BVwG W220 2269201-1

BVwGW220 2269201-16.10.2023

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W220.2269201.1.00

 

Spruch:

 

W220 2269201-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2023, Zl.: 1296351008/220438330, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 08.03.2022 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Zu diesem Antrag wurde der Beschwerdeführer am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, er sei im Iran zur Welt gekommen und aufgewachsen. Dort habe er aber keine Aufenthaltsdokumente gehabt und würden schlechte Bedingungen für Afghanen herrschen. In Afghanistan habe er Angst vor den Taliban.

Am 16.01.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge auch: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er im Iran als Afghane diskriminiert worden sei. So könne man dort als Afghane keine staatliche Schule besuchen, keine Ausbildung machen und bekomme auch keine ärztliche Versorgung. Auch wenn sein Vater trotz geleisteter Arbeit keinen Lohn erhalten habe oder seine Schwestern auf der Straße belästigt worden seien, habe man nichts dagegen tun können. Da er Angst vor den Taliban habe, noch nie in Afghanistan gewesen sei und er dort auch niemanden kenne, habe er nicht nach Afghanistan zurück gekonnt und hierher kommen müssen. Die Taliban würden zudem merken, dass er aus dem Iran komme und könnten alles verlangen. So könnten sie ihn etwa zwingen, einen Selbstmordanschlag auszuüben. Weiters hätten es die Taliban populär gemacht, Schiiten zu töten.

Am 02.02.2023 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung eine schriftliche Stellungnahme ein, worin zunächst auf die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers sowie das folglich zu beachtende Kindeswohl hingewiesen wurde. Weiters wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer befinde sich in wehrfähigem Alter und gehöre der religiösen Minderheit der Schiiten an, weshalb ihm eine Zwangsrekrutierung drohen könnte. Zudem würde er als Rückkehrer aus Europa als verwestlicht wahrgenommen werden und würde ihm deshalb Verfolgung durch die Taliban drohen. Der Beschwerdeführer habe zwar Verwandte in Afghanistan, wisse jedoch nicht, wo sich diese aufhielten und wäre somit bei einer Rückkehr auf sich alleine gestellt.

Mit dem im Spruch zitierten Bescheid vom 12.02.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.). In der Begründung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich Afghanistans keine konkreten Fluchtgründe, sondern lediglich Befürchtungen vorgebracht habe, die keine Deckung in den Länderberichten finden würden.

Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wurde durch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers am 14.03.2023 fristgerecht Beschwerde erhoben und das bereits erstattete Vorbringen im wesentlichen wiederholt. Daran anschließend wurde vorgebracht, die belangte Behörde habe sich mangelhaft mit der Minderjährigkeit und der Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. In der Beschwerde wurden sodann auszugsweise Länderberichte zu Afghanistan wiedergegeben und daraus der Schluss gezogen, der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr als verwestlichte Person wahrgenommen und deswegen verfolgt werden. Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellung, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei, basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der minderjährige Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführten Personalien; seine Identität steht nicht fest. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Sadat zugehörig und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer erreicht in weniger als drei Monaten das Alter der Volljährigkeit.

Der Beschwerdeführer wurde in Teheran, im Iran geboren ist dort im Dorf XXXX aufgewachsen, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt hat. Im Iran besuchte er sieben Jahre lang die Schule. Anschließend unterstützte er seinen Vater, der Tagelöhner ist, bei der Arbeit. Seine Eltern, seine zwei Brüder und seine drei Schwestern leben nach wie vor im Dorf XXXX im Iran. Der Beschwerdeführer hat zudem eine Vielzahl von Tanten und Onkeln, die in Afghanistan leben.

Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein, stellte am 08.03.2022 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf. Ihm wurde mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2023, Zl. 1296351008/220438330, der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt sowie eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan nicht der Gefahr der Zwangsrekrutierung durch die Taliban. Auch drohen ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit konkrete und individuelle physische und/oder psychische Eingriffe erheblicher Intensität in seine persönliche Sphäre aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit, und wurde eine solche Gefährdung von ihm auch nicht glaubhaft gemacht.

Dem Beschwerdeführer droht aufgrund seiner ethnisch-religiösen Zugehörigkeit zu den schiitischen Sadat keine konkrete und individuelle physische oder psychische Gewalt in Afghanistan. Angehörige der Religionsgemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Sadat sind in Afghanistan aktuell nicht allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan aufgrund der Tatsache, dass er im Iran und in Europa gelebt hat, aktuell nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit konkrete und individuelle Gewalt bzw. droht nicht jedem afghanischen Rückkehrer aus dem Iran oder Europa physische oder psychische Gewalt in Afghanistan. Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund einer (ihm allenfalls unterstellten) „Verwestlichung“ psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 9, vom 21.03.2023, wiedergegeben. Die diesbezüglichen Feststellungen wurden bereits seitens der belangten Behörde in Form der Version 8 der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt:

„[…]

