DSG §1 Abs1
DSG §1 Abs2
DSGVO Art26
DSGVO Art4 Z1
DSGVO Art4 Z2
DSGVO Art4 Z7
DSGVO Art5 Abs1 lita
DSGVO Art5 Abs1 litc
DSGVO Art6 Abs1
OGHG §15
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W256.2234468.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Vorsitzende und den fachkundigen Laienrichterinnen Dr. Claudia Rosenmayr-Klemenz und Mag. Adriana Mandl als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Mag. Marcus Hohenecker, Rechtsanwalt in 2301 Groß-Enzersdorf, Kaiser Franz Josef-Straße 7, gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 27. Mai 2020, Zl. D124.1659,2020-0.262.193 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
In seiner Beschwerde vom 4. November 2019 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei Richter am Landesgericht XXXX . Mit Urteil vom 04. Juli 2019, GZ 2 Ds 4/19i, habe der Oberste Gerichtshof (OGH) eine ihn betreffende disziplinarrechtliche Entscheidung erlassen. Diese sei vom OGH gemäß §133a RStDG unter der Textnummer E125961 am 5. September 2019 im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) unter Nichtbeachtung der gesetzlich vorgesehenen Anonymisierung veröffentlicht worden. Die Informationen in der disziplinarrechtlichen Entscheidung ließen mit Leichtigkeit einen Rückschluss auf die Person des Beschwerdeführers zu. In weiterer Folge sei dieses OGH-Urteil auf der Startseite des Intranets der Justiz am 8. Oktober 2019 unter Verlinkung der nicht ordnungsgemäß anonymisierten RIS-Entscheidung vom Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (im Folgenden: mitbeteiligte Partei) veröffentlicht worden und sohin für alle Bediensteten der Justiz ersichtlich gewesen. Die derartige disziplinarrechtliche Anprangerung sei österreichweit nicht nur einzigartig, sondern auch aus Datenschutzgründen nicht zu rechtfertigen. Durch die Zusammenschau der im verlinkten Urteil enthaltenen Tweets werde die Weltanschauung beziehungsweise die politische Meinung des Beschwerdeführers deutlich, weshalb es sich um sensible Daten handle. Durch diese „prominente Veröffentlichung“ im Intranet der Justiz sehe er sich nunmehr in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt. Der Beschwerdeführer habe die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 13. Oktober 2019 aufgefordert, die Veröffentlichung zu beenden. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2019 sei dem Beschwerdeführer von dieser mitgeteilt worden, dass sein Schreiben betreffend die Veröffentlichung im RIS an den OGH weitergeleitet worden sei, auf sein Vorbringen bezüglich der Veröffentlichung im Intranet der Justiz sei jedoch nicht eingegangen worden. Die Veröffentlichung im Intranet der Justiz sei zwar seit 21. Oktober 2019 nicht mehr auf der Startseite vorhanden, jedoch nach wie vor im Archiv zu finden, welches auf der Startseite verlinkt sei. Weiters sei in der Veröffentlichung im Intranet ein Hinweis vorhanden, dass der Beschwerdeführer angekündigt habe, Beschwerde beim EGMR zu erheben, was einer Pressemeldung entnommen worden sein müsse und ohne Rücksprache mit dem Beschwerdeführer erfolgt sei. Die mitbeteiligte Partei habe daher sein Grundrecht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs. 1 DSG verletzt, weil sie die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art 5 DSGVO und der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nach Art 6 und 9 DSGVO nicht beachtet habe. Er begehre daher die Feststellung der Verletzung seines Grundrechtes auf Geheimhaltung wegen der Veröffentlichung sensibler personenbezogener Daten im Intranet der Justiz vom 8. Oktober 2019 bis zum 21. Oktober 2019 und seither fortlaufend im Archiv, sowie die Weiterführung der Datenverarbeitung zu untersagen. Der Beschwerde beigefügt war u.a. in Kopie die OGH Entscheidung zur GZ 2 Ds 4/19i vom 4. Juli 2019, Screenshots betreffend die Veröffentlichung im Intranet der Justiz sowie der Schriftverkehr mit der mitbeteiligten Partei.
