AVG §18 Abs4
FSG §7 Abs3
FSG §7 Abs4
FSG §26 Abs1
FSG §26 Abs2
FSG §26 Abs2a
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGWI:2023:VGW.131.036.1984.2023
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Fritz über die Beschwerde des (am ... 1984 geborenen) Herrn A. B. C., vertreten durch MMag. Dr. D. E., Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 20.12.2022, Zl. ..., betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer Nachschulung, nach am 04.05.2023 und am 01.06.2023 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlungen zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als verfügt wird, dass dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Zeit vom 23.12.2022 (Zustellung des angefochtenen Bescheides) bis zum 23.06.2023 entzogen wird (also für die Dauer von 6 Monaten).
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 20.12.2022 war gegenüber dem Beschwerdeführer (Bf) Folgendes angeordnet worden:
1.) Die Landespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt - entzieht Ihnen gemäß § 24 Absatz 1 Zif. 1 Führerscheingesetz 1997 die für die Klasse(n) AM und B erteilte Lenkberechtigung.
Gemäß § 26 Absatz 2a FSG 1997 wird verfügt, dass Ihnen die Lenkberechtigung für die Zeit von acht (8) Monaten ,
gerechnet ab Zustellung des Bescheides, entzogen wird.
Sie haben gemäß § 29 Absatz 3 FSG 1 997 den am 02.05.2016 unter der Zahl ... von der LPD Wien/VA für die Klasse(n) AM und B ausgestellten Führerschein unverzüglich im Verkehrsamt der Landespolizeidirektion Wien abzugeben.
2.) Die Landespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt - ordnet gemäß § 24 Absatz 3 Führerscheingesetz 1997 an, dass Sie sich einer Nachschulung zu unterziehen haben.
Bei Nichterfüllung dieser Anordnungen verlängern sich die Entziehung der Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung, sich einer Nachschulung zu unterziehen.
Einer allfälligen Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, VwGVG aberkannt.“
Begründend führte die belangte Behörde aus, am 06.10.2022 um ca. 22:56 Uhr habe der Bf in Wien, F. Gürtel als Lenker des Pkws mit dem Kennzeichen W-... die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 38 km/h überschritten, wobei er laut eigenen Angaben mit zwei anderen Verkehrsteilnehmern ein ungewolltes Wettrennen verursacht habe. Weiters habe er zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde. Es sei mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,32 Sekunden festgestellt worden. Diesbezüglich sei der Bf vom Polizeikommissariat G. am 31.10.2022 wegen einer Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 mit 450,- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage und 12 Stunden) und wegen einer Übertretung nach § 18 Abs. 1 StVO 1960 mit 150,- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage und 21 Stunden) bestraft worden. Gemäß § 26 Abs. 2a FSG 1997 habe im Falle der erstmaligen Begehung einer im § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG genannten Übertretung die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen. Aus dem Festgestellten lasse sich eine negative Prognose nach § 7 FSG für das zukünftige Verhalten des Bf im Straßenverkehr ableiten. Aus diesem Grund liege bei ihm die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor. Um den Bf von der Begehung vergleichbarer Handlungen abzuhalten und zum Schutz der Allgemeinheit habe die Behörde als vorbeugende Maßnahme die Entziehung der Lenkberechtigung festgesetzt. Gemäß § 24 Abs. 3 Z. 1a FSG habe die Behörde in einem derartigen Fall eine Nachschulung anzuordnen. Aus den gleichen Gründen sei einer eventuellen Beschwerde aus Gründen des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.
Dagegen erhob der Bf fristgerecht Beschwerde. Durch den angefochtenen Bescheid werde der Bf in seinem subjektiven öffentlichen Recht auf Nichtentziehung bzw. Beibehaltung der Lenkberechtigung, in seinem subjektiven Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung, in seinem subjektiven Recht auf Parteiengehör, in seinem verfassungsgesetzlichen Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG), in seinem verfassungsgesetzlichen Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Art. 1 B-VG-RD) und im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren gemäß Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC verletzt. Als Beschwerdegründe wurden die Nichtigkeit, Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften und die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Er wies darauf hin, dass die Punkte b) und c) nur dann zu berücksichtigen seien, wenn keine Nichtigkeit vorliege. Unter Punkt a) „Nichtigkeit“ untermauerte der Bf sein Vorbringen, bei der schriftlichen Erledigung der belangten Behörde handle es sich um einen „Nichtbescheid“, mit folgender Begründung:
„17 Gem § 18 Abs 4 AVG müssen Ausfertigungen in Form von Ausdrucken mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten, wobei an die Stelle dieser Unterschrift auch die Beglaubigung der Kanzlei treten kann, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gern § 18 Abs 3 AVG genehmigt worden ist.
i) Elektronische Signatur
18 Die schriftliche Erledigung wurde im vorliegenden Fall mit keiner elektronischen Amtssignatur iSd § 19 E-GovG versehen. Nach § 19 Abs 3 E-GovG ist die Amtssignatur im Dokument durch eine Bildmarke, welche der Auftraggeber des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, sowie durch einen Hinweis im Dokument, dass diese amtssigniert wurde, darzustellen.