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 21.03.2023

Mit April bzw. Mai 2021 nahmen die Kampfhandlungen zwischen Taliban und Regierungstruppen stark zu (RFE/RL 12.5.2021; vgl. UNGA 2.9.2021). Laut Berichten war der Juni 2021 der bis dahin tödlichste Monat mit den meisten militärischen und zivilen Opfern seit 20 Jahren in Afghanistan (TN 1.7.2021; vgl. AJ 2.7.2021). Gemäß einer Quelle veränderte sich die Lage seit der Einnahme der ersten Provinzhauptstadt durch die Taliban - Zaranj in Nimroz - am 6.8.2021 (AAN 15.8.2021). Innerhalb von zehn Tagen eroberten sie 33 der 34 afghanischen Provinzhauptstädte (UNGA 2.9.2021). Am 15.8.2021 floh Präsident Ashraf Ghani ins Ausland und die Taliban zogen kampflos in Kabul ein (ORF 16.8.2021; vgl. REU 16.8.2021). Ein Bericht führt den Vormarsch der Taliban in erster Linie auf die Schwächung der Moral und des Zusammenhalts der Sicherheitskräfte und der politischen Führung der Regierung zurück (ICG 14.8.2021; vgl. AAN 15.8.2021). Die Kapitulation so vieler Distrikte und städtischer Zentren war nicht unbedingt ein Zeichen für die Unterstützung der Taliban durch die Bevölkerung, sondern unterstreicht vielmehr die tiefe Entfremdung vieler lokaler Gemeinschaften von einer stark zentralisierten Regierung, die häufig von den Prioritäten ihrer ausländischen Geber beeinflusst wird (ICG 14.8.2021), auch wurde die weitverbreitete Korruption, beispielsweise unter den Sicherheitskräften, als ein Problem genannt (BBC 13.8.2021).

Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021

Seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul am 15.8.2021 ist das allgemeine Ausmaß des Konfliktes deutlich zurückgegangen - mit weniger zivilen Opfern (UNGA 28.1.2022, vgl. UNAMA 7.2022) und weniger sicherheitsrelevanten Vorfällen im restlichen Verlauf des Jahres 2021 (USDOS 12.4.2022a). So sind nach Angaben der UN konfliktbedingte Sicherheitsvorfälle wie bewaffnete Zusammenstöße, Luftangriffe und improvisierte Sprengsätze (IEDs) seit der Eroberung des Landes durch die Taliban deutlich zurückgegangen (UNGA 28.1.2022). Seit der Beendigung der Kämpfe zwischen den Taliban und den afghanischen Streitkräften hat sich auch die Zahl der zivilen Opfer erheblich verringert (UNGA 28.1.2022; vgl. UNAMA 7.2022). Für den Zeitraum zwischen 15.8.2021 und 15.6.2022 dokumentierte UNAMA 2.106 zivile Opfer, die überwiegend durch Angriffe mit IEDs, die dem Islamischen Staat Khorasan Provinz (ISKP) zugeschrieben werden, und durch nicht explodierte Sprengkörper (UXO) verursacht wurden. Des weiteren wurden 257 außergerichtliche Tötungen und 313 willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen festgestellt, die zu einem großen Teil ehemalige Angehörige der afghanischen Streitkräfte (ANDSF) und der ehemaligen Regierung betreffen, aber auch Personen, die beschuldigt werden, dem ISKP oder der National Resistance Front (NRF) anzugehören (UNAMA 7.2022). Insbesondere die ländlichen Gebiete sind sicherer geworden, und die Menschen können in Gegenden reisen, die in den letzten 15-20 Jahren als zu gefährlich oder unzugänglich galten, da sich die Sicherheit auf den Straßen durch den Rückgang der IEDs verbessert hat (NYT 15.9.2021; vgl. DIS 12.2021).

Nach Angaben der Vereinten Nationen entwickelten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle seit der Machtübernahme der Taliban folgend:

 19.8.2021 - 31.12.2021: 985 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 91 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 28.1.2022)

 1.1.2022 - 21.5.2022: 2.105 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 467 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 15.6.2022)

 22.5.2022 - 16.8.2022: 1.642 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 77,5 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 14.9.2022)

 17.8.2022 - 13.11.2022: 1,587 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 23 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 7.12.2022)

Trotz des Rückgangs der Gewalt sahen sich die Taliban-Behörden mit mehreren Herausforderungen konfrontiert, darunter eine Zunahme der Angriffe auf deren Mitglieder (UNGA 28.1.2022) und verstärkten Aktivitäten der bewaffneten Opposition. UNAMA registrierte 22 bewaffnete Gruppen, die behaupten, in 11 Provinzen zu operieren (UNGA 7.12.2022). So kam es auch in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 zu Kämpfen zwischen NRF und den Taliban. Zusammenstöße gibt es in den Provinzen Panjsher (Afintl 15.8.2022; vgl. AJ 14.9.2022, 8am 13.10.2022, AMU 13.12.2022), Takhar (8am 14.8.2022; vgl. AaNe 21.8.2022, 8am 23.10.2022), Baghlan (8am 17.8.2022; vgl. KP 21.8.2022, Afintl 12.12.2022), Khost (8am 13.8.2022), Kapisa (AaNe 24.8.2022; vgl. 8am 21.11.2022a) und Badakhshan (Afintl 11.10.2022a; AMU 13.12.2022, Afintl 26.12.2022).

Die Aktivitäten des ISKP haben sich seit der Machtübernahme der Taliban verstärkt (UNGA 28.1.2022; vgl. UNGA 15.6.2022, UNGA 14.9.2022, UNGA 7.12.2022) und auch wenn diese im Lauf des Jahres 2022 wieder abnahmen, so blieben die Opferzahlen weiterhin erheblich (UNGA 7.12.2022). Die Gruppe verübte weiterhin Anschläge auf die Zivilbevölkerung, insbesondere auf die schiitischen Hazara sowie auf Hindus, Sikhs, Sufis aber auch die Taliban (UNGA 14.9.2022; vgl. HRW 12.1.2023).

Zu mehreren größeren Anschlägen gegen religiöse Ziele bekannte sich niemand, darunter ein Selbstmordattentat in der Gazargah-Moschee in Herat City am 2.9.2022, bei dem 20 Menschen getötet wurden, darunter ein pro-Taliban-Kleriker, und 22 weitere verletzt wurden; die Detonation eines improvisierten Sprengsatzes in Kabul am 23.9.2022, bei der vier Zivilisten getötet und 52 verwundet wurden; und ein Selbstmordattentat am 5.10.2022 in der Moschee des Innenministeriums, bei dem neun Menschen getötet und 30 verletzt wurden (UNGA 7.12.2022).

Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im November 2021 in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie gaben 68,3 % der Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Ergebnisse nicht auf die gesamte Region oder das ganze Land hochgerechnet werden können. Die Befragten wurden gefragt, wie sicher sie sich in ihrer Nachbarschaft fühlen, was sich davon unterscheidet, ob sie sich unter dem Taliban-Regime sicher fühlen oder ob sie die Taliban als Sicherheitsgaranten betrachten, oder ob sie sich in anderen Teilen ihrer Stadt oder anderswo im Land sicher fühlen würden. Das Sicherheitsgefühl ist auch davon abhängig, in welchem Ausmaß die Befragten ihre Nachbarn kennen und wie vertraut sie mit ihrer Nachbarschaft sind und nicht darauf, wie sehr sie sich in Sachen Sicherheit auf externe Akteure verlassen. Nicht erfasst wurde in der Studie, inwieweit bei den Befragten Sicherheitsängste oder Bedenken in Hinblick auf die Taliban oder Gruppen wie den ISKP vorliegen. In Bezug auf Straßenkriminalität und Gewalt gaben 79,7 % bzw. 70,7 % der Befragen an, zwischen September und Oktober 2021 keiner Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. An dieser Stelle ist zu beachten, dass die Ergebnisse nicht erfassen, welche Maßnahmen der Risikominderung von den Befragten durchgeführt werden, wie z. B.: die Verringerung der Zeit, die sie außerhalb ihres Hauses verbringen, die Änderung ihres Verhaltens, einschließlich ihres Kaufverhaltens, um weniger Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sowie die Einschränkung der Bewegung von Frauen und Mädchen im Freien (ATR/STDOK 18.1.2022).

Im Dezember 2022 wurde von ATR Consulting erneut eine Studie im Auftrag der Staatendokumentation durchgeführt. Diesmal ausschließlich in Kabul. Hier variiert das Sicherheitsempfinden der Befragten, was laut den Autoren der Studie daran liegt, dass sich Ansichten der weiblichen und männlichen Befragten deutlich unterscheiden. Insgesamt gaben die meisten Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen, wobei die relativ positive Wahrnehmung der Sicherheit und die Antworten der Befragten, nach Meinung der Autoren, daran liegt, dass es vielen Befragten aus Angst vor den Taliban unangenehm war, über Sicherheitsfragen zu sprechen. Sie weisen auch darauf hin, dass die Sicherheit in der Nachbarschaft ein schlechtes Maß für das Sicherheitsempfinden der Menschen und ihre Gedanken über das Leben unter dem Taliban-Regime ist (ATR/STDOK 3.2.2023).

[…]

Verfolgungspraxis der Taliban, neue technische Möglichkeiten

Letzte Änderung: 21.03.2023

Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitskräften abzusehen (AA 20.7.2022; vgl. USDOS 12.4.2022a), wurde nach der Machtübernahme der Taliban berichtet, dass diese auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung von Tür zu Tür gingen und deren Angehörige bedrohten. Ein Mitglied einer Rechercheorganisation, welche einen (nicht öffentlich zugänglichen) Bericht zu diesem Thema für die Vereinten Nationen verfasste, sprach von einer "schwarzen Liste" der Taliban und großer Gefahr für jeden, der sich auf dieser Liste befände (BBC 20.8.2021a; vgl. DW 20.8.2021). Im Zuge der Machtübernahme im August 2021 hatten die Taliban Zugriff auf Mitarbeiterlisten der Behörden (HRW 1.11.2021; vgl. NYT 29.8.2021) unter anderem auf eine biometrische Datenbank mit Angaben zu aktuellen und ehemaligen Angehörigen der Armee und Polizei bzw. zu Afghanen, die den internationalen Truppen geholfen haben (Intercept 17.8.2021). Auch Human Rights Watch (HRW) zufolge kontrollieren die Taliban Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Geberregierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen haben. Diese digitalen Identitäts- und Gehaltsabrechnungssysteme enthalten persönliche und biometrische Daten von Afghanen, darunter Iris-Scans, Fingerabdrücke, Fotos, Beruf, Wohnadressen und Namen von Verwandten. Die Taliban könnten diese Daten nutzen, um vermeintliche Gegner ins Visier zu nehmen, und Untersuchungen von Human Rights Watch deuten darauf hin, dass sie die Daten in einigen Fällen bereits genutzt haben könnten (HRW 30.3.2022).

Die Taliban sind in den sozialen Medien aktiv, unter anderem zu Propagandazwecken. Die Gruppierung soziale Medien und Internettechnik jedoch nicht nur für Propagandazwecke und ihre eigene Kommunikation, sondern auch, um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren (Golem 20.8.2021; vgl. BBC 20.8.2021a, 8am 14.11.2022). So wurde beispielsweise ein afghanischer Professor verhaftet, nachdem er die Taliban via Social Media kritisierte (FR24 9.1.2022), während ein junger Mann in der Provinz Ghor Berichten zufolge nach einer Onlinekritik an den Taliban verhaftet wurde (8am 14.11.2022). Einem afghanischen Journalisten zufolge verwenden die Taliban soziale Netzwerke wie Facebook und LinkedIn, um jene Afghanen zu identifizieren, die mit westlichen Gruppen und der US-amerikanischen Hilfsagentur USAID zusammengearbeitet haben (ROW 20.8.2021).

[…]

Regionen Afghanistans

Letzte Änderung: 27.02.2023

Afghanistan verfügt über 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von 652.230 Quadratkilometern (CIA 29.12.2022) leben ca. 34,3 (NSIA 4.2022) bis 38,3 Millionen Menschen (CIA 29.12.2022). Afghanistan befindet sich aktuell weitgehend unter der Kontrolle der Taliban (ICG 12.8.2022; vgl. AA 20.7.2022) und grenzt an sechs Länder: China (91 km), Iran (921 km) Pakistan (2.670 km), Tadschikistan (1.357 km), Turkmenistan (804 km), Usbekistan (144 km) (CIA 29.12.2022).

