BVwG W256 2146701-1

BVwGW256 2146701-120.9.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §8 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W256.2146701.1.00

 

Spruch:

W256 2146701-1/14E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, auch XXXX, auch XXXX, geboren am XXXX, StA Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend seinen am 18. Jänner 2015 zur Zl. 1050274100-150059837 gestellten Antrag auf internationalen Schutz, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30. August 2017, zu Recht:

 

A) I. Der Antrag auf internationalen Schutz vom 18. Jänner 2015 wird

hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

II. Der Antrag auf internationalen Schutz vom 18. Jänner 2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wird gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und

 

gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

 

IV. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wird die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses festgelegt.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 18. Jänner 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

 

Im Zuge der am 19. Jänner 2015 erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei am XXXX geboren, gehöre der Volksgruppe der Hazara an, und sei schiitischer Moslem. Er stamme aus Afghanistan, allerdings sei er bereits im Iran in XXXXgeboren worden, und habe er dort auch seine ersten 10 Lebensjahre verbracht. Danach sei er gemeinsam mit seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Schwester für ca. XXXX Jahre nach Kasachstan gezogen, wo sein Vater verstorben sei. Nach diesen XXXX Jahren seien seine Familie und er nach Kabul abgeschoben, und von einem Schlepper sofort nach XXXX Monaten wieder in den Iran nach XXXX zurückgebracht worden. Vor ca. XXXX Monaten habe er den Iran nach Europa verlassen. Fünf Monate davor habe er den Entschluss gefasst auszureisen. Der Beschwerdeführer habe drei Jahre die Grundschule in XXXXbesucht, und er spreche die Sprachen Dari, Kasachisch und Russisch. Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer aus, er könne nicht nach Afghanistan zurück, weil seine ganze Familie im Iran lebe. Er sei im Iran geboren, und habe keinen Bezug zu Afghanistan. Im Iran drohe ihm die Abschiebung nach Afghanistan. Er habe nicht arbeiten dürfen, und er sei schlecht behandelt worden. Persönlich verfolgt oder bedroht werde er im Iran nicht. Sein Leben sei im Iran nicht in Gefahr. Das sei sein einziger Flucht- und Asylgrund. Sonst habe er keine anderen religiösen, ethnischen oder politischen Flucht- und Asylgründe. Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr in seiner Heimat befürchte, führte der Beschwerdeführer aus, dass ihm im Iran die Abschiebung drohe, in Afghanistan habe er niemanden.

 

Über Auftrag der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer am 13. März 2015 einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für medizinische Begutachtung in Asylverfahren vorgestellt, der beim Beschwerdeführer zum Untersuchungszeitpunkt anhand einer multifaktoriellen Untersuchung ein Mindestalter von XXXX Jahren errechnete. Zusammenfassend erbrachte die beim Beschwerdeführer durchgeführte Befunderhebung ein spätmöglichstes fiktives Geburtsdatum mit XXXX.

 

Unter Zugrundelegung des zitierten Gutachtens wurde das Geburtsdatum des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme am 23. April 2015 mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde mit XXXX festgesetzt. Auch wurde das Asylverfahren des Beschwerdeführers als zulässig erklärt. Befragt zu Personen, zu denen im Bereich der EU eine besonders enge Beziehung bestehe, führte der Beschwerdeführer zunächst aus, dass nur ein Cousin von ihm in Frankreich lebe. Er lebe derzeit alleine in einem Lager. Nach der Rückübersetzung des Einvernahmeprotokolls merkte der Beschwerdeführer ergänzend an, dass er auch noch zwei Cousins in Österreich habe.

 

Am 9. November 2016 langte die vorliegende Säumnisbeschwerde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

 

Am 6. Februar 2017 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde samt Verwaltungsakt vor und führte dazu aus, eine Erledigung sei aufgrund "des steigenden Migrationsdrucks" und den damit verbundenen "enormen Antragsentwicklungen" nicht möglich.

 

