VwGH 2011/08/0052

VwGH2011/08/005225.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten sowie den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der M K in Wien, vertreten durch Dr. Christa-Maria Scheimpflug, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Erdberger Lände 6/27, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 1. Dezember 2010, Zl. 2010-0566-9-002332, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 22. Juli 2010 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) gegenüber der Beschwerdeführerin den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe im Zeitraum 6. Juli bis 16. August 2010 aus; Nachsicht wurde nicht erteilt. Begründend führte die regionale Geschäftsstelle aus, die Beschwerdeführerin habe das Zustandekommen einer vom AMS angebotenen, zumutbaren und kollektivvertraglich entlohnten Beschäftigung beim Unternehmen E vereitelt;

berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung und machte zusammengefasst geltend, sie habe das Angebot, sich beim AMS per e-mail zu melden wahrgenommen, ihre Betreuerin habe sich jedoch nicht gemeldet. Sie kenne den Kollektivvertrag nicht, weil ihre Betreuerin dazu keine Auskunft gegeben habe, somit kenne sie die Entlohnung nicht. Weiters verwies sie auf Obsorgepflichten, die angebotene Arbeit sei darüber hinaus für sie nicht mehr adäquat und sie wolle dem Lebensmittelhandel aus gesundheitlichen Gründen nie wieder zur Verfügung stehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt. Begründend führte sie aus, die Beschwerdeführerin beziehe seit 15. Juli 2006 mit Unterbrechungen Notstandshilfe. Zuletzt sei sie vom 1. März 1999 bis 27. Juni 2000 bei der T als Ladnerin tätig gewesen. Sie habe mit dem Arbeitsmarktservice am 24. Juni 2010 einen Betreuungsplan vereinbart, unter anderem mit dem Inhalt, dass sie dem Arbeitsmarkt für zumindest 20 Stunden zur Verfügung stehe, sofort eine Arbeit aufnehmen könne, über Berufserfahrung als Ladnerin verfüge, und dass das Arbeitsmarktservice die Beschwerdeführerin bei der Suche einer Stelle als Feinkostverkäuferin bzw. Lebensmittelverkäuferin unterstützen werde.

Am 29. Juni 2010 sei der Beschwerdeführerin vom Arbeitsmarktservice eine Beschäftigung als Feinkostverkäuferin beim Dienstgeber E mit möglichem Arbeitsantritt 6. Juli 2010 zugewiesen worden. Es sei unter anderem angeführt gewesen, dass die Beschwerdeführerin sich im Rahmen einer Vorauswahl innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt dieser Einladung beim AMS, Fachzentrum Einzelhandel, Redergasse 1 in 1050 Wien, mit Lebenslauf und Bewerbungsschreiben bewerben solle. Das Dienstverhältnis sei letztlich nicht zustande gekommen.

Am 5. Juli 2010 habe die Beschwerdeführerin an das AMS ein email geschickt, unter anderem mit dem Inhalt, dass sie gerade dabei sei, einige Bewerbungen an andere Firmen weiterzuleiten, und zwar nicht im Bereich Feinkost, sondern im Bereich Kunst. Sie habe niemals schriftlich oder mündlich den Wunsch geäußert, in dem vom AMS angebotenen Bereich zu arbeiten. Sie könne keine Bewerbung schicken. Am 20. Juli 2010 habe sie niederschriftlich unter anderem angegeben, dass, "wenn das Gehalt nicht mehr ist" als sie Notstandshilfe und Sozialleistung bekomme, es sich nicht rechne; sie wolle sich im Bereich Kunst selbstständig machen, ihr sei die Arbeitszeit nicht bekannt und sie habe Obsorgepflichten. Weiters habe sie angeführt, dass sie bereits in diesem Bereich gearbeitet habe und wegen der Arbeitsbedingungen ständig krank gewesen sei; mit der Schule ihrer Kinder würde sich die Wegzeit dramatisch verlängern; sie könne die Kinder nicht in Betreuung geben, da dies einem Kind nicht zumutbar sei, weil es Asthma und andere Krankheiten hat. Weiters habe sie angeführt, dass sie nicht von Kunden beschuldigt werden wolle, etwas gestohlen zu haben.

