AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W265.2181230.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geboren am XXXX auch XXXX auch XXXX , 2. XXXX , geboren am XXXX auch XXXX , 3. XXXX , geboren am XXXX auch XXXX und 4. XXXX , geboren am XXXX auch XXXX , alle Staatsangehörigkeit Afghanistan, alle vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahlen 1. XXXX , 2. XXXX , 3. XXXX und 4. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Den Beschwerden wird stattgegeben und es wird XXXX sowie XXXX gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten und XXXX sowie XXXX gemäß § 3 Abs. 1 und 4 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass den Beschwerdeführern damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG (jeweils) nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind seit mehr als neun Jahren verheiratet. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin und des minderjährigen Viertbeschwerdeführers, die aus der ersten Ehe der Erstbeschwerdeführerin stammen. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige. Sie reisten gemeinsam nach Österreich ein und stellten am 10.01.2016 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
2. Am 11.01.2016 fanden vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftlichen Erstbefragungen der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers statt.
3. Am 17.03.2016 erfolgten die niederschriftlichen Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurde die Erstbeschwerdeführerin dahingehend belehrt, dass sie am 18.01.2016 eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 übernommen habe, worin mitgeteilt wurde, dass ein Konsultationsverfahren mit Deutschland eingeleitet worden sei, und das beabsichtigt werde den Antrag zurückzuweisen.
Der Zweitbeschwerdeführer gab an, in Deutschland keinen Antrag für internationalen Schutz gestellt habe. Er habe sich nur kurz in Deutschland aufgehalten, um seine Ehefrau und die Kinder abzuholen.
3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2016 wurde die Anträge auf internationalen Schutz der Erstbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages ist gemäß § 18 Abs. 1b der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates Deutschland zuständig.
4. Dagegen erhoben die Erstbeschwerdeführerin, die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.
5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.07.2016 wurde den Beschwerden gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 wurde den Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben.
7. Am 22.09.2017 erfolgten weitere niederschriftliche Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Die Erstbeschwerdeführerin gab im Wesentlichen an, sie habe ihren jetzigen Ehemann geliebt, dennoch habe sie einen anderen Mann heiraten müssen. Nach sechs Jahren habe sie sich scheiden lassen. Nach ihrer Scheidung habe sie wieder Kontakt zu ihrem jetzigen Mann aufgenommen. Nach eineinhalb Jahren habe ihre Familie herausgefunden, dass sie wieder Kontakt aufgenommen hatten. Sie habe ihren jetzigen Ehemann geheim geheiratet. Zwischen ihrem Bruder, ihrem Ex-Mann sowie ihrem jetzigen Ehemann und dessen Bruder sei es zu Auseinandersetzungen gekommen. Sie hätten ihren jetzigen Ehemann wiederholt brutal geschlagen. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan drohe ihr seitens der Verwandten ihrer Familie sowie seitens ihres Ex-Mannes Gefahr vor Verfolgung.
In der Einvernahme legte die Erstbeschwerdeführerin eine Krankenhausbestätigung vom Krankenhaus im Iran vor, darin sind die Geburtsdaten der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers festgehalten. Weiters legte sie die Heiratsurkunde der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers sowie Unterlagen zum Nachweis der Integrationsverfestigung der Beschwerdeführer in Österreich (v.a. Deutschkurs- sowie Schulbesuchsbestätigungen) vor. Der Zweibeschwerdeführer legte mehrere Unterlagen hinsichtlich seines Fluchtvorbringens vor.
8. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt IV-V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen beträgt (Spruchpunkt VI.).
9. Mit Verfahrensanordnungen vom jeweils 01.12.2017 wurden den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für die Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
10. Die Beschwerdeführer erhoben gegen die oben genannten Bescheide fristgereicht eine gemeinsame Beschwerde, welche am 21.12.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. Die Beschwerde führt im Wesentlichen aus, dass der Erstbeschwerdeführerin als geschiedene Frau aufgrund der Eheschließung mit ihrem jetzigen Ehemann ohne Zustimmung ihrer Eltern Gefahr vor Verfolgung drohe, da sie die Ehre ihrer Familie bzw. ihres Ex-Mannes verletzt habe. Zudem drohe der Erstbeschwerdeführerin wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der "westlich orientierten" Frauen Verfolgung in Afghanistan.