Über Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes führte die belangte Behörde am 31. Mai 2017 eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch. Dabei führte dieser ergänzend aus, seine Eltern würden aus Afghanistan aus der Provinz Maidan Wardak stammen. Sein Vater sei in Kasachstan XXXX verstorben. Seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester würden derzeit gemeinsam in einer Mietwohnung im Iran in XXXXleben. Seine Mutter arbeite als "Putzfrau", sein Bruder arbeite in einer Fabrik. Er habe ca. 3 bis 4 Mal in der Woche mit seiner Familie über Whats App Kontakt. Im Iran würden auch 3 Tanten, 1 Onkel sowie sein Großvater leben. In Afghanistan habe er niemanden. Die finanzielle Situation seiner Familie sei mittelmäßig. Die Kosten seiner Ausreise nach Europa in Höhe von ca. EUR 3.000 habe er aufgrund seiner Arbeit im Iran selbst finanziert. Er sei nicht verheiratet, habe keine Kinder, und er halte sich seit 17. Jänner 2015 in Österreich auf. Die XXXX Monate in Kabul habe er in einer Schlepperunterkunft verbracht. Anschließend habe er ca. 2,5 bis 3 Jahre bis zu seiner Ausreise im Iran in einer Schuhfabrik gearbeitet. Befragt zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, er selbst habe keine Probleme mit Privatpersonen gehabt, aber sein Vater habe Feinde im Herkunftsstaat. Konkret führte er dazu (wortwörtlich wiedergegeben) folgendes aus: "Die Geschichte habe ich von meiner Mutter gehört, dass wir in Afghanistan Feinde haben. Als meine Mutter ein Kind war wurde sie von ihren Eltern zur Heirat versprochen. Der Mann XXXX der meine Mutter heiraten sollte war ein Zocker und bei XXXX. Meine Mutter wollte ihn nicht heiraten, sie lernte meinen Vater kennen. Mein Großvater bereute meine Mutter versprochen zu haben. Mein Großvater sagte zu meinen Eltern, dass sie in den Iran flüchten müssen. Es kam zu einem Streit zwischen meiner Familie und der, der meine Mutter versprochen wurde. Mein Großvater und Großonkel väterlicherseits wurden in diesem Streit umgebracht. Wir haben im Iran gelebt. Als ich ca. 8-9 Jahre alt war kam XXXX in den Iran und bedrohte meinen Vater. Er sagte zu ihm, dass er ihn umbringen will, weil er seine Ehre und die Ehre seiner Familie beschädigt hat, weil er mit seiner Frau weggelaufen ist. Nach diesen Drohungen sagte er auch, dass sein Bruder wegen meinem Vater getötet wurde. Sie haben meinen Vater gefunden und so viel geschlagen, dass er im Koma war. Wir haben dies bei der Polizei angezeigt, aber XXXX hat nicht im Iran gelebt, sondern in Afghanistan. Als er erfuhr, dass mein Vater noch lebt kam er ca. 8 Monate später zurück in den Iran und drohte meinem Vater mit dem Tod. Mein Vater bekam Angst und entschloss, dass wir den Iran verlassen müssen und nach Kasachstan gehen. Wir haben dort gelebt, mein Vater arbeitete in einer Bäckerei. Nach ca. 2 bis 2,5 Jahren bekam mein Vater XXXX, dann starb er. Wir haben ihn in Kasachstan begraben. Wir haben illegal in Kasachstan gelebt. Da wir unser Visum nicht verlängert haben wurden wir nach Afghanistan abgeschoben. Wir sind dann illegal in den Iran zurück. Meine Mutter hatte Angst in Afghanistan, wir waren ca. 1 Woche unterwegs in den Iran. Im Iran haben wir illegal gelebt." Weiters führte er aus, dass er und seine Familie zu der Zeit, als XXXX die Familie das erste Mal aufgesucht habe, im Iran in XXXX, Khayam gelebt hätte. Sie seien auch nicht umgezogen. Zum zweiten Besuch von XXXX sei es ca. 7 bis 8 Monate später gekommen, wiederum 2 Monate später seien sie nach Kasachstan gezogen. Befragt, wann er von seiner Mutter erfahren habe, warum diese damals aus Afghanistan geflüchtet sei, führte der Beschwerdeführer folgendes (wortwörtlich wiedergegeben) aus: " Als wir in Afghanistan in den Iran gekommen sind ist XXXX wieder im Iran aufgetaucht. Ich habe gesehen, dass meine Mutter mit ihm diskutiert hat, daraufhin hat sie mir die Geschichte erzählt. XXXX wollte immer, dass meine Mutter wieder nach Afghanistan zurückkehrt. Vor der Ausreise aus dem Iran Richtung Österreich habe ich davon erfahren. Genau XXXX Monate bevor ich nach Österreich gekommen bin, das war das 3. Mal als XXXX bei uns war." Befragt, weshalb er von diesen Vorfällen im Rahmen der Erstbefragung nicht erzählt habe, führte er aus, er habe deshalb nichts gesagt, weil er sehr müde und unter Stress gewesen sei. Auch sei er nicht so genau nach Afghanistan befragt worden. Davon abgesehen habe er auch als Schiite in Afghanistan allgemein Probleme, weil diese dort getötet werden würden. Nach der Rückübersetzung durch den Dolmetscher führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass ihm XXXX bei seinem letzten Besuch ebenfalls gedroht habe, dass er ihn töten wolle. Die Frage, ob seine Mutter mit seinen Geschwistern noch immer im selben Haus, wie im Zeitpunkt seiner Flucht wohne, wurde vom Beschwerdeführer bejaht.

 