Mit Stellungnahme vom 6. Februar 2020 brachte die mitbeteiligte Partei vor, der Beschwerdeführer sei nicht in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung verletzt. Es sei richtig, dass es eine Veröffentlichung im ausschließlich justizintern zugänglichen Intranet der Justiz gegeben habe. Diese sei erfolgt, um die Bediensteten – insbesondere Richterinnen und Richter – auf das Thema der Nutzung von sozialen Medien aufmerksam zu machen. Dabei habe die Veröffentlichung selbst keine personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers enthalten. Bei der nunmehr im Archiv befindlichen Einschaltung sei der Link zur OGH-Entscheidung nicht mehr vorhanden. Dieser habe sich ursprünglich jedoch vom 8. Oktober 2019 bis zum 21. Oktober 2019 in der Veröffentlichung befunden. Es sei auszuführen, dass die mitbeteiligte Partei im Jahr 2015 im Rahmen einer Rechnungshofprüfung zum Thema „Korruptionsprävention in ausgewählten Bundesministerien“ darauf hingewiesen worden sei, Korruptionspräventionsthemen gezielt zu kommunizieren. Demnach habe die mitbeteiligte Partei die gegenständliche OGH-Entscheidung zum Anlass genommen, die Bediensteten betreffend den Umgang mit sozialen Medien zu sensibilisieren sowie solche Verfehlungen in Zukunft hinzuhalten. Die Rechtsmeinung des OGH sei von besonderem Interesse, zumal vielen die Tragweite von Veröffentlichungen in sozialen Medien nicht bekannt sei, was ungewollt großen Schaden für den Ruf der Justiz anrichten könne. Das Zielpublikum der Einschaltung seien die Justizbediensteten sowie Rechtssprechungsorgane, welche ohnedies gewohnt seien, Rechtssätze in Zusammenschau mit der entsprechenden Entscheidung zu lesen, weshalb eine Verlinkung stattgefunden habe. Zudem hätten bereits vor der Einschaltung diverse Medien über die ergangene Disziplinarentscheidung berichtet. § 133a RStDG normiere die Veröffentlichung von rechtskräftigen Disziplinarentscheidungen. Entsprechend § 15 Abs. 4 OGHG seien diese derartig zu anonymisieren, dass die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung nicht verloren gehe. Diese seien durch die Veröffentlichung im RIS uneingeschränkt öffentlich zugänglich, weshalb die darin enthaltenen personenbezogenen Daten infolge der allgemeinen Verfügbarkeit einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich seien. Die Beurteilung darüber, ob die Anonymisierung ausreichend sei, obliege gemäß § 15 Abs. 5 OGHG dem erkennenden Senat und sei daher Angelegenheit der unabhängigen Rechtsprechung. Demnach sei dies der Prüfungsbefugnis der Datenschutzbehörde entzogen. Weiters sei anzumerken, dass der Beschwerdeführer eine Beschwerde wegen Verletzung des Datenschutzes gemäß § 85 GOG wegen behaupteter unzureichender Anonymisierung der vorausgegangenen Disziplinarentscheidung erhoben habe; dieser sei mit Beschluss des OGH vom 27. November 2019 zur GZ 6 Nc 30/19t nicht Folge gegeben worden. Es sei daher abschließend nochmals festzuhalten, dass der Text der Intranet-Einschaltung selbst keinerlei personenbezogene Daten enthalte. Die Frage eines allfälligen Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz durch eine unzureichende Anonymisierung des Erkenntnisses sei der Prüfbefugnis der Datenschutzbehörde entzogen und richte sich nach den §§ 83 ff GOG.
Mit Stellungnahme vom 22. April 2020 führte der Beschwerdeführer im dazu gewährten Parteiengehör im Wesentlichen aus, die mitbeteiligte Partei bestreite nicht, dass es sich bei der Veröffentlichung im Intranet der Justiz um einen Akt der Justizverwaltung handle. Ob und wie die Veröffentlichung im Intranet der Justiz heute im Archiv Bestand habe, sei nicht Verfahrensgegenstand, zumal die beanstandete Datenverarbeitung jedenfalls vom 8. Oktober 2019 bis zum 21. Oktober 2019 auf der Starseite des Intranets - inklusive dem Link zur OGH Entscheidung - ersichtlich gewesen sei. Die Tatsache, dass die Disziplinarentscheidung nicht anonymisiert im RIS veröffentlicht worden sei – wie auch der OGH mit Entscheidung gegen den Beschwerdeführer zur GZ 6 Nc 30/19t zugestanden habe – legitimiere die nachfolgende Datenschutzverletzung der Justizverwaltung keineswegs. Der mitbeteiligten Partei habe die Identifizierbarkeit der Person des Beschwerdeführers in der gegenständlichen Entscheidung des OGH offensichtlich bewusst sein müssen. Nach Rechtsprechung der Datenschutzbehörde sei die generelle Annahme des Nichtvorliegens schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen für zulässigerweise veröffentlichte Daten nicht mit den Bestimmungen der DSGVO vereinbar. Das Interesse des Beschwerdeführers an der Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten müsse im gegenständlichen Fall das Interesse der mitbeteiligten Partei an der Kommunikation von Compliance-Regeln überwiegen, zumal auch die Pranger Wirkung unverhältnismäßig schwerer wiege, als der behauptete Zweck der Generalprävention.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Aus § 133 a RStDG und § 15 OGHG gehe hervor, dass disziplinarrechtliche Entscheidungen im RIS zu veröffentlichen seien. Dazu sei festzuhalten, dass es sich bei den Anordnungen über die Anonymisierung von Entscheidungen des OGH nach § 15 Abs. 5 OGHG entsprechend der Rechtsprechung des OGH und der belangten Behörde um Akte der rechtsprechenden Tätigkeit handle, die vom jeweiligen Senat im Rahmen der Entscheidungsfindung ausgeübt werden und daher nicht losgelöst von der Beschlussfassung in der Sache zu sehen seien. Weiters sei zur Entscheidung über einen Antrag auf nachträgliche Anonymisierung einer Entscheidung des OGH der erkennende Senat zuständig. Demnach vermag die belangte Behörde nicht über die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung von Disziplinarerkenntnissen im RIS sowie über die Frage, ob eine Anonymisierung ausreichend sei, zu entscheiden. Dies obliege allein, wie oben ausgeführt, dem erkennenden Senat des OGH, und sei die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Veröffentlichung im RIS im gegenständlichen Fall mit Beschluss des OGH vom 27. November 2019, GZ 6 Nc 30/19t, bestätigt worden. Dabei sei mitunter ausgeführt worden, dass bei derartigen Veröffentlichungen im (Regel-)Fall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nach der Wertung des Gesetzes schwerer wiege als das Anonymitätsinteresse der Beteiligten. Die Disziplinarentscheidung des OGH betreffend den Beschwerdeführer erlaube aufgrund der darin enthaltenen Informationen sowie dessen allgemeinem Bekanntheitsgrad Rückschlüsse auf die Person des Beschwerdeführers. Im Ergebnis handle es sich bei der im RIS veröffentlichten Disziplinarentscheidung sohin um personenbezogene Daten des Beschwerdeführers nach Art. 4 Z 1 DSGVO.
