BVwG W289 2233816-2

BVwGW289 2233816-25.4.2023

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W289.2233816.2.00

 

Spruch:

 

W289 2233816-2/24E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Lubenovic über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2020, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von 22.09.2020 bis 05.10.2020, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stattgegeben und der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2020, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von 22.09.2020 bis 05.10.2020 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-AufwErsV hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 767,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger der Türkei, hält sich seit dem Jahr 1988 im österreichischen Bundesgebiet auf. Da er im Zuge seines Aufenthaltes wiederholt straffällig geworden war, erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) gegen ihn mit rechtskräftigem Bescheid vom 04.07.2019 unter anderem eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot.

2. Unmittelbar nach der Entlassung aus der Strafhaft am 24.07.2020 wurde der BF festgenommen und mit Mandatsbescheid des BFA vom selben Tag, über ihn gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3. Am 27.07.2020 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Noch am selben Tag hielt das BFA in einem - dem BF ausgefolgten - Aktenvermerk fest, dass die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht bleibe, weil „zum jetzigen Zeitpunkt“ im Sinne der genannten Bestimmung Gründe für die Annahme bestünden, der Antrag auf internationalen Schutz sei vom BF zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden.

4. Mit Bescheid vom 03.08.2020 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab, erteilte dem BF von Amts wegen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.

5. Eine gegen den Schubhaftbescheid vom 24.07.2020 und die Anhaltung in Schubhaft erhobene Beschwerde vom 06.08.2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) mit, in der mündlichen Verhandlung am 12.08.2020 verkündetem und mit 27.08.2020 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis, Zl. XXXX , hinsichtlich des Schubhaftbescheides und der Anhaltung des BF in Schubhaft vom 24.07.2020 bis zum 27.07.2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet ab. In Bezug auf die Anhaltung des BF vom 27.07.2020 bis zum 12.08.2020 gab das BVwG der Beschwerde hingegen gemäß § 76 Abs. 6 FPG statt und stellte fest, dass die Anhaltung in Schubhaft im genannten Zeitraum - mangels tragfähiger Argumente im Aktenvermerk vom 27.07.2020 bezüglich der angenommenen Verzögerungsabsicht - rechtswidrig gewesen sei. Ferner stellte das BVwG gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.

6. Der gegen den Bescheid des BFA vom 03.08.2020 erhobenen Beschwerde erkannte das BVwG mit Beschluss vom 17.09.2020 die aufschiebende Wirkung zu.

7. Mit gegenständlich angefochtenem Mandatsbescheid vom 22.09.2020 ordnete das BFA über den durchgehend angehaltenen BF nunmehr gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Verhängung der Schubhaft „zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme“ an.

8. In der gegen diesen Schubhaftbescheid vom 22.09.2020 und die darauf gegründete Anhaltung in Schubhaft erhobenen gegenständlichen Beschwerde wurde unter anderem vorgebracht, dass der BF von seiner jahrelangen XXXX schwer gezeichnet sei, nach wie vor an einer schweren XXXX leide, XXXX sei und XXXX nehme. Unter Hinweis auf einen der Beschwerde beigelegten Befund wies der BF überdies darauf hin, an XXXX zu leiden und eine Therapie zu benötigen, die in der Haft jedoch nicht möglich sei. Wegen der aktuellen Situation bezüglich COVID-19 befürchte er außerdem, im Polizeianhaltezentrum nicht ausreichend vor einer Infektion geschützt und versorgt zu sein.

9. In seiner Stellungnahme im Rahmen der Aktenvorlage am 29.09.2020 führte das BFA bezüglich des Gesundheitszustandes des BF aus, dass sich seit dem Erkenntnis des BVwG vom 12.08.2020 keine Veränderungen ergeben hätten und der BF haftfähig sei.

10. Mit Erkenntnis vom 05.10.2020 wies das BVwG im gegenständlichen Verfahren, Zl. XXXX die Beschwerde - ohne Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung - gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet ab und stellte gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Zugleich wies es den Antrag des BF auf Kostenersatz gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG ab und verpflichtete ihn gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 VwG-AufwErsV zum Aufwandersatz an den Bund. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

11. Gegen dieses Erkenntnis erhob der BF eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden: VwGH).

12. Mit Erkenntnis des VwGH vom 15.11.2022, Ra 2020/21/0442, hob der VwGH das obengenannte Erkenntnis des BVwG im gegenständlichen Verfahren vom 05.10.2020, Zl. XXXX wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und sprach dem BF den Ersatz seiner Aufwendungen zu. Der VwGH führte in seinen Entscheidungsgründen aus, dass zwar eine Haftfähigkeit des BF durch das BVwG festgestellt worden sei, eine Einbeziehung seines Gesundheitszustandes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft aber unterblieben sei, was einen wesentlichen Begründungsmangel darstelle (Rn. 14). Zudem liege eine Verletzung der Verhandlungspflicht vor. Bei der - ausreichend substantiierten - Darlegung der Unverhältnismäßigkeit aufgrund gesundheitlicher Probleme in der Beschwerde habe nicht von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgegangen werden dürfen. Dieser Mangel hafte auch dem Schubhaftbescheid vom 22.09.2020 an, in dem sich das BFA mit den gesundheitlichen Problemen, die der BF bereits in der mündlichen Verhandlung am 12.08.2020 vorgebracht habe und die somit aktenkundig gewesen seien, ebenfalls nur im Lichte der Haftfähigkeit befasst und nicht in die Verhältnismäßigkeitsprüfung eingezogen habe (Rn. 15, 16).

13. Der BF erhob auch betreffend das folgende Haftüberprüfungsverfahren des BVwG eine Revision, das unmittelbar nach dem gegenständlichen Fortsetzungsausspruch am 05.10.2020 geführt wurde (vgl. Zl. XXXX vom 23.11.2020). Der VwGH entschied mit gleichem Datum und mit gleichlautender Begründung, dass das Unterbleiben der Einbeziehung des Gesundheitszustandes des BF im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft einen wesentlichen Begründungsmangel darstelle, weil eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes - selbst wenn daraus keine Haftunfähigkeit resultiert - bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Unzulässigkeit von Schubhaft führen kann (VwGH 15.11.2022, Ra 2020/21/0538, Rn. 5).

14. Die gegenständliche Rechtssache wurde der Gerichtsabteilung W289 mit 07.12.2022 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.14. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1.2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

1.2.1. Der BF ist ein volljähriger türkischer Staatsangehöriger, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Seine Identität steht fest. Er hält sich seit 1988 im österreichischen Bundesgebiet auf. Von 15.10.2003 bis 15.04.2019 war der BF im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels ( XXXX ).

1.2.2. Es besteht gegen den BF seit dem 08.08.2019 eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme und ein Einreiseverbot in der Dauer von 6 Jahren ( XXXX ).

1.2.3. Am 27.07.2020 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz ( XXXX ). Mit Bescheid des BFA vom 03.08.2020 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit Beschluss des BVwG vom 17.09.2020, Zl. XXXX , wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss des BVwG vom 12.10.2020, Zl. XXXX , wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA verwiesen.

1.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer der Schubhaft

1.3.1. Der BF war zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft sowie während der Anhaltung in Schubhaft haftfähig.

1.3.2. Der BF war zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft sowie während der gegenständlichen Anhaltung in Schubhaft jedoch nicht gesund. Er leidet an einer XXXX und nach wie vor an einer schweren XXXX . Er ist XXXX und nimmt regelmäßig XXXX . Zudem leidet der BF an XXXX und benötigt eine entsprechende Therapie.

1.3.3. Die Organisation der Flugabschiebung des BF wurde am 13.07.2020 eingeleitet und ein Abschiebetermin am 15.07.2020 für den 31.07.2020 bestätigt. Eine Abschiebung des BF in die Türkei unmittelbar nach Durchführbarkeit der Rückkehrentscheidung war möglich.

1.3.4. Seit seiner Entlassung aus der Strafhaft am 24.07.2020 wurde der BF in Schubhaft angehalten. Am 07.01.2021 wurde er aus der Schubhaft entlassen ( XXXX ).