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 30. August 2017 eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Darin führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen ergänzend aus, er sei von seinem 7. bis zu seinem 10. Lebensjahr im Iran in die Schule gegangen, und habe er zu dieser Zeit seinen Vater, der in einer Konditorei gearbeitet habe, unterstützt. Die letzten 2,5 bis 3 Jahre vor seiner Ausreise nach Europa habe er als Schuster in einer Fabrik gearbeitet. Als seine Mutter, seine Geschwister und er von Kasachstan nach Kabul abgeschoben worden seien, habe sein Großvater umgehend einen Schlepper organisiert, der die Familie am Flughafen abgefangen und in ein Schlepperquartier gebracht habe. Dieses Quartier hätten sie XXXX Monate nicht verlassen dürfen, dann seien sie in den Iran gebracht worden. Im Iran würden neben seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern, seine beiden Tanten väterlicherseits sowie seine Tante, seine Großeltern und sein Onkel mütterlicherseits leben. Die finanzielle Situation seiner Familie sei so, dass "sie gerade damit auskommen". Seine Mutter arbeite als "Putzfrau", sein Bruder sei - so wie er vor seiner Ausreise - Schuster in derselben Fabrik. Auch seine beiden Tanten väterlicherseits würden als Schuster Patschen herstellen. Seine Tante mütterlicherseits sei Hausfrau, ihr Mann sei Bauarbeiter. Sein Onkel mütterlicherseits sei Schneider. Sein Großvater sei Aufsichtsperson in einem Krankenhaus. Er glaube nicht, dass seine Familie Ersparnisse oder sonstiges Eigentum besitzen würde. Auch glaube er nicht, dass es seiner Familie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan möglich wäre, ihn finanziell zu unterstützen, aber er wisse es nicht. Sie könnten ihn - so vermute er - höchstens soweit unterstützen, indem sie ihm einen Schlepper bezahlen, der ihn in den Iran bringen würde. Das sei die maximale Unterstützung, die er von seinen Verwandten bekommen könne. Er wisse auch nicht, wieviel ein solcher Schlepper kosten würde. Das erste Mal habe dies sein Opa übernommen. Es sei auch nur hypothetisch gemeint. Er glaube auch, dass sie kein Geld hätten. Er könne sich aber vorstellen, dass sie sich von jemandem Geld ausborgen, um den Schlepper zu bezahlen. So habe es auch sein Großvater beim ersten Mal gemacht. Dieser habe einen Teil selbst gehabt, und einen anderen Teil sich ausgeborgt. In Österreich hätten bislang zwei Cousins gelebt. Ein Cousin sei zwischenzeitig nach Finnland geschickt worden. Der andere würde nicht mit ihm leben, sondern habe dieser seine eigene Familie. Zu seinen Fluchtgründen befragt, wiederholte der Beschwerdeführer sein - bereits im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde erstattetes - Vorbringen in Bezug auf XXXX. Ergänzend brachte er vor, dass dieser, als der Beschwerdeführer ca. 9 bis 10 Jahre gewesen sei, seinen Vater das erste Mal im Iran bedroht, und diesen mt einem Messer in den Bauch gestochen habe. Erst 7 bis 8 Monate später habe XXXX, als er gemerkt habe, dass sein Vater überlebt habe, neuerlich die Familie aufgesucht und bedroht. Daraufhin hätte die Familie ihren Wohnsitz nach XXXX verlegt, und sei diese von dort ca. 2 Monate später nach Kasachstan ausgereist. Ca. XXXX Monate bevor der Beschwerdeführer aus dem Iran nach Europa ausgereist sei, habe die 3. Bedrohung durch XXXX stattgefunden. Konkret führte der Beschwerdeführer dazu (wortwörtlich wiedergegeben) folgendes aus : "Ich habe eines Tages meine Mutter gesehen, die vor der Tür mit einem Mann diskutiert. Ich bin hingegangen und der Mann hat angefangen, mich zu beschimpfen und zu beleidigen. In meinen Adern fließt das Blut der Mörder, der ihm seine Frau wegnahm und seinen Bruder umgebracht hat. Ich war verwirrt. Ich habe ihn nicht gekannt. Ich habe nachgefragt, warum er mit mir so redet. Zu meiner Mutter hat er gesagt, du bist meine Ehre und musst nach Afghanistan zurück. Du musst mit mir nach Afghanistan kommen. Deine Kinder werde ich einzeln umbringen". Nochmals dazu befragt führte der Beschwerdeführer (wortwörtlich wiedergegeben) folgendes aus: "Ich war zu Hause, als ich eine laute Stimme gehört habe. Meine Mutter hat geweint. Es wurde gesagt: "Was willst du von mir, lass mich doch in Ruhe". Ich habe gesehen, dass ein fremder Mann mit meiner Mutter diskutiert. Das war XXXX. Ich habe meine Mutter gefragt, wer das ist und ich habe die Person gefragt: " Wer bist du, dass du dir erlaubst, mit meiner Mutter so zu reden"? Er hat zu mir gesagt: "Du bist das unreine Blut, das mir die Ehre gestohlen hat. Wegen dir wurde mein Bruder umgebracht". Er hat meinen Vater gemeint. Ich stamme von ihm. Ich bin sein Blut sozusagen. Er sagte: "Du bist der Sohn von XXXX", so heißt mein Vater. Ich werde dich umbringen, wenn du in Afghanistan ankommst". Wir haben zu ihm gemeint, wir werden die Polizei rufen, wenn du nicht gehst. Er sagte, ruft doch die Polizei an, sie wird euch auch mitnehmen. Ihr habt keine Dokumente. Ich würde mich sogar darüber freuen, wenn ihr die Polizei anruft. Die Polizei wird euch nach Afghanistan abschieben und das ist das, was ich möchte." Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass er ca. XXXX Monate später nach Europa ausgereist sei. In der Zwischenzeit sei er arbeiten gegangen. Auch habe er an der gleichen Adresse gewohnt. Zu weiteren Bedrohungen sei es innerhalb dieser Zeit nicht gekommen. Auf die Frage, wie er sich das erklären könne, führte der Beschwerdeführer (wörtlich wiedergegeben) aus: "Er wollte ja meine Mutter, aber meine Mutter war nicht bereit, mit ihm nach Afghanistan zu gehen. Er hat gesagt, er will ihre Kinder nicht, sondern nur sie selbst. Wenn die Kinder nach Afghanistan kommen, wird er sie einzeln umbringen, wenn sie ihre Kinder nach Afghanistan mitnimmt." Befragt, wie er und seine Mutter der 3. Bedrohung durch XXXX entgehen hätten können, führte der Beschwerdeführer aus, es hätten sich, als XXXX laut vor der Tür geworden sei, Nachbarn versammelt; dadurch hätte er sich bedroht gefühlt und sei er deshalb weggegangen. Nach dieser 3. Bedrohung sei es zu keiner weiteren gegen seine Familie gerichteten Bedrohung gekommen. Auf die Frage, weshalb seine Familie nach wie vor im Iran leben könne, führte er aus, dass diese in Angst leben würden, und keine andere Wahl hätten. Seine ursprüngliche im Rahmen der Verhandlung - in Widerspruch zu seiner Erstbefragung - erstattete Aussage, seine Mutter hätte nach dem Vorfall der 3. Bedrohung ihren Wohnsitz geändert, wurde vom Beschwerdeführer, nachdem ihm das Verhandlungsprotokoll rückübersetzt wurde, insofern korrigiert, als sie lediglich eine andere Unterkunft gesucht, aber nicht gefunden habe. Befragt nach seinen Angaben zu seinen Fluchtgründen im Rahmen der Erstbefragung führte er aus, dass er bei der Einvernahme unter Stress gestanden sei. Es sei nicht auf der Frage beharrt worden, warum er nicht nach Afghanistan zurückgehe oder zurückgehen könne. Er habe grob die Frage beantwortet, dass er niemanden in Afghanistan habe. Zu dem ihm mit der Ladung übermittelten Gutachten von Mag. Karl Mahringer vom 5. März 2017 zu BvwG XXXX führte der der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers - soweit hier wesentlich - aus, dieses sei objektiv, teilweise sehr tendenziös. Darin seien Sätze enthalten, die politische Argumentaion seien und nichts in einem Gutachten zur Rückkehrfrage verloren hätten. Auch sei das Gutachten widersprüchlich. Darin werde zur Versorgung mit Nahrungsmittel unter anderem angeführt, dass Kabul mit Lebensmittel aus Pakistan versorgt werde. Tatsächlich sei - wie aus einem Zeitungsartikel hervorgehe - die pakistanisch-afghanische Grenze derzeit aber geschlossen, und Händler könnten ihre Waren nicht über die Grenze bringen. Die Versorgungslage sei tatsächlich schlecht. In Bezug auf Arbeit sei dem Gutachten nach ebenfalls unklar, wie viele offene Stellen es gebe, wie solche besetzt werden würden, wie man Arbeit finden könne ohne Kontakte und wie viele Menschen Arbeit suchen würden. Welche besonderen Anstrengungen im privaten Sektor zur Arbeitssuche erforderlich seien, bleibe im Dunkeln. Anzumerken sei auch, dass die im Gutachten genannte Arbeitslosenrate zuletzt für das Jahr 2014 angegeben werde. Seit 2014 habe sich die Wirtschaftslage und damit auch die Arbeitslosigkeit verschlechtert. Es sei daher entgegen der Ansicht von Ing. Mahringer davon auszugehen, dass die Existenzsicherung in Kabul und anderswo ohne familiären Rückhalt und sozialem Netzwerk nicht möglich sei.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1. Zur Person

 

Der - im Spruch genannte - Beschwerdeführer besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Seine Eltern stammen aus der Provinz Maidan Wardak. Der Beschwerdeführer selbst ist im Iran in XXXX geboren worden. Dort hat er seine ersten 10 Lebensjahre verbracht. Danach ist er gemeinsam mit seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Schwester für ca. XXXX Jahre nach Kasachstan gezogen, wo sein Vater an XXXX verstorben ist. Nach diesen XXXX Jahren wurden seine Familie und er nach Kabul abgeschoben, woraufhin sein Großvater umgehend einen Schlepper organisiert und (teilweise mit eigenem, teilweise mit geborgtem Geld) bezahlt hat, der die Familie am Flughafen abgefangen, in ein Schlepperquartier und XXXX Monate später wieder zurück nach XXXX gebracht hat. Die restlichen 2,5 bis 3 Jahre bis zu seiner Flucht hat der Beschwerdeführer in XXXX gemeinsam mit seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern in einer Mietwohnung verbracht.

