BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W239.2172289.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , und 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA Iran, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2017 zu den Zahlen 1.) XXXX , 2.) XXXX und 3.) XXXX zu Recht erkannt:
A)
Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG idgF stattgegeben und die bekämpften Bescheide werden behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer ( XXXX ) und die Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX ) sind Ehegatten; der minderjährige Drittbeschwerdeführer (
XXXX ) ist deren gemeinsamer Sohn. Am 13.07.2017 stellten die Ehegatten in Österreich im Rahmen eines Familienverfahrens für sich und als gesetzliche Vertreter für ihren minderjährigen Sohn die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
Eine EURODAC-Abfrage ergab keine Treffermeldung. Eine VIS-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführer über von 23.06.2017 bis 17.07.2017 gültige Schengen-Visa Typ C, ausgestellt am 08.06.2017 durch die italienische Vertretungsbehörde in Teheran/Iran, verfügten.
Im Zuge der Erstbefragung am 14.07.2017 gaben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen übereinstimmend an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können und über Italien nach Österreich gekommen zu sein. Ihr Reiseziel sei England gewesen. Sie hätten für Italien Schengen-Visa erhalten und ein gefälschtes Visum für England besessen. Das italienische Visum sei in der italienischen Botschaft in Teheran ausgestellt worden. In einem anderen Land hätten sie nicht um Asyl angesucht. Die Zweitbeschwerdeführerin gab zudem an, ihre Mutter lebe seit etwa fünf Jahren in Österreich.
Der minderjährige Drittbeschwerdeführer wurde altersbedingt nicht eigens einvernommen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 17.07.2017 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Italien.
Italien ließ das Ersuchen unbeantwortet. Mit Schreiben vom 05.09.2017 teilte das BFA der italienischen Dublin-Behörde daher mit, dass aufgrund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO eine Verfristung eingetreten und Italien nunmehr für die Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren zuständig sei.
Nach durchgeführter Rechtsberatung fand am 18.07.2017 im Beisein eines Rechtsberaters die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer vor dem BFA statt.
Dabei gab der Erstbeschwerdeführer an, völlig gesund zu sein und sich nicht in ärztlicher Behandlung zu befinden. In seinem Pass befinde sich kein Einreisestempel zu Italien, sondern nur einen Ausreisestempel. Die Beschwerdeführer hätten sich von Montag bis Freitag in Italien aufgehalten und in einer Wohnung gewohnt. Ein Hotel sei zwar für sie gebucht gewesen, aber genächtigt hätten sie in einer Wohnung. Dann seien sie weiter nach Österreich geflogen.
Über Vorhalt, dass Italien zur inhaltlichen Führung des Asylverfahrens zuständig sei, ersuchte der Beschwerdeführer, in Österreich bleiben zu dürfen, da seine Schwiegermutter in Österreich asylberechtigt sei und sie hier unterstützen könne. In England habe er eine Cousine, weitere Verwandte in einem europäischen Land gebe es nicht. Er wolle in Österreich bleiben, da seine Schwiegermutter sie hier unterstützen könne. Italien sei bestimmt nicht sicher, ansonsten hätte der Schlepper sie nicht weitergeschickt. Er wolle nicht, dass sein Kind wieder nach Italien müsse.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie Herzrhythmusstörungen habe und dagegen Medikamente nehme. Ansonsten sei sie gesund. Operiert sei sie nicht worden, die Tabletten nehme sie seit etwa einem Jahr, sie seien ihr in ihrem Herkunftsland verschrieben worden. Der Drittbeschwerdeführer sei ihr einziges Kind und sei gesund.
Zur Reiseroute gab die Beschwerdeführerin an, dass sie direkt von ihrem Herkunftsland nach Italien geflogen seien und sich dort etwa fünf Tage aufgehalten hätten. Ihre Mutter lebe in Österreich. Sie habe an sich nicht vorgehabt, hier zu bleiben, sondern habe nach England gewollt, aber wenn sie nun schon hier sei, wolle sie bei ihrer Mutter bleiben. Abgesehen von ihrer Mutter lebe noch ein Cousin, zu dem sie keinen Kontakt habe, in Österreich sowie der zweite Mann ihrer Mutter. Zuletzt habe sie ihre Mutter gesehen, als diese bei ihnen gewesen sei; sie denke, das sei knapp nach der Geburt ihres Sohnes gewesen. Mit ihrer Mutter habe sie telefonischen Kontakt gehabt; ihre Beziehung sei gut, normal. Ihre Eltern hätten sich scheiden lassen als die Beschwerdeführerin neun Jahre alt gewesen sei. Aufgewachsen sei sie bei ihrem Vater. In Italien habe sie niemanden, in Österreich habe sie immerhin ihre Mutter. In Großbritannien lebe der Cousin ihres Mannes. Ihr Sohn, der Drittbeschwerdeführer, habe dieselben Gründe wie sie, die gegen eine Überstellung nach Italien sprechen würden.
Im Akt der Beschwerdeführer befinde sich Kopien ihrer Reisepässe.
2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom 08.09.2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 12 Abs. 3 Dublin-III-VO zur Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG gegen die Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Italien zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zusammengefasst wurde festgehalten, dass durch die Angaben der Beschwerdeführer keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass diese tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Italien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, oder, dass ihnen eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.
Die Beschwerdeführer seien mit einem gültigen italienischen Visum in Italien eingereist; die Zuständigkeit Italiens zur Führung der Asylverfahren stehe daher zweifelsfrei fest. Der Erstbeschwerdeführer sei wie der Drittbeschwerdeführer psychisch und physisch gesund, die Zweitbeschwerdeführerin werde wegen Herzrhythmusstörungen medikamentös behandelt.