Im gegenständlichen Fall sei von der mitbeteiligten Partei eine Einschaltung im Intranet der Justiz getätigt worden, wobei das im RIS veröffentlichte und allgemein zugängliche Disziplinarerkenntnis des OGH betreffend den Beschwerdeführer verlinkt und mit Zusatzinformationen versehen worden sei. Im Ergebnis liege sohin eine neue Verarbeitung vor, die einer eigenen Rechtsgrundlage bedürfe. Die mitbeteiligte Partei sei das sachlich für den Beschwerdeführer und für die richterlichen Bediensteten zuständige Bundesministerium und zur Vollziehung des Dienstrechts im Justizresort berufen. Mit der Ausgestaltung von Dienstpflichten habe sich der erkennende Senat des OGH in der gegenständlichen Disziplinarentscheidung im Hinblick auf öffentliche Äußerungen von Richtern befasst. In der Entscheidung sei mitunter festgehalten worden, dass die Öffentlichkeit von einem Richter stets Sachlichkeit erwarte und dieser weder Vorverurteilungen eines im Strafverfahren Beschuldigten vornehmen dürfe, noch abfällige Bemerkungen. Zweifelsohne sei diese Entscheidung von wesentlicher Bedeutung für Richter und Staatsanwälte, aber auch für die nichtrichterlichen und nichtstaatsanwaltlichen Bediensteten des Justizressorts. Des Weiteren deuten auch die von der mitbeteiligten Partei veröffentlichten Compliance-Leitlinien darauf hin, dass der sensible Umgang mit sozialen Medien eine Dienstpflicht darstelle. Die mitbeteiligte Partei befasse sich demnach bereits seit geraumer Zeit mit dieser Agenda und knüpfe die verfahrensgegenständliche Einschaltung im Intranet der Justiz an diese Thematik an. Der mitbeteiligten Partei könne daher nicht abgesprochen werden, dass sie als sachlich zuständiges Bundesministerium ein Interesse daran habe, dass die im RStDG, BDG 1979 und VBG 1948 normierten Dienstpflichten von allen Bediensteten eingehalten werden, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die ordnungsgemäße Dienstausübung dieser Personen sicherzustellen. Gerade von Richtern, die in Ausübung ihres Amtes von Verfassung wegen unabhängig seien, werde dabei erwartet, dass sie keine Anzeichen etwaiger Voreingenommenheit erkennen lassen, die die neutrale Ausübung ihres Amtes in Frage stellen könnte. Als Konsequenz treffe die mitbeteiligte Partei wohl eine Informationspflicht, die Bediensteten vom Ausgang dieser disziplinarrechtlichen Entscheidungen in Kenntnis zu setzen. Zudem sehe § 133a RStDG ohnedies vor, disziplinarrechtliche Entscheidungen im RIS zu veröffentlichen seien. Zumal der OGH in GZ 6 Nc 30/19t im Hinblick auf den gegenständlichen Fall die Zulässigkeit der Veröffentlichung im RIS, welches einem unbeschränkten Personenkreis zugänglich sei, ausgesprochen habe, könne es unter Berücksichtigung des Grundsatzes argumentum a maiore ad minus im Ergebnis nicht dazu kommen, dass eine diesbezügliche Einschaltung im Intranet der Justiz, welches per definitionem nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich sei, unter Verlinkung der RIS-Entscheidung als unzulässig angesehen werden könne. Dem Adressatenkreis der Einschaltungen im Intranet der Justiz (vor allem Organe der Rechtsprechung) komme zudem dabei ein noch größeres Interesse am Ausgang einer disziplinarrechtlichen Entscheidung des OGH zu als der Allgemeinheit. Dies, zumal derartige Disziplinarerkenntnisse für das Verhalten der Rechtssprechungsorgane in sozialen Medien wegweisend sein können und bei Fehlverhalten disziplinarrechtliche Entscheidungen zu befürchten wären, weshalb eine konkrete Information an die Bediensteten durch die mitbeteiligte Partei, welche dieser durch die Einschaltung im Intranet der Justiz erreicht habe, sogar erforderlich scheine. Im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die mitbeteiligte Partei den Zusatz in der Einschaltung, dass der Verurteilte angekündigt habe, zu der nicht ausjudizierten Frage den EGMR anzurufen, den Medien entnommen haben müsse, sei festzuhalten, dass dies eine erforderliche Zusatzinformation darstelle. Anderenfalls würde gegenüber den Lesern der Eindruck erweckt werden, die gegenständliche Causa sei mit Entscheidung des OGH endgültig erledigt und ausjudiziert. Betreffend das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach aus der Zusammenschau der vier Tweets, welche in der Entscheidung im RIS veröffentlicht seien, sich die politische Meinung des Beschwerdeführers ableiten lasse und sohin sensible Daten vorlägen, sei neuerlich festzuhalten, dass die belangte Behörde über keine Kompetenz zur Überprüfung der Veröffentlichung im RIS verfüge. Unbeschadet dessen habe der OGH in 6 Nc 30/19t ohnedies festgehalten, dass sich die politische Gesinnung ausschließlich aus den vom Beschwerdeführer persönlich auf Twitter veröffentlichten Tweets ergebe. Vor diesem Hintergrund sei die Einschaltung im Intranet der Justiz nicht zu beanstanden, weil es für diesen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz eine gesetzliche Grundlage im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG gebe. Im Ergebnis sei die Beschwerde daher spruchgemäß abzuweisen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde gebe im angefochtenen Bescheid das Vorbringen der Parteien zutreffend wieder. Insbesondere erkenne sie auch zutreffend, dass die mitbeteiligte Partei durch die Verlinkung der