 

Der Beschwerdeführer spricht die Sprachen Farsi, Dari, Russisch und Kassachisch. Er ist von seinem 7. bis zu seinem 10. Lebensjahr im Iran in die Schule gegangen, und kann lesen und schreiben. Während dieser Schulzeit hat er seinen Vater, der in einer Konditorei gearbeitet hat, unterstützt. Die letzten 2,5 bis 3 Jahre vor seiner Ausreise nach Europa hat der Beschwerdeführer im Iran in XXXX als Schuster in einer Fabrik gearbeitet.

 

Der Beschwerdeführer hat den Iran ungefähr im XXXX 2014 alleine verlassen. Die Kosten seiner Ausreise in Höhe von EUR 3.000 hat er aufgrund seiner Berufstätigkeit im Iran selbst finanziert.

 

Die Mutter des Beschwerdeführers lebt nach wie vor gemeinsam mit der Schwester und dem Bruder des Beschwerdeführers in derselben Mietwohnung in XXXX, in der auch der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise gelebt hat. Die Mietkosten werden von seiner Mutter, welche im Iran als Reinigungskraft arbeitet, getragen. Der Bruder des Beschwerdeführers arbeitet genauso wie der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise als Schuster in derselben Fabrik.

 

Daneben leben im Iran noch seine beiden Tanten väterlicherseits sowie seine Tante, seine Großeltern und sein Onkel mütterlicherseits. Seine beiden Tanten väterlicherseits stellen als Schuster XXXX her. Seine Tante mütterlicherseits ist Hausfrau, ihr Mann arbeitet als Bauarbeiter. Sein Onkel mütterlicherseits ist Schneider, sein Großvater ist Aufsichtsperson XXXX.

 

Der Beschwerdeführer hat zu seinen Angehörigen 2 bis 3 Mal in der Woche telefonischen Kontakt. Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan wäre seine Familie in der Lage, diesen finanziell zu unterstützen.

 

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

 

Er ist seit seiner Antragsstellung am 18. Jänner 2015 durchgehend auf Grund eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt.

 

Der Beschwerdeführer hat bereits Deutschkurse absolviert, wobei er das Modul A2 bereits erfolgreich abgeschlossen hat. Er strebt eine Tätigkeit als Sanitäter XXXX an.

 

Zudem engagiert sich der Beschwerdeführer in den Vereinen XXXX, und XXXX sowie bei der XXXX ehrenamtlich, u.a. indem er XXXX organisiert und leitet.

 

In Österreich lebt ein Cousin des Beschwerdeführers, der nicht mit diesem, sondern gemeinsam mit seiner Familie lebt. Zwischen dem Beschwerdeführer und diesen Familienmitgliedern besteht kein besonderes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer individuell gegen ihn gerichteten Bedrohung ausgesetzt ist.

 

2. zur Lage in Afghanistan

 

2.1. zur Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten.

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes.

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben. Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht.

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften. Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen.

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern.

 

2.1.1. Zur Sicherheitslage in Kabul

 

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

 

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren. Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen.

 

Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen.

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt. Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet. Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt.

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden.

 

2.1.2. zur Sicherheitslage in Wardak/Maidan Wardak

 

Im Zeitraum 1.9.2015-31.5.2016 wurden in der Provinz Wardak 359 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

 

Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in der Provinz festgehalten - gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig. Talibanaufständische sind in einer Anzahl von abgelegenen Distrikten in der Provinz aktiv. Aufständische werden durch die Sicherheitskräfte in der Provinz Wardak bekämpft und auch militärische Operationen werden durchgeführt.

 

2.2. zur Erreichbarkeit von Kabul

 

Beispiele für internationale Flughäfen in Afghanistan - Internationaler Flughafen Kabul:

 

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen. Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt.

 

2.3. Zur Situation der schiitischen Hazara

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen von Juli 2016 mehr als 33,3 Millionen Menschen. Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10 % der Bevölkerung aus. Etwa 99,7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84,7-89,7% Sunniten. Schätzungen zufolge sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten.

 

Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben.

 

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben.

 

Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter sowie andere Regierungsposten. Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe. Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.

 

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert. Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen.

 

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage ebenso grundsätzlich verbessert; sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Paschtunen verachtet, weil diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden.

 

Gesellschaftliche Spannungen bzw. Diskriminierungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, aber keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt.

 

Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern. Manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert.

 

2.4. zur Versorgungslage

 

2.4.1. allgemein

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im "Human Development Index" (HDI) den 171. von 188 Plätzen. Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt.

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist. Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können.

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten. Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig. Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe.

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden.

 

Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken.

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren.

 

2.4.1.1. zur Versorgung mit Lebensmitteln und zu Verdienstmöglichkeiten

 

Lebensmitteln sowie Verdienstmöglichkeiten für erwerbsfähige Rückkehrer sind vorhanden.

 

2.4.1.2. zur medizinischen Versorgung

 

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität der Produktes. Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira).

 

2.4.1.3. zur Versorgung mit Wohnraum

 

In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden.

 

2.4.2. zu den Erhaltungskosten

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt.

 

2.4.3. zum Bankensystem in Afghanistan

 

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto.

 

Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:

Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten.

 

Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten. Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet.

 

2.4.4. zur Situation im Falle einer Rückkehr

 

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern.

 

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben.

 

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren.

 

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc.

 

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden.

 

Im September 2016 suchten die Vereinten Nationen um 152 Millionen US Dollar an, um lebensnotwendige Hilfe für Internvertriebenen, nicht-dokumentierten Rückkehrer/innen und registrierten Flüchtlingen bieten zu können. Von den zugesagten 42 Millionen US Dollar wurden 40,2 Millionen US Dollar bereits entgegengenommen. Somit stand die gesamte humanitäre Unterstützung für Afghanistan im November 2016 bei 401 Millionen US Dollar.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor der belangten Behörde, in der Beschwerde, und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen werden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers. In Bezug auf seinen Vornamen ist im Verwaltungsakt sowohl der Vorname XXXX, XXXX und XXXX dokumentiert. Der Beschwerdeführer hat aber bereits im Zuge der Befragungen vor der belangten Behörde am 23. Mai 2015, am 31. Mai 2017 und auch in der mündlichen Verhandlung am 30. August 2017 ausgeführt, dass sein (im Rahmen der Erstbefragung richtig dokumentierter) Name falsch übernommen worden sei, und er richtig den Namen XXXX trage. Es bestehen von Seiten des erkennenden Gerichts, keine Bedenken an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben.