11. Die Beschwerden und Verwaltungsakten langten am 29.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.07.2018, 18.07.2018 und am 28.08.2018 u.a. in Anwesenheit des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen, zu ihren persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie im Iran und zu ihrer Integration in Österreich befragt wurden.
Die belangte Behörde nahm an den Verhandlungen nicht teil. Die jeweilige Niederschrift der mündlichen Verhandlung wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Anschluss an die Verhandlung übermittelt.
Zu den in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderberichtsmaterial gab der Beschwerdeführervertreter eine schriftliche Stellungnahme ab, die am 07.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte.
13. Mit Schreiben vom 16.01.2019 wurde den Beschwerdeführern und der belangten Behörde aktuelles und ergänzendes Länderberichtsmaterial zur Wahrung des Parteiengehörs und Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zur Kenntnis gebracht.
Die Parteien des gegenständlichen Verfahrens gaben innerhalb eingeräumter Frist eine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der eingebrachten Anträge auf internationalen Schutz, der Erstbefragungen sowie Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin sowie des Zweitbeschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen die im Spruch genannten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in die Bezug habenden Verwaltungsakten, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zu Person und den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
1.1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist am XXXX in Kabul in Afghanistan geboren, der Zweitbeschwerdeführer ist am XXXX ebenfalls in Kabul in Afghanistan geboren. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind verheiratet, die Ehe wurde vor ihrer Einreise nach Österreich geschlossen. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin XXXX , die am XXXX geboren ist, und des minderjährigen XXXX , der am XXXX geboren ist. Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind im Iran geboren.
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan, Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitische Muslime.
Die Erstbeschwerdeführerin reiste im Alter von drei oder vier Jahren im Familienverband von Afghanistan aus, wo sie zunächst vier Jahre in Pakistan und in weiterer Folge im Iran lebten. Der Zweitbeschwerdeführer reiste im Alter von acht oder neun Jahren im Familienverband in den Iran aus. Weder die Erstbeschwerdeführerin noch der Zweitbeschwerdeführer kehrten jemals nach Afghanistan zurück.
Die Beschwerdeführer reisten Ende 2015 aus dem Iran aus und stellten in Österreich am 10.01.2016 Anträge auf internationalen Schutz.
1.1.2. Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist.
Sie bewegt sich in Österreich alleine im öffentlichen Raum, geht hier alleine einkaufen, steht in regelmäßigen Kontakt mit den Lehrern ihrer Kinder, hat österreichische Freunde und Bekannte, mit denen sie sich regelmäßig trifft, und ist darum bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen; sie sprich ein einfaches, aber verständliches Deutsch. Sie kleidet, frisiert und schminkt sich in Österreich nach westlicher Mode. Sie will in Österreich in Zukunft selbstständig berufstätig sein und als Krankenschwester arbeiten.
Die Erstbeschwerdeführerin lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab, will ihre Kinder frei von Zwängen erziehen und kann sich nicht vorstellen, nach dem konservativ-afghanischen Weltbild zu leben, wobei auch die in Österreich aufhältigen Familienangehörigen der Erstbeschwerdeführerin (der Zweitbeschwerdeführer sowie die minderjährige Drittbeschwerdeführerin sowie der minderjährige Viertbeschwerdeführer) ihr westliches Leben unterstützen.
Die Erstbeschwerdeführerin würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld daher als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden, weshalb sie in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre. Die von der Erstbeschwerdeführerin in Österreich angenommene westliche Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Es kann von ihr daher nicht erwartet werden, diese Lebensweise in Afghanistan zu unterdrücken oder überhaupt abzulegen, um dort nicht physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein.
1.1.3. Auch bei der Drittbeschwerdeführerin handelt es sich um eine auf Eigenständigkeit bedachte junge Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist.
Sie führt in Österreich das Leben einer typischen österreichischen Jugendlichen. Sie spricht Deutsch, bewegt sich in Österreich alleine im öffentlichen Raum, verbringt Zeit mit ihren Freunden und Freundinnen, spielt Fußball und geht gerne Schwimmen. Sie besucht gerne die Schule und möchte einmal Ärztin werden. Die Drittbeschwerdeführerin kleidet und frisiert sich wie eine typische österreichische Jugendliche.