19 Die Materialien zur E-GovG Novelle 2007, BGBl. I. Nr. //2008, wodurch § 19 E-GovG die geltende Fassung erhielt (ErläutRV 290 Big 23. Gp, 6) führen dazu Folgendes aus: „Für die Darstellung der Amtssignatur ist zwingend nun nur eine Bildmarke, die der Auftraggeber des öffentlichen Bereichs als seine im Internet veröffentlich hat, und ein Hinweis, dass das Dokument amtssigniert wurde, nötig. ... Die Anforderung des Hinweises wird etwa schon dadurch erfüllt, dass am Schluss des Dokuments das Wort "amtssigniert" angefügt wurde" (vgl auch VwGH 25.11.2015, Ra 2015/16/0102).
20 Unter https://polizei.gv.at/files_all/Bildmarke_-_Veroeffentlichungstext_mit_AS_-_Neu_2016.pdf lässt sich die Bildmarke der Landespolizeidirektion Wien (und anderen dem Bundesministerium für Inneres unterstellten Behörden), welche gern § 19 Abs 3 E-GovG veröffentlicht wurde, abrufen. In der verfahrensgegenständlichen Erledigung ist diese Bildmarke nicht abgebildet. Auf Seite 1 des Bescheids findet sich lediglich das „Logo" der Landespolizeidirektion Wien. Es wird auch an keiner Stelle darauf hingewiesen, dass das Dokument amtssigniert sei.
21 Für die rechtskonforme Darstellung der Amtssignatur ist neben der Abbildung der Bildmarke der Hinweis erforderlich, dass diese amtssigniert wurde. Beide Voraussetzungen müssen dabei kumulativ vorliegen. Im vorliegenden Fall wurde weder die Bildmarke abgebildet noch ist der Hinweis erfolgt, wonach diese amtssigniert worden wäre, weshalb den Anforderungen des § 19 Abs 3 E-GovG nicht genüge getan wird. Es liegt deshalb kein Ausdruck eines elektronischen Dokuments mit Amtssignatur, sondern eine „sonstige Ausfertigung" iSd § 18 Abs 4 AVG vor.
ii) Unterschrift des Genehmigenden
22 Bei der Unterschrift des Genehmigenden muss es sich um die originale, eigenhändige Unterschrift handeln (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 18 [Stand 1.1.2014, rdb.at]). Nach stRsp des VwGH muss es sich bei der Unterschrift um einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden, individuellen Schriftzug handeln, welcher entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt (vgl zB VwGH 22.3.1991, 86/18/0213; VwGH 6.4.1996, 91/10/009, VwGH 28.4.2008, 2007/12/0168). Die Qualität einer „Paraphe" als Unterschrift wird vom VwGH dabei (pauschal) verneint (vgl VwGH 4.9.2000, 98/10/0013; VwGH 6.4.1996, 91/10/0009; VwGH 6.5.1996, 81/10/0060).
23 Die verfahrensgegenständliche Erledigung entspricht diesen Anforderungen nicht. Am Schluss der Erledigung wird lediglich der Name des Sachbearbeiters (welcher im Auftrag des namentlich nicht angeführten Referatsleiters gehandelt haben soll) in maschinell geschriebener Form angegeben. Beigefügt ist außerdem eine Paraphe. Diese beinhaltet jedoch keine Buchstaben, sondern besteht lediglich aus einem einzigen, einheitlichen Zeichen. Ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, kann diesen Namen aus der Paraphe keinesfalls herauslesen. Durch die Paraphe wird die Identität des Unterschreibenden somit nicht gekennzeichnet und deshalb den in § 18 Abs 4 dritter Satz AVG statuierten Erfordernissen nicht ausreichend Rechnung getragen.
iii) Beglaubigung durch die Kanzlei
24 Gem § 18 Abs 4 AVG kann an Stelle der Unterschrift des Genehmigenden außerdem die Beglaubigung der Kanzlei treten, wonach die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gern § 18 Abs 3 AVG genehmigt worden ist. Nähere Voraussetzungen werden in der BeglaubigungsV geregelt. Nach deren § 4 ist die Beglaubigung in der Weise vorzunehmen, dass am Schluss der schriftlichen Ausfertigung der Name des Genehmigenden wiedergegeben und sodann die Klausel „Für die Richtigkeit der Ausfertigung:“ beigesetzt und vom Beglaubigenden mit seinem Namen eigenhändig unterschrieben wird.