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Herkunft, seiner Religion und seiner Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen - Angaben zu zweifeln.

 

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Familienangehörigen im Iran, zu deren Berufen, zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang, zu seinem Aufenthalt im Iran, in Kabul und in Kasachstan, zu seiner Ausreise nach Europa und deren Finanzierung, sowie seinem in Österreich aufhältigen Cousin waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei, weshalb das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung sieht, daran zu zweifeln.

 

Dass der Beschwerdeführer mit seinem Cousin und dessen Familie weder in Afghanistan, noch in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Schon allein aufgrund der eigenen Angabe des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, sein Cousin lebe nicht gemeinsam mit ihm, sondern habe dieser eine "eigene" und damit eine nicht den Beschwerdeführer direkt umfassende Familie, kann kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen diesen Familienangehörigen geschlossen werden. Das deckt sich im Übrigen auch mit seinen Angaben in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 23. April 2015, wonach der Beschwerdeführer, befragt zu Personen innerhalb der EU, zu denen eine besonders nahe Beziehung bestehe, diesen Cousin zunächst nicht nannte, sondern erst im Anschluss an die Befragung als in Österreich wohnhaften Angehörigen bezeichnete. Schließlich kann auch in dem Umstand, dass der Beschwerdeführer und der Cousin getrennt voneinander Afghanistan verlassen haben, eine gewisse Unabhängigkeit voneinander und damit ein fehlendes Abhängigkeitsverhältnis erkannt werden.

 

2.2. zu den Feststellungen in Bezug auf eine finanzielle Unterstützungsmöglichkeit durch die Familie:

 

Der Beschwerdeführer führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung aus, dass seine Familie gerade soviel verdiene, dass sie damit auskomme und insofern auch über keine Ersparnisse und sonstiges Eigentum verfüge. Die finanzielle Situation seiner sonstigen Angehörigen sei "auch gut". "Sie kommen mit dem, was sie verdienen zurecht." Vor dem Hintergrund der in weiterer Folge geschilderten Berufe seiner Familienangehörigen kann allerdings nicht nachvollzogen werden, dass seine Familie bzw. die sonstigen Angehörigen über keine Ersparnisse verfügen bzw. zumindest nicht die Möglichkeit dazu hätten. Laut den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung arbeitet sein Bruder genauso wie der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise selbst als Schuster in derselben Fabrik. Diese lediglich 2,5 bis 3 Jahre ausgeübte Tätigkeit hat es dem Beschwerdeführer - laut seinen eigenen Angaben im Rahmen der Befragung vor der belangten Behörde - immerhin ermöglicht, sich die Kosten für seine Ausreise nach Europa in Höhe von EUR 3.000 zu finanzieren, weshalb die Aussage, seine Familie verdiene gerade soviel, dass sie damit auskomme, in Bezug auf seinen Bruder nicht aufrecht erhalten werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass sein Bruder mit seinem Verdienst die gesamte Familie zu ernähren habe, sind nicht hervorgekommen, sondern führte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung dazu vielmehr im Gegenteil selbst aus, dass auch seine Mutter als Reinigungskraft arbeite und zB. für die Wohnkosten der Familie aufkomme. Dazu kommt, dass auch die sonstigen Angehörigen im Iran durchaus angesehene Berufe ausüben, und deren finanzielle Situation vom Beschwerdeführer sogar selbst als ("auch") gut bewertet wird. So arbeitet zB. der Großvater des Beschwerdeführers als Aufsichtsperson in einem Krankenhaus, und war es diesem bereits einmal möglich, die "Schlepperkosten" der gesamten Familie von Afghanistan in den Iran zumindest teilweise zu finanzieren. Insofern überrascht es auch nicht, dass der Beschwerdeführer auf die Frage nach einer finanziellen Unterstützung in Afghanistan durch seine Familie bzw. seine Familienangehörigen, die Möglichkeit der Finanzierung der "Schlepperkosten" in den Iran und damit gleichbedeutend eine finanzielle Unterstützungsmöglichkeit - wenn auch nur "hypothetisch" - selbst für möglich hält. Im Hinblick auf die obigen Erwägungen kann daher davon ausgegangen werden, dass die Familie des Beschwerdeführers diesen im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützen wird.

 

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und der von ihm gesprochenen Sprachen gründen sich auf seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung.

 

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

 

2.3. zu den Feststellungen zur Lage in Afghanistan

 

Die Feststellungen zur Lage in Afghanistan ergeben sich zu einem überwiegenden Teil aus dem den Parteien übermittelten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 2. März 2017, zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2017. Konkret wurde in Bezug auf die Situation der schiitischen Hazara in Afghanistan auszugsweise auf die darin enthaltenen Kapitel 15. (Religionsfreiheit), 15.1. (Schiiten), 16. (Ethnische Minderheiten) und 16.1. (Hazara) zurückgegriffen. Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Afghanistan allgemein, zu Kabul und zu Maidan Wardak im Speziellen sowie zur Erreichbarkeit von Kabul ergeben sich auszugsweise aus den Kapiteln 3. (Sicherheitslage), 3.1. (Kabul) , 3.33 (Wardak/Maidan Wardak) und 3.2. (Erreichbarkeit). Die Feststellungen zur allgemeinen Versorgungslage, zur medizinischen Versorgung und zur Versorgung mit Wohnraum sowie zum Bankensystem in Afghanistan, zu den Erhaltungskosten und zu der Situation von Rückkehrern wurden aufgrund der in den Kapiteln 20. (Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge), 21. (Grundversorgung und Wirtschaft), 22. (Medizinische Versorgung), und 23. (Rückkehr) enthaltenen Ausführungen getroffen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal der Beschwerdeführer diesbezüglich auch nichts Gegenteiliges vorgebracht hat.