Die Drittbeschwerdeführerin würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld daher als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden, weshalb sie in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre. Die von der Drittbeschwerdeführerin in Österreich angenommene westliche Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Es kann von ihr daher nicht erwartet werden, diese Lebensweise in Afghanistan zu unterdrücken oder überhaupt abzulegen, um dort nicht physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein.
1.1.4. Die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer, die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur Lage in Afghanistan
1.2.1 Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte Gesamtaktualisierung am 08.01.2019:
Religionsfreiheit
Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7 - 89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch:
CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:
CSR 8.11.2016).
Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte. Dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).
Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express 16.5.2012).
Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016). Schätzungen zufolge sind 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch-iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4% der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."
(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9 .2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).
Tadschiken
Die dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Die Tadschiken machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (GIZ 1.2017). Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Der Hauptführer der ‚Nordallianz', eine politisch-militärische Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah, dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Paschtune ist. Er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud war. Mittlerweile ist er ‚Chief Executive Officer' in Afghanistan (CRS 12.1.2015).
Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).
1.2.2. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018
"7. Frauen mit bestimmten Profilen oder unter bestimmten Bedingungen lebende Frauen
Die Regierung hat seit 2001 einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung, insbesondere durch Verabschiedung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz), den Erlass von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe von Frauen und die Einrichtung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten.
Die Verbesserungen der Situation von Frauen und Mädchen blieben jedoch Berichten zufolge marginal und Afghanistan wird weiterhin als ‚sehr gefährliches' Land für Frauen und Mädchen betrachtet. Fortschritte, die in der Vergangenheit in Hinblick auf die Menschenrechte von Frauen erzielt wurden, wurden teilweise durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in einigen Teilen des Landes zunichte gemacht. Die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleibt endemisch. Berichten zufolge ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor weit verbreitet und nimmt weiter zu. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte üblicherweise straflos bleiben. Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.
Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz von Frauenrechten weiterhin nur langsam umgesetzt werden, dies betrifft insbesondere die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz). Das im August 2009 verabschiedete Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge der politische Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend wird es Berichten zufolge nicht vollständig durchgesetzt, insbesondere nicht in ländlichen Gebieten. Die überwiegende Mehrheit der Fälle der gegen Frauen gerichteten Gewaltakte, einschließlich schwerer Straftaten gegen Frauen, wird immer noch nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen statt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt. UNAMA berichtet, dass sowohl die afghanische nationale Polizei (ANP) als auch die Staatsanwaltschaften zahlreiche Fälle, einschließlich schwerwiegender Straftaten, an jirgas und shuras zum Zweck der Beratung oder Entscheidung weiterleiten und dadurch die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz) unterminieren und die Praktizierung schädlicher traditioneller Bräuche fördern. Durch Entscheidungen gemäß diesen Mechanismen sind Frauen und Mädchen der Gefahr weiterer Schikanierung und Ausgrenzung ausgesetzt.
Das schiitische Personenstandsgesetz, das Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung und Erbrecht für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft regelt, enthält mehrere diskriminierende Bestimmungen für Frauen, insbesondere in Bezug auf Vormundschaft, Erbschaft, Ehen von Minderjährigen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit außerhalb des Hauses.
Während die in diesem Abschnitt beschriebenen Menschenrechtsprobleme Frauen und Mädchen im gesamten Land betreffen, gibt die Situation in Gebieten, die tatsächlich von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden, Anlass zu besonderer Sorge.
Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) haben Berichten zufolge in diesen Gebieten die Rechte von Mädchen und Frauen in schwerwiegender Weise beschnitten, darunter ihr Recht auf Bewegungsfreiheit und politische Partizipation. Außerdem besteht in von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrollierten Gebieten eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Frauen besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zur Justiz ausgesetzt sind und ihnen keine wirksamen Rechtsmittel gegen die Verletzung ihrer Rechte zur Verfügung stehen. Die von den regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) in den von ihnen kontrollierten Gebieten betriebene Paralleljustiz verletzt Berichten zufolge tatsächlich regelmäßig die Rechte von Frauen.
[...]
8. Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen
Trotz Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf. Frauen ohne Unterstützung und Schutz durch Männer wie etwa Witwen sind besonders gefährdet. Angesichts der gesellschaftlichen Normen, die allein lebenden Frauen Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit und auf Erwerbsmöglichkeiten, sind sie kaum in der Lage zu überleben. Inhaftierungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia betreffen Berichten zufolge in überproportionaler Weise Frauen und Mädchen, einschließlich Inhaftierung aufgrund ‚moralischer Vergehen' wie beispielsweise dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung, Ablehnung einer Heirat, außereheliche sexuelle Beziehungen (die als Ehebruch angesehen werden) und ‚Weglaufen von zu Hause' (einschließlich in Situationen von häuslicher Gewalt). Mehr als der Hälfte der in Afghanistan inhaftierten Mädchen und Frauen wurden ‚moralische Vergehen' zur Last gelegt. Da Anklagen aufgrund von Ehebruch und anderen ‚moralischen Vergehen' Anlass zu Ehrenmorden geben können, versuchen die Behörden Berichten zufolge in einigen Fällen, die Inhaftierung von Frauen als Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen.
[...]
In Gebieten, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, besteht für Frauen und Männer, die unmoralischer Verhaltensweisen bezichtigt werden, das Risiko, über die parallelen Justizstrukturen dieser regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) zu harten Strafen, einschließlich zu Auspeitschung und zum Tod, verurteilt zu werden."
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer und zu ihren Fluchtgründen:
2.1.1. Die Feststellungen zu den Namen, zu den Geburtsorten und Geburtsdaten der Beschwerdeführer, zu den familiären Beziehungen zwischen den Beschwerdeführern, zur Ausreise aus Afghanistan der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers in den Iran sowie zur Ausreise aus dem Iran im Jahr 2015 sowie zur Weiterreise nach Europa sowie zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer gründen sich auf die von der Erstbeschwerdeführerin und vom Zweitbeschwerdeführer im Laufe der Verfahren vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Bundesverwaltungsgericht dahingehend stets gleichlautenden und daher glaubhaften Angaben sowie den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen (s. die in der Einvernahme vorgelegte Heiratsurkunde - Aktenseiten [in der Folge: AS] 393 ff. des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes der Erstbeschwerdeführerin). Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Beschwerdeführer im Asylverfahren.
Das Datum der Antragstellungen ergibt sich aus dem Akteninhalt. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers folgen aus den eingeholten Strafregisterauszügen.
2.1.2. Dass die Erstbeschwerdeführerin eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frau ist und diese Lebensweise zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, ergibt sich v.a. aus dem von ihr durch die erkennende Richterin in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gewonnenen persönlichen Eindruck:
Dabei folgen die Feststellungen zu ihren Einkäufen in Österreich, zu ihrem Kontakt mit den Lehrern ihrer Kinder, zu ihren österreichischen Freunden sowie Bekannten und zu ihren Zukunftsplänen aus den dahingehend glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (s. S. 11 bis 17 des Verhandlungsprotokolls vom 18.07.2018, worin die Erstbeschwerdeführerin als BF3 geführt wird), die mit den Ausführungen des Zweitbeschwerdeführers im Einklang stehen. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen der Erstbeschwerdeführerin ergeben sich aus den von ihr dahingehend vorgelegten Unterlagen (vgl. AS 409-423) sowie den Unterlagen, die im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 18.07.2018 vorgelegt wurden und dem von der erkennenden Richterin in der mündlichen Verhandlung dahingehend gewonnenen persönlichen Eindruck (s. S. 12-14 des Verhandlungsprotokolls). Dass die Erstbeschwerdeführerin sich in Österreich nach westlicher Mode kleidet, frisiert und schminkt, folgt aus dem von der erkennenden Richterin dahingehend gewonnenen persönlichen Eindruck sowie aus den von ihr diesbezüglich getätigten - glaubhaften - Angaben (s. S. 16 f. des Verhandlungsprotokolls).