Am 27. September 2010 habe sie vor der Berufungsbehörde unter anderem angegeben, dass sie den gegenständlichen Vermittlungsvorschlag am 29. Juni 2010 erhalten habe. Sie habe sich per e-mail beworben, jedoch auf dieses e-mail keine Antwort erhalten habe. Ihr Sohn sei überlastet gewesen, sie habe ihn daher aus der Schule herausgenommen. Sie sei aber nicht zum Arzt gegangen und habe vielmehr eine Bestätigung der Ärztin Dr. R bezüglich der Krankheit ihres Sohnes vorgelegt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Kinder bis zum vollendeten 10. Lebensjahr oder behinderte Kinder, für die nachweislich keine längere Betreuungsmöglichkeit bestehe, die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG auch dann erfüllen würden, wenn sie sich für ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 16 Stunden bereithalten. Ein Arbeitsloser habe alle ihm zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um diesen Zustand, nämlich den, arbeitslos zu sein, raschest zu beenden. Am 29. Juni 2010 sei der Beschwerdeführerin eine Beschäftigung als Feinkostverkäuferin beim Dienstgeber E mit möglichem Arbeitsantritt 6. Juli 2010 zugewiesen worden. Diese Stelle sei auf Grund der geforderten Voraussetzungen und der Angaben der Beschwerdeführerin trotz ihrer Einwände, dass sie niemals schriftlich oder mündlich den Wunsch geäußert habe, in diesen angebotenen Bereich zu arbeiten, zumutbar, da sie seit 25. Juli 2006 in Bezug der Notstandshilfe stehe und daher verpflichtet sei, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Ihre Angabe in der Niederschrift vom 20. Juli 2010, dass es sich nicht rechnen würde, sei entgegenzuhalten, dass sich die Verpflichtung, jede zumutbare zugewiesene voll versicherungspflichtige Stelle anzunehmen, nicht nach der Höhe der Notstandshilfe richte. Ihre Angabe, dass sie sich im Bereich der Kunst selbstständig machen möchte, bleibe ihr unbenommen. Die Angabe, dass sie Obsorgepflichten habe, gehe ins Leere, da sie grundsätzlich trotz allfälliger Betreuungspflichten dem Arbeitsmarkt zumindest 16 Stunden zur Verfügung stehen müsse. Weiters sei gerade dem gegenständlichen Vermittlungsvorschlag zu entnehmen gewesen, dass die Beschwerdeführerin bei Betreuungspflichten mit dem Dienstgeber sprechen sollte, da bezüglich der Arbeitszeit auch eine Sonderregelung möglich sei. Der vorgelegten ärztlichen Bestätigung sei nicht zu entnehmen, dass sie trotz allfälliger Betreuungspflichten dem Arbeitsmarkt nicht zumindest 16 Stunden zur Verfügung stehen könne. Durch den Inhalt ihres e-mails vom 5. Juli 2010 habe sie jedenfalls ihre nach außen hin zu Tage getretenen Bemühungen, diesen Arbeitsplatz zu erlangen, zunichte gemacht, denn nach allgemeiner Erfahrung sei der Inhalt dieses emails geeignet, den potentiellen Dienstgeber von ihrer Einstellung abzubringen. Durch ihr Verhalten habe sie die Aufnahme einer Beschäftigung vereitelt.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Nach der ständigen Rechtsprechung kann das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses vom Arbeitslosen auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden: nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit), oder aber, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2010, Zl. 2008/08/0151).

Die Beschwerdeführerin argumentiert, die belangte Behörde unterliege bei der Beurteilung des Falles mehreren Rechtsirrtümern. So bedeute ein Bewerbungstermin oder auch ein Vermittlungsvorschlag wie im gegenständlichen Fall noch keine Zusage für ein Arbeitsverhältnis und somit Aufnahme einer Beschäftigung, die Beschwerdeführerin sei laut Schreiben vom 29. Juni 2010 nur in die engere Auswahl gekommen. Sie habe sich per e-mail an eine Mitarbeiterin des AMS mit der Bitte um konkrete Informationen zur Arbeitszeit gewendet, worauf sie von ihrer Ansprechpartnerin keine Antwort erhalten habe. Sie habe auch eigenmotiviert Bewerbungen vorgenommen, um Auflagen und Verpflichtungen des AMS zu erfüllen. Zu all diesem habe die Behörde in Verkennung der Rechtslage zu wenig bzw. überhaupt keine geeigneten Feststellungen getroffen. Die Beschwerdeführerin wäre auch tatsächlich nicht eingestellt worden.

Mit diesen Argumenten kann die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides aufzeigen.