1.4. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

1.4.1. Der BF hält sich seit 1988 im österreichischen Bundesgebiet auf.

Während seines Aufenthalts im Bundesgebiet wurde der BF wiederholt straffällig und insgesamt acht Mal von inländischen Strafgerichten rechtskräftig verurteilt.

1. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 12.01.2007 wurde der BF gemäß XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

2. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 25.09.2007 wurde der BF gemäß XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt.

3. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 26.01.2011 wurde der BF gemäß XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Wochen, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.05.2013 wurde der BF XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt.

5. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 14.08.2013 wurde der BF gemäß XXXX rechtskräftig verurteilt. Unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.05.2013 wurde von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen.

6. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 11.03.2014 wurde der BF gemäß XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten rechtskräftig verurteilt.

7. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 13.09.2018 wurde der BF gemäß XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten rechtskräftig verurteilt.

8. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 13.11.2019 wurde der BF gemäß XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten rechtskräftig verurteilt. Aufgrund dieser Verurteilung befand sich der Beschwerdeführer bis 24.07.2020 in Strafhaft.

Zuletzt verbüßte der BF von 27.10.2019 bis 24.07.2020 eine Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt.

1.4.2. Der BF verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz (vgl. XXXX ).

Der BF befand sich seit dem Jahr 2010 von 27.10.2019 bis 16.01.2020, von 31.10.2018 bis 28.06.2019, von 06.10.2014 bis 07.06.2017, von 23.04.2014 bis 30.04.2014, von 14.02.2013 bis 18.06.2013 und von 06.11.2010 bis 13.11.2010 in Justizvollzugsanstalten bzw. Polizeianhaltezentren in Haft (vgl. XXXX ).

1.4.3. Der BF ist nicht vertrauenswürdig, er missachtete die Bestimmungen des österreichischen Meldegesetztes. Der BF war obdachlos gemeldet, obwohl er tatsächlich Unterkunft in einer Wohnung von einem Kollegen bzw. einer Freundin genommen hatte. Dies war jedenfalls seit dem Jahr 2018 der Fall. Er war nicht bei seinen Familienangehörigen gemeldet, obwohl er tatsächlich dort Unterkunft genommen hatte. Der XXXX des BF wollte ihn nicht behördlich melden. Der BF hat bereits in der Vergangenheit die Wohnung seines Bruders verlassen und sich obdachlos gemeldet.

1.5. Zur familiären und sozialen Komponente

1.5.1. Die XXXX des BF, seine XXXX und XXXX leben in Österreich. Der BF hat Kontakt mit seinem Bruder.

1.5.2. Der BF verfügt in Österreich über keine Meldeadresse außerhalb des Polizeianhaltezentrums. Der BF war trotz seiner im Bundesgebiet niedergelassen Familienangehörigen während seines Aufenthalts in Österreich insgesamt über 30 Monate und seit dem 12.06.2017 mehr als 13 Monate als obdachlos gemeldet (vgl. XXXX ).

1.5.3. Während seines Aufenthalts in Österreich ging der BF keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er war vor Anordnung der Schubhaft in Österreich nicht beruflich verankert. Er verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung und über kein Bargeld.

1.5.4. Der BF ist zumindest in einem kleinen Maße sozial verankert und hat Familienangehörige in Österreich.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem gegenständlichen Akt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den Akten der Vorverfahren, konkret dem Akt des vorangegangenen Schubhaftverfahrens XXXX und aus den in weiterer Folge ergangenen Erkenntnissen des BVwG samt zugehöriger Verfahrensakten den BF betreffend, der Schubhaftverfahren XXXX . Außerdem wurde Einsicht genommen in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des BFA vom 03.08.2020 betreffend die Abweisung seines gestellten Antrages auf internationalen Schutz im Verfahren XXXX . Einsicht genommen wurde zudem in das Strafregister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Zentrale Fremdenregister, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres sowie in das Zentrale Melderegister.

2.1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes und dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes. Diesen Feststellungen wurde vom BF in seiner Beschwerde nicht entgegengetreten.

2.2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.2.1. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA und der dagegen erhobenen Beschwerde. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Volljährigkeit des BF beruhen auf dem unbestrittenen Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

2.2.2. Die Feststellung, dass gegen den BF seit dem 08.08.2019 eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme und ein Einreiseverbot in der Dauer von 6 Jahren besteht, ergibt sich aus dem Verfahrensakt und dem Akt des Vorverfahrens ( XXXX 1).

2.2.3. Dass der BF am 27.07.2020 im Stande der Schubhaft einen Asylantrag stellte, fußt ebenfalls auf dem unbestrittenen Akteninhalt. Die Feststellungen zum Verfahren hinsichtlich des Antrags auf internationalen Schutz und der Schubhaft waren aufgrund der Einsicht in die jeweiligen gerichtlichen Entscheidungen zu treffen ( XXXX ).

2.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer der Schubhaft

2.3.1. Die Haftfähigkeit des BF ergibt sich daraus, dass keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen. Die Feststellung, wonach der BF haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich insbesondere zum einen aus einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, wo sich keine Einträge finden, die auf solche gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen hindeuten, die eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers bewirken würden. Zum anderen hat der BF auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 12.08.2020 ( XXXX ) zunächst angegeben, dass es ihm gut gehe und er gesund sei. Erst auf die konkrete Frage nach dem Gesundheitszustand führte der BF ins Treffen, dass er gesundheitliche Probleme habe, XXXX machen wolle. Zudem wolle er in Freiheit auch eine XXXX beginnen. Dass der BF XXXX erhält und Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft und geht auch aus einem sich im Gerichtsakt des BVwG zur Geschäftszahl XXXX einliegenden amtsärztlichen Gutachten vom 11.08.2020 hervor. Laut diesem Gutachten befand sich der BF zu diesem Zeitpunkt im XXXX , war gut eingestellt, wies keine XXXX auf und war haftfähig. Die weiteren Angaben des BF, dass er gesundheitliche Probleme habe und XXXX sei, stehen mit der XXXX in Einklang. Die vorgebrachte XXXX ist durch den im Rahmen der gegenständlichen Beschwerde vorgelegten Laborbefund belegt ( XXXX ). Es ist notorisch, dass Schubhäftlinge in Anhaltung - wie auch der BF - medizinisch betreut und versorgt werden. Auch aus dem erstmals in der gegenständlichen Beschwerde erstatteten Vorbringen, dass der BF außerdem an Knieproblemen leide und nur schwer sitzen könne, kann in keiner Weise auf eine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigung oder Erkrankung geschlossen werden, zumal dieses Vorbringen auch nicht durch die Vorlage medizinischer Beweismittel untermauert worden ist, sondern nur unsubstantiiert behauptet wurde. Weiters hat die Landespolizeidirektion XXXX auf Ersuchen des BVwG am 05.10.2020 unter Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens vom selben Tag mitgeteilt, dass beim BF auch aktuell keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen.

Das BVwG geht daher davon aus, dass keine Haftunfähigkeit vorliegt. Hinweise dafür, dass der BF einer signifikant erhöhten Gefahr einer Infektion mit COVID-19 im Polizeianhaltezentrum, wo er in Schubhaft angehalten wurde, ausgesetzt war, haben sich im gegenständlichen Verfahren nicht ergeben.

2.3.2. Dass der BF nicht gesund ist, ergibt sich aus dem oben genannten amtsärztlichen Gutachten vom 11.08.2020 sowie aus dem in der Beschwerde vorgelegten Befund vom 13.02.2020 und dem Vorbringen des BF.

In der gegen den Schubhaftbescheid vom 22.09.2020 und gegen die darauf gegründete Anhaltung in Schubhaft erhobenen Beschwerde vom 29.09.2020 ( XXXX wurde unter anderem vorgebracht, dass der BF von seiner XXXX schwer gezeichnet sei, nach wie vor an einer schweren XXXX leide, XXXX sei und XXXX nehme. Unter Hinweis auf einen der Beschwerde beigelegten Befund wies der BF überdies darauf hin, an XXXX zu leiden und eine Therapie zu benötigen, die in der Haft jedoch nicht möglich sei. Wegen der aktuellen Situation bezüglich COVID-19 befürchte er außerdem, im Polizeianhaltezentrum nicht ausreichend vor einer Infektion geschützt und versorgt zu sein.

