VwGH 86/18/0213

VwGH86/18/021322.3.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Walter N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Juni 1986, Zl. MA 70-7/3221/86/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VStG §47 Abs2;
VStG §64 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §13 Abs3;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VStG §47 Abs2;
VStG §64 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Wiener Landesregierung erkannte in einem Strafverfahren wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 mit dem angefochtenen Berufungsbescheid über einen gemäß § 49 Abs. 2 VStG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990 als Berufung nur in der Straffrage zu behandelnden Einspruch des Beschwerdeführers dahin, daß ihm keine Folge gegeben werde. Dem Beschwerdeführer wurde ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

In der wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird als alleiniger Beschwerdepunkt geltend gemacht, daß die Urschrift der Strafverfügung nicht unterschrieben gewesen sei. Es liege somit kein Bescheid vor; die Berufungsbehörde hätte den als Berufung zu wertenden Einspruch als unzulässig zurückweisen müssen, dem Beschwerdeführer wären keine Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorliegen zweier Gegenschriften der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 4 AVG in der Fassung BGBl. Nr. 199/1982, welche Fassung sowohl zur Zeit der Datierung der "Strafverfügung" vom 28. April 1986 als auch zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides galt, müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. Daß diese Vorschrift nach der damaligen Rechtslage auch für sogenannte Computerstrafverfügungen nach § 47 Abs. 2 VStG galt, ist seit dem Erkenntnis vom 11. Dezember 1986, Slg. N.F. Nr. 12.333/A, ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe auch Erkenntnis vom 25. April 1988, Slg. NF Nr. 12.710/A).

An die im Akt erliegende Urschrift der "Strafverfügung" vom 28. April 1986 sind die Maßstäbe der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über den Begriff der Unterschrift im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG in der obigen Fassung anzulegen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. Oktober 1979, Slg. N.F. Nr. 5423/F, ausführte, ist eine Unterschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann. Es ist nicht zu verlangen, daß die Unterschrift lesbar ist. Es muß aber ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individueller Schriftzug sein, der entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5. Juni 1985, Zl. 84/11/0178, ausgeführt hat, kann einem behördlichen Schriftstück rechtliche Verbindlichkeit dann nicht zukommen, wenn es der Unterschrift im obigen Sinn ermangelt. Einem derartigen Schriftstück mangelt der Charakter einer behördlichen Erledigung und damit die Rechtsnatur eines Bescheides.

Auf der fraglichen "Strafverfügung", Seite 6 des Verwaltungsstrafaktes, finden sich sowohl im freigelassenen weißen Raum unter dem Spruch im Sinne des § 44a VStG als auch in dem blauen Raum zwischen dem Ausspruch über die Ersatzarreststrafe und der Rechtsmittelbelehrung offenbar im Durchschreibeverfahren entstandene graphische Gebilde von Menschenhand, die aber nicht die geringste Ähnlichkeit mit irgendwelchen Buchstaben einer in Mitteleuropa üblichen Schreibschrift aufweisen, geschweige denn auch nur annähernd leserlich sind. Keines dieser Gebilde erweckt beim Betrachter den Eindruck einer Unterschrift; der Betrachter kommt nicht einmal zur Aussage, die beiden Gebilde sollten ein- und dieselbe Unterschrift darstellen. Die in der zeitlich zweiten Gegenschrift der belangten Behörde aufgestellte Behauptung, es handle sich "einwandfrei (um) die Durchschrift der Signatur des Bezirksleiters ... des Kommissariates Favoriten", kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht verifiziert werden. Der Umstand, daß ein ähnliches Gebilde auf Aktenseite 12 des Verwaltungsstrafaktes über den Vordruck "Der Bezirksleiter:" gesetzt wurde, ändert nichts an der allein aus der "Strafverfügung" zu gewinnenden Beurteilung.

Da somit die Urschrift der angeblichen Strafverfügung keine Unterschrift im obigen Sinne aufweist, lag in erster Instanz kein Bescheid vor.

Die Berufungsbehörde durfte daher nicht meritorisch über den Einspruch absprechen, sondern hätte ihn mangels eines Anfechtungssubstrates zurückweisen müssen. In einem solchen Falle wäre es auch unzulässig gewesen, dem Einspruchswerber Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren an S 30,-- weiteren Stempelmarken war deshalb abzuweisen, weil es nur der Vorlage des aus einem Bogen bestehenden angefochtenen Bescheides bedurfte, allenfalls einer Kopie der Urschrift der angeblichen Strafverfügung; vorgelegt wurde aber eine - im Hinblick auf § 18 Abs. 4 letzter Satz AVG in der obigen Fassung unbedenkliche - Ausfertigung der "Strafverfügung". Eine solche Ausfertigung war aber nicht Gegenstand der vom Verwaltungsgerichtshof zu lösenden Rechtsfrage.

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