Dem Verwaltungsakt im Zusammenhalt mit den Feststellungen der belangten Behörde ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin mit e-mail vom 5. Juli 2010 auf die Einladung des Arbeitsmarktservices für eine Bewerbung bei E reagierte. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde finden sich in diesem e-mail keine Fragen nach Entlohnung, beruflicher Verwendung oder Arbeitszeit. Vielmehr verweist sie darin dezidiert darauf, keine Bewerbung zu schicken. Weiters weist sie auch darauf hin, dass sie gerade dabei sei, einige Bewerbungen an andere Unternehmen weiterzuleiten und zwar nicht im Bereich Feinkost, sondern im Bereich Kunst. Dieser Inhalt lässt unmissverständlich erkennen, dass sie kein Interesse an der zugewiesenen Beschäftigung hatte. Abgesehen davon, dass sie auch anlässlich ihrer vor der Berufungsbehörde abgelegten niederschriftlichen Vernehmung vom 27. September 2010 keine der im e-mail vom 5. Juli 2010 gemachten Angaben relativierte - kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die Beschwerdeführerin die Abgabe einer Bewerbung - angekündigt - unterlassen hat.

Ein objektiver Leser des e-mails der Beschwerdeführerin vom 5. Juli 2010 musste insgesamt den Eindruck gewinnen, sie bekunde kein Interesse an der Aufnahme der angebotenen Tätigkeit, sie lehne vielmehr eine Bewerbung dezidiert ab. Der Auffassung der belangten Behörde, dass sie durch den Inhalt dieses e-mails ihre nach außen hin zu Tage getretenen Bemühungen, diesen Arbeitsplatz zu erlangen, zunichte gemacht hat und ihr Verhalten geeignet war, potentiellen Dienstgeber von der Einstellung abzubringen, kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Schon ihre Wortwahl in dem e-mail als auch in ihren Niederschriften zeigte ihre Arbeitsunwilligkeit in Bezug auf die konkret angebotene Beschäftigung und es nahm die Beschwerdeführerin jedenfalls in Kauf, dass ein Beschäftigungsverhältnis nicht zustande kommen werde.

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof schon mehrmals ausgesprochen, dass, wenn die Beschäftigung nicht evident unzumutbar ist und das Arbeitsmarktservice nicht von vornherein Kenntnis von einem die Unzumutbarkeit der Beschäftigung begründenden Umstand hat, es den Arbeitslosen zu dieser Tätigkeit zuweisen kann. So dem Arbeitslosen keine Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit der Tätigkeit bekannt sind, trifft ihn zunächst die Verpflichtung, sich beim potentiellen Dienstgeber vorzustellen. Es liegt an ihm, die näheren Bedingungen der bekanntgegebenen Beschäftigungsmöglichkeit bei einem Vorstellungsgespräch zu erörtern (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. Juli 2007, Zl. 2006/08/0097, und vom 11. September 2008, Zl. 2007/08/0187). Ausgehend von der Arbeitsplatzbeschreibung und der Möglichkeit wegen der Betreuungspflichten eine Sondervereinbarung bezüglich der Arbeitszeit zu treffen, wäre die Beschwerdeführerin verhalten gewesen, sich im Rahmen eines Vorstellungsgespräches insoweit informieren zu lassen.

Die Frage, ob die Beschwerdeführerin die Stelle überhaupt bekommen hätte, ist vorliegend nicht mehr von Belang. Die Beschwerdeführerin verkennt dabei das Wesen der Kausalität einer Verweigerung bzw. Vereitelungshandlung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG. Es ist nämlich nicht Voraussetzung, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall zustande gekommen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2006, Zl. 2005/08/0106). Vielmehr ist Kausalität dann gegeben, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden. Der Beschwerdeführerin ist vorzuwerfen, dass sie sich geweigert hat, sich für die zugewiesene Beschäftigung zu bewerben, weshalb die weiteren Stufen des Bewerbungsprozesses gar nicht erreicht werden konnten. Somit besteht am Vorliegen einer - für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung kausalen -Vereitelungshandlung kein Zweifel (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2012, Zl. 2008/08/0243).

Wenn die Beschwerdeführerin "geeignete" Feststellungen vermisst, erweist sich ausgehend von den bereits dargelegten Grundsätzen der von der Behörde festgestellte Sachverhalt als ausreichend. Darüber hinausgehende Feststellungen waren nicht erforderlich.

Weiters sieht die Beschwerdeführerin die Rechtswidrigkeit des belangten Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verwirklicht, indem keine behördliche Ermittlungstätigkeit erfolgt sei und die Behörde die persönliche schwierige Situation der Beschwerdeführerin hätte überprüfen müssen.

Dem ist zu erwidern, dass die Beschwerdeführerin vor der Berufungsbehörde im Rahmen einer Niederschrift einvernommen wurde. In der Beschwerde lässt sie unausgeführt, welche konkreten Veranlassungen die belangte Behörde aufgrund welcher Behauptungen hätte treffen müssen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. Juni 2013

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