Disziplinarentscheidung des OGH vom 4. Juli 2019, 2 Ds 4/19i auf der Startseite des Intranets der Justiz samt der Anfügung von Zusatzinformationen ihn betreffende personenbezogene Daten im Sinne von Art 4 Z 2 DSGVO verarbeite und damit jedenfalls im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG verwendet habe und dass es dafür einer eigenen Rechtsgrundlage bedürfe. Die belangte Behörde bejahe jedoch zu Unrecht das Vorliegen einer solchen qualifizierten Rechtsgrundlage. Weder im BDG, noch im RStDG sei von einer "Verlinkung" eines Disziplinarerkenntnisses die Rede. Auch finde sich darin keine ausdrückliche Ermächtigung dazu, in sein Grundrecht auf Geheimhaltung einzugreifen. Die belangte Behörde verkenne auch die Funktion des § 133 a RStDG, der keine Ermächtigung darstelle, sondern vielmehr eine Verpflichtung, und zwar ausschließlich zur Veröffentlichung im RIS und zwar in anonymisierter Form. Damit sei aber auch der Eingriff in sein Grundrecht auf Geheimhaltung begrenzt und abschließend geregelt. Darüber hinaus sei aus dieser Bestimmung keine Ermächtigung zum Grundrechtseingriff ableitbar. Für eine über das RIS hinausgehende Publizität des (unzureichend anonymisierten) Disziplinarerkenntnisses des OGH vom 4. Juli 2019 bestehe folglich rechtlich kein Raum. Es existiere daher, entgegen der Annahme der Datenschutzbehörde, keine gesetzliche Ermächtigung zum Eingriff in sein Grundrecht auf Geheimhaltung. Unabhängig davon, dass ohnehin keine gesetzliche Ermächtigung zum Eingriff in sein Grundrecht auf Datenschutz bestehe, wäre eine derartige gesetzliche Ermächtigung verfassungswidrig, weil gegen die Kriterien des Art 8 Abs 2 EMRK verstoßend: Die verfahrensgegenständliche "Verlinkung" sei nämlich nicht erforderlich für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Ver-teidigung der Ordnung oder die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Aber selbst dann, wenn das Bedürfnis nach Information über das ihn betreffende Disziplinarerkenntnis des OGH vom 4. Juli 2019 einem der genannten Kriterien des Art 8 Abs 2 EMRK dienen würde, wäre dem Verhältnismäßigkeitsgebot nicht entsprochen. Dieses Gebot verpflichte zur Anwendung des gelindesten noch zum Ziel führenden Mittels. Dieses wäre aber im vorliegenden Falls nicht zur Anwendung gekommen: Denn der im BDG 1979 dem Vorgesetzten überantworteten Aufgabe, darauf zu achten, dass die Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen, könne auch durch ganz andere Weise entsprochen werden, nämlich schlicht und sachlich durch die Information, was der OGH bezüglich der Verwendung von Social-Media durch Richter erlaubt habe und was nicht. Der Rechtssatz RSO 132729 im RIS zeige, dass dies möglich sei. Auch der Zusatz in der Einschaltung im Intranet, der Beschwerdeführer habe angekündigt, zu der nicht ausjudizierten Frage den EGMR anzurufen, diene lediglich der Bloßstellung des Beschwerdeführers. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei die Angelegenheit mit der Entscheidung des OGH erledigt, denn dem EGMR komme keine Zuständigkeit zu, Entscheidungen des OGH aufzuheben. Er könne - nur, aber immerhin - die Rechtsverletzung feststellen und die Republik Österreich verpflichten, Schadenersatz zu leisten.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
In ihrer Stellungnahme vom 4. August 2022 brachte die mitbeteiligte Partei ergänzend vor, dass gerade auch justizintern die Diskussion um die Treuepflichten öffentlich Bediensteter im Allgemeinen und der Richter: innen im Besonderen einen weiten Bogen vertretbarer Meinungen spanne. In diesem Bereich könnten vielfach unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensspielräume zwangsläufig erst durch die Judikatur näher präzisiert werden. Daher sollte durch die Information im Intranet, d.h. dem internen Informationssystem der Justiz, auf eine richtungsweisende neue Entscheidung des Disziplinargerichtes aufmerksam gemacht werden. Die mitbeteiligte Partei sei damit lediglich ihren Informations- und damit Fürsorgepflichten nachgekommen. Der in der Einschaltung gesetzte Hinweis auf die Ankündigung des im Disziplinarverfahren Verurteilten, „zu der nicht ausjudizierten Rechtsfrage den EGMR anzurufen“, sollte zum Ausdruck bringen, dass im Spannungsverhältnis zwischen den Treupflichten und dem Grundrechtsschutz (insbesondere im Lichte der Art. 8 und 10 EMRK) hier allenfalls noch eine weitere Klarstellung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu erwarten wäre. Der Hinweis sei daher - entgegen den Beschwerdeausführungen - rein sachlich und weder dazu bestimmt, noch dafür geeignet den Beschwerdeführer „als uneinsichtigen Querulanten“ darzustellen. Der OGH habe bereits die Rechtmäßigkeit der (anonymisierten) Veröffentlichung des gegen den Beschwerdeführer ergangenen Disziplinarerkenntnisses im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) im Rahmen seiner justiziellen Tätigkeit festgestellt. Der OGH habe in der Begründung seiner genannten Entscheidung überdies festgehalten, dass die Identifizierbarkeit des Beschwerdeführers nicht Folge der Anführung seines Vornamens (oder weiterer direkter oder indirekter Informationen) im veröffentlichten Disziplinarerkenntnis, sondern v.a. des Bekanntheitsgrades der von ihm geposteten Tweets gewesen sei.