Die Erstbeschwerdeführerin konnte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht überzeugend und glaubhaft darlegen, dass sie die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ablehnt und sich einer westlichen Wertehaltung und einem westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild zugehörig fühlt sowie nach einer solchen bzw. einem solchen lebt und daran festzuhalten gewillt ist (s. hierzu u.a. die auf S. 15 des Verhandlungsprotokolls festgehaltenen Angaben: "BF3: Was mir besonders gefällt ist, dass die Frau hier einen besonderen Stellenwert hat. Ich finde es sehr gut, dass eine Frau hier selbstbestimmen kann. Mir gefällt, dass ich mich hier frei bewegen kann. Ich treffe wen ich möchte, verlasse das Haus, wohin ich möchte. Ich mache, was ich selbst möchte. [...] Es gibt viele Dinge an den österreichischen Frauen, die mich inspirieren. Ich lehne eher Gewohnheiten afghanischer Frauen ab."). Es bestehen für das Gericht auch keine Zweifel daran, dass die Erstbeschwerdeführerin dabei von ihren in Österreich aufhältigen Familienangehörigen unterstützt wird (s. hierzu z.B. die Ausführungen der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers auf S. 17 und 25 des Verhandlungsprotokolls).
Die Feststellungen, dass der Erstbeschwerdeführerin auf Grund ihrer am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten Lebensweise in Afghanistan physische und/oder psychische Gewalt drohen würde, folgt aus dem in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterial (vgl. Pkt. II.1.2.2.).
2.1.3. Dass auch die Drittbeschwerdeführerin eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische (junge) Frau ist und diese Lebensweise zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, ergibt sich v.a. aus dem von ihr durch die erkennende Richterin in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gewonnenen persönlichen Eindruck sowie aus den Angaben der Drittbeschwerdeführerin und ihrer Eltern:
Dabei folgen die Feststellungen zu ihrem Leben als typische Jugendliche in Österreich, ihren Freunden und Freundinnen in Österreich, ihrer Freizeit, ihrem Schulbesuch und ihren Zukunftsplänen aus ihren dahingehend glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (s. S. 31 f. des Verhandlungsprotokolls) und den mit diesen übereinstimmenden Ausführungen der Erstbeschwerdeführerin (s. S. 16 f. des Verhandlungsprotokolls). Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen der Drittbeschwerdeführerin ergeben sich v.a. aus der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, in der sie einen Großteil von der Richterin gestellten Fragen von sich aus in verständlichem Deutsch beantworten konnte (s. S. 31 f. des Verhandlungsprotokolls). Dass die Drittbeschwerdeführerin wie eine typische österreichische Jugendliche gekleidet und frisiert ist, ergibt sich aus dem von der erkennenden Richterin dahingehend gewonnenen persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung.
Für das Bundesverwaltungsgericht besteht auf Grund des persönlichen Eindrucks von der Drittbeschwerdeführerin und auf Grund ihrer Angaben in der mündlichen Verhandlung kein Zweifel daran, dass sie die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ablehnt und sich einer westlichen Wertehaltung und einem westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild zugehörig fühlt sowie nach einer solchen bzw. einem solchen lebt und daran festzuhalten gewillt ist (vgl. hierzu auch S. 32 und 33 des Verhandlungsprotokolls). Es bestehen für das Gericht auch keine Zweifel daran, dass die Drittbeschwerdeführerin dabei von ihren in Österreich aufhältigen Familienangehörigen voll und ganz unterstützt wird (s. hierzu z.B. die Ausführungen der Erstbeschwerdeführerin auf S. 15 des Verhandlungsprotokolls: "RI: Wie sehen Sie die Zukunft Ihrer Kinder in Österreich? BF3: Sie werden hier eine gute Zukunft haben. Viel, viel besser als die Zukunft, die sich in Afghanistan oder im Iran gehabt hätten. Sie leben in einem Land, das viele Möglichkeiten für Kinder und deren Zukunft bietet.")
Die Feststellungen, dass der Drittbeschwerdeführerin auf Grund ihrer am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten Lebensweise in Afghanistan physische und/oder psychische Gewalt drohen würde, folgt aus dem in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterial (vgl. Pkt. II.1.2.2.).
2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur Lage in Afghanistan ergeben sich aus den zitierten Quellen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der unter Pkt. II.1.2. angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Die oben wiedergegebenen Länderberichte wurden den Beschwerdeführern - neben darüber hinaus gehenden Länderfeststellungen - mit der Ladung bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übergeben. Den Beschwerdeführern wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführervertreter gab zu dem in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderberichtsmaterial sowie zum Parteiengehör vom 24.01.2019 eine schriftliche Stellungnahme ab, worin den ins Verfahren eingebrachten Länderberichtsmaterial nicht substantiiert entgegen getreten wurde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, (in der Folge: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 01.01.2014 in Kraft. Nach § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A) Stattgabe der - zulässigen - Beschwerde:
3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).