 

Die Feststellungen zur Lage in Afghanistan in Bezug auf die vorhandene Versorgungsmöglichkeit mit Lebensmitteln und die Verdienstmöglichkeiten ergeben sich aus dem Gutachten von Mag. Karl Mahringer vom 5. März 2017 zu BvwG XXXX (Ia und II)), wonach kein Engpass bei der Lebensmittelversorgung und anderen Produkten des täglichen Bedarfs festgestellt werden konnte, sowie Verdienstmöglichkeiten für erwerbsfähige Rückkehrer gegeben sind. Dies deckt sich im Übrigen auch mit den sich aus dem Länderinformationsblatt ergebenden Feststellungen unter 2.4.1., wonach die Wirtschaftslage in Afghanistan zwar angespannt, aber im Aufschwung und damit eine Versorgung grundsätzlich möglich ist. Sofern der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung die Schlüssigkeit dieses Gutachtens in Bezug auf die Versorgungslage in Afghanistan mit Lebensmitteln insofern bekämpft, als aufgrund der gesperrten Grenze zu Pakistan die im Gutachten genannte Versorgung von Lebensmitteln von Pakistan aus derzeit nicht möglich und damit schlecht sei, verkennt er, dass im Gutachten die Versorgung durch Pakistan ohnedies lediglich als eine von vielen Optionen der Lebensmittelzufuhr nach Afghanistan genannt wird. Davon abgesehen wird in dem Gutachten - wie auch letztendlich in den darauf aufbauenden Feststellungen des Gerichts - in Bezug auf die Qualität der lediglich als vorhanden attestierten Lebensmittelversorgung keine Aussage getroffen. Gleiches gilt auch für die im Gutachten ausschließlich als vorhanden attestierten Verdienstmöglichkeiten für erwerbsfähige Rückkehrer. Dass die Wirtschaftslage schlecht und die Arbeitslosenrate hoch sei, ändert nichts daran, dass - wenn auch einschränkt - Lebensmittel bzw. Verdienstmöglichkeiten zumindest vorhanden sind. Insofern erübrigt sich auch die vom Beschwerdeführer geforderte Notwendigkeit einer genauen Nennung von offenen Stellen und einer Zahl von Arbeitssuchenden, weil dadurch allenfalls lediglich schwierige Bedingungen, aber nicht ihr gänzliches Fehlen dargestellt wird. Das erkennende Gericht sieht insofern keine Veranlassung, an der Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit der diesbezüglichen Angaben zu zweifeln. Sofern der Beschwerdeführer dem Gutachten politische Argumentation vorwirft und es damit an sich bekämpft, übersieht er, dass er damit dem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist (vgl. zu all dem den hg. Beschluss vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0057, mwN).

 

2.4. zu den Negativfeststellungen in Bezug auf individuelle gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohungen:

 

Der Beschwerdeführer führte im Rahmen seiner Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen befragt aus, er könne nach Afghanistan nicht zurück, weil er keinen Bezug zu Afghanistan habe, und seien dies (neben seinen geschilderten Fluchtgründen in Bezug auf den Iran) seine einzigen Flucht- und Asylgründe. Dazu völlig in Widerspruch stehend bezeichnete der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde und auch vor dem erkennenden Gericht eine - ihm im Zeitpunkt der Erstbefragung laut seinem Vorbringen durchaus bewusste - Feindschaft seines Vaters als auch ihn treffende Bedrohung in Afghanistan. Konkret behauptete der Beschwerdeführer, er werde aufgrund der in Afghanistan und damit vor seiner Geburt erfolgten Heirat seines Vaters mit seiner - ursprünglich XXXXversprochenen - Mutter durch diesen "Entehrten" namens XXXX verfolgt.

 

Bereits aufgrund dieser Unstimmigkeiten ist die Glaubhaftigkeit des (zunächst verneinten und schließlich erstatteten) Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers stark in Zweifel zu ziehen. Dabei wird von der erkennenden Richterin nicht verkannt, dass sich - wie vom Beschwerdeführer auch moniert - die Erstbefragung nicht in erster Linie auf die Fluchtgründe bezieht und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Dass der Beschwerdeführer allerdings die in weiterer Folge geäußerte Bedrohung durch XXXX - und somit seinen eigentlichen Fluchtgrund - zunächst nicht einmal ansatzweise erwähnte bzw. darüber hinaus sogar ausdrücklich verneinte, ist für das Bundesverwaltungsgericht - auch unter Berücksichtigung einer allfälligen vom Beschwerdeführer behaupteten Müdigkeit bzw. Stresssituation bei der Erstbefragung - nicht nachvollziehbar.

 

Aber auch ansonsten kann dem geschilderten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers die nötige Plausibilität und damit Glaubhaftigkeit nicht zuerkannt werden.

 

Laut dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers richteten sich die ersten beiden Bedrohungen ausschließlich gegen den Vater, und nicht gegen die sonstigen Familienmitglieder. Auch innerhalb dieser immerhin in einem Abstand von ungefähr acht Monaten erfolgten beiden Vorfällen soll es - laut Angaben des Beschwerdeführers - zu keinen Bedrohungen gekommen sein, und dies obwohl die Familie in dieser Zeit nicht ihren Wohnsitz gewechselt und der Beschwerdeführer unverändert die Schule besucht hat. Es ist von Seiten des Gerichts nicht erklärbar, weshalb sich der offensichtlich (auch viele Jahre nach der Heirat) ausschließlich gegen den Vater gerichtete Zorn, wiederum weitere Jahre später plötzlich auf die restliche Familie erstrecken soll, zumal der Vater als Hauptverantwortlicher zwischenzeitig ohnedies bereits verstorben ist.

 

Aber selbst unter der Annahme, dass sich die Bedrohung immer bzw. erst nachträglich gegen den Beschwerdeführer gerichtet hat, kann nicht nachvollzogen werden, wie es dem Beschwerdeführer XXXX Monate nach der gegen ihn gerichteten und an seiner Wohnadresse erfolgten (dritten.) Bedrohung möglich gewesen sein soll, unbehelligt und vor allem unverändert an derselben Wohnadresse unter Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit, was eine gewisse Publizität nahelegt, weiter zu leben. Dasselbe gilt auch in Bezug auf seine - u.a. aus seinem Bruder bestehende und ebenfalls von einer Blutrache betroffene - Familie, welche nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers zwar "in Angst", aber unbedroht nach wie vor an derselben Wohnadresse leben kann. Davon, dass die Bedrohung durch XXXX erst in Afghanistan entstehen bzw. an entsprechender Intensität gewinnen soll, kann unter Heranziehung der bereits im Iran von XXXX gesetzten durchaus beträchtlichen Maßnahmen gegen den Vater nicht ausgegangen werden.