Nachdem alle Beschwerdeführer im selben Umfang von den aufenthaltsbeenden Maßnahmen betroffen seien, stelle die Außerlandesbringung keinen Eingriff in ihr Familienleben dar. Hinsichtlich der ins Treffen geführten Mutter der Zweitbeschwerdeführerin liege keine gegenseitige Abhängigkeit vor. Wie bereits vor der Anreise könne der Kontakt zur Mutter der Zweitbeschwerdeführerin von Italien aus über Telefonate, Internetmedien oder auch durch Besuche aufrechterhalten werden. Es ergebe sich zweifelsfrei, dass im Hinblick auf die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin von keinem im Sinne des Art. 8 EMRK schützenswerten Familienleben auszugehen sei und daher eine Verbringung nach Italien keine Verletzung des durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechts auf Achtung des Familienlebens darstelle.
Im Akt der Zweitbeschwerdeführerin befinden sich folgende Unterlagen:
- Aufenthaltsbestätigung eines Landesklinikums vom 15.09.2017
- Ambulanzbefund und Ambulanzkarte vom 05.09.2017; Diagnose: "PTSD, Depressio" bzw. "Panikattacke i.R. einer posttraumatischen Belastungsstörung, Suizidale Einengung"
- Polizeilicher Bericht aus dem hervorgeht, dass die Zweitbeschwerdeführerin am 03.10.2017 einen Selbstmordversuch unternommen habe.
3. Gegen diese Bescheide wurden fristgerecht gleichlautende Beschwerden eingebracht. Festgehalten wurde, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin in einem sehr schlechten psychischen Zustand befinde. Zu den Diagnosen würden schwere Depressionen, Panikattacken, eine traumatische Belastungsstörung und eine suizidale Einengung gehören. Daher sei sie in dichter medikamentös-psychiatrischer Behandlung und müsse regelmäßig kontrolliert werden. In Anbetracht dieser Umstände sei sie nicht in der Lage, überstellt zu werden. Bei der Beschwerdeführerin bestehe Selbstmordgefahr; eine Unterbrechung der Behandlung könne sehr gefährlich werden. Auch der psychische Zustand des Drittbeschwerdeführers sei instabil und es bestehe der Verdacht auf eine Depression. Er sei vom Kinderarzt in die Psychiatrie geschickt worden.
Es gebe auf Grundlage des aktuellen Wissensstandes konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die flüchtlingsrechtlichen Gewährleistungen und die Verfahrenspraxis in Italien nicht an die geforderten unions- und völkerrechtlichen Standards heranreichen würden und systematische Mängel des Asylverfahrens in Italien bestehen würden. Die Situation für sog. Dublin-Rückkehrer nach Italien sei menschenrechtlich höchst bedenklich und es würden genügend Gründe dafürsprechen, dass Österreich von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch mache. Unter Verweis auf die Entscheidung Tarakhel/Schweiz wurde zudem festgehalten, dass eine Überstellung von Asylwerbern nach Italien nur dann erfolgen dürfe, wenn die Behörden detaillierte und verlässliche Zusicherungen seitens der italienischen Behörden bezüglich einer menschenwürdigen Unterbringung eingeholt hätten.
Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wurden folgende neue
Unterlagen beigelegt:
- Ärztlicher Entlassungsbrief vom 15.09.2017; Diagnose bei
Entlassung: "Mittelgradige depressive Episode F 32.1, Verdacht auf Persönlichkeitsstörung, Adipositas, Zustand nach Hämorrhoiden - OP 2009"
- Fachpsychiatrischer und fachpsychotherapeutischer Befund vom 17.08.2017; psychiatrische Diagnose: "Posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10 F 43.1), schwere depressive Episode (ICD 10 F 33.2); Fachpsychiatrisch und fachpsychotherapeutisch werde festgehalten, dass
1. die psychiatrische Patientin Frau (...) derzeit an einer psychosewertigen psychiatrischen Erkrankung erkrankt ist und dicht medikamentös-psychiatrisch nervenärztlich behandelt und kontrolliert wird,
2. bei Unterbrechung oder Abbruch der dichten laufenden neuroleptischen und antidepressiven medikamentösen Therapien und Kontrollen am Ort die eminente Gefahr des Ausbruchs in eine perakute Geisteskrankheit (inkl. Akuter Selbstmordgefahr) droht.
Fachpsychiatrisch und fachpsychotherapeutisch wird dringend empfohlen, die dichte laufende nervenärztliche Therapie am Ort bei absoluter Indikation bei ansonsten akuter Gefahr für Leib und Leben der Patientin unbedingt fortzusetzen."
- Fachpsychiatrischer und fachpsychotherapeutischer Befund vom 23.08.2017 mit der Empfehlung, die Patientin wegen der dichten laufenden nervenärztlichen Therapie in Wien - falls dies möglich ist
- in Wien eine Wohnmöglichkeit einzuräumen.
- Fachpsychiatrischer Befundbericht vom 29.08.2017 dem zu entnehmen ist, dass die derzeitige Wohnsituation der Patientin ätiologisch und pathogenetisch kausal mitbedingt für ihre psychotischen Symptome sind.
- Aufenthaltsbestätigung eines Landesklinikums vom 04.08.2017 über den Verlauf des stationären Aufenthalts vom 21.07.2017 bis zum 04.08.2017 und Entlassungsbrief mit der Diagnose bei Entlassung:
"Mittelgradige depressive Episode F 32.1, Hämorrhoiden, Zustand nach Hämorrhoiden OP 2009, Palpitationen [Anm. BVwG: Herzklopfen], Tachycardle [Anm. BVwG: Herzrasen], Zustand nach Sectio"
4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.10.2017 wurde den Beschwerden gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
5. Am 12.10.2017 langte eine Aufenthaltsbestätigung eines Landesklinikums vom 09.10.2017 ein, der zu entnehmen ist, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin vom 03.10.2017 bis zum 09.10.2017 in stationärer Krankenhausbehandlung befunden habe.
