BVwG W238 2155179-1

BVwGW238 2155179-126.9.2017

AlVG §10
AlVG §38
AlVG §9 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W238.2155179.1.00

 

Spruch:

W238 2155179-1/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER und Mag. Josef WURDITSCH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Horn vom 28.12.2016, VN XXXX, nach Beschwerdevorentscheidung vom 29.03.2017, GZ XXXX, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe vom 15.12.2016 bis 25.01.2017 gemäß § 38 iVm § 10 AlVG, wobei Nachsicht nicht erteilt wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.08.2017 zu Recht erkannt:

 

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG

stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos behoben.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer verfügt über eine Berufsausbildung als Bauspengler und über Erfahrung in seinem erlernten Beruf. Er besitzt einen Führerschein für die Klassen A, B,

C und E, jedoch keinen eigenen PKW.

 

Dem BF wurde am 07.12.2016 per Post eine Vollzeitstelle als Bauspengler bei der XXXX GmbH in XXXX übermittelt. Die Bewerbung sollte telefonisch oder per E-Mail erfolgen. Ergänzend war folgender Text in der Stellenzuweisung angeführt: "Ein privater PKW zur Erreichung des Arbeitsortes ist von Vorteil – für Personen ohne PKW besteht die Möglichkeit einer Abholung vom Bahnhof Korneuburg – danach steht Firmen-PKW zur Verfügung".

 

Am 14.12.2016 teilte die XXXX GmbH dem Arbeitsmarktservice mit, dass bis dato noch keine Bewerbung des Beschwerdeführers erfolgt sei. Weiters gab die Firma bekannt, dass die Stelle noch nicht vergeben sei.

 

Mit Schreiben des Arbeitsmarktservice Horn (im Folgenden: AMS) vom 20.12.2016 wurde der Beschwerdeführer ersucht, am 04.01.2017 persönlich vorzusprechen, damit seine unterbliebene Bewerbung bei der XXXX GmbH geklärt werden kann.

 

Am 23.12.2016 langte ein Schreiben des Beschwerdeführers beim AMS ein, worin er mitteilte, schon einige Male – mündlich und auch schriftlich – auf seine eingeschränkte Mobilität hingewiesen zu haben. Die tägliche Wegzeit zurXXXX GmbH betrage mindestens fünf Stunden.

 

Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich zum Nichtzustandekommen der zugewiesenen Beschäftigung als Bauspengler bei der XXXX GmbH befragt. Der Beschwerdeführer wandte ein, dass die Wegzeit zu weit und nicht zumutbar sei. Der Beschwerdeführer wurde der Niederschrift zufolge darauf aufmerksam gemacht, dass die Firma im Inserat mitgeteilt habe, dass eine Abholung vom Bahnhof in Korneuburg möglich sei. Das AMS erläuterte mit näherer Begründung, warum die Stelle aus Sicht der Behörde zumutbar sei. Der Beschwerdeführer weigerte sich, die Niederschrift zu unterschreiben und forderte einen Bescheid.

 

Vom Sachbearbeiter wurde in der Niederschrift der Eintritt der Rechtsfolge des § 10 AlVG mangels Vorliegens von Nachsichtsgründen befürwortet.

 

2. Mit Bescheid des AMS Horn (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) vom 28.12.2016 wurde gemäß § 38 iVm § 10 AlVG ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 15.12.2016 bis 25.01.2017 verloren habe und dass ihm keine Nachsicht erteilt werde. Begründend wurde ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer die Beschäftigung bei der Firma XXXX nicht aufgenommen habe, da ihm der Anfahrtsweg zu weit sei. Die Stelle sei jedoch zumutbar, da die Wegzeiten den Zumutbarkeitsbestimmungen entsprechen würden.

 

3. In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wandte der Beschwerdeführer ein, den Geschäftsstellenleiter der regionalen Geschäftsstelle Horn am 05.12.2016 schriftlich darauf hingewiesen zu haben, dass ihn immer wieder Stellenangebote erreichen würden, die nicht den Zumutbarkeitsbestimmungen entsprechen. Weiters hätte er mündlich mitgeteilt, dass die Umsteigezeiten in XXXX zu kurz seien und er deshalb eine Stunde auf den nächsten Zug warten müsste. Mit Fußwegen und Wartezeiten betrage die Wegzeit nach Korneuburg zwei Stunden und 35 Minuten plus Transfer zur Firma XXXX nach XXXX. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der Bezugssperre und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

 

4. Am 11.01.2017 meldete die XXXX GmbH, dass die Position vergeben worden sei.

 

5. Seitens des AMS Horn wurde mit verfahrensrechtlichem Bescheid vom 13.02.2017 die aufschiebende Wirkung der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.12.2016 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 und 58 AlVG ausgeschlossen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer keine Beschwerde.