Mit Schriftsatz vom 2. November 2022 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Vorbringen. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer vor, das Vorbringen der mitbeteiligten Partei, zum Hinweis im Intranet „zu der nicht ausjudizierten Rechtsfrage den EGMR anzurufen“, erscheine lediglich vorgeschoben, denn wäre dies tatsächlich die Motivlage gewesen, dann sei es unverständlich, warum es nicht gerade auch so zum Ausdruck gebracht worden sei.
Gleichzeitig wurde vom Beschwerdeführer ein Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 38 VwGG gestellt.
Mit am 16. November 2022 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangter verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 2022, Fr 2022/04/0014-2 wurde dem Bundesverwaltungsgericht aufgetragen, binnen zwei Monaten eine Entscheidung zu erlassen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Richter am Landesgericht XXXX . Die mitbeteiligte Partei ist das sachlich für den Vollzug des RStDG und – soweit es andere Justizbedienstete betrifft – des BDG 1979 bzw. VBG 1948 zuständige Bundesministerium.
Gegen den Beschwerdeführer ist am 4. Juli 2019 die Disziplinarentscheidung des OGH mit der GZ 2 Ds 4/19i ergangen. Diese wurde am 5. September 2019 im RIS (anonymisiert) veröffentlicht.
Die mitbeteiligte Partei hat vom 8. Oktober 2019 bis zum 21. Oktober 2019 im Intranet der Justiz folgende Einschaltung zum Zweck der Sensibilisierung der Mitarbeiter im Hinblick auf den Umgang mit sozialen Medien veröffentlicht:
„Compliance – OGH-Entscheidung zur Nutzung von sozialen Medien
Der Verurteilte hat angekündigt, zu der nicht ausjudizierten Rechtsfrage den EGMR anzurufen.
Das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz bestimmt, dass sich Richter/innen im und außer Dienst so zu verhalten haben, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen ihres Berufsstands nicht gefährdet wird.
Die Compliance-Leitlinien gehen in Kapitel 4.4 auf die Nutzung von sozialen Medien ein und verweisen darauf, dass gerade für Justizbedienstete besondere Vorsicht bei deren Nutzung geboten ist. Auch in sozialen Medien gilt, dass keine Inhalte verbreitet werden dürfen, die dem Ansehen der Dienststelle, der Dienstbehörde oder dem Berufsbild schaden könnten (z.B. Inhalte, die den Eindruck von Voreingenommenheit und/oder Diskriminierung erwecken können).
In einer jüngst ergangenen Entscheidung hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) die Äußerungen eines Richters über das soziale Medium "Twitter" zu beurteilen. Dabei führte der OGH grundlegend im Hinblick auf das Spannungsverhältnis von Dienstpflichten und Meinungsäußerungsfreiheit aus (Auszug):
"Die Öffentlichkeit erwartet von einem Richter, dass er sich auch ohne Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit bei öffentlichen Äußerungen an das (ihm beruflich obliegende) Sachlichkeitsgebot hält und weder Vorverurteilungen eines in einem Strafverfahren Beschuldigten vornimmt noch abfällige Bemerkungen über ein Regierungsmitglied oder eine Richterkollegin publiziert. Denn das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Rechtsprechung bedingt, dass ein Richter seine äußere und innere Unabhängigkeit, seine Neutralität und erkennbare Distanz, die auch in aktuellen politischen Auseinandersetzungen spürbar bleiben muss (wobei eine sachliche Teilnahme an einem [partei-]politischen Diskurs vorliegend nicht in Rede steht), auf keine Weise in Frage stellt. Solcher Art bewirkt die Beleidigung eines amtierenden Ministers durch einen Richter in einem sozialen Medium ebenso eine Gefährdung des Ansehens des Richterstands und damit eine Pflichtverletzung wie die verbale Vorverurteilung eines Beschuldigten und die spekulativ geäußerte Befürchtung der unsachlichen Bevorzugung eines Beschuldigten durch eine Richterkollegin. In diesem Sinn haben Richter aufgrund ihrer besonderen Funktion im Rechtsstaat weitergehende Beschränkungen bei ihren Meinungsäußerungen hinzunehmen. Die Äußerungen des Beschuldigten waren daher nicht durch Art. 10 MRK gedeckt."
Zur weiteren Information wird auf nachstehende Dokumente verwiesen.
Querverweise
Compliance-Leitlinien
Links
Urteil des OGH vom 4. Juli 2019, 2 Ds 4/19i
Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz § 57
Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 § 43“
Dabei war das Urteil vom 4. Juli 2019 über einen Link zum Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes verlinkt.
Die Einschaltung im Intranet der Justiz befindet sich nunmehr im Archiv, wobei der Link zur OGH-Entscheidung im RIS nicht mehr vorhanden ist.
Der Beschwerdeführer hat gegen die Veröffentlichung des Urteils des OGH vom 4. Juli 2019 im RIS gemäß § 85 GOG beim OGH Beschwerde erhoben.