25 Im vorliegenden Fall werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die verfahrensgegenständliche Ausfertigung wurde - wie bereits oben erwähnt – nicht eigenhändig unterschrieben, sondern lediglich paraphiert. Außerdem fehlt die ordnungsgemäße Fertigungsklausel. Am Schluss der Erledigung findet sich nämlich lediglich die Klausel: „Der Referatsleiter ... i.A. H., Rev.". Dies entspricht den Anforderungen des § 4 BeglaubigungsV nicht, weshalb auch keine „Beglaubigung durch die Kanzlei" iSd § 18 Abs 4 AVG vorliegt.“
Weiters rügte der Bf ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren. Im gegenständlichen Fall habe die Behörde hinsichtlich der angeblichen Durchführung eines unerlaubten Straßenrennens de facto kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, was insbesondere durch die diesbezüglichen widersprüchlichen Feststellungen untermauert werde. Es hätte ihm die Möglichkeit der Wahrnehmung seines Parteiengehörs eingeräumt werden müssen. Im gegenständlichen Fall lägen keine (erwiesene) bestimmte Tatsachen iSd § 7 Abs. 3 iVm Abs. 1 FSG vor. Insbesondere sei der Tatbestand des § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG nicht verwirklicht. Mit technischen Messgeräten sei lediglich festgestellt worden, dass der zeitliche Sicherheitsabstand 0,32 Sekunden betragen habe. Der in lit. b festgelegte zeitliche Sicherheitsabstand von 0,2 Sekunden sei somit nicht unterschritten worden. Auch sei die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht erheblich überschritten worden und sei die Überschreitung im Übrigen auch nicht mit technischen Messgeräten festgestellt worden. Die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 38 km/h erreiche nicht einmal ansatzweise die in § 7 Abs. 3 Z. 3 lit. a FSG festgesetzten Werte. Auch sei die Geschwindigkeit nicht vor besonders schutzwürdigen Einrichtungen/Objekten überschritten worden. Schließlich habe er sich auch an keinem unerlaubten Straßenrennen beteiligt. Aus all diesen Gesichtspunkten folge, dass die belangte Behörde einen verfahrensmaßgeblichen Sachverhalt unrichtig rechtlich beurteilt habe, weshalb die Entziehung der Lenkberechtigung und die damit verbundene Anordnung einer Nachschulung zu Unrecht erfolgt seien. Der Bf stellte die Anträge
1. die Beschwerde zurückzuweisen, da es sich bei dem bekämpften Schriftstück um keinen Bescheid handle;
in eventu 3. in der Sache selbst zu entscheiden, der Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben;
in eventu 4. der Beschwerde Folge geben, den Bescheid aufheben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverweisen;
in eventu 5. die Entziehung der Lenkberechtigung reduzieren;
in eventu 6. den Bf jedenfalls Kostenersatz zuzusprechen. Im Übrigen beantragte der Bf auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Über hg. Ersuchen teilte die Landesverkehrsabteilung mit Schreiben vom 23.02.2023 mit, dass die beiden anderen Lenker I. J. (BMW, grau W-...) und K. L. M. (BMW, schwarz W-...) heißen. Das Videomaterial sei durch die Landesverkehrsabteilung Vorarlberg gesichert worden und werde zur Verfügung gestellt. Das Verfahren bezüglich Entziehung der Lenkberechtigung der K. L. M. ist beim Verwaltungsgericht Wien unter der Zl. VGW-131/047/1157/2023 anhängig.
Der Bf übermittelte über entsprechende Aufforderung die ihm zugekommene Ausfertigung des angefochtenen Bescheides. Das Verkehrsamt teilte mit Schreiben vom 08.03.2023 mit, dass laut Stellungnahme von Herrn Rev. H. es sich bei der Unterschrift am Bescheid vom 20.12.2022 um seine eigene Unterschrift handle. Herr Rev. H. hatte in einem Aktenvermerk vom 07.03.2023 festgehalten, dass es sich am Bescheid um seine Unterschrift handle. Da sein Name aus der Unterschrift nicht herauszulesen sei, sei dieser, samt Amtstitel, in Blockschrift hinzugefügt worden. Angemerkt werde, dass genau diese Unterschrift in seiner Approbationsmappe aufliege. Eine fehlende Bescheidqualität liege aus seinem Ermessen somit nicht vor.
In weiterer Folge wurde das vom Verwaltungsgericht Wien angeforderte Videomaterial (bezüglich der hier in Rede stehenden Amtshandlung) übermittelt.
Das Verwaltungsgericht Wien führte (zusammen mit dem Verfahren zur Zl. VGW-131/047/1157/2023 – Beschwerde der Frau K. L. M.) eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der Herr N. O. (für MMag. Dr. D. E.) als Rechtsvertreter des Bf und Frau K. L. M., die in Begleitung von Herrn Mag. P. Q. als ihrem Rechtsvertreter, erschienen war, teilnahmen und in der Insp. R. und I. J. als Zeugen einvernommen wurden. Mit den anwesenden Parteien wurden zunächst die übermittelten Fotos und zwei Kurzfilme angeschaut. Unstrittig sei, dass der auf dem äußersten linken Fahrstreifen zu sehende SUV das Fahrzeug des Bf sei. Das Auto auf dem mittleren Fahrstreifen sei das von Frau M.. Frau K. L. M. gab bei ihrer Einvernahme Folgendes an:
„Ich kann mich an den Vorfall im Straßenverkehr vom 06.10.2022 heute noch erinnern. Ich hatte damals einen Beifahrer im Fahrzeug, welchen ich nach Hause brachte. Das Fahrzeug hatte ich von meiner Mutter ausgeborgt. Ich hatte ihr versprochen, dass ich die Fahrstrecke am Gürtel aufgrund der Unfallhäufigkeit dort meiden werde, was ich dann aber nicht gemacht habe, da mir der Umweg zu weit war. Mir war damals gar nicht bewusst, dass ich so schnell gefahren bin.