[…]

Ost-Afghanistan

Letzte Änderung: 28.02.2023

Der Osten Afghanistans grenzt an Pakistan und ist ein wichtiger Teil des paschtunischen Heimatlandes, dessen Stammeseinfluss sich bis nach Westpakistan erstreckt. Jalalabad, die Hauptstadt der Provinz Nangarhar, liegt auf halbem Weg zwischen Torkham (Ende des Khyber-Passes und Kabul/Grenze zu Pakistan) und ist die wichtigste afghanische Stadt im Osten und gilt als das Tor nach Afghanistan vom Khyber-Pass aus. Berge und Täler (oft sehr abgelegen) dominieren die Region (NPS o.D.d).

[...]

Distrikte nach Provinz (NSIA 4.2022)

Kabul: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e- Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara, Surubi/Surobi/Sarobi

Khost: Ali Sher (Tirzayee), Baak, Gurbuz, Jaji Maidan, Khost (Matun), Manduzay (Esmayel Khil), Muza Khel, Nadir Shah Kot, Qalandar, Sabari (Yaqubi), Shamul, Spera, Tanay.

Kunar: Bar Kunar (auch Asmar), Chapa Dara, Sawkay (auch Chawkay), Dangam, Dara-e-Pech (auch Manogi), Ghazi Abad, Khas Kunar, Marawara, Narang wa Badil, Nari, Noorgal, Sar Kani, Shigal, Watapoor sowie der temporäre Distrikt Sheltan

Laghman: Alingar, Alishing, Dawlat Shah, Mehtarlam, Qarghayi, Bad Pash (also Bad Pakh)

Logar: Azra, Baraki Barak, Charkh, Khar War, Khushi, Mohammad Agha, Pul-e-Alam

Nangarhar: Achin, Bati Kot, Behsud, Chaparhar, Dara-e-Nur, Deh Bala (auch Haska Mena), Dur Baba, Goshta, Hesarak, Jalalabad, Kama, Khugyani, Kot, Kuzkunar, Lalpoor, Muhmand Dara, Nazyan, Pachiragam, Rodat, Sher Zad, Shinwar, Surkh Rud

Paktia: Ahmadaba, Jaji, Dand Patan, Gardez, Jani Khel, Laja Ahmad Khel (auch Laja Mangel), Samkani (auch Chamkani, Tsamkani), Sayyid Karam (auch Mirzaka), Shwak, Wuza Zadran, Zurmat sowie die vier temporären Distrikte Laja Mangel, Mirzaka, Garda Siray, Rohany Baba

Paktika: Barmal, Dila Wa Khushamand, Gomal, Giyan, Jani Khel, Mata Khan, Nika (Naka), Omna, Surobi, Sar Rawzah, Sharan, Turwo, Urgoon, Wazakhwah, Wormamay, Yahya Khel, Yosuf Khel, Zarghun Shahr (auch Khairkot), Ziruk sowie die vier temporären Distrikte Shakeen, Bak Khil, Charbaran, Shakhil Abad

[…]

Aktuelle Lage und jüngste Entwicklungen

Letzte Änderung: 28.02.2023

2022

Am 19.1.2022 wurden ein Kommandeur der Taliban, sein Sohn und drei Zivilisten im Osten der Provinz Kunar erschossen (KP 19.1.2022; vgl. ReW 20.1.2022). Der Täter sei von den Taliban zum Islamischen Staat Provinz Khorasan (ISKP) übergelaufen (RFE/RL 19.1.2022a).

Bei zwei Luftangriffen der pakistanischen Streitkräfte entlang der Grenze zu Afghanistan wurden am 16.4.2022 in den Provinzen Kunar und Khost mindestens 47 Menschen getötet und 22 verletzt, hauptsächlich Frauen und Kinder (AOAV 26.4.2022; vgl.AJ 17.4.2022).

Am 20.6.2022 wurden in Nangarhar zwei Zivilisten getötet und 23 verletzt, als ein Fahrzeug, das einen Taliban-Distriktvertreter transportierte, auf einem belebten Markt explodierte. Fünf Taliban-Mitglieder wurden ebenfalls verletzt (AOAV 22.6.2022; vgl. RFE/RL 20.6.2022).

Am 22.6.2022 ereignete sich in den Provinzen Paktika und Khost ein Erdbeben der Stärke 5,9, das schätzungsweise 770 Todesopfer und etwa 1.500 Verletzte forderte (USAID 28.6.2022; vgl.

WHO 3.7.2022a).

Am 2.7.2022 explodierte in Nangarhar eine Granate in einem islamischen Seminar, es wurden mindestens acht Personen verletzt (ANI 4.7.2022).

Im August wurde von Zusammenstößen zwischen den Taliban und der National Resistance Front (NRF) in Khost (8am 13.8.2022) und Kapisa (AaNe 24.8.2022) berichtet.

Am 10.10.2022 kam es in der Hauptstadt von Laghman zu einem Angriff auf Sicherheitskräfte der Taliban, bei denen auch Zivilisten verletzt wurden (UNGA 7.12.2022; vgl. Afintl 11.10.2022b).

Am 6.12.2022 ereignete sich in der Stadt Jalalabad in Nangarhar eine Explosion, bei der bis zu zehn Zivilisten verletzt wurden (Afintl 6.12.2022; vgl. Bakhtar 6.12.2022).

[...]