Mit Schreiben vom 11.10.2017 wurde vorgebracht, dass sich der Drittbeschwerdeführer aufgrund von Angstzuständen in Behandlung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie befinde. Seit den Krankenhausaufenthalten seiner Mutter nässe er sich ein und leide insbesondere an Trennungsängsten aufgrund der wiederholten stationären Aufenthalte seiner Mutter in der Psychiatrie. Im vorliegenden Fall sei die psychiatrische Behandlung der Zweitbeschwerdeführerin ein wichtiger Eckpfeiler für die Stabilisierung des psychischen Zustands des Drittbeschwerdeführers, genauso wie auch die innerfamiliäre Unterstützung durch die in Österreich lebende Großmutter, und zwar für beide psychisch erkrankten Personen. Die Familie werde von einer Sozialarbeiterin betreut und nehme seit Sommer 2017 an Gottesdiensten teil. Sie würden getauft werden wollen. Die hier betroffene Familie, insbesondere die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer, seien aufgrund ihrer schwerwiegenden psychischen Erkrankungen einem vulnerablen Personenkreis zuzuzählen. Die zuverlässige und konstante Fortsetzung der psychiatrischen Behandlung der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers in Österreich sowie die innerfamiliäre Unterstützung durch die in Österreich lebende Großmutter des Drittbeschwerdeführers seien - insbesondere vor dem Hintergrund der Beachtung des Kindeswohls - notwendig und erforderlich.
Dem Schreiben beigelegt waren folgende Dokumente:
Den Drittbeschwerdeführer betreffend:
- Ambulanzbefund vom 16.10.2017; aus diesem geht im Wesentlichen hervor, dass der Drittbeschwerdeführer wegen einer verstärkten Ängstlichkeit und einer sekundären Enuresis [Anm. BVwG.: Einnässen] vorstellig geworden sei. Im Hintergrund zeige sich eine schwere Belastung im Zusammenhang mit einer Traumafolgeerkrankung der Mutter, die sich unter aktuellen Bedingungen verstärkt zeige. Zur Unterstützung einer inneren Sicherheit des Drittbeschwerdeführers brauche es eine soweit wie möglich herstellbare äußere Sicherheit. Hier sei auch die psychiatrische Behandlung der Mutter ein wichtiger Eckpfeiler, wobei jeder nur möglich zu unterstützende Kontakt zur in Österreich lebenden mütterlichen Großmutter stabilisierend zu wirken vermag und unterstützt werden solle, zumal sie eine deutliche innerfamiliäre Ressource darstelle. Haltgebende und gleichbleibende, ritualisierte Abläufe im Alltag des Kindes seien unbedingt erforderlich. Es wurde ein Wiedervorstellungstermin für den 24.10.2017 anberaumt.
- Kurzbrief vom 24.10.2017; Diagnose: "Sekundäre Enuresis, emotrionale Störung des Kindesalters mit Trennungsangst, DD posttraumatische Belastungsreaktion." Es wurde keine medikamentöse Therapie verschrieben, allerdings ein Kontrolltermin für den 30.10.2017 empfohlen.
- Kurzbrief vom 30.10.2017
Alle Beschwerdeführer betreffend:
- Kontaktdaten der Sozialarbeiterin
- Bestätigung über die Teilnahme an Gottesdiensten vom 17.10.2017 sowie eine Bestätigung dafür, dass der Erstbeschwerdeführer von Beginn an um Spendung der Taufe für die Familie gebeten habe.
6. Mit Beschwerdeergänzung, eingelangt am 16.10.2017, wurde vorgebracht, dass eine tatsächlich bestehende intensive innere Verbindung zwischen der Zweitbeschwerdeführerin und ihrer Mutter bestehe. So habe die krebskranke und in Österreich asylberechtigte Mutter der Zweitbeschwerdeführerin im November/Dezember 2015 das große Risiko auf sich genommen, die Zweitbeschwerdeführerin in ihrem Herkunftsland zu besuchen und ihr in der Krise einer lebensbedrohlichen Risikoschwangerschaft beizustehen. Die Scheidung der Eltern der Zweitbeschwerdeführerin habe unweigerlich die räumliche Trennung zwischen Mutter und Tochter herbeigeführt, daraus dürfe aber nicht der Rückschluss gezogen werden, dass durch derart unvermeidliche äußere Umstände auch die innere Verbundenheit zwischen Mutter und Tochter durchtrennt worden sei. Eine intensive innere Verbindung dürfe nicht nur unter dem Gesichtspunkt von rein äußeren Umständen beurteilt werden. Die belangte Behörde habe es unterlassen, den Akteninhalt der Mutter zu berücksichtigen. Aus diesem Akt gehe hervor, dass die Mutter der Beschwerdeführerin körpermedizinisch schwer krank, psychiatrisch beträchtlich gestört und behindert sei. Zudem sei die Zweitbeschwerdeführerin selbst psychisch krank. Vor dem Hintergrund dieser Umstände sei nicht nachvollziehbar, dass die belangte Behörde sich darauf beschränkt habe, ihre Beurteilung auf einige wenige und bloß rein äußerliche Fakten zu stützen.
Zum Gesundheitszustand der Zweitbeschwerdeführerin bzw. zur Beurteilung der Zumutbarkeit einer Überstellung nach Italien sei auszuführen, dass es nach einem Selbstmordversuch eine dreimalige Vollhospitalisierung in der Psychiatrie gegeben habe. Unter Verweis auf die Diagnosen wurde festgehalten, dass der Psychiater dringend die Fortsetzung der dichten laufenden Therapie am Ort bei absoluter Indikation bei ansonsten akuter Gefahr für Leib und Leben der Patientin empfohlen habe. Zudem seien die Eltern des minderjährigen Drittbeschwerdeführers aufgrund der massiven psychischen Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin derzeit nicht in der Lage, hinreichend für das Wohl des Kindes Sorge zu tragen.