Die beiden anderen Fahrzeuglenker, Herr I. J. und Herr B. C., waren mir damals unbekannt. Ich kann aus meiner Erinnerung nicht mehr angeben, an welcher Kreuzung des F. Gürtels ich auf diese beiden anderen Fahrzeuglenker aufmerksam wurde. Ich hatte damals nicht die Absicht unbedingt schneller als die beiden anderen zu fahren. Ich habe damals wahrgenommen, dass die beiden anderen knapp aufeinander aufgefahren sind. Ich habe keinen der anderen Fahrzeuglenker selbst überholt. Ich habe dann einen Fahrstreifenwechsel nach rechts gemacht, dieser war auf dem Video zu sehen. Ob zu diesem Zeitpunkt das Blaulicht bereits eingeschaltet war, kann ich nicht sagen. Ich hatte damals einmal Rotlicht und bin ich davor deutlich zu schnell gefahren. Dieses Fahrverhalten betraf die Anlastung in der Strafverfügung. Nach dem Rotlicht bin ich zwar auch etwas zu schnell gefahren aber sicher nicht so schnell wie zuvor. Ich kann heute nicht mehr sagen wie schnell ich nach dem Rotlicht gefahren bin. Es kam dann zu einer Polizeianhaltung. Mir wurde damals von den Polizeibeamten vorgehalten, dass es sich um ein Wettrennen gehandelt habe. Dies habe ich vor Ort bestritten, zumal ich auch die beiden anderen Fahrzeuglenker nicht kannte. Ich selbst bin auch mit meinem Fahrzeug keinem anderen Fahrzeug dicht aufgefahren. Ich habe vor Ort auch nicht zugestanden, dass es sich um ein ungewolltes Wettrennen gehandelt habe. Ich habe auf die anderen beiden Fahrzeuglenker gar nicht geachtet.
Über Befragen ihres BfV:
Es gab kein gegenseitiges mehrfaches Überholen von meiner Seite. Es gab auch keinen permanenten Spurwechsel von mir. Ich bin damals auch bremsbereit gefahren.
Abschließend möchte ich angeben, dass ich schon die Nachschulung absolviert habe.
Über Befragen des BfV von Herrn B. C.:
Ich habe mit den Beteiligten keinen Blickkontakt gehabt. Auch habe ich den Motor nicht aufheulen lassen und auch in die Richtung nicht wahrgenommen.“
Herr I. J. machte bei seiner Einvernahme als Zeuge die folgenden Angaben:
„Ich habe auch einen BMW. Ich war damals mit einem Freund dort unterwegs. Die beiden Beschwerdeführer waren mir nicht bekannt. Ich habe eine Strafe bekommen wegen Geschwindigkeitsüberschreitung. Ich bin glaublich auf der gleichen Spur gefahren. Ich wurde damals auf die beiden anderen Fahrzeuglenker an jener Kreuzung aufmerksam, wo wir dann im Anschluss gleich aufgehalten wurden. Ich habe damals kein Wettrennen mit den anderen Fahrzeuglenkern gemacht. Ich bin damals einfach nur zu schnell gefahren. Hinter mir fuhr der BMW X5 und hat mich mit der Lichthupe angeblinkt. Ich beschleunigte deshalb mein Fahrzeug aber nicht weiter. Ich wollte nicht mehr schneller fahren. Ich hatte damals eine Geschwindigkeit von knapp 100 km/h. ich kann mich nicht mehr erinnern, ob der BMW auf dem benachbarten Fahrstreifen rechts ebenfalls versucht hat meine Geschwindigkeit zu erreichen oder zu halten. Ich kann mich nur erinnern, dass der BMW Z3 der Beschwerdeführerin damals rechts neben mir fuhr. Ich wurde von diesem nicht überholt und habe auch kein Überholmanöver des Z3 in Erinnerung. Die Geschwindigkeitsüberschreitungen erfolgten nur nach einer Ampel. Es war damals nicht so, dass wir nach Grünlicht bei mehreren Ampeln Gas gegeben haben. Von den Polizeibeamten wurde uns vorgehalten, dass wir ein Wettrennen gemacht hätten. Das habe ich vor Ort bestritten, da wir uns auch nicht kannten.
Nach Ansicht des Filmes gebe ich an, dass mein Fahrzeug das vordere Fahrzeug ist, hinter dem dann der SUV gefahren ist.
