AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W228.2261652.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 2000, Staatsangehöriger von Syrien, vertreten durch die XXXX , gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.09.2022, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 12.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Anlässlich seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.02.2022 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er Syrien gemeinsam mit seiner Familie im Alter von 13 Jahren wegen des Krieges verlassen habe. Es habe dort keine Sicherheit und keine Zukunft gegeben.
Am 20.09.2022 wurde der Beschwerdeführer durch die gegenständlich belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), einvernommen. Dabei führte der Beschwerdeführer zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates aus, dass er im Alter von 13 Jahren Syrien wegen des Krieges verlassen habe. Die Arbeitsstelle seines Vaters sei bombardiert worden. Sein Vater sei aufgefordert worden, dem Militär beizutreten. Da der Beschwerdeführer der einzige Sohn der Familie sei, sei von seinem Vater verlangt worden, dass er Geld zahle als Ersatz für dessen Wehrdienst. Einmal sei durch die Wohnung der Familie des Beschwerdeführers geschossen worden und ein Projektil habe den Beschwerdeführer nur knapp verfehlt. Es gebe keine Sicherheit in Syrien.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.09.2022 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte diesem den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte (Spruchpunkt III.). Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer eine persönlich gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung nicht glaubhaft machen habe können. Aufgrund der instabilen Lage in Syrien sei dem Beschwerdeführer jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren.
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde mit Schreiben der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 21.10.2022 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass die Familie des Beschwerdeführers in Syrien in der Nähe einer Militärakademie gewohnt habe, wobei der Vater des Beschwerdeführers im Jahr 2012 vom syrischen Regime unter Druck gesetzt worden sei, für die Akademie zu arbeiten. Da er dies nicht gewollt habe, sei der Vater nicht nur mit Gelderpressung, sondern auch mit der Entführung des Beschwerdeführers bedroht worden. Kurz darauf habe die Familie Syrien verlassen und sei in die in die Türkei gereist. Der Vater des Beschwerdeführers lebe nach wie vor in der Türkei. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien befürchte der Beschwerdeführer Verfolgung durch das syrische Regime, da ihm aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthaltes und der Familienangehörigkeit eine oppositionelle politische Gesinnung zugeschrieben werden würde.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 31.10.2022 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 24.03.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung sowie ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer heißt XXXX , ist syrischer Staatsangehöriger und wurde am XXXX 2000 in Aleppo Stadt, Bezirk XXXX , geboren, wo er in weiterer Folge gemeinsam mit seiner Familie gelebt hat. Die letzten ca. zwei Wochen vor seiner Ausreise aus Syrien hat der Beschwerdeführer mit seiner Familie in Aleppo Stadt, Bezirk XXXX , im Haus des Onkels des Beschwerdeführers gewohnt. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer hat Syrien im Jahr 2013 gemeinsam mit seiner Familie verlassen. Die Familie ist in die Türkei gereist, wo sie in der Folge ca. neun Jahre lang gelebt haben. Anfang des Jahres 2022 ist der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Mutter und einer seiner beiden Schwestern aus der Türkei aus- und weiter nach Österreich gereist, wo er am 12.02.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Heimat sieben Jahre lang die Schule besucht. Während seines Aufenthalts in der Türkei hat er fünf Jahre lang die Schule besucht und danach ein Jahr lang online an der Universität studiert.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er ist gesund und arbeitsfähig.
Der Vater sowie eine der beiden Schwestern des Beschwerdeführers leben nach wir vor in der Türkei. Die Mutter und die andere Schwester des Beschwerdeführers sind gemeinsam mit dem Beschwerdeführer nach Österreich gereist, haben ebenfalls einen Asylantrag gestellt und leben nunmehr in Österreich.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers befindet sich unter Kontrolle der syrischen Regierung (Liveuamaps).
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend. Laut Gesetz werden junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Die Ausnahmen können teils schwieriger in Anspruch genommen werden und werden fallweise nicht angewendet. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Die Verpflichtung zum Wehrdienst blieb von den verschiedenen Amnestien betreffend Vergehen gegen das Militärstrafgesetzbuch unberührt und müssen auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, mit Zwangsrekrutierung rechnen (LIB, Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen).
Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie und der Einstellung größerer Militäroperationen Anfang 2020 haben sich die Rekrutierungsbemühungen der syrischen Armee verlangsamt und 2021 wurde damit begonnen, Soldaten mit einer Dienstzeit von mehr als sechs Jahren abzurüsten. Es werden jedoch weiterhin regelmäßig Wehrpflichtige und Reservisten einberufen und wird auch weiterhin an der Wehrpflicht festgehalten, nicht nur zur Aufrechterhaltung des laufenden Dienstbetriebs, sondern auch, um eingeschränkt militärisch operativ sein zu können. Ein neuerliches „Hochfahren“ dieses Systems scheint derzeit nicht wahrscheinlich, kann aber vom Regime bei Notwendigkeit jederzeit wieder umgesetzt werden. Neben militärischen, durch Kampfhandlungen bedingten Notwendigkeiten beeinflussen auch wirtschaftliche Faktoren (geringere Budgetmittel) und andere Überlegungen die Rekrutierungspraxis (LIB, Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen).