In seiner Stellungnahme im Rahmen der Aktenvorlage am 29.09.2020 führte das BFA bezüglich des Gesundheitszustandes des BF aus, dass sich seit dem Erkenntnis des BVwG vom 12.08.2020 keine Veränderungen ergeben hätten und der BF haftfähig sei.

2.3.3. Die Feststellungen zur geplanten Flugabschiebung des BF waren aufgrund der im Akt aufliegenden Flugbuchungsbestätigungen zu treffen. Die Feststellungen zur möglichen Abschiebung unmittelbar nach Durchführbarkeit im Asylverfahren ergeben sich aus dem Akteninhalt, wonach Flugabschiebungen in die Türkei auch möglich sind, zumal im konkreten Fall auch eine Flugabschiebung bereits für 31.07.2020 gebucht war.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung des BF innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer grundsätzlich ausgeschlossen wäre oder eine Abschiebung zeitnah nach Durchführbarkeit der Rückkehrentscheidung nicht erfolgen könnte.

2.3.4. Dass der BF seit dem 24.07.2020 in Schubhaft angehalten wurde, war aufgrund des Akteninhaltes und der Einsichtnahme in die Anhaltedatei festzustellen. Aus dieser ergibt sich auch der Zeitpunkt seiner Entlassung aus der Schubhaft ( XXXX ).

2.4. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.4.1. Die Feststellungen zum Aufenthalt des BF im Bundesgebiet ergeben sich aus dem Akteninhalt. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

2.4.2. Die Feststellungen zu den Zeiträumen, die der BF in Justizvollzugsanstalten bzw. Polizeianhaltezentren in Haft verbrachte, ergeben sich ebenfalls aus den Eintragungen im Melderegister. Aus dem Melderegister ist zu ersehen, dass der BF über keine Meldeadresse außerhalb des Anhaltezentrums verfügte.

2.4.3. Die fehlende Vertrauenswürdigkeit des BF ergibt sich zunächst bereits aus der Tatsache, dass er bereits acht Mal von österreichischen Gerichten aufgrund von Strafrechtsdelikten teils zu Freiheitsstrafen rechtskräftig verurteilt wurde. Zudem missachtete der BF mehrfach die Bestimmungen des österreichischen Meldegesetzes und war dies aufgrund des Akteinhaltes festzustellen. Auch dass der BF bereits in der Vergangenheit die Wohnung seines Bruders verlassen hat, als dieser ihn seinen Angaben zufolge genervt hatte und der BF sich sodann obdachlos meldete, fußt auf den eigenen Angaben des BF (vgl. XXXX ).

2.5. Familiäre und soziale Komponente

2.5.1. Ebenso ergeben sich die Feststellungen zu den in Österreich lebenden Familienangehörigen des BF aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.

2.5.2. Dass der BF in Österreich über keine Meldeadresse außerhalb des Polizeianhaltezentrums verfügt und er trotz seiner im Bundesgebiet niedergelassen Familienangehörigen während seines Aufenthalts in Österreich insgesamt über 30 Monate und seit dem 12.06.2017 mehr als 13 Monate als obdachlos gemeldet war, ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Melderegister.

2.5.3. Die Feststellungen hinsichtlich der Erwerbstätigkeit und finanziellen Situation des BF waren aufgrund seiner eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung im Vorverfahren, Zl. XXXX , zu treffen (vgl. XXXX ).

2.5.4. Dass der BF zumindest in einem kleinen Maße sozial verankert ist und Familienangehörige in Österreich hat, ergibt sich bereits aus den Angaben des BF und des in der mündlichen Beschwerdeverhandlung als Zeugen einvernommenen Bruders des BF (vgl. XXXX ).

2.5.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Schubhaft (FPG)

„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere soferna. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oderc. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

 

Gelinderes Mittel (FPG)

 

„§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder2. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

 

Dauer der Schubhaft (FPG)

 

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen

Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den

Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen

Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon

unberührt.(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier

Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die

amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft

anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

„Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.“

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

„Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf.

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:a. mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,b. Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.“

 

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war der BF volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich war. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde durch die belangte Behörde mit gegenständlich angefochtenem Mandatsbescheid vom 22.09.2020 über den durchgehend angehaltenen BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Verhängung der Schubhaft „zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme“ angeordnet.

Gegen den im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes vom 22.09.2020 sowie die Anhaltung in Schubhaft seit dem 22.09.2020 wurde vom damaligen Vertreter des BF am 29.09.2020 die gegenständliche Beschwerde erhoben. Unter Vorlage eines Laborbefundes vom 13.01.2020 wurde vom damaligen Vertreter des BF im Wesentlichen vorgebracht, dass keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG vom BF ausgehe. Zudem habe die belangte Behörde keine Prüfung der in der Rechtsprechung des VwGH entwickelten Anforderungen an eine Gefährdungsannahme iSd § 67 FPG durchgeführt. So lasse der angefochtene Bescheid eine ausführliche Auseinandersetzung mit den bisherigen Urteilen, insbesondere den vorliegenden Milderungsgründen, vermissen. Weiters habe durch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch keine Auseinandersetzung mit der voraussichtlichen Dauer des anhängigen Asylverfahrens im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung stattgefunden. Auch liege im Falle des BF keine Fluchtgefahr vor, da die Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 5 und 9 FPG nicht erfüllt seien. Auch unter Zugrundelegung des Gesundheitszustandes des BF erweise sich die Haft als unverhältnismäßig. Der BF sei von seiner XXXX schwer gezeichnet und leide nach wie vor an einer XXXX ein, um keinen Rückfall zu erleiden. Zudem gehe aus dem beigelegten Befund hervor, dass der BF an XXXX leide. Aufgrund dieser Erkrankung befürchte er aufgrund der derzeitigen Situation bezüglich COVID-19 in jenem Polizeianhaltezentrum, wo er angehalten werde, nicht ausreichenden Schutz und Versorgung erlangen zu können. Zudem leide er unter Knieproblemen und könne nur schwer sitzen. Jedenfalls hätte aber mit gelinderen Mitteln vorgegangen werden können. Im Rahmen der Beschwerde wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und den angefochtenen Bescheid zu beheben. Weiters wurden Kostenersatz und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Das Bundesamt legte am 29.09.2020 den Verwaltungsakt vor und erstattete im Zuge der Aktenvorlage eine Stellungnahme, in der insbesondere darauf hingewiesen wurde, dass sich die Dauer der Schubhaft nach der verkürzten Entscheidungsfrist des BVwG gemäß § 22 Abs. 6 AsylG 2005 bemesse. Aufgrund des Umstandes, dass der BF über ein gültiges Reisedokument verfüge, sei eine Abschiebung wenige Wochen nach der Entscheidung des BVwG möglich. Auch die aktuelle Situation im Zusammenhang mit COVID-19 habe in Bezug auf den Herkunftsstaat des BF schon bisher keinerlei Auswirkungen gehabt, was durch den Umstand bekräftigt werde, dass bereits in der Vergangenheit für den 31.07.2020 eine Flugbuchung stattgefunden habe. Zur Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den BF werde auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid sowie auf die Ausführungen im Erkenntnis des BVwG vom 12.08.2020 verwiesen. Bezüglich des Gesundheitszustandes des BF wurde ausgeführt, dass dieser haftfähig sei. Abschließend wurde vom Bundesamt ausgeführt, dass sich seit dem Erkenntnis des BVwG vom 12.08.2020 keine Veränderung hinsichtlich der Fluchtgefahr, der Gefahr des BF für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie seines Gesundheitszustandes ergeben habe. Die Anordnung eines gelinderen Mittels könne aufgrund des Gesamtverhaltens des BF ausgeschlossen werden. Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes sei die Anhaltung des BF in Schubhaft weiterhin als verhältnismäßig anzusehen. Das Bundesamt beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen sowie den BF zum Ersatz der Kosten für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand zu verpflichten.