Bei dem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Asylgrund der "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der sich in weiten Bereichen mit den Gründen "Rasse, Religion und Nationalität" überschneidet, jedoch weiter gefasst ist als diese. Unter Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wird eine - nicht sachlich gerechtfertigte - Repression verstanden, die nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen, die also nicht verfolgt würden, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).
Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.11.2007, 2006/19/0341, mwN).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder im Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 leg.cit. als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 2 leg.cit. auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3 leg.cit.) und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 leg.cit.).
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen, die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 des § 34 leg.cit. erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.
3.2. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, ist es der Erstsowie der Drittbeschwerdeführerin gelungen, glaubhaft zu machen, am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frauen zu sein, bei denen diese Lebensweise zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist. Sie haben damit aus folgenden Gründen eine maßgebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründe aufgezeigt:
3.2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Frauen Asyl beanspruchen, die auf Grund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden. Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen (s. z.B. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301; 22.03.2017, Ra 2016/18/0388).
Nicht entscheidend ist, ob die Asylwerberin schon vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat eine derartige Lebensweise gelebt hatte und deshalb bereits verfolgt worden ist. Es reicht vielmehr aus, dass sie diese Lebensweise im Zuge ihres Aufenthalts in Österreich angenommen hat und bei Fortsetzung dieses Lebensstils im Falle der Rückkehr mit Verfolgung rechnen müsste (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301; 06.07.2011, 2008/19/0994).
Die Annahme einer in Österreich bestehenden selbstbestimmten Lebensweise, die zu einem wesentlichen Teil ihrer Identität geworden ist, kann einer Asylwerberin auch nicht schon deshalb abgesprochen werden, weil sie als alleinerziehende Mutter von mehreren minderjährigen Kindern den Haushalt führt und sich um die Kindererziehung kümmert (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301).
3.2.2. Aus den vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Afghanistan ergeben sich zwar keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen allein auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter sowie individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefen, im gesamten Staatsgebiet Afghanistans einer systematischen asylrelevanten (Gruppen‑)Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von den in den Länderberichten aufgezeigten Einschränkungen und Diskriminierungen kann jedoch bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, insbesondere einer diesen - traditionellen und durch eine konservativ-religiöse Einstellung geprägten - gesellschaftlichen Zwängen nach außen hin offen widerstrebenden Wertehaltung einer Frau, ein asylrelevantes Ausmaß erreichen.
Den o.a. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (Pkt. II.1.2.2.) ist zu entnehmen, dass sich die afghanische Regierung zwar bemüht, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, jedoch Frauen auf Grund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt sind und gerade Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, gesellschaftlich stigmatisiert werden und hinsichtlich ihre Sicherheit gefährdet sind (zur Indizwirkung solcher Länderberichte s. VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182, mwH). Frauen sind daher besonders gefährdet, in Afghanistan Opfer von Misshandlungen zu werden, wenn ihr Verhalten - wie z.B. die freie Fortbewegung oder eine ausgeübte Erwerbstätigkeit - als nicht mit den von der Gesellschaft, von der Tradition oder sogar vom Rechtssystem auferlegten Geschlechterrollen vereinbar angesehen wird.
3.2.3. Für die Erst- und die Drittbeschwerdeführerin wirkt sich die derzeitige Situation in Afghanistan so aus, dass sie im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger latenter Bedrohung, struktureller Gewalt sowie unmittelbaren Einschränkungen und durch das Bestehen dieser Situation der Gefahr einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wären. Gerade die Erst- und die Drittbeschwerdeführerin unterliegen einer diesbezüglich erhöhten Gefährdung, weil sie auf Grund ihrer Wertehaltung und Lebensweise bei einer Rückkehr gegenwärtig in Afghanistan als Frauen wahrgenommen werden würden, die sich als nicht konform ihrer durch die Gesellschaft, die Tradition und das Rechtssystem vorgeschriebenen geschlechtsspezifischen Rolle benehmen; sie sind insofern einem besonderen Misshandlungsrisiko ausgesetzt (vgl. hierzu auch EGMR 20.07.2010, 23.505/09, N./Schweden, ebenfalls unter Hinweis auf UNHCR).
Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Erst- und der Drittbeschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen drohen würden.
3.2.4. Diese Verfolgungsgefahr findet auch ihre Deckung in einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe, zumal die Erst- und die Drittbeschwerdeführerin einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich jener der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten afghanischen Frauen, zugehörig sind (vgl. Pkt. II.3.2.1.).
3.2.5. Es ist nach Lage des Falles davon auszugehen, dass die Erst- und die Drittbeschwerdeführerin vor diesen Bedrohungen in Afghanistan nicht ausreichend geschützt werden können. Zwar stellen die angeführten Bedrohungen keine Eingriffe von staatlicher Seite dar, es ist der Zentralregierung jedoch nicht möglich, für die umfassende Gewährleistung grundlegender Rechte und Freiheiten der afghanischen Frauen Sorge zu tragen; gegenwärtig besteht in Afghanistan dahingehend kein funktionierender Polizei- und Justizapparat. Darüber hinaus ist vor dem Hintergrund der oben getroffenen Länderfeststellungen nicht davon auszugehen, dass im Wirkungsbereich einzelner lokaler Machthaber effektive Mechanismen zur Verhinderung von Übergriffen und Einschränkungen gegenüber Frauen bestünden; ganz im Gegenteil liegt ein derartiges Vorgehen gegenüber Frauen teilweise ganz im Sinne der lokalen Machthaber.
Für die Erst- und die Drittbeschwerdeführerin ist damit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie angesichts des sie als westlich orientierte Frauen betreffenden Risikos, Opfer von Misshandlungen und Einschränkungen zu werden, ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden können.
3.2.6. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist im Fall der Erst- und der Drittbeschwerdeführerin nicht gegeben. Es ist im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer Situation auszugehen, in der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frauen einem erhöhten Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind.
3.2.7. Die Erst- und die Drittbeschwerdeführerin konnten somit glaubhaft machen, dass ihnen im Herkunftsstaat (zumindest) auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten afghanischen Frauen mit hoher Wahrscheinlichkeit Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK drohen würde.
Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, ist der Erst- und der Drittbeschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Beschwerde ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 und 4 AsylG 2005 stattzugeben und nach § 3 Abs. 5 leg.cit. festzustellen, dass der Erst- und der Drittbeschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.2.8. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418, ausdrücklich ausgesprochen, dass dem Gesetzgeber dann, wenn einem Familienangehörigen - aus welchen Gründen auch immer - ohnedies der Status der Asylberechtigten zu gewähren ist, nicht unterstellt werden kann, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären; dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen. Es kann daher im vorliegenden Fall dahin gestellt bleiben, ob dem Erstbeschwerdeführer und dem Viertbeschwerdeführer auch aufgrund eigener Fluchtgründe der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen wäre.
Da aber im vorliegenden Fall ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren des Zweitbeschwerdeführers sowie des Viertbeschwerdeführers einerseits und der Erstbeschwerdeführerin andererseits vorliegen (der Zweitbeschwerdeführer ist der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, diese Ehe bestand bereits vor ihrer Einreise nach Österreich; der Viertbeschwerdeführer ist das minderjährigen Kinder der Erstbeschwerdeführerin) und der Erstbeschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist auch dem Zweitbeschwerdeführer sowie dem Viertbeschwerdeführer der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 leg.cit. zu subsumieren wären, erkennbar sind.
Der Beschwerde ist daher auch im Hinblick auf den Zweitbeschwerdeführer sowie den Viertbeschwerdeführer, in ihrem Fall gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG sowie § 3 Abs. 1 und 4 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, stattzugeben und nach § 3 Abs. 5 leg.cit. festzustellen, dass ihnen kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.3. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 iVm § 75 Abs. 24 leg.cit. kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu, wenn er einen Antrag auf internationalen Schutz nicht vor dem 15.11.2015 gestellt hat. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird ("Asyl auf Zeit").
Die Beschwerdeführer stellten ihre Anträge auf internationalen Schutz jeweils am 20.01.2016, wodurch insbesondere § 2 Abs. 1 Z 15 und § 3 Abs. 4 AsylG 2005 gemäß § 75 Abs. 24 leg.cit. im konkreten Fall auf sie Anwendung finden. Dementsprechend kommt den Beschwerdeführern eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall v.a. im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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