Über Befragen des BfV von Herrn B. C.:
Es gab damals keinen Blickkontakt zwischen den Fahrzeuglenkern. Es gab keine Versuche der Kontaktaufnahme. Ich denke, der SUV-Lenker hat die Lichthupe betätigt, weil er mich überholen wollte.“
Herr Insp. R. gab bei seiner Einvernahme als Zeuge Folgendes an:
„Ich war damals im Streifendienst unterwegs. Bei unserem Auto war eine Kamera zur Geschwindigkeits- und Abstandsmessung installiert. Die selbe Fahrweise, wie sie auf dem Film zu sehen war, war schon eine Kreuzung vorher. Auf dem Film ist die zweite Kreuzung zu sehen. Vorher waren andere Fahrzeuge zwischen uns und konnte ich keine Messungen durchführen. Auf der ersten Kreuzung war meiner Erinnerung der SUV noch auf der rechten Seite. Dieser war auf dem ganz rechten Fahrstreifen und hat dieser dann dorthin gewechselt, wo er auf dem Video zu sehen ist. Es war dichter Straßenverkehr. Ich hatte Mühe, dass ich dann bei der zweiten Kreuzung so hinten rankomme, damit ich Messungen machen kann. Aufgrund der Situation habe ich ein Wettrennen vermutet. Meine Frage an die Lenker war, ob sie sich kennen und wurde dies verneint. Dass sie ein Wettrennen durchführen, hat keiner von ihnen angegeben. Ich fuhr den Lenkern schon sicher 2 km nach. Am ersten Kreuzungsbereich war der SUV auf dem ganz rechten Fahrstreifen. Dann fuhren die Fahrzeuge los und wechselte er auf den ganz linken Fahrstreifen hinter dem Coupé und dann begann die Aufnahme bei der nächsten Grünphase. Die Geschwindigkeit vorher war so ähnlich, konnte aber nicht gemessen werden. Vorher waren pro Fahrstreifen so zwei bis drei Fahrzeuge zwischen den gegenständlichen Fahrzeugen. Ich habe aufgrund der Beschleunigungen bei zwei Ampeln der drei Fahrzeuge darauf geschlossen, dass sie zeigen wollten, wie schnell das Auto geht. Üblicherweise wollen sie zeigen, wie schnell ihr Auto geht.
Bevor die Kamera eingeschaltet wurde, haben die drei angezeigten Lenker das gleiche Fahrverhalten gezeigt. Damit meine ich, dass sie ihre Fahrzeuge auf 80 bis 90 km/h geschätzt beschleunigt haben. An Fahrstreifenwechsel der Angezeigten kann ich mich heute nicht mehr konkret erinnern. Jedenfalls war es an zwei Kreuzungen so, dass die drei angezeigten Fahrzeuglenker Rotlicht hatten und bei aufscheinendem Grünlicht ihre Fahrzeuge stark beschleunigten. Ob dies auch bei einer dritten Kreuzung so war, kann ich aus meiner Erinnerung nicht mehr sagen. Das Fahrzeug der Beschwerdeführerin fuhr nach meiner Erinnerung immer auf dem mittleren Fahrstreifen. Nach meiner Erinnerung war es so, dass an beiden Kreuzungen, wo die Angezeigten Rotlicht hatten, alle drei in erster Reihe vor der Haltelinie standen und bei Grünlicht stark beschleunigten. Der Lenker des X5 hat zudem einen Fahrstreifenwechsel vom ersten auf den dritten oder vierten Fahrstreifen vorgenommen. Der angesprochene dichte Abendverkehr ist auf dem Video deshalb nicht zu sehen, da die Fahrzeuglenker ja an der Ampel in erster Reihe standen und ihre Fahrzeuge gleich beschleunigten. Ich habe versucht aufzuschließen und habe auch stark beschleunigt. Das war zunächst gar nicht so einfach, da wir ja im Zivilfahrzeug unterwegs waren und das Blaulicht zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeschalten hatten. Auf dem Video ist zu sehen, dass im Zuge dieser Nachfahrt das Blaulicht dann eingeschaltet wurde.
Über Befragen des BfV von Frau M.:
Soweit ich mich erinnern kann, benützte der Z3 immer den mittleren Fahrstreifen. Die Lenkerin des Z3 hat auch nicht überholt und nicht dicht aufgefahren. Von ihrem Fahrverhalten habe ich die Geschwindigkeitsübertretungen in Erinnerung.
Über Befragen des BfV von Herrn B. C.:
Die Fahrzeuge haben immer so ca. auf 80 km/h beschleunigt und mussten sie bei der Ampel wieder stehen bleiben. Wenn sie zu weit vor uns noch waren, konnte ich die Geschwindigkeit nicht schätzen. In der Kolonne bin ich ca. mit 60, 65 km/h gefahren. Der SUV ist zunächst so im Verkehr mitgefahren und irgendwann hat er wohl gemerkt, dass sie vorne ein Wettrennen veranstalten wollen bzw. stärker beschleunigen als üblich. Mein Eindruck war dann, dass er aufgeschlossen hat und mitmachen wollte.
Der Zeuge merkt noch an:
Die Kamera wertet den Abstand von Achse zu Achse aus. Nur der Abstand ist in Wirklichkeit viel geringer, man muss da einiges abziehen. Es war ein dichtes Auffahren. Ich schätze den Abstand auf 2 Meter.“
Die Verhandlung wurde zur Einvernahme des Bf, um diesen näher zu den auf dem Video zu sehenden Fahrweisen zu befragen, vertagt.