Die belangte Behörde habe es unterlassen, die Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Zweitbeschwerdeführerin einer Beweiswürdigung zu unterziehen. Die medizinische Versorgung und eine Unterkunft seien in Italien nicht ausreichend gewährleistet. Die belangte Behörde hätte zumindest konkrete und auf den Einzelfall bezogene Erwägungen tätigen müssen, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für einen Selbsteintritt Österreichs gegeben seien.
Der Beilage beigefügt waren folgende neue Dokumente:
Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend:
- Ärztlicher Entlassungsbrief eines Landesklinikums vom 09.10.2017;
Diagnose bei Entlassung: "Anpassungsstörung F 43.2, Zustand nach SMV" [Anm. BVwG: Selbstmordversuch]
Den Drittbeschwerdeführer betreffend:
- Überweisungsschein für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Am 07.12.2017 langten folgende medizinischen Unterlagen ein:
Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend:
- Ambulanzbefund vom 29.11.2017; Diagnose: "Verdacht auf rezid. depress. Störung, dzt. mittelgradig; Anamn. Verdacht auf Persönlichkeitsstörung; Zustand nach Selbstmordversuch durch Medikamentenintoxikation." Es wurden Tabletten verschrieben, sowie eine Psychotherapie, eine neuerliche Vorstellung, ein EKG und ein Labortest angeraten.
- Ambulanzbefund vom 14.11.2017
Den Drittbeschwerdeführer betreffend:
- Kurzbrief eines Landesklinikums vom 27.11.2017; Diagnose:
"Sekundäre Enuresis, emotionale Störung des Kindesalters mit Trennungsangst, DD posttraumatische Belastungsreaktion." Eine medikamentöse Therapie wurde nicht vorgeschlagen jedoch eine Wiederbestellung für den 06.12.2017 empfohlen.
- Kurzbrief vom 21.11.2107, 13.11.2017 und vom 08.11.2017
Am 14.12.2017 langten folgende medizinische Unterlagen ein:
Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend:
- Ambulanzbefund vom 07.12.2017
- Ambulanzkarte vom 23.08.2017
- Aufnahmeschein vom 15.12.2017
Den Drittbeschwerdeführer betreffend:
- Kurzbrief vom 12.12.2017, in dem die bisherige Diagnose bestätigt wurde.
Am 21.12.2017 langte betreffend den Drittbeschwerdeführer ein Schreiben samt Ambulanzbefund vom 30.10.2017 ein.
7. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 18.12.2017, Zl. XXXX , wurde der Erstbeschwerdeführer wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
8. Am 25.01.2018 wurde betreffend die Zweitbeschwerdeführerin ein Ambulanzbefund vom 19.01.2018 vorgelegt. Die Diagnose lautete:
"Depressive Episode ggw. mittelgradig; Verdacht auf Persönlichkeitsstörung"; empfohlen wurde eine medikamentöse Therapie.
Am 31.01.2018 wurde ein Empfehlungsschreiben eines Vereins sowie folgende neue Befunde vorgelegt:
Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend:
- Ambulanzbefund vom 04.01.2018
Den Drittbeschwerdeführer betreffend:
- Ambulanzbefund vom 30.10.2017
- Kurzbrief vom 19.12.2017, vom 03.01.2018, vom 15.01.2018 und vom 22.01.2018; Diagnose: "Sekundäre Enuresis, emotionale Störung des Kindesalters mit Trennungsangst, DD posttraumatische Belastungsreaktion". Eine medikamentöse Therapie wurde nicht verschrieben, aber jeweils ein Kontrolltermin fixiert.
Am 06.02.2018 wurde betreffend die Zweitbeschwerdeführerin eine Aufenthaltsbestätigung vom 15.12.2017 vorgelegt. Dieser ist zu entnehmen, dass sie vom 15.12.2017 bis zum 17.12.2017 stationär in Behandlung gewesen sei.
Am 21.03.2018 langten folgende Unterlagen ein:
Kirchenbesuchsbestätigung
- Sterbeurkunde des Vaters der Zweitbeschwerdeführerin;
Todesursache: "Herzinfarkt - Schlaganfall/Rektale-Probleme, Organen. Störungen"
Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend:
- Ambulanzbefund vom 07.02.2018 und vom 08.03.2018; Diagnose:
"Verdacht auf Persönlichkeitsstörung, Zustand nach Selbstmordversuch durch Medikamentenintoxikation"
Den Drittbeschwerdeführer betreffend:
- Ambulanzbefund vom 21.02.2018 mit der bisherigen Diagnose
- Kurzbrief vom 13.02.2018, vom 21.02.2018, vom 26.02.2018 und vom 07.03.2018 mit der bisherigen Diagnose
Am 28.05.2018 wurden folgende neue Befunde vorgelegt:
Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend:
- Ambulanzbefund vom 08.05.2018
Klientenkarte
Den Drittbeschwerdeführer betreffend:
Klientenkarte
Am 21.06.2018 langten folgende medizinischen Unterlagen ein:
Den Erstbeschwerdeführer betreffend:
- Ambulanzbefund vom 12.06.2018; Diagnose: "Depressiv Episode ggw. mittelgradig." Dem Erstbeschwerdeführer wurde die Einnahme von Escitalopram 10 mg [Anm. BVwG: Antidepressivum] empfohlen und ein Kontrolltermin vereinbart.
Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend:
- Ambulanzbefund vom 06.06.2018
Am 02.07.2018 wurde ein handschriftliches Schreiben eines Allgemeinmediziners vom 27.06.2018 vorgelegt, in dem eine Verpflegung der Beschwerdeführer in einer anderen Unterkunft am besten in der Nähe der Mutter der Zweitbeschwerdeführerin empfohlen wurde. Weiters wurden betreffend die Zweitbeschwerdeführerin ein Ambulanzbefund vom 19.06.2018 und betreffend den Drittbeschwerdeführer ein Kurzbrief vom 20.06.2018 und ein Ambulanzbericht vom 21.02.2018 vorgelegt. Die Diagnosen lauteten wie bisher.
Einer Vorfallsmeldung vom 24.08.2018 ist zu entnehmen, dass die Zweitbeschwerdeführerin schwanger sei.