Zentrale Akteure

Taliban

Letzte Änderung: 21.03.2023

Die Taliban sind eine überwiegend paschtunische, islamisch-fundamentalistische Gruppe, die 2021 nach einem zwanzigjährigen Aufstand wieder an die Macht in Afghanistan kam (CFR 17.8.2022; vgl. USDOS 12.4.2022a). Die Taliban bezeichnen ihre Regierung als das "Islamische Emirat Afghanistan" (USIP 17.8.2022; vgl. VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen (USIP 17.8.2022).

Nach der US-geführten Invasion, mit der das ursprüngliche Regime 2001 gestürzt wurde, gruppierten sich die Taliban jenseits der Grenze in Pakistan neu und begannen weniger als zehn Jahre nach ihrem Sturz mit der Rückeroberung von Gebieten (CFR 17.8.2022). Nachdem die Vereinigten Staaten ihre verbleibenden Truppen im August 2021 aus Afghanistan abzogen, eroberten die Taliban mit einer raschen Offensive die Macht in Afghanistan (CFR 17.8.2022; vgl. USDOS 12.4.2022a). Am 15.8.2021 floh der bisherige afghanische Präsident Ashraf Ghani aus Afghanistan und die Taliban nahmen Kabul als die letzte aller großen afghanischen Städte ein (BBC 15.8.2022; vgl. AI 29.3.2022).

Die Taliban-Regierung weist eine starre hierarchische Struktur auf, deren oberstes Gremium die Quetta-Shura ist (EER 10.2022), benannt nach der Stadt in Pakistan, in der Mullah Mohammed Omar, der erste Anführer der Taliban, und seine wichtigsten Helfer nach der US-Invasion Zuflucht gesucht haben sollen. Sie wird von Mawlawi Hibatullah Akhundzada geleitet (CFR 17.8.2022; vgl. Rehman A./PJIA 6.2022), dem obersten Führer der Taliban (Afghan Bios 7.7.2022a; vgl. CFR 17.8.2022, Rehman A./PJIA 6.2022). Er gilt als die ultimative Autorität' in allen religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten (EUAA 8.2022a; vgl. Afghan Bios 7.7.2022a, REU 7.9.2021a).

Vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 unterstand die militärische Befehlskette der Kommission für militärische Angelegenheiten der Taliban. Diese Einrichtung wurde von Mullah Yaqoob, der 2020 zum Leiter der militärischen Operationen der Taliban ernannt wurde, sowie Sirajuddin Haqqani, dem Anführer des Haqqani-Netzwerks, dominiert (EUAA 8.2022a, RFE/RL 6.8.2021). Die Kommission für militärische Angelegenheiten funktionierte ähnlich wie ein Ministerium, mit "Vertretern auf Zonen-, Provinz- und Distriktebene" (VOA 5.9.2021; vgl. EUAA 8.2022a).

In der Befehlskette von der untersten Ebene aufwärts untersteht jeder Taliban-Befehlshaber auf Distriktebene einem Provinzkommando. Drei oder mehr Provinzkommandos bilden Berichten zufolge einen von sieben regionalen "Kreisen". Diese "Kreise" werden von zwei stellvertretenden Leitern der Kommission für militärische Angelegenheiten beaufsichtigt, von denen einer für die "westliche Zone" der militärischen Führung der Taliban (die 21 Provinzen umfasst) und der andere für die "östliche Zone" (13 Provinzen) zuständig war (RFE/RL 6.8.2021; vgl. EUAA 8.2022a). Nach Einschätzung des United States Institute of Peace (USIP) wurde diese Aufteilung der Zuständigkeiten für militärische Angelegenheiten zwischen Yaqoob und Haqqani offenbar durch ihre jeweilige Ernennung zum Innen- und Verteidigungsminister der Taliban im September 2021 gefestigt (USIP 9.9.2021; vgl. EUAA 8.2022a).

Nach der Machtübernahme versuchten die Taliban sich von "einem dezentralisierten, flexiblen Aufstand zu einer staatlichen Autorität" zu entwickeln (EUAA 8.2022a; vgl. NI 24.11.2021). Im Zuge dessen herrschten Berichten zufolge zunächst Unklarheiten unter den Taliban über die militärischen Strukturen der Bewegung (EUAA 8.2022a; vgl. DW 11.10.2021) und es gab in vielen Fällen keine erkennbare Befehlskette (EUAA 8.2022a; vgl. REU 10.9.2021). Dies zeigte sich beispielsweise in Kabul, wo mehrere Taliban-Kommandeure behaupteten, für dasselbe Gebiet oder dieselbe Angelegenheit zuständig zu sein. Während die frühere Taliban-Kommission für militärische Angelegenheiten das Kommando über alle Taliban-Kämpfer hatte, herrschte Berichten zufolge nach der Übernahme der Kontrolle über das Land unter den Kämpfern vor Ort Unsicherheit darüber, ob sie dem Verteidigungsministerium oder dem Innenministerium unterstellt sind (EUAA 8.2022a; vgl. DW 11.10.2021).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk hat seine Wurzeln im Afghanistan-Konflikt der späten 1970er-Jahre. Mitte der 1980er-Jahre knüpfte Jalaluddin Haqqani, der Gründer des Haqqani-Netzwerks, eine Beziehung zum Führer von Al-Qaida, Usama bin Laden (UNSC o.D.c; vgl. FR24 21.8.2021). Jalaluddin schloss sich 1995 der Taliban-Bewegung an (UNSC o.D.c; vgl. ASP 1.9.2020), behielt aber seine eigene Machtbasis an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan (UNSC o.D.c). Nach dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 übernahm Jalaluddins Sohn, Sirajuddin Haqqani, die Kontrolle über das Netzwerk (UNSC o.D.c, vgl. VOA 4.8.2022). Er ist seit 2015 auch einer der Stellvertreter des Taliban-Anführers Haibatullah Akhundzada (FR24 21.8.2021; vgl. UNSC o.D.c). Das Haqqani-Netzwerk gilt dank seiner finanziellen und militärischen Stärke - und seines Rufs als skrupelloses Netzwerk - als halbautonom, auch wenn es den Taliban angehört (FR24 21.8.2021).