Rekrutierungskampagnen werden aus allen Gebieten unter Regimekontrolle gemeldet, besonders auch aus wiedereroberten Gebieten. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Intensive Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden. Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden (LIB, Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen).
Die Möglichkeit der legalen Wehrdienstverweigerung oder eines (zivilen) Ersatzdienstes besteht in Syrien nicht. Wehrdienstverweigerung kann seitens der Regierung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen, angesehen werden. Die Strafe für das Sich-Entziehen vom Wehrdienst ist oft Haft und im Zuge dessen auch Folter (LIB, Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen; Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung).
Nach Experteneinschätzung trägt jeder, der in der syrischen Armee oder Luftwaffe dient, per Definition zu Kriegsverbrechen bei, denn das Regime hat in keiner Weise gezeigt, dass es das Kriegsrecht oder das humanitäre Recht achtet. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass eine Person in eine Einheit eingezogen wird, auch wenn sie das nicht will, und somit in einen „schmutzigen“ Krieg, in dem die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kämpfern nicht wirklich ernst genommen wird. Soldaten können in Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen verwickelt sein, weil das Militär in Syrien auf persönlichen Vertrauensbeziehungen, manchmal auch auf familiären Netzwerken innerhalb des Militärs beruht. Diejenigen, die Verbrechen begehen, handeln innerhalb eines vertrauten Netzwerks von Soldaten, Offizieren, Personen mit Verträgen mit der Armee, Zivilisten, die mit ihnen als nationale Verteidigungskräfte oder lokale Gruppen zusammenarbeiten (LIB, Sicherheitsbehörden und regierungstreue Milizen – Streitkräfte).
Der Beschwerdeführer befindet sich im wehrpflichtigen Alter und hat den Wehrdienst noch nicht abgeleistet. Er lehnt es ab, im Bürgerkrieg für das Regime zu kämpfen. Im Falle der Rekrutierung wäre er mangels Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung gezwungen zu kämpfen oder liefe Gefahr, inhaftiert und in der Folge auch gefoltert zu werden.
Grundsätzlich ist die Möglichkeit vorgesehen, sich durch Zahlung einer Befreiungsgebühr vom Ableisten des Militärdienstes freizukaufen. Hierbei ist zwischen dem Freikauf vom Wehrdienst durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern und der (gesetzlich vorgesehenen) Möglichkeit der Zahlung einer Befreiungsgebühr für Syrer mit Wohnsitz im Ausland zu unterscheiden. Betreffend die etwaige Bezahlung von Bestechungsgeldern ist anzumerken, dass diese den Länderberichten zufolge nicht als einheitliche Praxis betrachtet werden kann. Zwar war es vor dem Konflikt gängige Praxis, sich vom Wehrdienst freizukaufen; dies schützt jedoch nicht davor – manchmal auch noch Jahre später – trotzdem zum Wehrdienst eingezogen zu werden (LIB, Wehr-, Reservedienst und Rekrutierungen).
Beim Kontakt mit syrischen Behörden bei der Einreise liefe der Beschwerdeführer Gefahr festgehalten und – allenfalls nach Verbüßung einer Strafe – eingezogen werden. Im Falle einer Weigerung würde er zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt und die Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24.03.2023. Betreffend die Lage im Herkunftsstaat wurden die folgenden Quellen konsultiert:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, Version 8, veröffentlicht am 29.12.2022 (LIB).
Live Universal Awareness Map Syrien, Stand 15.05.2023, https://syria.liveuamap.com/ (Liveuamap)
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, der Herkunft, der Volksgruppe, der Religion sowie die Feststellungen zu seinen Lebensumständen beruhen auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen und im Laufe des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben sowie auf den vorgelegten syrischen Dokumenten (Personenregisterauszug).
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburts- und Aufenthaltsort, seinen Familienangehörigen sowie zu seinem schulischen Werdegang sind chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozioökonomischen Strukturen in Syrien plausibel.
Antragstellung und Aufenthalt im Bundesgebiet ergeben sich aus der Aktenlage und sind unbestritten. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.
Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Die Machtverhältnisse im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers werden im Länderinformationsblatt sowie der aktuellen Karte von Liveuamaps im Wesentlichen übereinstimmend dargestellt. Durch Einsichtnahme in die aktuell verfügbare Karte hat sich das Bundesverwaltungsgericht davon vergewissert, dass die Feststellungen bezogen auf den Herkunftsstaat dem derzeitig verfügbaren Informationsstand entsprechen.