Mit am 07.09.2018 einlangendem Schreiben wurden betreffend die Zweitbeschwerdeführerin ein Arztbrief einer gynäkologischen Abteilung eines Krankenhauses vorgelegt; Diagnose: "UB-Schmerzen in Grav IV/II/I, SSW 9 2; Soorkolpitis [Anm. BVwG.
Scheidenpilzinfektion], St.p. 2x Sektio im Iran [Anm. BVwG: Status nach zweimaligem Kaiserschnitt]; St.p. 1x AB [Status nach Abort]"; vorgelegt wurde auch eine Terminliste für die Physiotherapie.
Am 16.10.2018, am 24.10.2018 und am 30.11.2018 langten weitere (medizinische) Unterlagen insbesondere zur Schwangerschaft der Zweitbeschwerdeführerin ein. Aus der Kopie des vorgelegten Mutter-Kind-Passes ergibt sich der XXXX als errechneter Geburtstermin. Des Weiteren ist einem Arztbrief zu entnehmen, dass die Zweitbeschwerdeführerin zuletzt am 12.10.2018 aufgrund von Unterbauchziehen und Schmerzen bei einer Panikattacke vorstellig wurde.
Betreffend den Drittbeschwerdeführer wurde ein Ambulanzbefund der Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 06.09.2018 vorgelegt; Diagnose: "F 98 sekundäre Enuresis, F 93 emotionale Störung des Kindesalters mit Trennungsangst, F 43 Reaktion auf schwere Belastungen". Unter Zugrundelegung der familiären Situation, die in dem Arztbrief ausführlich beschrieben wurde, wobei der Schilderung zu entnehmen ist, dass sich mit der Verbesserung des psychischen Zustandsbildes der Mutter [Zweitbeschwerdeführerin] gleichzeitig ein depressiver Einbruch beim Vater [Erstbeschwerdeführe] abgezeichnet habe, wurden folgende "weiterführende Empfehlungen" festgehalten:
- "Die Ermöglichung von Kontakten zur in Österreich lebenden Großmutter auch über mehrere Tage erwies sich (...) als Ressource für die Mutter und [das Kind].
- Um eine innere Sicherheit des Kindes zu begünstigen, gilt es, eine äußere Sicherheit zu unterstützen, die, um weitere Entwicklungsgefährdung des Buben abzuwenden, neben der möglichst raschen Klärung der Aufenthaltssituation (im Sinne des Grundbedürfnisses nach Orientierung und Kontrolle) natürlich auch im Rahmen der Behandlung der Eltern unabdingbar ist.
- Gleichbleibende, haltgebende Strukturen und Rituale können [dem Kind] darüber hinaus ein kleines Stück Sicherheit geben.
- Eine altersadäquate, pädagogisch-strukturierte Förderung (wie im Sinne des Besuches eines Kindergartens) und der Kontakt zu gleichaltrigen Kindern sind dringend zu empfehlen.
- Langfristig gesehen ist davon auszugehen, dass [das Kind] von einer Spieltherapie gut profitieren kann.
- Die Fortsetzung der Behandlung inkl. Elternberatung macht aus unserer Sicht aber auch Sinn, um eine Stabilität aufrecht zu erhalten, Kontinuität zu gewähren und eine psychische Dekompensation zu vermeiden."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführer, alle iranische Staatsangehörige, stellten in Österreich am 13.07.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz; sie verfügten zu diesem Zeitpunkt über gültige, von der italienischen Vertretungsbehörde in Teheran/Iran ausgestellte Schengen-Visa Typ C (Gültigkeitsdauer von 23.06.2017 bis 17.07.2017).
Das BFA richtete am 17.07.2017 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Italien, dem Italien gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO durch Verfristung zustimmte.
Beim Erstbeschwerdeführer wurde zuletzt eine mittelgradige depressive Episode (F 32.1) diagnostiziert und er steht diesbezüglich in medikamentöser Behandlung.
Die Zweitbeschwerdeführerin hat am 03.10.2017 einen Selbstmordversuch durch Medikamentenintoxikation unternommen und war mehrmals stationär in Behandlung (Vollhospitalisierung in der Psychiatrie). Bei ihr wurde zuletzt eine mittelgradige depressive Episode (F 32.1) diagnostiziert und es besteht der Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung. Sie befindet sich in engmaschiger psychiatrischer Kontrolle. Die Therapie erfolgt durch eine Kombination von Psychopharmaka. Die Zweitbeschwerdeführerin hat zudem zwei Fehlgeburten erlitten, bevor sie den Drittbeschwerdeführer zur Welt brachte. Sie ist derzeit schwanger; der errechnete Geburtstermin ist der XXXX .
Beim minderjährigen Drittbeschwerdeführer wurde zuletzt erneut folgende Diagnose gestellt: "F 98 sekundäre Enuresis, F 93 emotionale Störung des Kindesalters mit Trennungsangst, F 43 Reaktion auf schwere Belastungen". Er steht in engmaschiger Behandlung und Kontrolle durch die kinder- und jugendpsychiatrische Ambulanz.
Seit Februar 2013 ist die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin in Österreich asylberechtigt. Es besteht zwar kein gemeinsamer Haushalt der Beschwerdeführer mit dieser, dennoch liegt zwischen den Beschwerdeführern und der Mutter der Zweitbeschwerdeführerin ein berücksichtigungswürdiges Abhängigkeitsverhältnis vor, da diese einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung des psychischen Zustands insbesondere der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers leistet.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 18.12.2017, Zl. XXXX , wurde der Erstbeschwerdeführer wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
Die Beschwerdeführer besuchen in Österreich regelmäßig den Gottesdienst.
2. Beweiswürdigung:
Dass die Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung über gültige und von Italien ausgestellte Schengen-Visa verfügten, ergibt sich aus dem Ergebnis der Abfrage der VIS-Datenbank.
Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführer seitens Italiens durch Verfristung ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der italienischen Dublin-Behörde. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus den zahlreichen vorgelegten ärztlichen Schreiben und Befunden.
Die festgestellte berücksichtigungswürdige Abhängigkeit zwischen den Beschwerdeführern und der Mutter der Zweitbeschwerdeführerin lässt sich den entsprechenden ärztlichen Schreiben entnehmen, die das im Verfahren erstattete Vorbringen medizinisch fundiert untermauern. Aus ärztlicher Sicht trägt der Kontakt zur in Österreich asylberechtigten Schwiegermutter/Mutter/Großmutter zur Stabilisierung des psychischen Zustands der Beschwerdeführer bei. Insbesondere in Bezug auf den minderjährigen Drittbeschwerdeführer, dem es an innerer Sicherheit mangelt, gilt es laut den Befunden, eine äußere Sicherheit zu unterstützen, um weitere Entwicklungsgefährdung des Kindes abzuwenden. Dabei sind gleichbleibende, haltgebende Strukturen und Rituale bedeutsam; in diese wird auch die Großmutter eingebunden. Sie wurde von ärztlicher Seite als wichtige Ressource für die Zweitbeschwerdeführerin und den Drittbeschwerdeführer erkannt.
Auch die strafrechtliche Verurteilung des Erstbeschwerdeführers und der Umstand, dass die Beschwerdeführer in Österreich regelmäßig den Gottesdienst besuchen, lässt sich den im Akt aufliegenden entsprechenden Mitteilungen entnehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde und Behebung des bekämpften Bescheides:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) .....
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. ...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 und 2 und § 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lauten:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 21 (3) BFA-VG lautet: Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) lauten:
"Artikel 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Artikel 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Artikel 12
Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:
a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;
b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;
c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.
Artikel 17
Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
Artikel 22
Antwort auf ein Aufnahmegesuch
(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs.
(2) In dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats werden Beweismittel und Indizien verwendet.
(3) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Erstellung und regelmäßige Überprüfung zweier Verzeichnisse, in denen die sachdienlichen Beweismittel und Indizien gemäß den in den Buchstaben a und b dieses Artikels festgelegten Kriterien aufgeführt sind, fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
a) Beweismittel:
i) Hierunter fallen förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit nach dieser Verordnung entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden;
ii) Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 44 vorgesehenen Ausschuss nach Maßgabe der im Verzeichnis der förmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Muster der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungen verwendeten Dokumente zur Verfügung;
b) Indizien:
i) Hierunter fallen einzelne Anhaltspunkte, die, obwohl sie anfechtbar sind, in einigen Fällen nach der ihnen zugebilligten Beweiskraft ausreichen können;
ii) Ihre Beweiskraft hinsichtlich der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz wird von Fall zu Fall bewertet.
(4) Das Beweiserfordernis sollte nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung erforderliche Maß hinausgehen.
(5) Liegen keine förmlichen Beweismittel vor, erkennt der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit an, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um die Zuständigkeit zu begründen.
(6) Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren gemäß Artikel 21 Absatz 2, so unternimmt der ersuchte Mitgliedstaat alle Anstrengungen, um die vorgegebene Frist einzuhalten. In Ausnahmefällen, in denen nachgewiesen werden kann, dass die Prüfung eines Gesuchs um Aufnahme eines Antragstellers besonders kompliziert ist, kann der ersuchte Mitgliedstaat seine Antwort nach Ablauf der vorgegebenen Frist erteilen, auf jeden Fall ist die Antwort jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. In derartigen Fällen muss der ersuchte Mitgliedstaat seine Entscheidung, die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt zu erteilen, dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist mitteilen.
(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
Artikel 29
Modalitäten und Fristen
(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.
Wenn Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat in Form einer kontrollierten Ausreise oder in Begleitung erfolgen, stellt der Mitgliedstaat sicher, dass sie in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde durchgeführt werden.
Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Antragsteller ein Laissez-passer aus. Die Kommission gestaltet im Wege von Durchführungsrechtsakten das Muster des Laissez-passer. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass die betreffende Person eingetroffen ist oder dass sie nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erschienen ist.
(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist."
Zwar ist hinsichtlich der Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren dem BFA darin beizupflichten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt grundsätzlich die Zuständigkeit Italiens ergibt. In materieller Hinsicht wäre die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung der gegenständlichen Anträge in Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO begründet, da die Beschwerdeführer zum Antragszeitpunkt (13.07.2017) über von der italienischen Vertretungsbehörde in Teheran/Iran ausgestellte Schengen-Visa verfügten (Gültigkeitsdauer von 23.06.2017 bis 17.07.2017). Der Zuständigkeitsübergang auf Italien durch Verfristung ergibt sich aus Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass im Hinblick auf die eingetretene Zuständigkeit Italiens Beendigungsgründe vorliegen. Dadurch, dass das Bundesverwaltungsgericht den gegenständlichen Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat, ist die Überstellungsfrist bis dato auch noch nicht abgelaufen (Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO).
Würde die Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs allerdings zu einer Grundrechtswidrigkeit führen, wäre der Selbsteintritt Österreichs geboten. Zur Frage eines allenfalls gebotenen Selbsteintrittes Österreichs ist Folgendes auszuführen: Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO wird ein Antrag auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Art. 7 bis 15) der Dublin-III-VO bestimmt wird. Ungeachtet dessen sieht Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO die Möglichkeit des Selbsteintritts eines Mitgliedstaates vor, auch wenn er nach den Kriterien der Dublin-III-VO nicht für die Prüfung zuständig ist.
Da Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO keine inhaltlichen Vorgaben beinhaltet, liegt es primär an den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und im Ermessen des einzelnen Mitgliedstaates, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Selbsteintritt erfolgt (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0192ua, mit Hinweis auf Filzwieser/Sprung, Dublin-III-VO, K2 zu Art. 17).