 

6. Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS Horn vom 29.03.2017 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.12.2016 abgewiesen. Mit näherer Begründung stellte das AMS fest, dass die Wegzeit in der Früh – inklusive Fußwege und Wartezeiten – insgesamt 1 Stunde 40 Minuten betragen hätte und die Wegzeit am Abend – inklusive Fußwege und Wartezeiten – insgesamt 1 Stunde 53 Minuten betragen hätte. Die gesamte tägliche Wegzeit hätte demnach 3 Stunden 37 Minuten bei einer täglichen Arbeitszeit von 9 Stunden betragen. Hinsichtlich der Umsteigezeiten in XXXX wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer keine gesundheitlichen Einschränkungen aufweise, weshalb vier Minuten bis zur nächsten Verbindung für einen Fußweg von 100 Metern ausreichend seien. Weiters stellte das AMS fest, dass laut Pendleranalyse 2014 der Arbeiterkammer Niederösterreich täglich 133 Personen aus dem Bezirk Horn in den Bezirk Korneuburg pendeln würden. Die hohe Anzahl an Personen, die diese Pendlerstrecke täglich in Kauf nehme, um zur Arbeit und wieder nach Hause zu gelangen, wurde vom AMS als besonderer Umstand im Sinne des Gesetzes gewertet, der die längere Wegzeit im Hinblick auf § 9 Abs. 2 AlVG rechtfertige. Die Wegzeit von 3 Stunden 37 Minuten sei im vorliegenden Fall zumutbar, da die Überschreitung der täglichen Wegzeit weniger als die Hälfte der täglichen Normalarbeitszeit (neun Stunden) betrage. Auch die übrigen Zumutbarkeitskriterien seien erfüllt. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG (insbesondere die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsaufnahme) würden nicht vorliegen.

 

7. Der Beschwerdeführer brachte fristgerecht einen Vorlageantrag ein, in dem er eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör rügte und sein bisheriges Vorbringen zur Unzumutbarkeit der Wegzeit bekräftigte. Er würde für die Hinfahrt 2 Stunden 1 Minute und für die Rückfahrt 2 Stunden 19 Minuten benötigen. In XXXX müsste er erst eine Fahrkarte lösen, weshalb die Umsteigezeiten zu kurz seien. Zudem bestritt der Beschwerdeführer, in einer typischen Pendlerregion zu wohnen, zumal der größte Anteil der Pendler ein Auto benützen würde, wodurch sich die Wegzeit erheblich verkürze. Schließlich stellte der Beschwerdeführer die Vorsprache vom 23.12.2016 anders als das AMS dar und kritisierte das einseitige Zustandekommen der Betreuungsvereinbarung.

 

8. Die Beschwerde und der Vorlageantrag wurden dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 02.05.2017 vorgelegt.

 

9. Am 30.08.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer und eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen. Im Zuge der mündlichen Verhandlung erfolgte auch eine Einvernahme des Geschäftsführers der XXXX GmbH als Zeuge.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Auf Grund der im Akt enthaltenen Stellenausschreibung, der Parteien- und Zeugenaussagen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie der im Akt befindlichen Niederschriften und sonstigen Unterlagen wird folgender Sachverhalt festgestellt:

 

1.1. Ausgangslage, Stellenzuweisung

 

Der Beschwerdeführer bezog vom 01.01.2009 bis zum gesetzlichen Höchstausmaß am 03.11.2009 Arbeitslosengeld und steht seit 04.11.2009 – unterbrochen durch Krankengeldbezüge sowie durch ein kurzes vollversichertes Dienstverhältnis vom 01.09.2014 bis 14.11.2014 – im Notstandshilfebezug.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über eine Berufsausbildung als Bauspengler und über Erfahrung in seinem erlernten Beruf.

 

Er besitzt einen Führerschein für die Klassen A, B, C und E, jedoch keinen eigenen PKW. Laut Auskunft aus der Zulassungsevidenz der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 23.02.2017 wurde das letzte Fahrzeug des Beschwerdeführers am 28.08.2015 abgemeldet. Auch seine Ehefrau besitzt keinen PKW. Begründet wird dies vom Beschwerdeführer damit, dass er sich mit dem geringen verfügbaren Haushaltseinkommen keinen PKW leisten könne.

 

Der Beschwerdeführer ist verheiratet. Seine Ehefrau ist Hausfrau. Der Beschwerdeführer hat keine Sorgepflichten mehr. Seine Kinder leben nicht mehr in seinem Haushalt.