Die im gegenständlichen Verfahren erhobene Beschwerde vom 29.09.2020 wurde mit Erkenntnis des BVwG, Zl. XXXX vom 05.10.2020 - ohne Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung - gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Gegen dieses Erkenntnis erhob der BF eine außerordentliche Revision an den VwGH.

Mit Erkenntnis des VwGH vom 15.11.2022, Ra 2020/21/0442, hob der VwGH das obengenannte Erkenntnis des BVwG im gegenständlichen Verfahren vom 05.10.2020, Zl. XXXX wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und sprach dem BF den Ersatz seiner Aufwendungen zu. Der VwGH führte in seinen Entscheidungsgründen aus, dass zwar eine Haftfähigkeit des BF durch das BVwG festgestellt worden sei, eine Einbeziehung seines Gesundheitszustandes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft aber unterblieben sei, was einen wesentlichen Begründungsmangel darstelle (Rn. 14). Zudem liege eine Verletzung der Verhandlungspflicht vor. Bei der – ausreichend substantiierten - Darlegung der Unverhältnismäßigkeit aufgrund gesundheitlicher Probleme in der Beschwerde habe nicht von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgegangen werden dürfen. Dieser Mangel hafte auch dem Schubhaftbescheid vom 22.09.2020 an, in dem sich das BFA mit den gesundheitlichen Problemen, die der BF bereits in der mündlichen Verhandlung am 12.08.2020 vorgebracht habe und die somit aktenkundig gewesen seien, ebenfalls nur im Lichte der Haftfähigkeit befasst und nicht in die Verhältnismäßigkeitsprüfung eingezogen habe (Rn. 15, 16).

Die folgende Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft erfolgt somit im zweiten Rechtsgang.

3.1.5. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG angeordnet.

Die Schubhaft darf im vorliegenden Fall gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG nur angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 FPG gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

Der BF war zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides am 22.09.2020 und während des gegenständlich zu überprüfenden Anhaltezeitraumes von 22.09.2020 bis zum 05.10.2020 Asylwerber iSd § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 (vgl. 1.2.3.). Sein Asylverfahren befand sich im Stande der Beschwerde und war ein diesbezügliches Beschwerdeverfahren seit 04.09.2020 vor dem BVwG anhängig.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen (§ 76 Abs. 2 zweiter Satz FPG). Seit dem 08.08.2019 besteht gegen den BF eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot in der Dauer von sechs Jahren (vgl. 1.2.2.), somit ist diese Tatbestandvoraussetzung erfüllt.

3.1.6. Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit

Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, warum es eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den BF als gegeben ansieht. Insbesondere wurde dabei auf die insgesamt acht strafgerichtlichen Verurteilungen verwiesen und unter Zitierung von Auszügen aus dem Erkenntnis des BVwG vom 12.08.2020, Zl. XXXX ausgeführt, dass es sich bei der Mehrzahl der Verurteilungen um XXXX handle. Daraus ergebe sich eindeutig, dass der BF bisher nicht gewillt gewesen sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten.

Insoweit im Rahmen der Beschwerde somit vorgebracht wird, dass die belangte Behörde keine Prüfung der in der Rechtsprechung des VwGH entwickelten Anforderungen an eine Gefährdungsprognose iSd § 67 FPG durchgeführt habe, da der angefochtene Bescheid eine ausführliche Auseinandersetzung mit den bisherigen Urteilen, insbesondere mit den vorliegenden Milderungsgründen vermissen lasse, ist auszuführen, dass entsprechend der Judikatur des VwGH nicht jeder Begründungsmangel Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides bewirkt, sondern nur ein wesentlicher Mangel. Das ist ein solcher, der zur Folge hat, dass die behördliche Entscheidung in ihrer konkreten Gestalt die konkret verhängte Schubhaft nicht zu tragen vermag. Ob ein wesentlicher Begründungsmangel vorliegt, ist stets eine Frage des Einzelfalls (vgl. VwGH 05.10.2017, 2017/21/0007).

Im gegenständlichen Fall kann vom BVwG nicht erkannt werden, dass der vorliegende Schubhaftbescheid aufgrund der mangelhaften Prüfung der Anforderungen an eine Gefährdungsprognose iSd § 67 FPG mit einem solchen wesentlichen Mangel behaftet wäre. In Zusammenschau mit der im angefochtenen Bescheid auszugsweise wiedergegebenen Begründung des Erkenntnisses des BVwG vom 12.08.2020, warum der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 67 FPG gefährdet, stellt sich die vom Bundesamt vorgenommene Gefährdungsprognose als ausreichend dar. Vor diesem Hintergrund kann den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen nicht gefolgt werden und erweist sich - auch unter Berücksichtigung der einschlägigen Judikatur des VwGH im Zusammenhang mit XXXX - die vom BF ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit als bereits in einem Ausmaß gegeben, das die Anforderungen des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt.

Das erkennende Gericht kommt ebenfalls zu einem entsprechenden Ergebnis. Der BF wurde bereits acht Mal rechtskräftig verurteilt, zuletzt am 26.10.2019 zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten. Er hat eine XXXX begangen, insbesondere hat er mehrmals gewerbsmäßig XXXX . Gerade an der Einhaltung der Bestimmungen des XXXX liegt ein besonders hohes staatliches Interesse. Diesem Interesse hat der BF massiv zuwidergehandelt, weshalb sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet und ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF besteht. Der BF konnte trotz mehrfacher Verurteilungen und dem Verspüren des Haftübels nicht von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden, was auch auf die Gefährdungsprognose durchschlägt. Daher ist die vom BF ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit als bereits in einem Ausmaß gegeben, das die Anforderungen des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt.

3.1.7. Zur Fluchtgefahr

Das Bundesamt führt im angefochtenen Bescheid begründend im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass Fluchtgefahr gegeben sei, da der BF die bereits geplante und gebuchte Abschiebung am 31.07.2020 durch seinen Asylantrag aus dem Stande der Schubhaft vereitelt habe. Eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem sechsjährigen Einreiseverbot sei seit dem 08.08.2019 rechtskräftig. Bei der Erlassung dieser Entscheidung sei der BF untergetaucht bzw. als obdachlos gemeldet gewesen und habe sich somit der Vollstreckung dieser Entscheidung entzogen. Weiters verfüge der BF über keinerlei finanzielle Mittel um seinen Lebensunterhalt zu sichern, sei vor seiner Inhaftierung als obdachlos gemeldet gewesen und keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er sei im Bundesgebiet weder sozial noch beruflich verankert. Der BF verfüge zwar über familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, aufgrund seiner letzten melderechtlichen Meldung vor seiner Inhaftierung als obdachlos, werde aber davon ausgegangen, dass ihm nach der Entlassung keine Unterkunft bei seinen Verwandten zur Verfügung stehe. Dies sei auch durch das Erkenntnis des BVwG vom 12.08.2020 bestätigt worden. Aufgrund des Gesamtverhaltens des BF sowie des fortgeschrittenen Verfahrensstandes in Bezug auf sein Asylverfahren, sei von erhöhter Fluchtgefahr auszugehen. Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung sei erforderlich, da sich der BF aufgrund seines Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe. Es sei davon auszugehen, dass er auch in Hinkunft nicht gewillt sein werde, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Auch aus seiner Wohn- und Familiensituation sowie fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich könne geschlossen werden, dass ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege.

Die belangte Behörde nahm im Fall des BF somit das Bestehen einer Fluchtgefahr aufgrund seines bisherigen Verhaltens an und hielt die Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 5 und 9 FPG für anwendbar (vgl. XXXX ).

Das Bundesamt ist im vorliegenden Fall zu Recht vom Vorliegen einer Fluchtgefahr ausgegangen. Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes war eine Fluchtgefahr im Hinblick auf den im § 76 Abs. 3 FPG enthaltenen Kriterienkatalog gegeben.