Es befehligt eine Truppe von 3.000 bis 10.000 traditionellen bewaffneten Kämpfern in den Provinzen Khost, Paktika und Paktia (VOA 30.8.2022). Berichten zufolge kontrolliert die Gruppe inzwischen auch mindestens eine Eliteeinheit und überwacht die Sicherheit in Kabul und in weiten Teilen Afghanistans (VOA 30.8.2022; vgl. UNSC 26.5.2022).

Das Netzwerk unterhält Verbindungen zu Al-Qaida und, zumindest zeitweise bis zur Machtübernahme der Taliban, dem Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) (VOA 30.8.2022; vgl. UNSC 26.5.2022). Es wird angemerkt, dass nach der Machtübernahme und der Eskalation der ISKP-Angriffe kein Raum mehr für Unklarheiten in der strategischen Konfrontation der Taliban mit ISKP bestand und es daher nicht im Interesse der Haqqanis lag, solche Verbindungen zu pflegen (UNSC 26.5.2022). Zudem wird vermutet, dass auch enge Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst (VOA 30.8.2022; vgl. DT 7.5.2022) und den Tehreek-e Taliban (TTP), den pakistanischen Taliban, bestehen (UNSC 26.5.2022).

[…]

Wehrdienst und Zwangsrekrutierung

Letzte Änderung: 09.03.2023

Mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 brach die 350.000 Mann starke Armee des früheren Regimes zusammen (TN 15.8.2022) und die Taliban haben faktisch die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernommen. Sie haben begonnen, ihre bisherigen Miliz-Strukturen in geordnete Sicherheitskräfte zu übertragen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Im Bereich der Streitkräfte kündigte Armeechef Qari Fasihuddin im November 2021 den Aufbau einer 150.000 Mann starken Armee inkl. Freiwilliger an; andere Mitglieder der Taliban-Regierung haben sich für eine kleinere Berufsarmee ausgesprochen. Es zeichnet sich ab, dass die Taliban mit Ausnahme der Luftwaffe (hier sollen laut afghanischen Presseangaben fast die Hälfte der ehemaligen Soldaten zurückgekehrt sein) von den bisherigen Kräften nur vereinzelt Fachpersonal übernehmen wollen (AA 20.7.2022; vgl. CPJ 1.3.2022). Ende August 2022 berichteten die Vereinten Nationen, dass 150.000 Armeeangehörige und fast 200.000 Polizisten in Afghanistan rekrutiert worden seien (UNGA 7.12.2022). Sprecher des Taliban-Innenministeriums gaben die Größe der Armee im August mit 100.000 bis 150.000 (Afintl 23.8.2022) bzw. im Oktober mit 150.000 Mann an (ATN 28.10.2022), mit weiterem Ausbaupotenzial (ATN 28.10.2022; vgl. Afintl 23.8.2022).

Berichten zufolge kam es im Sommer 2022 in der Provinz Badakhshan zu Zwangsrekrutierungen seitens der Taliban (8am 1.6.2022; vgl. ACLED 9.6.2022). Die Vereinten Nationen gehen mit Sommer 2022 davon aus, dass auch Kinder weiterhin rekrutiert werden (OHCHR 9.9.2022) wobei nach dem Taliban-Layeha (Verhaltenskodex) „Jugendliche (deren Bärte aufgrund ihres Alters nicht sichtbar sind) nicht von Mudschahedin in Wohn- oder Militärzentren gehalten werden“ dürfen (EUAA 8.2022b; vgl. AAN 4.7.2011). Am 27.3.2022 erließ der Oberste Führer der Taliban Berichten zufolge einen Erlass, der Taliban-Militärs anweist, keine Minderjährigen zu rekrutieren (Bakhtar 27.3.2022).

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Ethnische Gruppen

Letzte Änderung: 21.03.2023

In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 34,3 (NSIA 4.2022) und 38,3 Millionen Menschen (8am 30.3.2022; vgl. CIA 29.12.2022). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vgl. CIA 29.12.2022), da die Behörden des Landes nie eine nationale Volkszählung durchgeführt haben. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass keine der ethnischen Gruppen des Landes eine Mehrheit bildet, und die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung Schätzungen sind und oft stark politisiert werden (MRG 5.1.2022).

Die größten Bevölkerungsgruppen sind Paschtunen (32-42 %), Tadschiken (ca. 27 %), Hazara (ca. 9-20 %) und Usbeken (ca. 9 %), gefolgt von Turkmenen und Belutschen (jeweils ca. 2 %) (AA 20.7.2022).

Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 12.4.2022a).

Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert. So gibt es in der Taliban-Regierung z. B. nur wenige Vertreter der usbekischen und tadschikischen Minderheit sowie lediglich einen Vertreter der Hazara (AA 20.7.2022).

Die Taliban haben wiederholt erklärt, alle Teile der afghanischen Gesellschaft zu akzeptieren und ihre Interessen berücksichtigen zu wollen. Aber selbst auf lokaler Ebene werden Minderheiten, mit Ausnahmen in ethnisch von Nicht-Paschtunen dominierten Gebieten vor allem im Norden, kaum für Positionen im Regierungsapparat berücksichtigt, da diese v. a. paschtunischen Taliban-Mitgliedern vorbehalten sind (AA 20.7.2022). So waren zum Beispiel am 20.12.2021 alle 34 Provinzgouverneure überwiegend Paschtunen, während andere ethnische Gruppen kaum vertreten waren (UNGA 28.1.2022). Darüber hinaus lässt sich keine klare, systematische Diskriminierung von Minderheiten durch die Taliban-Regierung feststellen, solange diese den Machtanspruch der Taliban akzeptieren (AA 20.7.2022).