Auch der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 10.12.2013, C-394/12, Abdullahi, festgehalten, dass Art. 3 Abs. 2 (sogenannte Souveränitätsklausel) und Art. 15 Abs. 1 (humanitäre Klausel) der Verordnung Nr. 343/2003 (diese entsprechen nunmehr Art. 17 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 2 Unterabsatz 1 der Dublin-III-VO) "die Prärogativen der Mitgliedstaaten wahren" sollen, "das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien für die Prüfung eines Antrags zuständig ist. Da es sich dabei um fakultative Bestimmungen handelt, räumen sie den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen ein" (vgl. Rz 57, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfGH 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH 18.11.2015, Ra 2014/18/0139; 17.11.2015, Ra 2015/01/0114, 02.12.2014, Ra 2014/18/0100, 15.12.2015, Ra 2015/18/0192ua) macht die grundrechtskonforme Interpretation des AsylG 2005 eine Bedachtnahme auf die - in Österreich in Verfassungsrang stehenden - Bestimmungen der EMRK notwendig und es ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.
Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei. Dass die Behandlung im Zielland etwa nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nach dem Urteil des EGMR vom 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili/Belgien, muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei auch die Kosten der Behandlung und der Medikamente und das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerkes zu berücksichtigen sind (vgl. auch VwGH 21.2.2017, Ro 2016/18/0005-3).
Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Auch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rz 42ff; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh; 04.07.2006, 24171/05, Karim; 10.11.2005, 14492/03, Paramasothy; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515). Eine Abschiebung führt auch dann zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung, einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu einem intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili/Belgien).
In den angefochtenen Bescheiden ging das BFA davon aus, dass der Erstbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführer gesund seien, dass die Zweitbeschwerdeführerin wegen Herzrhythmusstörungen medikamentös behandelt werde, und, dass hinsichtlich der Mutter der Zweitbeschwerdeführerin keine gegenseitige Abhängigkeit vorliege. Wie sich jedoch aus den zahlreichen mittlerweile - nach Erlassung der angefochtenen Bescheide - in Vorlage gebrachten Befunden bzw. Arztschreiben ergibt, wurden bei allen Beschwerdeführern (teils schwere) psychische Erkrankungen diagnostiziert.
Es liegt bei der Zweitbeschwerdeführerin eine schwere psychische Erkrankung vor, weshalb sie sowohl eine medikamentöse Therapie als auch eine Psychotherapie erhält. Die Zweitbeschwerdeführerin hat bereits einen Suizidversuch unternommen. Laut diversen Befunden und Arztschreiben besteht weiterhin sowohl Selbstverletzungs- als auch Suizidgefahr. Dazu kommt, dass die Zweitbeschwerdeführerin erneut schwanger ist und in der Vergangenheit bereits zwei Fehlgeburten erlitten hat. Dem medizinischen Befund vom 01.09.2018 ist zu entnehmen, dass die Zweitbeschwerdeführerin an Unterleibsschmerzen und einer Scheideninfektion leidet. Vor dem Hintergrund der bereits erlittenen Fehlgeburten liegen Anzeichen für eine nicht komplikationslose Schwangerschaft vor; der Zweitbeschwerdeführerin wurde von daher körperliche Schonung verordnet. In einer Zusammenschau mit den vorliegenden Erkrankungen des Erstbeschwerdeführers und des Drittbeschwerdeführers ist insgesamt vom Vorliegen einer besonders vulnerablen Familie auszugehen.
Ungeachtet auch wiederholter stationärer Krankenhausaufenthalte der Zweitbeschwerdeführerin und laufender psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung aller Beschwerdeführer ist nicht davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer im Laufe ihres Aufenthaltes in Österreich bisher ausreichend stabilisiert hat; vielmehr ist - wie den vorgelegten ärztlichen Befunden zu entnehmen ist - im Falle einer aktuellen Überstellung der Beschwerdeführer nach Italien - auch wenn dort grundsätzlich alle Erkrankungen behandelbar und die Behandlungen auch zugänglich sind - nach wie vor mit einer ernsthaften Gefährdung der körperlichen Integrität der Beschwerdeführer zu rechnen.
Mehrfach wurde explizit darauf hingewiesen, dass eine Abschiebung eine massive Belastung für die Beschwerdeführer darstellen würde. Mit einer Überstellung nach Italien und einer damit einhergehenden Trennung der Beschwerdeführer vom relativ stabilen Umfeld in Österreich, nämlich von der hier lebenden und nunmehr als anerkannter Flüchtling aufenthaltsberechtigten Schwiegermutter/Mutter/Großmutter, wäre aufgrund des fehlenden familiären Auffangnetzes in Italien und aufgrund der mit den psychischen Beschwerden verbundenen (Anfangs‑)Schwierigkeiten vor Ort eine gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustandes in Italien zu befürchten. So wird im fachpsychiatrischen und fachpsychotherapeutischen Befund vom 17.08.2017 betreffend die Zweitbeschwerdeführerin ausgeführt, dass bei Unterbrechung oder Abbruch der dichten laufenden neuroleptischen und antidepressiven medikamentösen Therapien und Kontrollen am Ort die eminente Gefahr des Ausbruchs in eine perakute Geisteskrankheit (inkl. akuter Selbstmordgefahr) droht. Aus den medizinischen Unterlagen geht auch hervor, dass die Selbstmordgedanken der Zweitbeschwerdeführerin durch die starke Belastung einer Abschiebung nach Italien verstärkt werden. Auch wenn im letzten Ambulanzbericht vom 19.06.2018 keine akute Suizidalität festgestellt wurde, wird von chronischen Selbstmordgedanken gesprochen. Wenn die Zweitbeschwerdeführerin zwischenzeitlich auch medikamentös gut eingestellt wurde, so lässt sich anhand der zahlreichen medizinischen Unterlagen dennoch jedenfalls erkennen, dass bei ihr nicht von einem gleichbleibenden (sich zum Positiven wendenden) Krankheitsverlauf gesprochen werden kann. So wurde zuletzt im Ambulanzbefund vom 08.05.2018 der Verdacht einer Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Überdies wäre im Rahmen einer Überstellung nach Italien jedenfalls mit einer Unterbrechung der Psychotherapie zu rechnen; eine solche Unterbrechung wurde von sämtliche Experten als kontraindiziert angesehen.