Das Verwaltungsgericht Wien führte am 01.06.2023 eine weitere mündliche Verhandlung durch, an der der Bf, der in Begleitung von Herrn O. als seinem Rechtsvertreter erschienen war, teilnahm und dabei Folgendes angab:
„Das Auto war ein BMW X5 und gehört einem S.. Ich war Bevollmächtigter bei dieser Firma und konnte ich das Auto manchmal benutzen.
<Der Rechtsanwalt wirft ein, dass das Auto mittlerweile an die Frau des Beschwerdeführers verkauft wurde.>
Ich war damals in der anderen Filiale in der T.-gasse und bin ich in die U.-gasse gefahren. Das Lokal dort hat bis 24 Uhr geöffnet. Mit mir war eine Frau. Sie kommt manchmal zu uns putzen. Die T.-gasse ist neben der V.. Ich bin zu schnell gefahren am F. Gürtel. Es war das erste Mal bei mir. Ich habe meinen Führerschein seit 20 Jahren und hier in Österreich seit 9 Jahren. Ich kenne Frau M. nicht und auch I. J. nicht.
Über Vorhalt des von der Polizei übermittelten Filmes gebe ich an, die beiden jungen Leute sind vor mir gekommen. Der vordere Lenker hat etwas gebremst. Ich war bereit zum Bremsen. Ich wollte kein Wettrennen machen. Die Polizei hat mir erzählt, dass sie die zwei jungen Leute beobachtet hat und bin ich dazu gekommen.
Über Befragen des BfV:
Einer der jungen Leute ist links neben meinem Auto gestanden, der andere rechts von meinem. Die beiden Lenker wollten dann sofort auf meine Seite vor mir kommen.
Über Befragen des Verhandlungsleiters:
Auf die Frage, warum ich nicht langsamer, z.B. 50 km/h gefahren bin, gebe ich an, es tut mir leid. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so passiert, weil ich schon 20 Jahre mit dem Auto fahre.
Über Befragen des BfV:
Haben Sie gemerkt, dass der Sicherheitsabstand zu dem Vorderfahrzeug so gering wird?
Nein.
Dies bedeutet, dass nicht beabsichtigt war, dass Sie dem Fahrzeug so nahe kommen?
Nein, ich habe es nicht beabsichtigt.
Wurden gegen Sie bislang Verwaltungsstrafen verhängt aufgrund Ihres Verhaltens im Straßenverkehr?
Davor gab es keine Verwaltungsstrafen z.B. wegen Schnellfahrens.“
Mit dem Rechtsanwalt wurde vereinbart, dass mit der Entscheidung noch zugewartet werden solle, ob nicht der VfGH, dessen Session beginne, darüber entscheide. Der Rechtsanwalt werde mitteilen, ab wann er um eine Entscheidung ersuche. Der Rechtsanwalt beantragte noch die Einvernahme der damaligen Beifahrerin, nähere Daten würden noch bekannt gegeben. Die anwesende Partei verzichtete auf die mündliche Verkündung der Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Die maßgebenden Bestimmungen des FSG lauten:
"Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. ...
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
3. als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere
a. erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, sowie jedenfalls Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 80 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 90 km/h,
b. das Nichteinhalten des zeitlichen Sicherheitsabstandes beim Hintereinanderfahren, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand eine Zeitdauer von 0,2 Sekunden unterschritten hat und diese Übertretungen mit technischen Messgeräten festgestellt wurden,
c. das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen
d. die Beteiligung an unerlaubten Straßenrennen oder
e. das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen;
...
(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.
...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Sonderfälle der Entziehung
§ 26. ...
...
(2a) Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 3 genannten Übertretung hat die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen, sofern nicht gemäß Abs. 2 eine längere Entziehungsdauer auszusprechen ist. Eine nach Ablauf von vier Jahren seit der letzten Übertretung begangene derartige Übertretung gilt als erstmalig begangen.
..."
Der Bf hat in seiner Beschwerde (mit näherer Begründung; siehe oben die wörtliche Wiedergabe dieses Teils der Beschwerde) vorgebracht, bei der schriftlichen Erledigung der Landespolizeidirektion handle es sich um ein rechtliches Nullum, also um einen „Nichtbescheid“. Der Entzug der Lenkberechtigung sei schon deshalb zu Unrecht erfolgt.
Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.