Mit Beschluss des OGH vom 27. November 2020, GZ 6 Nc 30/19t, wurde der Beschwerde nicht Folge gegeben und die gegenständliche der Rechtsprechung zuzuordnende Anonymisierung und Veröffentlichung im RIS als rechtmäßig befunden. Dabei wurde u.a. festgehalten, dass die Identifizierbarkeit des Beschwerdeführers nicht Folge der – grundsätzlich nach § 15 OGHG zulässigen und im Übrigen im Einklang mit der ständigen Praxis des Obersten Gerichtshofs stehenden – Anführung seines Vornamens, sondern vielmehr vor allem auf den Bekanntheitsgrad der von ihm geposteten Tweets zurückzuführen sei. Im Hinblick auf den Bekanntheitsgrad der vom Beschwerdeführer selbst verbreiteten Tweets könnte zudem auch bei vollständiger Anonymisierung oder Pseudonymisierung seines Namens die Wiedergabe der Tweets, die er unter seinem richtigen Namen mit einem Account mit der Bezeichnung „*****“ postete, stets Rückschlüsse auf die Person des Beschwerdeführers zulassen. Ein Weglassen (auch) des Vornamens und/oder des Anfangsbuchstabens des Familiennamens des Beschwerdeführers hätte demgegenüber zur Folge, dass damit auch der Bezug zu den festgestellten Tweets unter dem Account des Beschwerdeführers nicht ausreichend erkennbar wäre und damit die Tatsachengrundlage des Disziplinarerkenntnisses an Verständlichkeit einbüßen würde.
2. Beweiswürdigung:
Der oben festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und ist im Übrigen unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die hier wesentlichen Bestimmungen lauten wie folgt:
§ 1 Abs. 1 und 2 Datenschutzgesetz – DSG, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF (DSG):
„§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
Art 4, 5, 6 und 26 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung; DSGVO) lauten auszugsweise wie folgt:
„Artikel 4
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
1. ‚personenbezogene Daten‘ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden ‚betroffene Person‘) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;
2. ‚Verarbeitung‘ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;
[...]
7. ‚Verantwortlicher‘ die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet; sind die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben, so kann der Verantwortliche beziehungsweise können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden;
[...]
Artikel 5
Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten
(1) Personenbezogene Daten müssen
a) auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden (‚Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz‘);
[...]
c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein (‚Datenminimierung‘);
[...]
Artikel 6
Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
[...]
Artikel 26
Gemeinsam Verantwortlich(1) Legen zwei oder mehr Verantwortliche gemeinsam die Zwecke der und die Mittel zur Verarbeitung fest, so sind sie gemeinsam Verantwortliche. Sie legen in einer Vereinbarung in transparenter Form fest, wer von ihnen welche Verpflichtung gemäß dieser Verordnung erfüllt, insbesondere was die Wahrnehmung der Rechte der betroffenen Person angeht, und wer welchen Informationspflichten gemäß den Artikeln 13 und 14 nachkommt, sofern und soweit die jeweiligen Aufgaben der Verantwortlichen nicht durch Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, denen die Verantwortlichen unterliegen, festgelegt sind. In der Vereinbarung kann eine Anlaufstelle für die betroffenen Personen angegeben werden.
(2) Die Vereinbarung gemäß Absatz 1 muss die jeweiligen tatsächlichen Funktionen und Beziehungen der gemeinsam Verantwortlichen gegenüber betroffenen Personen gebührend widerspiegeln. Das wesentliche der Vereinbarung wird der betroffenen Person zur Verfügung gestellt.
(3) Ungeachtet der Einzelheiten der Vereinbarung gemäß Absatz 1 kann die betroffene Person ihre Rechte im Rahmen dieser Verordnung bei und gegenüber jedem einzelnen der Verantwortlichen geltend machen.“
§ 15 OGH-Gesetz, BGBl. Nr. 328/1968 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 95/2001 (OGHG) lautet auszugsweise wie folgt:
§ 15
(1) Der Bundesminister für Justiz hat eine allgemein zugängliche Datenbank (Entscheidungsdokumentation Justiz) einzurichten, in die
1. Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (Volltexte), die sich nicht in einer begründungslosen Zurückweisung eines Rechtsmittels erschöpfen, sowie
2. nach § 14 Abs. 1 aufbereitete Entscheidungen (Rechtssätze) und andere Texte
aufzunehmen sind. In Zweifelsfällen entscheidet bei Rechtssätzen der jeweilige Senatsvorsitzende, ansonsten der Leiter des Evidenzbüros.
(2) Der erkennende Senat kann bei der Beschlussfassung in Rechtssachen, in denen das Verfahren in allen Instanzen ohne Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zu führen war, anordnen, dass die Entscheidung (Volltext) in der Datenbank nicht zu veröffentlichen ist, wenn ansonst die Anonymität der Betroffenen nicht sichergestellt ist.
[..]
(4) In der Entscheidungsdokumentation Justiz sind Namen, Anschriften und erforderlichenfalls auch sonstige Orts- und Gebietsbezeichnungen, die Rückschlüsse auf die betreffende Rechtssache zulassen, durch Buchstaben, Ziffern oder Abkürzungen so zu anonymisieren, dass die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung nicht verloren geht.
(5) Anordnungen nach dem Abs. 4 hat der erkennende Senat bei der Beschlussfassung, bei vor dem 1. Jänner 1991 beschlossenen Entscheidungen der Präsident des Obersten Gerichtshofes zu treffen.
[..]“
Unstrittig hat die mitbeteiligte Partei von 8.10.2019 bis 21.10.2019 über eine den Beschwerdeführer betreffende OGH Entscheidung im Intranet der Justiz in Zusammenhang mit der Nutzung von sozialen Medien und den diesbezüglichen sämtliche Mitarbeiter der Justiz treffenden Compliance Leitlinien berichtet. Der Bericht selbst enthält keine direkte Bezugnahme zum Beschwerdeführer, sondern wird darin lediglich allgemein auf die (sich aus dem Richter- und Staatsanwaltschaftsgesetz und dem Beamten Dienstrechtsgesetz ergebende) Notwendigkeit eines sorgsamen Umganges bei der Nutzung von sozialen Medien hingewiesen. In diesem Zusammenhang wird die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH), die Äußerungen eines Richters über das soziale Medium "Twitter" zu beurteilen hatte, genannt, wobei schon in der Einleitung zum Bericht festgehalten wird, dass der „Verurteilte“ angekündigt habe, zu der nicht ausjudizierten Rechtsfrage den EGMR anzurufen.