 

Schließlich dürfen auch die sonstigen Widersprüchlichkeiten in der Erzählung des Beschwerdeführers nicht außer Acht gelassen werden. Während er ursprünglich im Rahmen der Befragung durch das erkennende Gericht Angehörige in Afghanistan verneinte, führte er in Bezug auf seine Befürchtungen im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus, XXXX lebe in Kabul und würde sich "schnell unter den Verwandten herumsprechen", dass er in Afghanistan lebe. Die im Rahmen der Befragung durch die belangte Behörde erstmals geschilderte dritte Bedrohungssituation wurde zunächst nur von ihm beobachtet ("Ich habe gesehen, dass meine Mutter mit ihm diskutiert hat, daraufhin hat sie mir die Geschichte erzählt."), nach erfolgter Rückübersetzung des Einvernahmeprotokolls wurde er dabei hingegen auch persönlich von XXXX konfrontiert und mit dem Tod bedroht. Durch diese Widersprüchlichkeiten verhärtete sich der bereits oben aufgrund des zunächst verneinten und schließlich erstatteten Fluchtvorbringens gewonnene Eindruck des Gerichts, der Beschwerdeführer sei lediglich bestrebt, ein asyltaugliche(re)s Vorbringen zu präsentieren.

 

Insgesamt war daher das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft zu beurteilen, weshalb diesbezüglich auch keine Feststellungen getroffen werden konnten.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle anzumerken, dass der Beschwerdeführer eine sonstige individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung nicht behauptet hat, und auch diesbezüglich keine Hinweise hervorgekommen sind.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zur Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde

 

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

 

Durch die Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 wurde in § 22 Abs. 1 AsylG die Entscheidungsfrist bei Anträgen auf internationalen Schutz abweichend von § 73 Abs. 1 AVG auf 15 Monate verlängert.

 

Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 18. Jänner 2015 gestellt. Die beinahe 22 Monate später am 9. November 2016 vom Beschwerdeführer bei der belangten Behörde eingebrachte Säumnisbeschwerde erweist sich daher als zulässig. Anhaltspunkte dafür, dass diese Verzögerung auf ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers und damit auf ein mangelndes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen sind, haben sich aus dem Verwaltungsakt nicht ergeben, und wurden solche von der belangten Behörde im Übrigen auch nicht behauptet (siehe dazu Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 9 zu § 8 VwGVG). Aus dem Verwaltungsakt geht vielmehr hervor, dass die belangte Behörde seit dem 23. April 2015 keine weiteren Ermittlungsschritte gesetzt hat.

 

Sofern die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf ihre - in Anbetracht der unbestritten hohen Anzahl von Asylanträgen im Jahr 2015 vorliegende - Gesamtbelastungssituation und damit auf unüberwindliche Hindernisse verweist, ist ihr entgegen zu halten, dass diesem Umstand bereits durch die (mit der Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 eingeführte) Verlängerung der Entscheidungspflicht von sechs auf fünfzehn Monaten Rechnung getragen wurde (siehe dazu die Gesetzesmaterialien zum BGBl. I Nr 24/2016, AB 1097 BlgNR 25. GP 7; sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0252).

 

Aufgrund der sohin der belangten Behörde anzulastenden Säumnis erweist sich die vorliegende Beschwerde daher auch als berechtigt, weshalb die Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen ist (siehe dazu Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte (2013), K 28 zu § 28 VwGVG). Ein gesonderter Abspruch darüber war nicht erforderlich (siehe dazu Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) Rz 935).

 

3.2. zu Spruchpunkt A.I.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. bspw. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 2016, Ra 2016/19/0074 u.v.a).

 

§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/18/0083).

 

3.2.1. Wie bereits in der Beweiswürdigung näher dargestellt, konnte keine konkrete individuelle, gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung, aus welcher möglicherweise eine aktuelle asylrelevante Verfolgung der Person des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat ableitbar wäre, festgestellt werden. Dem Beschwerdeführer ist es entgegen dem Beschwerdevorbringen insgesamt nicht gelungen, die von ihm behauptete Verfolgung glaubhaft zu machen.

 

Sonstige Anhaltspunkte für eine asylrelevante individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung sind nicht hervorgekommen, und wurde eine solche vom Beschwerdeführer im Übrigen auch gar nicht behauptet.

 

3.2.2. Sofern der Beschwerdeführer allgemein eine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit geltend macht, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Gefahr der Verfolgung nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden kann. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (siehe dazu zuletzt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 2017, Ra 2016/20/0089 u.v.m.).

 

Wie den Feststellungen zwar zu entnehmen ist, unterliegen Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - in Afghanistan zwar zweifelsohne nach wie vor gesellschaftlichen Diskriminierungen und Schikanen, deren Lage hat sich allerdings insgesamt verbessert. Dabei ist im Hinblick auf die derzeitige Sicherheitslage in Afghanistan insbesondere auch festzuhalten, dass vereinzelte Angriffe, Entführungen oder Tötungen von Zivilpersonen sowie Terroranschläge in Afghanistan grundsätzlich jederzeit und überall möglich sind. Die Gründe für diese Gewalthandlungen sind dabei aber ebenso vielfältig, wie die beteiligten Konfliktgruppen.

 

Von einer systematischen Vertreibung oder massiv diskriminierenden Benachteiligung sämtlicher Schiiten bzw. Hazara und damit von einer asylrechtlichen (Gruppen)Verfolgung im oben beschriebenen Sinn kann daher - auch im Hinblick auf ihre Repräsentation in Politik sowie auch Armee und Sicherheitsbehörden - nicht ausgegangen werden.

 

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verwies in seiner Judikatur auf die schlechte Situation für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan, verneinte jedoch eine automatisch vorliegende Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr allein auf Grund der Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe (EGMR 05. Juli 2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).

 

Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit von Hazara und Schiiten in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.

 

3.2.3. Sohin kann insgesamt nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht, weshalb dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten nicht zuzuerkennen war.

 

3.3. zu Spruchpunkt A. II.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern abzuweisen, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Gemäß § 11 Abs. 2 AsylG 2005 ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

 

In seinem Beschluss vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0134 hat der Verwaltungsgerichtshof auch unter Bezugnahme auf dazu ergangene Urteile des EGMR ausgeführt, dass die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde. Insofern obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Dabei reicht es für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Afghanistan nicht aus, bloß auf die allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu verweisen. Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden Sicherheitslage ist eine Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere nach Kabul, im Hinblick auf die regional - sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt - unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 08. September 2016, Ra 2016/20/0063, wonach mit dem Aufzeigen der bloßen Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Art. 3 EMRK in Bezug auf Kabul nicht dargetan wird. Auch das Faktum, dass der Asylwerber über keinen guten Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul verfügt, reicht für sich betrachtet für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus).

