrechnung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags gekürzt werden muss, um mittelbar die verfassungsrechtlich erforderliche steuerliche Entlastung des Unterhaltsschuldners herbeizuführen. Der Verfassungsgerichtshof hat seine schon im Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00 (VfSlg 16.226 = JBl 2001, 781) vertretene Auffassung bekräftigt, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag und Kinderabsetzbetrag), sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichten zu dienen habe. Bei verfassungskonformer Auslegung der hier maßgeblichen Rechtslage sei damit bei der Unterhaltsbemessung für Kinder bei getrennter Haushaltsführung darauf Bedacht zu nehmen, dass die Familienbeihilfe nicht nur der Abgeltung von Betreuungsleistungen diene, sondern, soweit notwendig, die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken solle. Nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs muss der Geldunterhaltspflichtige für die Hälfte des von ihm gezahlten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Der Oberste Gerichtshof orientiert sich bei seiner Rechtsprechung an den vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, zur gebotenen steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen dargelegten Grundsätzen (vgl RIS-Justiz RS0117015; RS0117016; RS0117084 ua).

Wie der Oberste Gerichtshof ebenfalls bereits wiederholt ausgeführt hat, tritt somit zu den beiden in der bisherigen Rechtsprechung betonten, dem Familienlastenausgleich dienenden Aspekten der Familienbeihilfe, Kindern einkommensschwacher Unterhaltspflichtiger einen gewissen Mindestunterhalt zu sichern und die mit der Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil auszugleichen, die weitere Funktion, für die notwendige steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu sorgen. Alle diese Aspekte erscheinen durch die Berechnungsmethode des Verfassungsgerichtshofs angemessen berücksichtigt: Für Kinder, die auf die Familienbeihilfe als Mindestunterhalt angewiesen sind, wird in aller Regel der Aspekt der steuerlichen Belastung keine Bedeutung haben, weil ihre Eltern ohnehin kein Einkommen erzielen, das eine steuerliche Entlastung erfordert. Bei Unterhaltspflichtigen mit durchschnittlichem Einkommen sorgt die Berechnungsmethode dafür, dass einerseits ein angemessener Teil der Familienbeihilfe (neben dem zu berücksichtigenden Kinderabsetzbetrag) dem steuerlich zu entlastenden Geldunterhaltspflichtigen zugute kommt und der andere Teil (weiterhin) dem betreuenden Elternteil zum Ausgleich seiner mit der Betreuung des Kindes verbundenen Mehrbelastung dienen kann. Bei überdurchschnittlich gut verdienenden, getrennt lebenden Unterhaltsverpflichteten wird allenfalls (wiederum neben dem ganzen Kinderabsetzbetrag) auch ein größerer Teil der Familienbeihilfe zur steuerlichen Entlastung dienen müssen, wobei der - auch hier angewendete - Unterhaltsstopp zufolge der Luxusgrenze bewirkt, dass eine volle Ausschöpfung der Familienbeihilfe zum Zwecke der steuerlichen Entlastung nicht in Betracht kommt (7 Ob 167/02p = JBl 2003, 107; 4 Ob 52/02d = EvBl 2003/45, 224; 1 Ob 79/02b; Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche, JBl 2003, 9 ff [15]). Dass die steuerliche Entlastung durch Anrechnung der Familienbeihilfe (und des Kinderabsetzbetrags) schon begrifflich nicht weitergehen könnte, als deren Höhe ausmacht, versteht sich von selbst (5 Ob 160/05y mwN).

Im vorliegenden Fall lassen die Rechtsmittelwerber bei ihren Ausführungen allerdings zu Unrecht außer Betracht, dass ihre Mutter neben der Familienbeihilfe von 137,40 EUR monatlich je Kind auch den Kinderabsetzbetrag von 50,90 EUR monatlich je Kind erhält (vgl dazu die von den Minderjährigen selbst mit ihrem Unterhaltsantrag vorgelegten Lohnzettel vom 15. 11. und 15. 12. 2006), sodass für die steuerliche Entlastung des Vaters die der Mutter zufließenden Transferleistungen, und zwar der Kinderabsetzbetrag von 50,90 EUR und die Familienbeihilfe von 137,40 EUR, zur Verfügung stehen. Selbst wenn daher der Unterhaltsbeitrag um die von den Vorinstanzen für die steuerliche Entlastung des Vaters berücksichtigten 137,40 EUR (für Clemens) bzw 128 EUR (für Cordula) gekürzt wird, verbleiben der Mutter nach Abzug des von vornherein für die steuerliche Entlastung bestimmten Kinderabsetzbetrags noch 50,90 EUR (für Clemens) bzw 60,30 EUR (für Cordula) als Abgeltung ihrer Betreuungsleistung. Diese erscheinen damit bei einem 16-jährigen bzw einer 13-jährigen Minderjährigen angemessen berücksichtigt (vgl 4 Ob 52/02d = EvBl 2003/45, 224).

Wie der Oberste Gerichtshof ebenfalls bereits mehrfach ausgeführt hat, machen die oben dargelegten Erwägungen auch deutlich, dass die Anwendung fixer Sätze bzw eine starre Quotierung der zur steuerlichen Entlastung heranzuziehenden Teile der Familienbeihilfe als den Erfordernissen im Einzelfall nicht Rechnung tragend und die Intention des Verfassungsgerichtshofs, durch eine im Einzelfall erforderliche und ausreichende Anrechnung der Transferleistungen einen verfassungsgemäßen steuerlichen Ausgleich zu erreichen, unterlaufend abzulehnen sind. So wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine von Holzner, Familienbeihilfe und Unterhalt, ÖJZ 2002, 444 [450] und auch von den Rechtsmittelwerbern im gegenständlichen Verfahren vertretene Anrechnung höchstens der halben Familienbeihilfe und der halben Kinderabsetzbeträge ausdrücklich abgelehnt (7 Ob 167/02p = JBl 2003, 107; 7 Ob 174/02t = JBl 2003, 111; 1 Ob 79/02b ua; Gitschthaler aaO JBl 2003, 9 ff [15 f] ua).

Schließlich entspricht es auch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass dem Unterhaltsverpflichteten die verfassungsmäßig gebotene steuerliche Entlastung durch Anrechnung von Transferleistungen auch dann zugute kommt, wenn seine Leistungsfähigkeit aufgrund eines infolge Erreichens der Luxusgrenze angenommenen Unterhaltsstopps nicht zur Gänze ausgeschöpft wird (vgl die Judikaturnachweise in RIS-Justiz RS0117017). Die Ausführungen der Rechtsmittelwerber bieten keinen Anlass, von dieser gesicherten Rechtsprechung abzugehen.

Da somit zu allen von den Rechtsmittelwerbern relevierten Rechtsfragen bereits eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, von der das Rekursgericht nicht abgewichen ist, war der Revisionsrekurs mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Kostenersatzbegehrens der Rechtsmittelwerber ist noch darauf hinzuweisen, dass im Verfahren über Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder ein Kostenersatz nicht stattfindet (§ 101 Abs 2 AußStrG).

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