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Paschtunen

Letzte Änderung: 09.03.2023

Ethnische Paschtunen sind mit ca. 42% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans (MRG 5.2.2021a; vgl. AA 20.7.2022). Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sie sind sunnitische Muslime und leben hauptsächlich im Süden und Osten des Landes (MRG 5.2.2021a; vgl. Print 21.9.2021). Traditionell waren die Paschtunen nomadisierende oder halbnomadische Viehzüchter, Ackerbauern und Händler. Seit langer Zeit sind sie in Städten ansässig geworden, wo sie verschiedensten Tätigkeiten nachgehen. Paschtunische Stämme waren stets die militärische Stütze des afghanischen Königshauses und wurden dafür mit einigen Privilegien (Steuervergünstigungen, weitgehende Autonomie in inneren Angelegenheiten u.a.) versehen (STDOK 1.7.2016).

Die Sozialstruktur der Paschtunen basiert auf dem Paschtunwali-Kodex (oder Pukhtunwali- Kodex), der eine Mischung aus einem Stammes-Ehrenkodex und lokalen Auslegungen der Scharia ist. Dies erfordert die Beherrschung der paschtunischen Sprache und die Einhaltung der bestehenden Bräuche. Gastfreundschaft, Schutz der Gäste, Verteidigung des Eigentums, Familienehre und Schutz der weiblichen Verwandten sind einige der wichtigsten Grundsätze für Paschtunen. Sie stützen sich auf die Jirga des Stammesrates zur Beilegung von Streitigkeiten und zur lokalen Entscheidungsfindung sowie auf die Abschirmung der Frauen von allen Angelegenheiten außerhalb des Hauses (MRG 5.2.2021a; vgl. BBC 12.8.2022, STDOK 7.2016).

[…]

Relevante Bevölkerungsgruppen

Kinder

Letzte Änderung: 21.03.2023

Die afghanische Bevölkerung ist eine der jüngsten und am schnellsten wachsenden der Welt - mit rund 41 % der Bevölkerung (27,5 Millionen Afghanen) unter 14 Jahren (UNPF 2022; vgl. CIA 29.12.2022) und einem Bevölkerungswachstum von 2,3% (CIA 29.12.2022). Das Durchschnittsalter in Afghanistan liegt zwischen 18,4 (WoM 3.1.2023) und 19,5 Jahren (CIA 29.12.2022) und die Geburtenrate liegt im Jahr 2020 bei 4,6 Kindern pro Frau (WoM 3.1.2023; vgl. CIA 29.12.2022). Nach dem Zivilrecht liegt die Volljährigkeit für Bürger bei 18 Jahren, für Frauen liegt sie bei 16 Jahren, wenn es um die Heirat geht. Das islamische Recht definiert die Volljährigkeit als den Zeitpunkt, an dem man Anzeichen der Pubertät zeigt, und die Pubertät wird in der Regel als Heiratsalter angesehen, insbesondere für Mädchen (USDOS 2.6.2022).

Berichten zufolge sind Früh- und Zwangsverheiratungen weiterhin weit verbreitet (USDOS 12.4.2022a; vgl. AA 20.7.2022). Anfang Dezember 2021 verkündeten die Taliban ein Verbot der Zwangsverheiratung in Afghanistan (AP 3.12.2021; vgl. AJ 3.12.2021, AI 7.2022). In dem Erlass wurde kein Mindestalter für die Eheschließung genannt, das bisher auf 16 Jahre festgelegt war (AP 3.12.2021; vgl. AJ 3.12.2021). Berichten zufolge sind Mädchen allerdings einem erhöhten Risiko von Kinder- und Zwangsheirat sowie der sexuellen Ausbeutung ausgesetzt (AA 20.7.2022; vgl. RFE/RL 14.12.2022). NGOs führen dies auf Faktoren zurück, von denen viele direkt auf Einschränkungen durch und das Verhalten der Taliban zurückzuführen sind. Zu den häufigsten Ursachen für Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratung seit August 2021 gehören die wirtschaftliche und humanitäre Krise, fehlende Bildungs- und Berufsperspektiven für Mädchen (AI 7.2022), das Bedürfnis der Familien, ihre Töchter vor der Heirat mit einem Taliban-Mitglied zu schützen (AI 7.2022; vgl. RFE/RL 14.12.2022), Familien, die Frauen und Mädchen zwingen, Taliban-Mitglieder zu heiraten und Taliban-Mitglieder, die Frauen und Mädchen zwingen, sie zu heiraten (AI 7.2022).

Kinder litten bis zur Machtübernahme der Taliban besonders unter dem bewaffneten Konflikt und wurden Opfer von Zwangsrekrutierung, vor allem vonseiten der Taliban. Die Taliban-Führung hat sich wiederholt gegen die Rekrutierung von Kindern ausgesprochen und nach eigenen Angaben im Rahmen der sog. „Säuberungskommission“ 155 Minderjährige aus den Reihen der Kämpfer entlassen (AA 20.7.2022). In den Jahren vor der Machtübernahme der Taliban haben bewaffnete Kräfte und Gruppen in Afghanistan Berichten zufolge Tausende von Kindern sowohl für Kampf- als auch für Unterstützungsaufgaben rekrutiert, darunter auch für sexuelle Zwecke (HRW 7.6.2021). Die Taliban rekrutierten Kindersoldaten aus Madrassas [Anm.: religiöse Schulen] in Afghanistan und in Pakistan, welche eine militärische Ausbildung und religiöse Indoktrination bieten, und boten Familien manchmal Geldzahlungen oder Schutz als Gegenleistung dafür, dass sie ihre Kinder in diese Schulen schicken. UNAMA verifizierte die Rekrutierung von 40 Jungen durch die Taliban, die [ehemalige] ANP und regierungsnahe Milizen in der ersten Jahreshälfte 2021 (USDOS 12.4.2022a). Unbestätigten Berichten zufolge werden auch weiterhin Minderjährige als Wachpersonal und an Checkpoints eingesetzt (AA 20.7.2022).