Um von der Erfüllung des Kriteriums der „Fluchtgefahr“ ausgehen zu können, bedarf es jedenfalls des Vorliegens eines tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG. Eine derartige Tatbestandserfüllung, und damit die geforderte Anknüpfung an abstrakt formulierte Umstände, stellt gleichsam den Ausgangspunkt für jegliche Annahme von "Fluchtgefahr" dar, die allerdings im Ergebnis nur dann bejaht werden kann, wenn auch eine fallbezogene Betrachtung der Gesamtsituation zu der Schlussfolgerung führt, der Fremde könnte sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehen. Es bedarf also über die Erfüllung eines tauglichen Tatbestandes nach § 76 Abs. 3 FPG hinaus einer konkreten Bewertung aller im Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte, die insofern in die "Abwägungsentscheidung" (so die einleitenden Überlegungen in den ErläutRV zu § 76 Abs. 3) einzufließen haben. Unter diesem Aspekt bieten die Tatbestände des § 76 Abs. 3 FPG – uneingeschränkt, also ohne Rücksicht auf ihre Eignung, schon abstrakt "Fluchtgefahr" zu umschreiben – maßgebliche Beurteilungskriterien (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

3.1.7.1. Bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert.

Wie festgestellt, besteht gegen den BF seit dem 08.08.2019 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Nachdem der BF aufgrund seiner Obdachlosenmeldung für das Bundesamt nicht greifbar war, hat er dadurch seine Abschiebung behindert. Zudem hat der BF wiederholt - zuletzt im Rahmen der Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz - angegeben, dass er nicht freiwillig in die Türkei zurückkehren wird. Aufgrund dieses Verhaltens hat der BF den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zweifellos erfüllt. Das Vorbringen im Rahmen der Beschwerde, dass der BF am Verfahren zur Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitgewirkt hätte, kann aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht nachvollzogen werden und trifft nicht zu.

3.1.7.2. Gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat.

Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise „Fluchtgefahr“ zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der aufgrund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen den BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt und er zudem den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt hat, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

3.1.7.3. Bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand. Durch die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz aus dem Stande der Schubhaft am 27.07.2020 und dem Vorliegen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung - was auch im Rahmen der Beschwerde nicht substantiiert bestritten wurde - ist das Kriterium der Z 5 somit in qualifizierter Form erfüllt.

3.1.7.4. Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Der BF ist zumindest in einem kleinen Maße sozial verankert und hat Familienangehörige in Österreich. Die XXXX leben in Österreich. Der BF hat Kontakt mit seinem Bruder.

Der BF verfügt aber in Österreich über keine Meldeadresse außerhalb des Polizeianhaltezentrums. Er war trotz seiner im Bundesgebiet niedergelassen Familienangehörigen während seines Aufenthalts in Österreich insgesamt über 30 Monate und seit dem 12.06.2017 mehr als 13 Monate als obdachlos gemeldet.

Während seines Aufenthalts in Österreich ging der BF keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er war vor Anordnung der Schubhaft in Österreich nicht beruflich verankert. Er verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung und über kein Bargeld.

Aus den zu den familiären und sozialen Anknüpfungspunkten des BF in Österreich getroffenen Feststellungen ergeben sich keine Umstände, die gegen das Vorliegen einer Fluchtgefahr sprechen. Es kann alleine durch die Anwesenheit von Familienangehörigen des BF nicht davon ausgegangen werden, dass er nicht untertauchen wird, zumal er auch in der Vergangenheit mehrfach ohne festen Wohnsitz in Österreich als obdachlos gemeldet war. Gerade die Familienmitglieder - konkret der XXXX des BF - hat in der Vergangenheit seine behördliche Meldung trotz Unterkunftnahme verweigert. Auch der Bruder des BF hat ihn nach der polizeilichen Erhebung am 07.07.2019 darüber verständigt und dennoch gegenüber der Polizei angegeben, keinen Kontakt mit dem BF zu haben. Weiters kann der als Zeuge im vorangegangenen Schubhaftverfahren vom BVwG einvernommene Bruder des BF ein Untertauchen des BF nicht verhindern, da er dies bereits in der Vergangenheit nicht konnte, sondern der BF die Wohnung seinen eigenen Angaben zufolge verlassen hat, wenn sein Bruder ihn nervte (vgl. XXXX ).

Davon abgesehen, verfügt der BF über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und hat kein Einkommen. Auch seine insgesamt acht strafgerichtlichen Verurteilungen sprechen gegen das Vorliegen von substanziellen sozialen Beziehungen in Österreich.

Unstrittig ist somit, dass der BF Familienangehörige im Bundesgebiet hat. In diesem Zusammenhang ist jedoch festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) „soziale Anknüpfungspunkte“ für sich alleine nicht ausreichen, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den „Grad der sozialen Verankerung in Österreich“, wobei familiäre Beziehungen, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Wie vorhin dargelegt, sind diese Anknüpfungspunkte im gegenständlichen Fall allerdings nur teilweise gegeben und ist der Beurteilung des Bundesamtes zuzustimmen, dass in einer Gesamtbetrachtung keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der BF aufgrund einer familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hätte, um sich dem Verfahren über seinen gestellten Antrag auf internationalen Schutz bzw. seiner Abschiebung nicht zu entziehen. Insofern ist auch durch einen gesicherten Wohnraum im Rahmen der Grundversorgung als Asylantragsteller keine Änderung in der Gesamtbeurteilung gegeben und aus dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen für den BF nichts zu gewinnen.

Das Bundesamt ist daher insgesamt zu Recht vom Vorliegen von Fluchtgefahr ausgegangen, da der BF auch bei einem Untertauchen den Kontakt mit seinen Familienangehörigen aufrechterhalten könnte. Dem Vorbringen des BF in seiner Beschwerde, wonach keine Fluchtgefahr vorliege, ist somit entgegenzuhalten, dass im durchgeführten Beschwerdeverfahren ein Verhalten des BF festgestellt werden konnte, welches mehrere der Kriterien des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt, weshalb das Vorbringen es bestehe keine Fluchtgefahr, ins Leere geht. Es war daher insgesamt auch unter Berücksichtigung der in § 76 Abs. 3 Z 9 FPG genannten Kriterien vom Vorliegen von Fluchtgefahr auszugehen.

3.1.8. Auch was den Sicherungsbedarf betrifft, ist dem Bundesamt zuzustimmen, dass ein solcher gegeben war. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft, sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen.

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde. Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann.

Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten des BF in Österreich, als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben war.

Der BF hat in Österreich wiederholt strafbare Handlungen begangen und weist insgesamt acht strafgerichtliche Verurteilungen auf ( XXXX ). Zuletzt wurde er am 13.11.2019 neuerlich wegen der Begehung eines XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt. Aufgrund dieser Verurteilung befand sich der BF bis 24.07.2020 in Strafhaft.

In Österreich befinden sich zwar Familienangehörige des BF, dennoch wollte der XXXX des BF ihn trotz tatsächlicher Unterkunftnahme nicht an seiner Wohnadresse behördlich melden. Der BF war lange Zeiträume obdachlos gemeldet, obwohl er tatsächlich Unterkunft bei seinem XXXX , einem Kollegen oder einer Freundin genommen hatte. Der BF hat bereits in der Vergangenheit die Wohnung seines Bruders verlassen, als dieser ihn genervt hatte und hat sich obdachlos gemeldet. Der BF verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer Beschäftigung ging der BF zuletzt von XXXX 2018 nach, zuletzt lebte er vom Bezug von Arbeitslosengeld.

Es zeigt sich daher, dass der BF die geltenden Gesetze nicht beachtet und nicht zu gesetzeskonformem Verhalten bewegt werden kann.

Im konkreten Fall ist entscheidend, ob eine hinreichende Sicherheit besteht, dass sich der BF auch bei einem (für ihn) negativen Ausgang dem Zugriff der Behörden nicht entziehen würde. Davon kann angesichts seines Vorverhaltens und der daraus resultierenden mangelnden Vertrauenswürdigkeit jedoch nicht ausgegangen werden. Es ist somit der Beurteilung des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid zuzustimmen, dass davon auszugehen war, dass der BF nach seiner Freilassung aus der Schubhaft untertauchen werde. Daran ändert auch der Aufenthalt seiner Familienangehörigen in Österreich und eine allfällige finanzielle Unterstützung durch sie nichts.