 

Der EGMR geht gestützt auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans zumutbar ist, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder den Stamm am Zielort verfügbar ist; alleinstehenden Männern und Kleinfamilien ist es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben. Wegen des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Zusammenhalts in Afghanistan, der durch jahrzehntelange Kriege, massive Flüchtlingsströme und Landflucht verursacht worden ist, ist aber eine Prüfung jedes einzelnen Falles notwendig (siehe dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. September 2013, U 370/2012).

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhalts ergibt sich vor dem Hintergrund der obigen Rechtsprechung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gegenständlich nicht gegeben sind.

 

Die Familie des Beschwerdeführers stammt zwar aus der Provinz Maidan Wardak, welche - wie aus den Länderberichten hervorgeht - eine der unsicheren Provinzen in Afghanistan darstellt. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer nur sehr kurze Zeit in Afghanistan verbracht hat, und damit über keinerlei Ortskenntnisse sowie Kenntnisse der Gepflogenheiten in Afghanistan verfügt, ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer bei einem Umzug nach Afghanistan in die Provinz Maidan Wardak die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohe würde.

 

Allerdings kann dem Beschwerdeführer ein Aufenthalt in der Hauptstadt Kabul und damit eine innerstaatliche Fluchtalternative, zugemutet werden.

 

Zwar wird nicht verkannt, dass die Sicherheitslage (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren hat. Auch ist Kabul eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGOs ereignen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul als ausreichend sicher zu bewerten ist. Allein die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen bedeutet jedenfalls nicht, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre.

 

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung geht aus den getroffenen Feststellungen hervor, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung zwar nur sehr eingeschränkt, aber doch möglich bzw. gesichert ist.

 

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reicht es - wie oben ausgeführt - nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche Umstände vermochte der Beschwerdeführer im Verfahren jedoch nicht darzulegen:

 

Wie festgestellt wurde, ist der Beschwerdeführer ein arbeitsfähiger und gesunder junger Mann im erwerbsfähigen Alter mit Schulbildung und Berufserfahrung als Konditor und Schuster, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann.

 

Dabei wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer beinahe sein gesamtes Leben außerhalb von Afghanistan verbracht hat, und damit mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates nicht nur nicht vertraut ist, sondern aufgrund seines möglicherweise hörbaren Farsi Dialekts gegenüber seinen afghanischen Landsleuten (zB. bei der Arbeitssuche) auch benachteiligt sein kann. Demgegenüber fällt im vorliegenden Fall aber maßgeblich ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer auf finanzielle Unterstützung durch seine im Iran lebende und mit ihm laufend in Kontakt stehende Familie zurückgreifen kann. Es ist in Anbetracht der Feststellungen auch nicht ersichtlich, weshalb eine räumliche Trennung die Angehörigen des Beschwerdeführers außer Stande setzen sollte, ihn finanziell zu unterstützen. Der Beschwerdeführer verfügt daher in Kabul über genügend Rückhalt in Form von finanzieller Unterstützung durch seine Familie. Außerdem kann der Beschwerdeführer Rückkehrhilfen vorübergehend in Anspruch nehmen.

 

Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er dort mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei ihm seine Berufserfahrung zumindest als Schuster und seine Schulbildung zu Gute kommt. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

 

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung daher nicht zu erkennen, dass er im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Kabul in eine auswegslose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in die Stadt Kabul jedenfalls möglich und auch zumutbar ist, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

3.4. zu Spruchpunkt A.III.

 

3.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit

 

mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs.1 Z 2 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der Beschwerdeführer ein Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen einer der Gründe iSd § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor. Es war daher - wie in § 58 Abs. 3 AsylG 2005 normiert - spruchgemäß über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 zu entscheiden.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen.

 

3.4.2. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

 

3.4.3. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Im vorliegenden Fall verfügt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet zwar über einen Cousin und dessen Familie. Abgesehen von der Verwandtschaft sind aber keine Hinweise für eine besondere Intensität dieses Verhältnisses hervorgekommen - insbesondere haben der Beschwerdeführer und sein Cousin weder in Afghanistan, noch nunmehr in Österreich im gemeinsamen Haushalt gelebt und besteht auch kein sonstiges hervorgekommenes Abhängigkeitsverhältnis, sodass ein schützenswertes Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht vorliegt (siehe dazu u.a. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Dezember 2014, Ra 2014/18/0100, sowie den Beschluss vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/19/0149, wonach familiäre Beziehungen unter Erwachsenen nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen, wenn zusätzliche Merkmale des Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen).

 

Im Hinblick auf sein gemäß Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Achtung des Privatlebens ist auszuführen, dass sich der Beschwerdeführer seit 18. Jänner 2015 im Bundesgebiet und demnach erst knapp über zweieinhalb Jahre in Österreich aufhält. Ein Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von nicht einmal drei Jahren ist jedenfalls nicht so lange, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden kann. Das Gewicht dieser Aufenthaltsdauer wird überdies weiters dadurch gemindert, dass sich dieser Aufenthalt nur auf ein aus einem letztlich als unberechtigt erkannten Asylantrag abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 stützten konnte, und dieser unsichere bzw. unrechtmäßige Aufenthaltsstatus dem Beschwerdeführer auch durchaus bewusst sein musste (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479 in Bezug auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren).

 

Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer diese zweieinhalb Jahre für Integrationsmaßnahmen, wie Deutschkursbesuche und ehrenamtliche Betätigungen, genutzt hat. Dabei handelt es sich aber nicht um solche außergewöhnlichen Integrationsleistungen, die sich in Anbetracht der relativ kurzen Zeit seines Aufenthalts im Bundesgebiet für seinen Verbleib in Österreich ausschlagen würden.

 

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (siehe u. a. das bereits zitierte Erkenntnis vom 25. Februar 2010 u.v.m.).

 

Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Februar 2010 u.v.m.).

 

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrages verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Eine amtswegige Prüfung, ob ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen wäre, über deren "Ergebnis" gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 abzusprechen ist, war daher nicht geboten (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0101).

 

3.4.4. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Dies entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde mit der vorliegenden Entscheidung verneint.

 

Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005). Dies entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde mit der vorliegenden Entscheidung verneint.

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

3.4. zu Spruchpunkt A.IV.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, war die Frist mit 14 Tagen festzulegen.

 

Zu Spruchpunkt B.

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

Weder mangelt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die oben angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; diese ist auch nicht uneinheitlich.

 

Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

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