Die Feststellungen zur Wehrpflicht und ihrer Durchsetzung bzw. den Konsequenzen einer Entziehung, zur Verwicklung der Streitkräfte in Kriegsverbrechen sowie der Umstand, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in sein Herkunftsgebiet ohne die Gefahr der Inhaftierung und Rekrutierung durch das syrische Regime nicht möglich ist, ergeben sich aus den als glaubhaft erachteten Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Person in Zusammenschau mit den u. a. in Klammer zitierten Länderinformationen, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA. Da die darin enthaltenen Informationen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer bis dato in Syrien keinen Wehrdienst geleistet hat, ergibt sich aus dessen übereinstimmenden Angaben im Verfahren vor dem BFA und im Beschwerdeverfahren sowie aus dem Umstand, dass er bereits im Alter von 13 Jahren Syrien verlassen hat. Der Beschwerdeführer brachte im gesamten Verfahren deutlich und überzeugend zum Ausdruck, dass er sich nicht für die syrische Regierung am Krieg beteiligen möchte. Im Hinblick auf sein festgestelltes Alter sowie auf die staatlichen Überwachungsmaßnahmen zur Durchsetzung der Wehrpflicht ist angesichts der zitierten Länderinformationen jedoch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr die Rekrutierung durch das syrische Regime droht. Dem Länderinformationsblatt war weiters zu entnehmen, dass Eingezogene auch gegen ihren Willen in Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen hineingezogen werden können und ihnen im Falle der Verweigerung Inhaftierung und Folter droht.
Das BFA stellte im angefochtenen Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer als einziger Sohn der Familie nicht einrücken müsse. Richtig ist, dass der einzige Sohn der Familie laut dem syrischen Wehrdienstgesetz vom Wehrdienst ausgenommen ist. In den Länderinformationen heißt es dazu jedoch: „Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, in der Praxis gibt es jedoch mittlerweile mehr Beschränkungen und es ist unklar, wie die entsprechenden Gesetze derzeit umgesetzt werden. Es scheint, dass es schwierig wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert. Das Risiko der Willkür ist immer gegeben.“ Insofern lassen sich die entsprechenden Ausführungen des BFA gerade nicht mit den aktuellen Länderinformationen über Syrien in Einklang bringen und es kann keineswegs mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr vom Wehrdienst befreit werden würde. Insbesondere auch in Hinblick auf den Soldatenmangel der syrischen Regierung lassen sich keine Gründe erkennen, die es fallbezogen gerade doch wahrscheinlich machen, dass sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf diesen Befreiungsgrund stützen kann.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr mit hoher bzw. maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von den syrischen Behörden zum Antritt des Wehrdienstes aufgefordert wird und wenn er dieser Aufforderung nicht nachkommt, aus Sicht des syrischen Regimes als „fahnenflüchtig“ gilt. Der Beschwerdeführer befürchtet daher zu Recht, im Zuge des Bürgerkrieges im Falle einer Rückkehr nach Syrien einen Einberufungsbefehl zu erhalten bzw. unmittelbar rekrutiert zu werden, und hat er sich durch seinen Auslandsaufenthalt aus Sicht der syrischen Behörden daher dem Wehrdienst entzogen.
Die Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers erweisen sich vor diesem Hintergrund als plausibel. Vor dem Hintergrund der herangezogenen Länderfeststellungen sowie des obigen festgestellten Sachverhaltes bleibt festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit für eine Asylgewährung hinreichend intensive Verfolgung durch staatliche Organe zu befürchten hätte.
Abschließend ist anzumerken, dass den Länderberichten entnommen werden kann, dass selbst die Zahlung einer Befreiungsgebühr – so diese überhaupt leistbar wäre – kein hinreichender Schutz vor der Rekrutierung bzw. Inhaftierung ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Es muss objektiv nachvollziehbar sein, dass der Beschwerdeführer im Lichte seiner speziellen Situation und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Herkunftsstaat Furcht vor besagter Verfolgung hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560).
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
Gegenständlich brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass ihm im Herkunftsstaat die Einziehung zum verpflichtenden Wehrdienst drohe, er lehne es jedoch ab, sich am Kampf zu beteiligen.