 

In der zuletzt am 22.11.2016 zwischen dem Beschwerdeführer und dem AMS Horn geschlossenen Betreuungsvereinbarung wurde u.a. festgehalten, dass der Beschwerdeführer kein Fahrzeug besitzt und das Suchgebiet auf Grund seines entlegenen Wohnortes auf ganz Österreich mit Quartier ausgeweitet wird. Weiters wurde festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer auf Stellen, die ihm das AMS übermittelt, bewirbt und Rückmeldung über die Bewerbung innerhalb von acht Tagen an das AMS gibt.

 

Es sind keine gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers aktenkundig.

 

Dem Beschwerdeführer wurde am 07.12.2016 per Post eine Vollzeitstelle als Bauspengler bei der XXXX GmbH in XXXX übermittelt.

 

Das zugewiesene Stellenangebot lautete wie folgt:

 

"Seit vielen Jahren sind wir im Spenglergewerbe tätig und unsere zahlreichen Kunden in Wien und Niederösterreich vertrauen bei ihrer Dachsanierung auf unsere langjährige Erfahrung.

 

Wir suchen zur Verstärkung unseres Teams eine/n Bauspengler/in

 

Anforderungen:

 

 

 

 

 

 

 

Ein privater PKW zur Erreichung des Arbeitsortes ist von Vorteil – für Personen ohne PKW besteht die Möglichkeit einer Abholung vom Bahnhof Korneuburg – danach steht Firmen-PKW zur Verfügung.

 

Wie bieten eine Vollzeitbeschäftigung in einem gut geführten Familienunternehmen. Arbeitskleidung und Sicherheitsschuhe werden vom Dienstgeber bereit gestellt.

 

Wenn Sie die Anforderungen erfüllen, freuen wir uns auf Ihre Berwebung Entgeltangaben des Unternehmens:

 

Das Mindestentgelt für die Stelle als Bauspengler/in beträgt 2098,00 EUR brutto pro Monat auf Basis Vollzeitbeschäftigung. Bereitschaft zur Überzahlung."

 

1.2. Unterbleiben einer Bewerbung und Nichtzustandekommen einer Beschäftigung

 

Eine Bewerbung des Beschwerdeführers erfolgte nicht.

 

Am 11.01.2017 meldete die XXXX GmbH, dass die Position vergeben worden sei.

 

Der Beschwerdeführer nahm Abstand von einer Bewerbung, weil er die zugewiesene Stelle nach Prüfung der vorhandenen Verkehrsverbindungen im Hinblick auf die Erreichbarkeit innerhalb angemessener Zeit für unzumutbar erachtete. Er nahm diesbezüglich nach Erhalt der Stellenzuweisung keinen Kontakt mit der belangten Behörde auf. Dies begründete der Beschwerdeführer damit, dass er bereits am 05.12.2016 mit dem "Bezirksstellenleiter" (gemeint wohl: Leiter der Geschäftsstelle) gesprochen habe und dabei die Vermittlung von Stellen österreichweit kritisiert habe, weshalb er das Thema betreffend lange Wegzeiten als erledigt erachtet habe.

 

1.3. Zur Frage der Zumutbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Erreichbarkeit in angemessener Zeit

 

Der Beschwerdeführer wurde amXXXX geboren und wohnt in XXXX.

 

Die Gemeinde gehört zum Bezirk Horn in Niederösterreich; sie befindet sich im nördlichen Waldviertel ca. 14 km entfernt von der tschechischen Grenze. Der Wohnort des Beschwerdeführers ist entlegen. Die regionale Arbeitsmarktsituation am Wohnort des Beschwerdeführers bzw. im näheren Umkreis seines Wohnortes ist als schlecht zu bezeichnen.

 

Der Dienstort der dem Beschwerdeführer zugewiesenen Stelle ist XXXX. Er liegt im Bezirk Korneuburg in Niederösterreich.

 

Die fixen Arbeitszeiten in der XXXX GmbH stellen sich wie folgt dar:

Montag bis Freitag von 6:30 Uhr bis 16:30 Uhr mit Frühstücks- und Mittagspause zu je einer halben Stunde (insgesamt eine Stunde Pause). Jeden zweiten Freitag findet kein Dienstbetrieb statt. An den langen Wochen endet der Dienstbetrieb am Freitag ebenfalls um 16:30 Uhr. Überstunden fallen sehr selten und nur in geringem Ausmaß (ca. 30 Minuten) an.

 

Die Normalarbeitszeit bei der vom AMS zugewiesenen Stelle als Bauspengler beträgt täglich neun Stunden, wöchentlich 36 Stunden an den kurzen Wochen und 45 Stunden an den langen Wochen.

 

Eine Unterkunft am Dienstort wird von der XXXX GmbH nicht zur Verfügung gestellt.