Das Bundesamt ist daher im Ergebnis zu Recht vom Bestehen eines Sicherungsbedarfes ausgegangen.

3.1.9. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

3.1.9.1. Das Bundesamt führt im angefochtenen Bescheid dazu begründend im Wesentlichen aus, dass davon auszugehen sei, dass das anhängige Asylverfahren - auch unter Berücksichtigung der verkürzten Entscheidungspflicht gemäß § 22 Abs. 6 AsylG 2005 - jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer abgeschlossen werde. Im Falle der Bestätigung der abweisenden Entscheidung hinsichtlich des gestellten Antrages auf internationalen Schutz sei die Abschiebung des BF innerhalb von drei Wochen (Flug und Begleitpersonalbuchung) möglich. Die Anordnung der Schubhaft sei auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie als verhältnismäßig einzustufen. Eine Reisebeschränkung in die Türkei liege derzeit nicht vor, was auch durch die bereits erfolgte Flugbuchung für den 31.07.2020 bestätigt worden sei (vgl. XXXX ).

In der Beschwerde brachte der BF vor, die Verhängung der Schubhaft sei aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht verhältnismäßig.

Eine Abwägung zwischen den persönlichen Interessen des BF und dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen (Verhältnismäßigkeit) durch das erkennende Gericht hat ergeben, dass fallgegenständlich den Interessen des BF der Vorzug zu geben war:

Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der BF zwar Familienangehörige im Inland vorzuweisen hat, aufgrund der mangelnden Beziehungsintensität waren diese jedoch im Rahmen der Abwägung nicht geeignet die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen. Enge soziale oder berufliche Kontakte im Inland, die im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen geeignet waren, konnte der BF ebenfalls nicht glaubhaft machen.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Wie bereits ausgeführt, weist der BF insgesamt acht rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen in Österreich auf. Er hat wiederholt XXXX begangen. Der Aufenthalt des BF gefährdet daher die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Er hat mehrfach Strafrechtsdelikte begangen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Es wurde auch ein Einreiseverbot für die Dauer von sechs Jahren verhängt.

Das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid auch hinreichend auf die Frage der voraussichtlichen Dauer des Asylverfahrens eingegangen und hat unter Hinweis auf die verkürzte Entscheidungsfrist im gegenständlichen Fall nachvollziehbar ausgeführt, dass mit einem zeitnahen Abschluss des Asylverfahrens und einer Abschiebung des BF - jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer - zu rechnen sei. Aufgrund des Vorliegens eines gültigen Reisedokuments konnte vom Bundesamt zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides davon ausgegangen werden, dass die Abschiebung des BF in die Türkei binnen weniger Wochen nach Abschluss des Asylverfahrens erfolgen werde. Es haben sich für das Bundesamt im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Hinweise ergeben, wonach eine diesbezügliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren nicht zeitnah erfolgen sollte. Aufgrund der Tatsache, dass vom Bundesamt zuletzt für den 31.07.2020 eine Flugabschiebung für den BF organisiert werden konnte, ist auch der Einschätzung des Bundesamts im angefochtenen Bescheid nicht entgegenzutreten, wonach die COVID-19 Pandemie keinen Einfluss auf die Möglichkeit der Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat hat.

3.1.9.2. Der BF war zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft sowie während der Anhaltung in Schubhaft jedoch zwar haftfähig, er war aber nicht gesund. Sein Gesundheitszustand bzw. in diesem Fall sein Krankheitsbild sind bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung miteinzubeziehen.

Im angefochtenen Bescheid vom 22.09.2020 (vgl. XXXX ) stellt die Behörde zwar fest, dass aufgrund des Gesundheitszustandes des BF davon auszugehen sei, dass die subjektiven Haftbedingungen, wie die Haftfähigkeit gegeben sei. Der Gesundheitszustand des BF wurde im gegenständlich angefochtenen Bescheid, bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit jedoch nicht gewürdigt, weshalb der Bescheid rechtswidrig ist. Dies ergibt sich aus der Entscheidung des VwGH vom 15.11.2022, Ra 2020/21/0442, mit welcher das Erkenntnis des BVwG im ersten Rechtsgang des gegenständlichen Verfahrens vom 05.10.2020, Zl. XXXX wegen Rechtswidrigkeit aus eben jenem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde. Der VwGH führte in seinen Entscheidungsgründen aus, dass zwar eine Haftfähigkeit des BF durch das BVwG festgestellt worden sei, eine Einbeziehung seines Gesundheitszustandes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft aber unterblieben sei, was einen wesentlichen Begründungsmangel darstelle (Rn. 14). Dieser Mangel hafte auch dem Schubhaftbescheid vom 22.09.2020 an, in dem sich das BFA mit den gesundheitlichen Problemen, die der BF bereits in der mündlichen Verhandlung am 12.08.2020 vorgebracht habe und die somit aktenkundig gewesen seien, ebenfalls nur im Lichte der Haftfähigkeit befasst und nicht in die Verhältnismäßigkeitsprüfung eingezogen habe (Rn. 15, 16). Dies stelle einen wesentlichen Begründungsmangel dar, weil eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes - selbst wenn daraus keine Haftunfähigkeit resultiert - bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Unzulässigkeit von Schubhaft führen kann (vgl. VwGH vom 15.11.2022 Ra 2020/21/0442 Rn 14, sowie VwGH 15.9.2022, Ra 2021/21/0342, Rn. 13, mit dem Hinweis auf VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0012).

Zudem liege entsprechend dem VwGH eine Verletzung der Verhandlungspflicht vor. Bei der Darlegung der Unverhältnismäßigkeit aufgrund gesundheitlicher Probleme in der Beschwerde habe nicht von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG ausgegangen werden dürfen. Der VwGH hat nämlich auch schon wiederholt ausgesprochen, dass dann, wenn der Fremde in seiner Beschwerdeschrift - ausreichend substantiiert - die Unverhältnismäßigkeit der (Aufrechterhaltung der) Schubhaft wegen gesundheitlicher Probleme darlegt, grundsätzlich nicht im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG von einem geklärten Sachverhalt ausgegangen werden dürfe (vgl. bereits VwGH 15.9.2022, Ra 2021/21/0342, Rn. 13, mwN). Dieser Mangel hafte auch dem Schubhaftbescheid vom 22.09.2020 an, in dem sich das BFA mit den gesundheitlichen Problemen, die der BF bereits in der mündlichen Verhandlung am 12.08.2020 vorgebracht hatte und die somit aktenkundig waren, ebenfalls nur im Lichte der Haftfähigkeit befasste und in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht einbezog. Angesichts dessen könne dahingestellt bleiben, ob durch die Erlassung dieses Schubhaftbescheides gegen das „Wiederholungsverbot“ (vgl. dazu des Näheren zuletzt VwGH 23.6.2022, Ra 2021/21/0317, Rn. 11, mwN) verstoßen wurde (VwGH vom 15.11.2022 Ra 2020/21/0442 Rn 15, 16).

3.1.9.3. Zur Einbeziehung des Gesundheitszustandes des BF im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im gegenständlichen zweiten Rechtsgang:

Der VwGH stellte, wie dargelegt, bereits mehrmals fest, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes - selbst wenn daraus keine Haftunfähigkeit resultiert - bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Unzulässigkeit von Schubhaft führen kann (vgl. VwGH vom 15.11.2022 Ra 2020/21/0442 Rn 14, sowie VwGH 15.9.2022, Ra 2021/21/0342, Rn. 13, mit dem Hinweis auf VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0012).

Zudem entschied der VwGH bereits vor dem gegenständlichen Fall, dass der Gesundheitszustand eines BF zur Frage der Haftfähigkeit und auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung thematisiert werden muss, da ansonsten ein wesentlicher Begründungsmängel vorliegt (vgl. VwGH 28.06.2022, Ra 2021/21/0185 , Rn 12ff, insb. Rn 15).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist die Frage einer allfälligen Haftunfähigkeit, die dazu führt, dass ein Fremder nicht angehalten werden darf, und die damit eine Frage der Rechtmäßigkeit seiner Anhaltung betrifft, aber einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen (vgl. etwa VwGH 30.4.2009, 2006/21/0341, mwN), was (unbeschadet dessen, dass zu Beginn des Vollzugs noch eine amtsärztliche Untersuchung stattfindet) naturgemäß bereits vor Anordnung der Schubhaft zu erfolgen hat, da es sich um eine Voraussetzung für deren Zulässigkeit handelt.