Nach der wörtlichen Wiedergabe eines zu dieser Entscheidung ergangenen Rechtssatzes (RS0132729) findet sich am Ende der Einschaltung der weiterführende Link zur im Rechtsinformationssystem veröffentlichten gesamten Entscheidung.
Der Beschwerdeführer wendet sich nun dagegen, dass die mitbeteiligte Partei dieses seiner Ansicht nach unzureichend anonymisierte OGH-Urteil von 8.10.2019 bis 21.10.2019 auf der Startseite der Intranet-Homepage „prominent“ für sämtliche Bedienstete der Justiz mit einem Link zum Urteil im RIS samt Zusatzinformationen online gestellt und somit jede/r Mitarbeiter/in der Justiz von seiner disziplinargerichtlichen Verurteilung Kenntnis erlangt habe. Dadurch habe die mitbeteiligte Partei die Grundsätze für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten gemäß Art 5, 6 und 9 DSGVO nicht eingehalten und ihn insofern in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt.
Art. 5 DSGVO legt die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten fest und bestimmt in dessen Abs. 1 lit. a, dass personenbezogene Daten auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden müssen („Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz“).
Die Anforderungen für eine rechtmäßige Datenverarbeitung sind in Art. 6 DSGVO konkretisiert. Danach erfordert die Rechtmäßigkeit jeder Verarbeitung, dass die Verarbeitung - kumulativ zu den anderen in Art. 5 Abs. 1 geregelten Grundsätzen – mindestens einem der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO abschließend festgelegten Rechtsgründe genügen muss (vgl. Selmayr in Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, Kommentar², Art 5 Rz 8f).
Sowohl Art 5, 6 und auch 9 DSGVO setzen demnach voraus, dass überhaupt eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten vorliegt.
Zur „Verlinkung“ des OGH Urteils:
Die Anonymisierung und Veröffentlichung der in Rede stehenden Entscheidung im RIS selbst ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und im Übrigen der mitbeteiligten Partei auch gar nicht zuzurechnen. Dabei handelt es sich nach § 15 Abs 5 OGHG um einen von der Zuständigkeit der belangten Behörde ausgenommenen Akt der rechtsprechenden Tätigkeit, der vom jeweiligen Senat im Rahmen der Entscheidungsfindung ausgeübt wird und daher nicht losgelöst von der Beschlussfassung in der Sache zu sehen ist (Fellner/Nogratnig, RStDG, GOG und StAG II5.01 § 15 OGHG (Stand 1.2.2022, rdb.at). Der Beschwerdeführer hat sich – wie unbestritten feststeht – wegen dieser Veröffentlichung im RIS auch bereits an den OGH mittels Datenschutzbeschwerde gewandt und hat dieser in seinem Beschluss vom 27. November 2020 diese im Wege der Rechtsprechung durch den OGH erfolgte (anonymisierte) Veröffentlichung des gegen den Beschwerdeführer ergangenen Disziplinarerkenntnisses im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) für rechtmäßig befunden.
In Bezug auf die hier verfahrensgegenständliche Veröffentlichung im Intranet der Justiz ist auf Grundlage der Feststellungen und der eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers festzuhalten, dass es im Intranet der Justiz zu keiner wörtlichen Wiedergabe des in Rede stehenden Urteils durch die mitbeteiligte Partei gekommen ist, sondern die mitbeteiligte Partei dort lediglich durch Setzen eines Links einen (erleichterten) Zugang zur bereits im „Rechtsinformationssystem des Bundes“ (RIS) zulässig veröffentlichten Entscheidung ermöglicht hat.
Eine Verarbeitung des in Rede stehenden Urteils und der darin allfällig enthaltenen personenbezogenen (sensiblen) Daten des Beschwerdeführers fand damit aber durch die mitbeteiligte Partei nicht statt. Weder hat sie das in Rede stehende Urteil durch diesen Vorgang eines weiterführenden Hyperlinks in irgendeiner Form selbst im Intranet erfasst oder gespeichert (vgl. das Urteil des EuGH Lindqvist, C-101/01, EU:C:2003:596, Rn. 25, wonach der Vorgang, der darin besteht, personenbezogene Daten auf eine Internetseite zu stellen, als eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der Vorgängerbestimmung von Art 4 Z 2 DSGVO, Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46 anzusehen ist), noch konnte sie es mangels einer solchen Verarbeitung in weiterer Folge – wie vom Beschwerdeführer behauptet – durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung anderen offenlegen.
Dabei wird zwar nicht übersehen, dass die mitbeteiligte Partei durch die Bereitstellung eines anklickbaren Links das (für jedermann zulässiger Weise) im RIS veröffentlichte Urteil ihren Nutzern leichter zugänglich gemacht hat (vgl. dazu das zum Urheberrecht ergangene Urteil des EuGH Svensson, C466/12, EU:C:2014:76, Rn 20), eine (Mit)Verantwortlichkeit im Sinne des Art 4 Z 7 und 26 DSGVO für die – wie oben ausgeführt – durch den OGH erfolgte und diesem auch zuzurechnende Offenlegung im RIS kann daraus aber nicht abgeleitet werden (vgl. demgegenüber zur datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit eines Webbetreibers bei Einbindung eines Social Plugins Button, durch welchen – anders als im vorliegenden Fall – bereits bei Aufrufen der Website durch einen Besucher personenbezogene Daten dieses Besuchers an den Social Media Anbieter übermittelt werden, das Urteil des EuGH Fashion ID, C-40/17, ECLI:EU:C:2019:629, Rn 64ff).