 

Der im Inserat erwähnte Firmen-PKW ist ausschließlich für die betriebliche Nutzung (Fahrten zwischen Baustellen und Firma) vorgesehen.

 

Seitens der XXXX GmbH wird sichergestellt, dass Arbeitnehmer, die über keinen privaten PKW zwecks Anfahrt zum Diensort verfügen, an den Arbeitstagen rechtzeitig vor Dienstbeginn am Bahnhof Korneuburg abgeholt und nach Dienstende wieder zum Bahnhof Korneuburg gebracht werden.

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die zugewiesene Stelle besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten hätte.

 

Für den Hinweg des Beschwerdeführers mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind zunächst 11 Gehminuten vom Wohnort zur Bushaltestelle in XXXX, 1 Stunde 24 Minuten von XXXX bis Korneuburg (XXXX ab 04:40 Uhr mit dem Bus XXXX bis XXXX, Zuganschluss XXXX mit Ankunft Korneuburg um 06:04 Uhr), 2 Minuten Gehzeit vom Bahnhof Korneuburg zum Abholdienst und weitere 16 Minuten für die Fahrt mit dem PKW von Korneuburg bis zum Dienstort in XXXX, somit in Summe 1 Stunde 53 Minuten zu rechnen. Der Rückweg beginnt mit Dienstende um 16:30 Uhr. Vom Dienstort in XXXX bis zum Bahnhof Korneuburg sind 16 Minuten mit dem PKW zu rechnen, anschließend folgen eine Fahrt mit dem Zug XXXX ab 17:20 Uhr bis XXXX und eine Fahrt mit dem Bus XXXX mit Ankunft um 18:38 Uhr in XXXX, zusätzlich 11 Minuten Gehzeit zum Wohnort, somit sind in Summe vom Dienstende bis zur Ankunft am Wohnort des Beschwerdeführers 2 Stunden 19 Minuten zu veranschlagen.

 

Der Hin- und Rückweg beträgt insgesamt 4 Stunden 12 Minuten.

 

Der Bezirk Horn ist ein Auspendlerbezirk. Ca 1.500 Personen pendelten 2014 nach Wien, weitere 76 Personen in den ehemaligen Bezirk Wien-Umgebung und 133 Personen in den Bezirk Korneuburg. In Summe pendelten 42,46 % der Auspendler aus dem Bezirk Horn in die genannten Gebiete.

 

Insgesamt pendelten im Jahr 2014 4.121 der insgesamt 10.010 im Bezirk Horn wohnhaft beschäftigten Personen aus dem Bezirk aus, also 41,2 % der im Bezirk Horn wohnhaften und beschäftigten Bevölkerung.

 

Auch die Gemeinde XXXX selbst mit ca 1.600 Einwohnern ist durch starkes Auspendeln geprägt: Nur 142 Beschäftigte pendeln in die Gemeinde ein, 450 hingegen aus (negativer Pendlersaldo von 308). Nach Wien beträgt der Saldo Einpendler-Auspendler -101 (das bedeutet, dass 101 Personen mehr von XXXX nach Wien pendeln als umgekehrt); bezüglich der Gemeinden Korneuburg, Stockerau, Klosterneuburg, Gerasdorf beträgt derselbe Saldo weitere -11.

 

Im Ergebnis pendeln 28,1 % der XXXX Gesamtbevölkerung aus. 36,4 % des negativen Pendlersaldos (mehr Personen pendeln aus als ein) entfallen auf die Zielorte Wien und Gemeinden im nördlichen Nahebereich von Wien.

 

XXXX ist, wie der gesamte Bezirk Horn, im Ergebnis ein Ort, an dem dort lebende Personen üblicherweise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben.

 

Die Strecke XXXX wird mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der pendlerrelevanten Hauptverkehrszeit in ca. 1 Stunde 40 Minuten bis 2 Stunden zurückgelegt.

 

Die Strecke XXXX-Wien wird mit dem PKW in der pendlerrelevanten Hauptverkehrszeit bei einer durchschnittlichen Verkehrssituation in ca. 1 Stunde 20 Minuten zurückgelegt.

 

Die dem Beschwerdeführer abverlangte Wegzeit ist mit jener, die Pendler ausXXXX nach Wien – also jenem Zielort mit der höchsten negativen Pendlerbilanz in der relevanten Region – mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu veranschlagen haben, vergleichbar. Sie übersteigt aber die Wegzeit von PKW-Pendlern.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Die jeweiligen Zeiträume des Bezuges von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Bezugsverlauf.

 

Die Feststellungen über Ausbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung und wurden im Verfahren auch nie bestritten.