Der Bf hat in seiner Beschwerde vorgebracht, es liege kein „Bescheid“ vor, insbesondere wies er darauf hin, dass die ihm zugekommene Ausfertigung nicht unterschrieben, sondern lediglich paraphiert sei. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass der angefochtene Bescheid vom 20.12.2022 von der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, erlassen worden ist. Nach der Rechtsmittelbelehrung scheint auf, dass der Rev. H. i.A. für den Referatsleiter gehandelt und die Entscheidung (sowohl das im Akt befindliche Original, als auch die dem Bf zugekommene Ausfertigung) unterschrieben hat. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn von § 18 Abs. 3 AVG ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein „individueller Schriftzug“ sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen. Eine Paraphe ist keine Unterschrift (vgl. den Beschluss des VwGH vom 21.08.2020, Zl. Ra 2020/02/0165-3). Im vorliegenden Fall besteht der Name des Unterfertigten aus 6 Buchstaben. Aus dem hier zu beurteilenden individuellen Schriftzug, der charakteristische Merkmale aufweist, sind – entgegen den Ausführungen des Bf – jedenfalls der Anfangsbuchstabe sowie einen weiteren Buchstaben, der als letzter Buchstabe des Namens des Genehmigenden gedeutet werden kann, zu lesen. Der hier zu beurteilende Schriftzug weist somit hinreichend jene Merkmale auf, die ihn in charakteristischer Weise dem Träger der Unterschrift zuweisen lassen.
Demnach liegt eine Unterschrift im Sinn des § 18 Abs. 3 AVG vor. Sohin ist die Genehmigung des Bescheides vom 20.12.2022 in einer dem Gesetz entsprechenden Weise erfolgt. Die Ansicht des Bf, dieser Bescheid sei mangels ordnungsgemäßer Genehmigung nicht rechtswirksam erlassen worden, erweist sich als unzutreffend. Bei der dem Bf zugekommenen Ausfertigung handelt es sich um eine „sonstige Ausfertigung“ im Sinne des § 18 Abs. 4 dritter Satz AVG, die dementsprechend zu unterschreiben oder zu beglaubigen gewesen ist. Die dem Bf zugekommene Ausfertigung ist in gleicher Weise wie das Original unterschrieben worden (eine Beglaubigung gibt es nicht). Es gibt daher keine Zweifel, dass gegenüber dem Bf der Bescheid vom 20.12.2022 wirksam geworden ist.
Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass der Bf mit in Rechtskraft erwachsener Strafverfügung vom 31.10.2022 schuldig erkannt wurde, er habe am 06.10.2022 um 22:56 Uhr in Wien, F. Gürtel als Lenker des Pkws mit dem Kennzeichen W-... die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 38 km/h überschritten (Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO 1960 iVm § 99 Abs. 2d StVO 1960) und er habe zu dieser Tatzeit an der Tatörtlichkeit zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde (es sei mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,32 Sekunden festgestellt worden; Übertretung des § 18 Abs. 1 StVO 1960 iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960). Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Laut Anzeige vom 31.10.2022 ist der Meldungsleger auf den Bf und zwei andere Fahrzeuglenker aufmerksam geworden, weil diese mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren seien. Nachdem sie zunächst bei Rotlicht einer Ampel anhalten hätten müssen, hätten diese beim Grünblinken der Ampel beschleunigt, sodass ein Nachkommen gerade noch möglich gewesen sei. Sie hätten sich eine Wettfahrt im relativ dichten Abendverkehr geliefert. Die exakt gleiche Situation hätten die drei Lenker bei einer nächsten Ampel wiederholt. Der Bf habe bei dieser Wettfahrt auch erheblich den Abstand beim Hintereinanderfahren auf das Vorderfahrzeug unterschritten. Die Lenker hätten angegeben, sich nicht zu kennen, sich jedoch lediglich von der Situation mitreißen zu lassen und so ein ungewolltes Wettrennen verursacht zu haben.
Der Bf und auch die beiden anderen Fahrzeuglenker haben im Verfahren stets bestritten, ein Wettrennen durchgeführt zu haben. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass etwa der Bf Angaben in die Richtung gemacht hätte, sie hätten ein Wettrennen durchgeführt. Der Meldungsleger ist aufgrund der Verkehrssituation, wie sie ihm dargestellt hat, davon ausgegangen, dass hier ein (wenn auch nicht geplantes) Wettrennen stattfinde. Auf dem dem Verwaltungsgericht Wien übermittelten Videofilm ist zu sehen, welche Fahrweise der Bf damals an den Tag gelegt hat. Wie dies Insp. R. angemerkt hat, war schon eine Kreuzung vorher (dort erfolgte noch keine Aufnahme) die selbe Fahrweise der beteiligten Fahrzeuglenker zu erkennen. Auf dem Video der Polizei ist zu sehen, dass der Bf auf dem dritten Fahrstreifen (auf dem das von Herrn I. J. gelenkte Fahrzeug sich befindet) wechselt, und dieser dann an dessen Fahrzeug ganz knapp auffährt (der Meldungsleger schätzt einen Abstand von 2 Metern). Er erläuterte auch, dass die Kamera den Abstand von Achse zu Achse auswerte, nur der Abstand sei in Wirklichkeit viel geringer, denn da müsse man einiges abziehen. Auf dem Videofilm ist ein starkes Beschleunigen des Bf und ein äußerst knappes Auffahren auf das Vorderfahrzeug zu erkennen, wobei der Bf durch dieses knappe Auffahren dem Herrn J. offenbar signalisieren wollte, dieser solle ihm Platz machen, denn er wolle mit seinem PS-starken BMW zeigen, dass er seine Geschwindigkeit rasch beschleunigen könne. Dies hat der Bf auch mit der Betätigung der Lichthupe untermauert.