Da es somit durch die vorliegende „Verlinkung“ des Urteils zu gar keiner Verarbeitung und damit Offenlegung dieses Urteils durch die mitbeteiligte Partei gekommen ist, konnte der Beschwerdeführer dadurch nicht in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt werden.
Zur Intranet-Meldung („Zusatzinformationen“)
In Bezug auf die Intranet-Meldung an sich ist festzuhalten, dass diese – wie schon von der belangten Behörde unbestritten festgehalten wurde – durch die mitbeteiligte Partei im Rahmen der Dienstaufsichtspflicht und zwar zum Zweck der Sensibilisierung der in ihrem Verantwortungsbereich liegenden Justizbediensteten bei der Nutzung der sozialen Medien erfolgt und dieser damit auch grundsätzlich zuzurechnen ist.
Wie der in den Feststellungen wiedergegebenen Einschaltung entnommen werden kann, wird darin in allgemein und sachlich gehaltener Form auf die sämtliche Justizbedienstete treffende gesetzliche Pflicht eines sorgsamen Umganges mit sozialen Medien hingewiesen und wurde in diesem Zusammenhang auf die „jüngst“ ergangene Entscheidung des OGH in Bezug auf Äußerungen eines Richters über das soziale Medium "Twitter" aufmerksam gemacht sowie der dazu ergangene Rechtsatz RS0132729 wörtlich wiedergegeben. Zusätzlich wird festgehalten, dass „der Verurteilte“ die Absicht geäußert habe, den EGMR zu der nicht ausjudizierten Rechtsfrage anzurufen.
In seiner Entscheidung vom 17. Juli 2014 Rs C-141/12 und C-372/12, YS ua. [ECLI:EU:C:2014:2081]) führte der EuGH zur Vorgängerregelung des Art 4 Z 1 DSGVO, nämlich Art. 2 lit. a RL 95/46/EG aus, dass eine (in einer die endgültige Entscheidung vorbereitenden Entwurfsschrift enthaltene) rechtliche Analyse über die Gewährung eines Aufenthaltstitels zwar personenbezogene Daten des Antragstellers enthalten könne, es sich bei ihr selbst jedoch nicht um Daten im Sinne von Art. 2 lit. a der RL handle. Bei einer solchen rechtlichen Analyse handle es sich nämlich nicht um eine Information über denjenigen, der den Aufenthaltstitel beantrage, sondern höchstens, soweit sie sich nicht ohnedies auf eine rein abstrakte Rechtsauslegung beschränke, um eine Information darüber, wie die zuständige Behörde dieses Recht im Fall dieses Antragsstellers anhand der ihr vorliegenden personenbezogenen Daten beurteile und anwende (siehe darauf bezugnehmend auch VwGH, 14.12.2021, Ro 2021/04/0007, Rn 32).
Wenn aber schon die rechtliche Analyse einer Entscheidung nicht als personenbezogenes Datum anzusehen ist, muss dies umso mehr für die bloße Information über eine solche rechtliche Analyse („Judikaturhinweis“) und für deren Erörterung („Judikaturbesprechung“) gelten.
Nichts Anderes ist im vorliegenden Fall durch die mitbeteiligte Partei erfolgt.
Diese hat in ihrer Einschaltung sämtliche Mitarbeiter der Justiz über die aktuelle Rechtsprechung des OGH in Bezug auf die Nutzung von sozialen Medien mit dem Hinweis, dass diese Rechtsfrage allenfalls noch nicht ausjudiziert ist, in sachlicher Weise und ohne auf den Beschwerdeführer Bezug zu nehmen, informiert. Ob eine Rechtsfrage ausjudiziert oder hier noch weitere Klärung (allenfalls durch den EGMR) zu erwarten ist, stellt – wie schon von der belangten Behörde ausgeführt wurde – eine wesentliche Zusatzinformation für die Anwendbarkeit einer Rechtsprechung dar.
Inwiefern der Beschwerdeführer durch eine solche Darstellung der Rechtslage bloßgestellt wurde, kann nicht nachvollzogen werden. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, auf welche sonstige andere Weise die mitbeteiligte Partei, den gegebenen Umstand, dass die verurteilte Partei die Absicht geäußert habe, den EGMR anzurufen, hätte darlegen sollen.
Im Übrigen führt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde sogar selbst aus, der Rechtssatz RSO 132729 im RIS zeige, wie die mitbeteiligte Partei sachlich und schlicht darüber berichten hätte können, was der OGH bezüglich der Verwendung von Social-Media durch Richter erlaubt habe und was nicht. Nichts Anderes als eine Wiedergabe dieses Rechtssatzes ist aber – wie bereits oben dargestellt – durch die mitbeteiligte Partei in ihrer gegenständlichen Einschaltung im Wesentlichen erfolgt.
Da somit aber die gegenständliche Einschaltung als bloße Information über ein Rechtsurteil und damit – wie oben dargelegt – nicht als personenbezogenes Datum anzusehen ist, konnte der Beschwerdeführer auch dadurch nicht in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt werden.
Die belangte Behörde hat daher im vorliegenden Fall die Beschwerde zu Recht als unbegründet abgewiesen. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Rechtmäßigkeit einer solchen Verarbeitung, insbesondere dem Vorliegen einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage dazu, konnte bei diesem Ergebnis unterbleiben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Da im vorliegenden Fall lediglich Rechtsfragen, die bereits durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet wurden, zu klären waren, konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG von der Durchführung einer (auch nicht beantragten) mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die gegenständliche Rechtsprechung steht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung. Aufgrund der eindeutigen Rechtslage handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
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