 

Dass der Beschwerdeführer über einen Führerschein für die Klassen A, B, C und E verfügt, konnte auf Grund der glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung festgestellt werden. Aus einer im Verwaltungsakt einliegenden Auskunft aus der Zulassungsevidenz der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 23.02.2017 ergibt sich, dass das letzte Fahrzeug des Beschwerdeführers am 28.08.2015 abgemeldet wurde. Dass nach wie vor weder der Beschwerdeführer noch seine Ehefrau einen PKW besitzen, wurde vom Beschwerdeführer auf Nachfrage des Gerichtes in der Verhandlung bestätigt. Die Begründung dafür legte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dar.

 

Der Familienstand und das Fehlen von Sorgepflichten bezüglich Kinder konnten anhand der glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung festgestellt werden.

 

Der Inhalt der Betreuunungsvereinbarung vom 22.11.2016 ist dem Verwaltungsakt zu entnehmen.

 

Dass der Beschwerdeführer keine gesundheitlichen Einschränkungen aufweist, ergibt sich aus dem Fehlen entsprechender Hinweise im Verwaltungsakt. Auch vom Beschwerdeführer wurden keine gesundheitlichen Probleme vorgebracht.

 

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde am 07.12.2016 das beschwerdegegenständliche Stellenangebot zugewiesen wurde, wurde von den Parteien im gesamten Verfahren nicht bestritten.

 

Der Inhalt des zugewiesenen Stellenangebots ist Bestandteil des Verwaltungsaktes.

 

2.2. Dass eine Bewerbung des Beschwerdeführers nicht erfolgte, wurde von diesem selbst gleichbleibend angegeben.

 

Die Mitteilung der XXXX GmbH über die Besetzung der freien Stelle ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und steht in Übereinstimmung mit den Angaben des im Rahmen der mündlichen Verhandlung als Zeugen einvernommenen Geschäftsführers der Firma.

 

Das Motiv des Beschwerdeführers für das Unterbleiben der Bewerbung sowie für die unterlassene Kontaktaufnahme mit dem AMS nach Erhalt des Stellenangebots ergibt sich aus dessen glaubhaftem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

2.3. Das Geburtsdatum des Beschwerdeführers und die Adressen des Wohnortes des Beschwerdeführers sowie des (potentiellen) Dienstortes ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Letztere wurden in der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer und vom Geschäftsführer der XXXX GmbH bestätigt.

 

Die Lage des Wohnortes des Beschwerdeführers ist anhand von Kartenmaterial (z.B. google maps) feststellbar. Dass sein Wohnort entlegen ist, ergibt sich zum einen aus der geographischen Lage des Ortes und zum anderen aus dessen Entfernung zu Städten und Ballungsräumen. Dass die regionale Arbeitsmarktsituation am Wohnort des Beschwerdeführers schlecht ist, ist notorisch und konnte auch auf Basis der diesbezüglich plausiblen Ausführungen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Vertreterin der belangten Behörde festgestellt werden.

 

Die Feststellungen über die Arbeitszeiten (Dienstbeginn und Dienstende), über die sich daraus ergebende tägliche und wöchentliche Normalarbeitszeit, über die mangelnde Bereitsstellung einer Unterkunft durch den Dienstgeber, über die Nutzung des Firmen-PKW sowie über die Sicherstellung eines Abholdienstes zwischen dem Bahnhof Korneuburg und dem Dienstort in XXXX konnten auf Basis der schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben des Geschäftsführers der XXXX GmbH getroffen werden, der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge einvernommen wurde.

 

Dass die zugewiesene Stelle keine besonders günstigen, sondern mit Blick auf Entlohung, Arbeitszeiten und allfällige Entwicklungsmöglichkeiten durchschnittliche Arbeitsbedingungen geboten hätte, konnte anhand des Ausschreibungstextes und der ergänzenden Ausführungen des Geschäftsführers der FirmaXXXX GmbH festgestellt werden.

 

Die Feststellungen über die Fahrzeiten, die der Beschwerdeführer zwischen seinem Wohnort in XXXXund dem Dienstort in XXXX zurücklegen müsste, basieren auf einer Abfrage der ÖBB-Fahrplanauskunft "Scotty". Die Gehzeiten vom Wohnort des Beschwerdeführers zur Bushaltestellte in XXXX und vom Bahnhof Korneuburg zum Abholdienst der Firma sowie die Fahrzeit vom Bahnhof Korneuburg bis zum Dienstort in XXXX konnten auf Grundlage der jeweils zurückzulegenden Distanzen berechnet werden.

 

Dass die Verfahrensparteien (nunmehr übereinstimmend) von einer Gesamtdauer der Wegzeit (Hin- und Rückweg) von 4 Stunden 12 Minuten ausgehen, wurde nach entsprechender Berechnung im Rahmen der mündlichen Verhandlung festgestellt.