Der Bf hat dann nicht etwa seine Geschwindigkeit auf das zulässige Ausmaß reduziert, sondern hat er vielmehr noch beschleunigt und ist dann wieder auf den rechts daneben liegenden Fahrstreifen gewechselt. Wenn man nun bedenkt, dass damals dichter Straßenverkehr geherrscht hat, dann hätte ein Auffahrunfall (bei erhöhter Geschwindigkeit) zu schwersten Verletzungen der Lenker und auch noch zu weiteren Kollisionen der dahinter fahrenden Fahrzeuge führen können. Dass der Bf nach seinem Vorbringen „bereit zum Bremsen“ gewesen sei, vermag seine Fahrweise nicht in einem günstigeren Licht erscheinen lassen. Er konnte auch keine plausible Erklärung dafür geben, warum er nicht einfach seine Geschwindigkeit (etwa auf die erlaubten 50 km/h) reduziert hat. Wenn er dann noch angibt, er habe nicht einmal bemerkt, dass der Sicherheitsabstand zum Vorderfahrzeug so gering ist, so wirkt sich dies auf die Beurteilung des Verhaltens des Bf nicht etwa günstiger aus, ist doch anzunehmen, dass er offenbar nicht einmal realisiert, wenn er mit überhöhter Geschwindigkeit nur mehr einen äußerst geringen Abstand zum Vorderfahrzeug einhält. Dass ihm dies nicht aufgefallen ist (er es nicht bemerkt hat), stimmt – was die Verkehrszuverlässigkeit des Bf betrifft – eher bedenklich.
Ausgehend von der (unbestritten gebliebenen) überhöhten Geschwindigkeit und dem (auf dem übermittelten Videofilm zu sehenden) Fahrverhalten des Bf (äußerst geringer Abstand zum Vorderfahrzeug) zur fraglichen Zeit und am fraglichen Ort ist davon auszugehen, dass ein Verhalten gesetzt wurde, dass an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen.
In den Fällen, für die bereits im Gesetz eine fixe bzw. eine Mindestentziehungsdauer normiert ist, hat schon die Verwirklichung einer bestimmten Tatsache iSd § 7 Abs. 3 FSG 1997 zur Entziehung der Lenkberechtigung für die im Gesetz bestimmte (Mindest-)Dauer zu führen und eine Wertung iSd § 7 Abs. 4 FSG 1997 zu entfallen.
Für ein Unterschreiten der gesetzlich vorgegebenen Mindestentziehungsdauer fehlt eine gesetzliche Grundlage. Bei Vorliegen der in § 26 Abs. 1 bis 3 FSG 1997 umschriebenen Voraussetzungen ist daher jedenfalls eine Entziehung der Lenkberechtigung für den jeweils vorgesehenen fixen Zeitraum bzw. Mindestzeitraum auszusprechen. Nichts anderes gilt für die Fälle des § 26 Abs. 2a FSG 1997, für die das Gesetz eine Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten normiert (siehe dazu das Erkenntnis des VwGH vom 27.05.2014, Zl. 2013/11/0112).
Ist also im vorliegenden Fall von einer erstmaligen Begehung einer im § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG 1997 genannten Übertretung auszugehen, so sieht eben für einen solchen Fall § 26 Abs. 2a leg.cit. eine Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten vor.
Für den Beschwerdefall folgt daraus, dass sich die von der belangten Behörde ausgesprochene achtmonatige Dauer der Entziehung nur dann als rechtmäßig erweisen kann, wenn Umstände vorliegen, die – sei es aufgrund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung, sei es aufgrund es bisherigen Verhaltens des Bf – die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigt und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich macht. Dass derartige besondere Umstände im Beschwerdefall vorgelegen wären, ist dem angefochtenen Bescheid und dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.
Gemäß § 26 Abs. 2 FSG 1997 hat im Falle der erstmaligen Begehung einer im § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG 1997 genannten Übertretung die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen. Aufgrund der obigen Erwägungen war daher gemäß § 26 Abs. 2a FSG 1997 die Lenkberechtigung für die Dauer von sechs Monaten zu entziehen.
Bemerkt sei auch, dass private und berufliche Umstände bei einer Entziehung der Lenkberechtigung aus Gründen des öffentlichen Interesses, u.a. verkehrsunzuverlässige Lenker von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, außer Betracht zu bleiben haben (siehe das Erkenntnis des VwGH vom 14.11.1995, Zl. 95/11/0300).
Die belangte Behörde hat unter Punkt 2. auch eine Nachschulung angeordnet. Diese Anordnung gründet sich auf § 24 Abs. 3 FSG 1997. Gegen diese Maßnahme wird in der Beschwerde nichts Substanzielles vorgebracht.
Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher abzuweisen.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich keine über die Bedeutung des Einzelfalles hinausgehenden Rechtsfragen stellten.
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