In den EASO-Länderleitlinien zu Syrien vom November 2021 wird zum Risikoprofil der Militärdienstverweigerer (Kapitel 2.2.2.) ausgeführt, grundsätzlich sei davon auszugehen, dass eine begründete Furcht vor Verfolgung nachgewiesen werden könne. Das Gesetz sehe bestimmte Ausnahmen von der Militärpflicht vor, deren Anwendung in der Praxis jedoch kaum vorhersehbar sei. Mögliche in Zusammenhang stehende Konventionsgründe seien die (zugeschriebene) politische Überzeugung und/oder Religion (bei Personen, die den Militärdienst aus Gewissensgründen verweigern).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch einer Wehrdienstverweigerung Asylrelevanz zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen seiner Wehrdienstverweigerung vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa bei Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Würde der Wehrdienst dazu zwingen, an völkerrechtswidrigen Militäraktionen teilzunehmen, kann nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung auch schon eine Bestrafung mit einer „bloßen“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 13.11.2019, Ra 2019/18/0274, mwN; vgl. auch VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0330).
Es kann dahingestellt bleiben, ob an den Beschwerdeführer ein Einberufungsbefehl ergangen ist, da für die Frage eines möglichen Asylanspruchs entscheidend ist, ob angesichts eines erhöhten Rekrutierungsdrucks der syrischen Armee und der besonderen Gefährdung von einreisenden Männern im wehrfähigen Alter mit maßgebender Wahrscheinlichkeit eine Einziehung zum Wehrdienst droht und inwiefern dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine asylrelevante Verfolgung durch die syrischen Behörden droht (vgl. VwGH 19.06.2019, Ra 2018/18/0549, betreffend die Einberufung als Reservist).
Der Beschwerdeführer hat glaubhaft dargelegt, dass er die Ableistung des Militärdienstes in Syrien ablehnt. Wie sich aus den Feststellungen und der zugehörigen Beweiswürdigung ergibt, droht dem Beschwerdeführer im – wenn auch aufgrund der bereits erfolgten subsidiären Schutzgewährung nur hypothetischen – Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Einziehung in den Wehrdienst. Vor dem Hintergrund der aktuellen Verhältnisse in Syrien besteht daher im Falle einer Rückkehr aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung eine asylrelevante Verfolgungsgefahr, weil er sich durch seine Ausreise dem syrischen Militärdienst, in dessen Rahmen er zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen (wie Angriffen auf die Zivilbevölkerung) gezwungen und bei Weigerung mit Haft und Folter bedroht werden würde, entzogen hat und somit als politischer Gegner des syrischen Regimes angesehen werden würde (vgl. VwGH 19.06.2019, Ra 2018/18/0548). Zudem ist die den Wehrdienstverweigerern angedrohte Haftstrafe in der Regel mit Folter verbunden, was eindeutig über das hinausgeht, „was erforderlich ist, damit der betreffende Staat sein legitimes Recht auf Unterhaltung einer Streitkraft ausüben kann“ (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0330, mit Verweis EuGH 26.02.2015, C-472/13, Shepherd).
Wie bereits der Beweiswürdigung entnommen werden kann, ist im syrischen Wehrdienstgesetz grundsätzlich ein Befreiungstatbestand für den einzigen Sohn einer Familie normiert. Aktuell kann aber nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass bzw. ob der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien aufgrund seiner unstrittigen Eigenschaft als einziger Sohn tatsächlich vom Wehrdienst befreit werden würde. Diese Ansicht stützt sich grundlegend auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der dargelegt werden muss, warum sich (grundsätzlich) in Syrien wehrpflichtiger Asylwerber trotz des aktuell schweren Soldatenmangels des syrischen Regimes auf diesen Befreiungstatbestand des einzigen Sohnes der Familie stützen kann (vgl. VwGH 03.05.2022, Ra 2021/18/0250; vgl. zur weitreichenden Begründungspflicht auch VwGH 13.11.2019, Ra 2019/18/0274).
Im Ergebnis ist es dem Beschwerdeführer gelungen, eine drohende Verfolgung durch das Regime in seinem Herkunftsstaat aufgrund der Wehrpflichtverweigerung und damit seiner politischen Überzeugung glaubhaft zu machen.
Anträge auf internationalen Schutz sind gemäß § 3 Abs. 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn den Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11 AsylG) offen steht (Z 1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat (Z. 2).
Mit Bescheid vom 29.09.2022 erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu. Anhaltspunkte für eine seither erfolgte wesentliche Änderung der Sachlage im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers haben sich aus den zwischenzeitlich teilweise aktualisierten Länderberichten nicht ergeben. Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative würde folglich im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme der innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 15.10.2015, Ra 2015/20/0181, mwN).
Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Artikel 1 Abschnitt D, F der GFK und § 6 AsylG) oder eines Endigungsgrundes (Artikel 1 Abschnitt C der GFK) ist nicht hervorgekommen.
Dem Beschwerdeführer ist daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters wird darauf hingewiesen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 („Asyl auf Zeit“) gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden. Dementsprechend kommt dem Beschwerdeführer eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu, welche sich in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung umändert, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
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