 

Die Angaben bezüglich des Pendlerverhaltens von Einwohnern des Bezirks Horn ergeben sich aus der Analyse "Pendeln in NÖ. Zahlen und Fakten 2014", insbesondere aus der Tabelle 1 und der Detailtabelle für den Bezirk Horn auf Seite 45. Die herangezogenen Zahlen sind – auch unter Berücksichtigung etwaiger geringfügiger Abweichungen – als Orientierungshilfe im Jahr 2017 ebenfalls tauglich.

 

Die Feststellungen betreffend die Pendlerbilanz in der GemeindeXXXXsamt Zielorten stützen sich auf die Pendlermatrix der Statistik Austria, abgerufen am 23.06.2017 unter http://www.statistik.at/web_de/downloads/webkarto/pendlermatrix_gem_2013/index.html

 

Die Feststellungen zur typischen Wegzeit der Strecke XXXX-Wien mit öffentlichen Verkehrsmitteln konnten anhand des ÖBB-Routenplaners "Scotty", abgefragt am 23.06.2017, getroffen werden. Daraus ergibt sich Folgendes:

 

 

 

 

 

 

 

Die Feststellungen bezüglich der Fahrtdauer XXXX-Wien mit einem PKW ergibt sich durch Einsichtnahme in den ÖAMTC-Routenplaner, angenommene Abfahrt am 25.06.2017 um 5:30 Uhr mit einem Ziel in Wien Innere Stadt.

 

Dass die dem Beschwerdeführer abverlangte Wegzeit mit jener vegleichbar ist, die Pendler aus XXXX nach Wien mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu veranschlagen haben, aber die Wegzeit von PKW-Pendlern übersteigt, konnte anhand einer Gegenüberstellung der Wegzeiten festgestellt werden.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.

 

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

 

3.2. Zu den einschlägigen Rechtsnormen

 

3.2.1. Die gesetzliche Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG lautet (soweit hier relevant): "Wenn eine arbeitslose Person sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld".

 

Gemäß § 38 AlVG ist diese Bestimmung sinngemäß auf die Notstandshilfe anzuwenden.

 

3.2.2. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Bescheid verhängten Sanktion nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG ist, dass die zugewiesene Beschäftigung als zumutbar und auch sonst als geeignet in Betracht kommt.

 

3.3. Zuweisungsfähigkeit der Beschäftigung

 

3.3.1. Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG wird nur verwirklicht, wenn es sich bei der in Frage kommenden Beschäftigung um eine zumutbare und damit für die Zuweisung geeignete Beschäftigung handelt (vgl. dazu VwGH 22.02.2012, 2009/08/0077;

02.05.2012, 2010/08/0013, 2012/08/0077; 02.05.2012, 2010/08/0054;

15.05.2013, 2010/08/0257; 22.07.2013, 2012/08/0058).

 

Wenn eine Beschäftigung nicht evident unzumutbar ist und das AMS nicht von vornherein Kenntnis von einem die Unzumutbarkeit der Beschäftigung begründenden Umstand hat, kann es den Arbeitslosen zu dieser Tätigkeit zuweisen. So dem Arbeitslosen keine Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit der Tätigkeit bekannt sind, trifft ihn zunächst die Verpflichtung, sich beim potentiellen Dienstgeber vorzustellen. Es liegt an ihm, die näheren Bedingungen der bekannt gegebenen Beschäftigungsmöglichkeit bei einem Vorstellungsgespräch zu erörtern (z.B. VwGH 25.06.2013, 2011/08/0052).

 

Nur wenn ein Arbeitsloser die Zumutbarkeit einer zugewiesenen Arbeitsstelle gegenüber dem AMS ganz konkret bestreitet (oder die Zumutbarkeit aus anderen Gründen nicht ohne nähere Ermittlungen angenommen werden kann), hat sich das AMS mit dieser Frage in der Begründung seines Bescheides auseinanderzusetzen. Das AMS hat dann – erforderlichenfalls – darzutun, welche Anforderungen mit der zugewiesenen Beschäftigung verbunden sind und ob der Arbeitslose nach seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten diesen Anforderungen genügt (VwGH 04.07.2007, 2006/08/0097; 11.07.2012, 2012/08/0070; 15.05.2013, 2010/08/0257; 25.06.2013, 2012/07/0215).

 

3.3.2. Der Beschwerdeführer bestreitet – im Ergebnis zu Recht – die Zumutbarkeit der ihm zugewiesenen Beschäftigung wegen unangemessen langer Wegzeit:

 

Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung (u.a.) dann zumutbar, wenn sie in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.