Auch wenn die Erkrankungen der Beschwerdeführer für sich alleine betrachtet noch nicht zwingend jene besondere Schwere eines "außergewöhnlichen Falles" erreichen, wie sie von der oben wiedergegebenen Judikatur des EGMR für die Beurteilung der Unzulässigkeit der Abschiebung vorausgesetzt wird, kommt im gegenständlichen Fall hinzu, dass der mit der verhältnismäßig langen Dauer des Zulassungsverfahrens einhergehende Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich nicht durch ein in ihrer Verantwortung liegendes Verhalten bewirkt wurde, sondern den Behörden (hier dem Bundesverwaltungsgericht) zuzurechnen ist, was bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK genauso zugunsten der Beschwerdeführer zu berücksichtigen ist wie die festgestellte Abhängigkeit der Beschwerdeführer von der in Österreich lebenden Schwiegermutter/Mutter/Großmutter.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Wie festgestellt, lebt die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin als Asylberechtigte in Österreich und stellt für die Beschwerdeführer eine wichtige Bezugsperson dar, sodass im konkreten Fall vom Vorliegen der geforderten Beziehungsintensität zwischen den Beschwerdeführern und der Schwiegermutter/Mutter/Großmutter auszugehen ist. Vor allem bezüglich des minderjährigen Drittbeschwerdeführers ergibt sich laut Ambulanzbericht vom 16.10.2017 und zuletzt vom 06.09.2018, dass der Kontakt zur in Österreich lebenden Großmutter stabilisierend wirkt. Haltgebende und gleichbleibende, ritualisierte Abläufe im Alltag des Kindes sind unbedingt erforderlich. Die in Österreich aufhältige Schwiegermutter/Mutter/Großmutter bietet den Beschwerdeführern ein stabiles soziales Umfeld und tragt so einen wichtigen Teil zur psychischen Stabilisierung der Beschwerdeführer bei. Bezüglich der Zweitbeschwerdeführerin wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach wie vor zwecks ausreichender Stabilisierung und aus medizinischer Sicht regelmäßige therapeutische Ausgänge zu ihrer Mutter dringend empfohlen werden, da eine Ressourcenmobilisierung im Kreise der Familie zur ausreichender psychischer Stabilität beitragen kann (vgl. Ambulanzbefund vom 06.06.2018). Unter anderem aus dem Ambulanzbericht vom 21.02.2018 und zuletzt aus dem Befund vom 06.09.2018 lässt sich entnehmen, dass für den Drittbeschwerdeführer der Kontakt zu seiner in Österreich aufhältigen Großmutter sehr wichtig für seine Entwicklung ist. Damit weisen die familiären Beziehungen der Beschwerdeführer zur Schwiegermutter/Mutter/Großmutter jedenfalls Merkmale einer Abhängigkeit auf, die über die üblichen Bindungen hinausgehen, sodass sie unter den Schutz von Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen (EGMR 12.01.2010, 47486/06, A. W. Khan, Rz 32; VfGH 09.06.2006, B 1277/04; VwGH 25.04.2008, 2007/20/0720 bis 0723). Bei einer Interessensabwägung kommt im konkreten Fall den bestehenden öffentlichen Interessen - etwa an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Zuzugs Fremder - keinesfalls eine derart ausschlaggebende Bedeutung zu, die einer Trennung der Beschwerdeführer von der in Österreich lebenden Schwiegermutter/Mutter/Großmutter rechtfertigen würde.
Letztlich ist - wie bereits angedeutet - auch zu berücksichtigen, dass die Dublin-III-VO unter anderem das Ziel der Verfahrensbeschleunigung im Sinne einer raschen Bestimmung des für die Führung des Verfahrens auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats verfolgt (Filzwieser/Sprung, Dublin-III-VO, S. 24 zu deren Zielen), um den effektiven Zugang zum und die rasche Bearbeitung der Asylverfahren zu gewährleisten. Der EuGH hat mehrfach (Rs C-4/11 und C-411/10 und C-493/10) ausgesprochen, dass ein Mitgliedstaat, in dem sich ein Asylwerber aufhält, darauf zu achten hat, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylwerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird und der Staat den Antrag erforderlichenfalls nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO) selbst prüfen muss. Eine unangemessen lange Verfahrensdauer - die im konkreten Fall nicht den Beschwerdeführer zugerechnet werden kann - ist gegenständlich zu erkennen, zumal sich die Beschwerdeführer bereits etwa eineinhalb Jahre im Bundesgebiet aufhalten.
Zusammenfassend ergibt sich aus dem Gesagten die Pflicht Österreichs zum Selbsteintritt aus Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO bzw. aus einer grundrechtskonformen Interpretation des AsylG 2005 durch Bedachtnahme auf die - in Österreich in Verfassungsrang stehenden - Bestimmungen der EMRK, und zwar vor dem Hintergrund der (teils schweren) psychischen Erkrankungen der Beschwerdeführer und ihrer damit einhergehenden Vulnerabilität in Zusammenschau mit ihren familiären Anknüpfungspunkten an das Bundesgebiet und mit dem Beschleunigungsgebot der Dublin-III-VO. Den Beschwerden war daher stattzugeben und die angefochtenen Bescheide waren zu beheben.
Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG idgF konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018, wobei die dort genannten Kriterien für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG gegenständlich erfüllt sind). Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit den Beschwerdeführern zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im vorliegenden Fall liegen die tragenden Elemente der Entscheidung allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat sowie in der Bewertung der Intensität des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführer und demgemäß in Tatbestandsfragen.
Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.
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