Im zuletzt zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, dass eine Beeinträchtigung des Gesundheitszustands - selbst wenn daraus keine Haftunfähigkeit resultieren sollte - im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis führen kann, dass an Stelle der Anordnung der Schubhaft die Anwendung gelinderer Mittel ausreichend sein könnte (vgl. dazu etwa auch VwGH 20.2.2014, 2013/21/0080, mwN).

Für die Frage der Rechtmäßigkeit eines Schubhaftbescheides kommt es darauf an, ob es bei seiner Erlassung aus damaliger Sicht zulässig war, die Schubhaft nach dem in Anspruch genommenen Tatbestand und zu dem genannten Sicherungszweck zu verhängen; rechtswidrig ist er dann, wenn die im Schubhaftbescheid genannten Gründe die Anordnung der Schubhaft nicht zu tragen vermochten oder wenn die entscheidungswesentlichen Gründe auf ihrerseits unschlüssig begründeten oder - in für das BFA erkennbarer Weise - tatsachenwidrigen Annahmen beruhten (vgl. VwGH 5.2.2021, Ro 2020/21/0002, Rn. 15, mwN).

Eine Abwägung zwischen den persönlichen Interessen des BF und dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen (Verhältnismäßigkeit) durch das erkennende Gericht hat unter Einbeziehung seines Gesundheitszustandes ergeben, dass fallgegenständlich den Interessen des BF der Vorzug zu geben war:

Mit der gegenständlichen Beschwerde vom 29.09.2020 wurde vom BF ein Laborbefund vom 13.01.2020 vorgelegt und im Wesentlichen vorgebracht, dass sich die Haft unter Zugrundelegung des Gesundheitszustandes des BF als unverhältnismäßig erweise. Er sei von seiner XXXX schwer gezeichnet und leide nach wie vor an einer XXXX und nehme XXXX . Zudem gehe aus dem beigelegten Befund hervor, dass der BF XXXX leide. Aufgrund dieser Erkrankung befürchte er aufgrund der Situation bezüglich COVID-19, in jenem Polizeianhaltezentrum, wo er angehalten werde, nicht ausreichenden Schutz und Versorgung erlangen zu können. Zudem leide er unter Knieproblemen und könne nur schwer sitzen.

Das Bundesamt legte am 29.09.2020 den Verwaltungsakt vor und erstattete im Zuge der Aktenvorlage eine Stellungnahme, in der bezüglich des Gesundheitszustandes des BF lediglich ausgeführt wurde, dass dieser haftfähig sei.

Der BF war zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft sowie während der gegenständlichen Anhaltung in Schubhaft jedoch zwar haftfähig, er war aber nicht gesund. Er leidet an einer XXXX und nach wie vor an einer schweren XXXX . Er ist XXXX und nimmt regelmäßig XXXX . Beim BF handelt es sich um einen Menschen, der von seiner XXXX schwer gezeichnet ist. Er leidet nach wie vor an einer schweren XXXX . Zudem leidet er an XXXX und benötigt eine entsprechende Therapie. Eine solche ist ihm in Haft nicht zumutbar. Aufgrund dieser Immunerkrankung konnte zwar davon ausgegangen werden, dass für den BF im gegenständlich zu überprüfenden Zeitraum vom 22.09.2020 bis zum 05.10.2020 in Schubhaft, auch in Zusammenhang mit der COVID-19 Situation im zuständigen Polizeianhaltezentrum, ausreichender Schutz und medizinische Therapie gewährleistet werden konnte. Es war dem BF aber nicht zumutbar, diese Therapie während der Schubhaft zu besuchen und sich trotz seines Krankheitsbildes in Schubhaft zu befinden. Die persönlichen gesundheitlichen Interessen des BF haben diesbezüglich höher gewogen als die öffentlichen Interessen. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt unter Beachtung des gesundheitlichen Zustandes des BF zu dem Ergebnis, dass der BF mit seinem Krankheitsbild besser außerhalb der Schubhaft zu behandeln gewesen wäre und seine persönlichen Interessen dementsprechend höher wiegen. Auch angesichts der oben erläuterten Punkte, die für die Anhaltung des BF in Schubhaft sprechen, wie vor allem sein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten, kommt das erkennende Gericht insgesamt zu dem Ergebnis, das aufgrund des Gesundheitszustandes des BF bei der Abwägung zwischen den persönlichen Interessen und dem öffentlichen Interesse, den Interessen des BF aufgrund der Art und Summe an Erkrankungen sowie notwendigen Therapien der Vorzug zu geben war.

Die Verhängung der Schubhaft stellt sich somit im gegenständlichen Fall insgesamt als nicht verhältnismäßig dar.

3.1.10. Die gegenständliche Beschwerde vom 29.09.2020 richtet sich gegen den Schubhaftbescheid vom 22.09.2020 sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft seit diesem Tag. Den Überprüfungsgegenstand im gegenständlichen Verfahren bildet somit der Mandatsbescheid des BFA vom 22.09.2020 und die darauf basierende Anhaltung des BF in Schubhaft von 22.09.2020 bis zum 05.10.2020. Die Anhaltung des BF in Schubhaft vor oder nach diesem Zeitraum stellt nicht den Überprüfungsgegenstand dieses Verfahrens dar, sondern wurde/wird in den weiteren Haftüberprüfungs- bzw. Schubhaftbeschwerdeverfahren den BF betreffend (vgl. XXXX überprüft.

Der Zeitraum ab 22.09.2020 ergibt sich aus dem im gegenständlichen Verfahren bekämpften Schubhaftbescheid von diesem Tag.

Der Zeitraum bis zum 05.10.2020 ergibt sich aus der Entscheidung des BVwG im ersten Rechtsgang des gegenständlichen Verfahrens vom 05.10.2020, Zl. XXXX . Mit dieser wurde die Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Der Fortsetzungsausspruch des BVwG bewirkte somit einen neuen Hafttitel an diesem Tag. Der darauffolgende Zeitraum der Anhaltung in Schubhaft des BF war in den Folgeverfahren anzufechten bzw. zu überprüfen und ist nicht Teil des gegenständlichen Verfahrens.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte fest (vgl. VwGH 05.04.2022, Ra 2021/21/0121, Rs. 3), dass einem positiven Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 nicht in gleichem Umfang Bindungswirkung wie einem negativen, die Unzulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft feststellenden Ausspruch, zukommen kann. Dies folgt daraus, dass in das in Art. 1 Abs. 1 des BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit normierte Grundrecht nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen eingegriffen werden darf. Dementsprechend sieht § 80 Abs. 1 FrPolG 2005 vor, dass die Schubhaft nur solange aufrechterhalten werden darf, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Damit korrespondiert die gemäß § 80 Abs. 6 FrPolG 2005 bestehende Pflicht für das BFA, regelmäßig von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft - längstens alle vier Wochen - zu überprüfen. Für ein enges Verständnis der Bindungswirkung eines positiven Fortsetzungsausspruchs spricht somit vor allem, dass eine rechtswidrige Haft jederzeit zu beenden ist. Dem widerspräche etwa ein Verständnis, die Wirkungen einer früheren (und zwar selbst einer inhaltlich unzutreffenden) feststellenden Entscheidung des VwG nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 seien über die zeitlichen Grenzen ihres Entscheidungsgegenstandes hinaus auf künftige Perioden auszudehnen. Vielmehr ergibt sich aus den erwähnten Rechtsschutzgründen zwingend, dass das BFA an einen positiven Fortsetzungsausspruch des VwG, der sich - etwa weil das VwG bei seiner Entscheidung den schon eingetretenen Ablauf der Schubhafthöchstfrist übersehen hat oder weil ihm mittlerweile eingetretene Tatsachen, beispielsweise eine Haftunfähigkeit, bei seiner Entscheidung nicht bekannt waren - als rechtswidrig erweist, nicht gebunden ist; diesfalls hätte das BFA den Schubhäftling sofort zu entlassen, obwohl der Ausspruch des VwG einen Schubhafttitel darstellt. Das kann nicht nur für den Fall gelten, dass nachträglich eine maßgebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eintritt. Diese Überlegungen zur mangelnden Bindung an einen positiven Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 gelten sinngemäß auch für das VwG, das infolge einer zulässigen Beschwerde über einen Schubhaftzeitraum abspricht, über den noch nicht entschieden wurde.