 

Zur zumutbaren Wegzeit wurde in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage für die AlVG-Novelle, BGBl. I Nr. 77/2004 (464 BlgNR 22. GP ), unter anderem Folgendes ausgeführt:

 

"Die bisher vorgesehene unterschiedliche Beurteilung der Zumutbarkeit einer Beschäftigung in Abhängigkeit von der Lage des Arbeitsplatzes innerhalb oder außerhalb des Wohn- oder Aufenthaltsortes führt vielfach zu unbilligen Ergebnissen und soll daher entfallen. Stattdessen soll die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes innerhalb einer angemessenen Zeit geprüft werden. Im Hinblick auf die unterschiedlichen regionalen und persönlichen Umstände soll von der starren Festlegung einer Grenze im Gesetz abgesehen werden. Die Beurteilung der Angemessenheit der Wegzeit soll unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen der Wegzeit und der durchschnittlichen täglichen Normalarbeitszeit erfolgen. Als durchschnittliche tägliche Wegzeit soll die in der Regel täglich zurück zu legende Wegzeit gelten. Die Wegzeit (von der Wohnung zum Arbeitsplatz und zurück) soll im Allgemeinen ein Viertel der durchschnittlichen täglichen Normalarbeitszeit nicht wesentlich überschreiten. Bei unterschiedlicher Verteilung der Wochenarbeitszeit ist auf die durchschnittliche Arbeitszeit an den Beschäftigungstagen abzustellen. Wenn die Wegzeit, etwa auf Grund der Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel, geringfügig (zB eine Viertelstunde) über der Richtwertzeit liegt, wird die Angemessenheit noch nicht in Frage zu stellen sein. Da die Kollektivverträge zum Teil unterschiedliche, von der gesetzlichen Normalarbeitszeit abweichende, Normalarbeitszeiten vorsehen (zB 37,5 oder 38,5 Stunden) wird, um aufwändige Nachforschungen und Streitigkeiten zu vermeiden, im Sinne einer praktikablen Lösung klar gestellt, dass zwei Stunden Wegzeit täglich bei einer Vollzeitbeschäftigung immer zumutbar sind. Eine wesentlich längere Wegzeit, also zB drei Stunden bei einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden, soll nur bei Vorliegen besonderer Umstände zumutbar sein. Solche Umstände werden jedenfalls vorliegen, wenn bei Einhaltung der Richtwegzeit eine längere Arbeitslosigkeit unvermeidlich wäre. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die arbeitslose Person einen besonders entlegenen Wohnsitz hat, von dem aus ein geeigneter Arbeitsplatz nicht in kürzerer Zeit erreichbar ist, aber auch wenn auf Grund der regionalen Arbeitsmarktsituation kein näherer Arbeitsplatz gefunden werden kann. Einen Anhaltspunkt für die Angemessenheit einer Wegzeit bietet die von am Wohn- oder Aufenthaltsort lebenden Tagespendlern üblicher Weise zurück gelegte Fahrzeit. Eine längere Wegzeit ist auch zumutbar, wenn die größere Entfernung durch besonders günstige Arbeitsbedingungen aufgewogen wird. Bei Teilzeitarbeit ist jedenfalls eine Wegzeit von eineinhalb Stunden (hin und zurück) zumutbar, wenn die Wochenarbeitszeit mindestens 20 Stunden beträgt."

 

Der Verwaltungsgerichtshof ist vor diesem Hintergrund in seinem Erkenntnis vom 02.07.2008, 2008/08/0062, davon ausgegangen, dass bei einer Vollzeitbeschäftigung eine wesentlich über dem als tunlich angesehenen Viertel der durchschnittlichen täglichen Normalarbeitszeiten liegende tägliche Wegzeit iSd § 9 Abs. 2 AlVG, die nur unter besonderen Umständen zumutbar ist, erst bei einer Überschreitung um etwa 50 % anzunehmen ist (vgl. auch VwGH 22.02.2012, 2009/08/0028; 16.02.2011, 2007/08/0056).

 

Diese Grenze wird nach den Feststellungen im vorliegenden Erkenntnis im Beschwerdefall deutlich überschritten.

 

Da weder der Beschwerdeführer noch seine Ehefrau über einen PKW verfügen, ist er auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen. Wie festgestellt, wären für den Hin- und Rückweg, den der Beschwerdeführer von seinem Wohnort bis zum Dienstort zurücklegen müsste, insgesamt 4 Stunden 12 Minuten zu veranschlagen. Die tägliche Normalarbeitszeit der zugewiesenen Stelle beträgt 9 Stunden.

 

Da der Beschwerdeführer somit bei Annahme der ihm angebotenen Beschäftigung Wegzeiten in Kauf nehmen hätte müssen, die wesentlich über den jedenfalls zulässigen "Richtwegzeiten" nach § 9 Abs. 2 AlVG liegen, war zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer die festgestellten Wegzeiten ausnahmsweise zumutbar wären. Das Gesetz sieht solche besonderen Umstände beispielhaft dann als gegeben an, wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden.

 

Angesichts der schlechten regionalen Arbeitsmarktsituation am Wohnort des Beschwerdeführers (bzw. im näheren Umkreis), der abgeschiedenen geographischen Lage seines Wohnortes sowie des Umstandes, dass Tagespendler von diesem Ort aus üblicher Weise längere Wegzeiten zurücklegen müssen, geht das Bundesverwaltungsgericht mit der belangten Behörde zwar davon aus, dass besondere Umstände iSd § 9 Abs. 2 AlVG gegeben sind, unter denen wesentlich über den "Richtwegzeiten" liegende Wegzeiten grundsätzlich zumutbar erscheinen.

 

Dennoch erachtet der erkennende Senat die im konkreten Fall deutlich über 50 % hinausgehende Überschreitung der Richtwegzeit bei einer Wegzeit von insgesamt 4 Stunden und 12 Minuten und einer täglichen Normalarbeitszeit von 9 Stunden nicht mehr für zumutbar.

 

Das Gesetz sieht seinem Wortlaut nach bei wesentlicher Überschreitung der "Richtwegzeiten" keine absolute Obergrenze vor, bei deren Erreichen jedenfalls von einer unangemessenen Wegzeit auszugehen wäre. Unbeschadet dessen liegt es auf der Hand, dass eine solche Grenze dem Gesetzeszweck immanent ist. Auch wenn der Gesetzgeber im Hinblick auf die unterschiedlichen regionalen und persönlichen Umstände bewusst von der "starren Festlegung einer Grenze" im Gesetz abgesehen hat, zielt die Bestimmung des § 9 Abs. 2 AlVG doch darauf ab, dass Arbeitslosen eine Beschäftigung (u.a.) nur dann zumutbar sein soll, wenn eine Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes innerhalb einer angemessenen Zeit gegeben ist.

 

Eine tägliche Wegzeit von 4 Stunden und 12 Minuten würde nicht nur die im Gesetz vorgesehene "Richtwegzeit" (bei Vollbeschäftigung) von zwei Stunden um mehr als das doppelte überschreiten und etwa die Dauer eines halben Arbeitstages umfassen, sondern im Fall des Beschwerdeführers auch dazu führen, dass dieser an Arbeitstagen von 04:29 Uhr (Verlassen des Wonortes) bis 18:49 Uhr (Eintreffen am Wohnort) und somit insgesamt ca. 14,5 Stunden von der Arbeit in Anspruch genommen würde.

 

Das Bundesverwaltungsgericht kann daher – bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Beschwerdefalles – nicht finden, dass die dem Beschwerdeführer zugewiesene Stelle iSd § 9 Abs. 2 AlVG innerhalb angemessener Zeit erreichbar wäre.

 

Daran vermag auch die lange Abwesenheit des Beschwerdeführers vom Arbeitsmarkt sowie sein Alter, wodurch das Finden einer seinem Anforderungsprofil entsprechenden Beschäftigung unter Berücksichtigung des regionalen Arbeitsmarktes erschwert ist, nichts zu ändern, zumal eine Vermittlung des Beschwerdeführers – sollte für ihn tatsächlich keine in angemessener Zeit erreichbare Beschäftigung zu finden sein – auch an Stellen in Betracht zu ziehen wäre, bei denen eine entsprechende Unterkunft am Dienstort zur Verfügung steht.

 

3.4. Ergebnis

 

Zusammengefasst liegen daher Umstände vor, welche die Beschäftigung objektiv unzumutbar machen. Da ein Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG von vornherein nicht verwirklicht wurde, war der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben und die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos zu beheben.

 

Ein Abspruch über den in der Beschwerde gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte schon deshalb unterbleiben, weil das AMS Horn die aufschiebende Wirkung der vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde mit verfahrensrechtlichem Bescheid vom 13.02.2017 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 und 58 AlVG ausgeschlossen hat und dieser Bescheid vom Beschwerdeführer nicht bekämpft wurde.

 

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil – soweit ersichtlich – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehlt, in welchen Fallkonstellationen bei Vorliegen besonderer Umstände iSd § 9 Abs. 2 AlVG eine wesentliche Überschreitung der "Richtwegzeit" dennoch nicht mehr zumutbar ist bzw. wo eine – vom Bundesverwaltungsgericht als systemimmanent angenommene – (absolute) Obergrenze der Wegzeit verortet werden kann.

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