Demgemäß ist eine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft nur unter der Voraussetzung zulässig, dass über den damit bekämpften Zeitraum der Anhaltung in Schubhaft noch nicht rechtskräftig abgesprochen wurde; sonst wäre die Beschwerde wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0111; 11.05.2021, Ra 2021/21/0066; Jüngst etwa auch VwGH 05.04.2022, Ra 2021/21/0121).

Über den, dem 05.10.2020 folgenden Schubhaftzeitraum wurde bereits abgesprochen bzw. gesondert Beschwerde dagegen erhoben. Gegenständlich geht aus dem Beschwerdeschriftsatz vom 29.09.2020 unmissverständlich hervor, dass mit der Beschwerde – neben dem Schubhaftbescheid vom 22.09.2020 – der Anhaltezeitraum in Schubhaft seit dem (und somit inklusive) 22.09.2020 angefochten wird. Mit Erkenntnis des BVwG vom 05.10.2020, Zl. XXXX , welches einen Fortsetzungsausspruch darstellt, endet somit die gegenständlich zu überprüfende Zeitspanne.

In weiterer Folge ergingen Erkenntnisse des BVwG aufgrund regelmäßiger amtswegiger Haftüberprüfungen den BF betreffend, in den Verfahren XXXX . Die letzte gerichtliche Haftüberprüfung den BF betreffend fand am 16.12.2020 statt. Der BF wurde vom BFA am 07.01.2021 aus der Schubhaft entlassen und das diesbezügliche Verfahren vor dem BVwG eingestellt (Zl. XXXX ). Das Folgeverfahren, XXXX über die Beschwerde gegen die Anhaltung des BF von 16.12.2020 bis 07.01.2021 wurde mit Beschluss vom 11.02.2022 gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die gegen das Erkenntnis des BVwG vom 16.12.2020 im Vorverfahren, XXXX , erhobene außerordentliche Revision ausgesetzt. Der BF hat mit Schreiben vom 31.01.2023 im Verfahren XXXX seine Beschwerde zudem auf weitere Haftzeiträume ausgedehnt.

Im hg. fallgegenständlichen Verfahren hingegen war nur über den Zeitraum von 22.09.2020 bis 05.10.2020 abzusprechen.

3.1.11. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114).

Der Beschwerde war daher gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stattzugeben und der angefochtene Schubhaftbescheid vom 22.09.2020, Zl. XXXX sowie die Anhaltung in Schubhaft von 22.09.2020 bis 05.10.2020 für rechtswidrig zu erklären.

3.2. Zu A) II. und III. – Kostenersatz

3.2.1. § 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sowie die VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) lauten auszugsweise:

 

Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer Verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (FPG)

 

„§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“

 

VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV)

 

„§ 1. Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird wie folgt festgesetzt:1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro 3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

(…)“

3.2.2. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.2.3. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der BF die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Es gibt keine Inhaltserfordernisse oder Formvorgaben für einen Kostenantrag. Der Antrag muss so genau gehalten sein, dass erkennbar wird, für welche Aufwendungen Kostenersatz begehrt wird. Aufgrund der Pauschalierung der Kostenbeträge durch die VwG-AufwErsV ist es ausreichend, diesbezüglich schlichtweg den Ersatz bzw. Zuspruch des Pauschalbetrages zu begehren. Reisekosten und Barauslagen müssen jedoch genau beziffert und belegt werden (VwGH vom 09.09.2003, 2002/01/0360).

Wird ausdrücklich weniger begehrt als gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-AufwErsV geltend gemacht werden könnte, ist es dem Verwaltungsgericht verwehrt über den konkret angesprochenen Betrag hinaus Kostenersatz zuzusprechen (VwGH vom 03.08.2004, 99/13/0525).

Legt die belangte Behörde die erforderlichen Verwaltungsakte nicht vollständig vor, steht ihr der Ersatz für den Vorlageaufwand nicht zu (VwGH vom 03.08.2004, 99/13/0525). In Bezug auf den Abspruch über den Schubhaftbescheid und die darauf gegründete Anhaltung einerseits und den Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 andererseits ist nicht von unterschiedlichen Verwaltungsakten, sondern von einem einheitlichen Beschwerdegegenstand "Schubhaft" auszugehen (vgl. VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0014; VwGH 5.10.2017, Ra 2017/21/0161; VwGH 26.4.2018, Ra 2017/21/0240; VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0128). Bei einer Beschwerdestattgebung in Bezug auf den Schubhaftbescheid und Rechtswidrigerklärung der darauf gegründeten Anhaltung einerseits und Feststellung der Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft andererseits steht weder dem Beschwerdeführer noch der belangten Behörde ein Aufwandersatz zu (VwGH vom 27.04.2020, Ra 2020/21/0116).

3.2.4. Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Der BF und die belangte Behörde haben jeweils einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt.

Das Bundesamt beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den BF zum Ersatz des Vorlageaufwandes, Schriftsatzaufwandes sowie eines allfälligen Verhandlungsaufwandes zu verpflichten. Der BF beantragte, der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß der VwG-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen in Höhe von gesamt 767,60 Euro aufzuerlegen.

3.2.5. Da der Beschwerde stattgegeben und sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt wurden, ist der BF die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG Kostenersatz im beantragten Umfang von 737,60 Euro als Ersatz des Schriftsatzaufwands als obsiegende Partei sowie Kostenersatz im Umfang der Eingabengebühr in der Höhe von 30,- Euro.

3.2.6. Dem Bundesamt hingegen gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz, weshalb das entsprechende Kostenbegehren abzuweisen war.

3.3. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme, die in der Beschwerde substantiiert thematisiert worden sind, in die Beurteilung eingeflossen sind. In die Beurteilung der Haftfähigkeit sowie in die Verhältnismäßigkeitsprüfung mit eingeflossen ist insbesondere das in der Beschwerde substantiiert vorgebrachte Vorbringen betreffend den schlechten gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers.

Zu beachten war gegenständlich, dass der VwGH mit Erkenntnis vom 15.11.2022, Ra 2020/21/0442, die in diesem Verfahren zuvor ergangene Entscheidung des BVwG zu XXXX vom 05.10.2020, nach Erhebung einer außerordentlichen Revision durch den BF, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hat. Der VwGH führte in seinen Entscheidungsgründen aus, dass zwar die Haftfähigkeit des BF durch das BVwG festgestellt worden sei, eine Einbeziehung seines Gesundheitszustandes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft aber unterblieben sei, was einen wesentlichen Begründungsmangel darstelle (Rn. 14). Zudem liege eine Verletzung der Verhandlungspflicht vor, denn bei der Darlegung der Unverhältnismäßigkeit aufgrund gesundheitlicher Probleme in der Beschwerde, habe nicht von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG ausgegangen werden dürfen.

Da das Vorbringen in der Beschwerde in der nunmehr ergangenen Entscheidung miteinbezogen wurde, ist von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG auszugehen und konnte die Verhandlung daher unterbleiben. Die Erläuterung einer Rechtsfrage in einer mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich.

3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Zu beachten war gegenständlich, dass der VwGH mit Erkenntnis vom 15.11.2022, Ra 2020/21/0442, die in diesem Verfahren zuvor ergangene Entscheidung des BVwG zu XXXX vom 05.10.2020, nach Erhebung einer außerordentlichen Revision durch den BF, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hat. Die hiesige Entscheidung ergeht nun im zweiten Rechtsgang unter Beachtung der Entscheidungsgründe des VwGH (siehe dazu oben unter Punkt II.3.1.9.).

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