Weiterhin fortbestehende Probleme sind sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, Kinderarbeit und Prostitution, gerade auch unter Minderjährigen. UNICEF hat eine Zunahme von Kinderarbeit, Zwangsverheiratungen Minderjähriger und dem Verkauf von Kindern beobachtet (AA 20.7.2022).

2021 verifizierten die Vereinten Nationen 2.577 schwere Verstöße gegen 2.430 Kinder (1.579 Jungen, 798 Mädchen, 53 Geschlecht unbekannt), wobei der Großteil der Fälle die erste Jahreshälfte 2021 betrifft (UNGA 23.6.2022).

Kinder sind von extremem Hunger, Ausbeutung und dem Verlust ihrer Bildungsmöglichkeiten bedroht, insbesondere Mädchen. Bei Mädchen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie hungrig zu Bett gehen, fast doppelt so hoch wie bei Jungen, und fast jedes zweite Mädchen geht nicht zur Schule, im Vergleich zu jedem fünften Jungen. Die Eltern sind gezwungen, verzweifelte Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Kinder zu ernähren. Sie nehmen sie von der Schule, schicken sie zum Arbeiten und verkaufen in einigen Fällen ihre Kinder, um Schulden zu begleichen oder Geld für den Kauf von Lebensmitteln für ihre anderen Kinder zu bekommen (STC 15.8.2022). Im Jahr 2023 werden in Afghanistan schätzungsweise vier Millionen Menschen an akuter Unterernährung leiden, darunter 875.227 Kinder mit schwerer akuter Unterernährung bzw. 2,347.802 Kinder mit mittelschwerer akuter Unterernährung sowie 804.365 schwangere und stillende Frauen mit akuter Unterernährung. Nur 16 % der Kinder im Alter von 6-23 Monaten erhalten ein Minimum an akzeptabler Nahrung (IPC 30.1.2023). Die Nachfrage nach Behandlungsmöglichkeiten für Unterernährung ist in den letzten Monaten des Jahres 2022 sprunghaft angestiegen (WB 10.11.2022). Die Zahl der gefährlich unterernährten Kinder, die in die mobilen Kliniken von Save the Children in Afghanistan eingeliefert werden, ist seit Januar dieses Jahres um 47 % gestiegen, wobei einige Babys sterben, bevor sie überhaupt behandelt werden können (STC 31.10.2022).

[...]

Rückkehr

Letzte Änderung: 15.03.2023

[Anmerkung: Zur Situation rückkehrender Geflüchteter aus Österreich liegen nur vereinzelt Erkenntnisse vor, da Rückführungen aus Österreich und anderen EU-Mitgliedstaaten gegenwärtig ausgesetzt sind]

Im Jahr 2022 kehrten laut UNHCR mit Stand Dezember, 6.148 Flüchtlinge freiwillig nach Afghanistan zurück, wobei 94 % aus Pakistan kamen. Der Rest kehrte aus Iran, Russland, Tadschikistan oder Aserbaidschan zurück. Als Hauptgründe für ihre Rückkehr werden die hohen Lebenshaltungskosten und der Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten in den Aufnahmeländern sowie der Wunsch, wieder mit ihrer Familie zusammenzukommen, und die empfundene bessere Sicherheitslage in Afghanistan genannt (UNHCR 4.12.2022).

Nach Angaben von UNHCR befinden sich Rückkehrende aus dem Ausland in einer wirtschaftlichen Notlage und wenden negative Bewältigungsstrategien an (Einsparung von Lebensmitteln, Aufnahme von Schulden, Kinderarbeit, -verkauf). Die Taliban haben in öffentlichen Verlautbarungen im Ausland lebende Afghaninnen und Afghanen aufgefordert, nach Afghanistan zurückzukehren. Außerhalb offizieller Kommunikation verbreiten Taliban-Vertreter bzw. ihnen nahestehende Kommentatoren das Narrativ, dass ehemalige Regierungsmitglieder bzw. Angestellte, aber auch Personen, die mit ausländischen Regierungen gearbeitet haben, Verräterinnen und Verräter am Islam und an Afghanistan seien. Auch in den Sozialen Medien werden diese immer wieder als Verräter bzw. „verwestlicht“ bezeichnet, die aufgrund ihrer Ablehnung für „islamische Werte“ ins Ausland gegangen seien. Nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen sind aus Europa Rückkehrende sowie Personen, die mit dem (westlichen) Ausland assoziiert werden, unmittelbar bedroht (AA 20.7.2022).

Rückkehrende dürften nur in Einzelfällen über die notwendigen sozialen und familiären Netzwerke verfügen, um die desolaten wirtschaftlichen Umstände abzufedern. Die Taliban haben internationale Organisationen der humanitären Hilfe um Unterstützung bei der Versorgung und Umsiedlung Binnenvertriebener gebeten, die selbst in der Regel nicht über ausreichend Mittel zur Rückkehr verfügen (AA 20.7.2022).

Eine Studie von IOM, bei der Afghanen interviewt wurden, die zwischen Jänner 2018 und Juli 2021 aus der Türkei oder der EU nach Afghanistan zurückkehrten, berichtet, dass die Rückkehrer weiterhin mit erheblichen wirtschaftlichen und ernährungsbedingten Herausforderungen konfrontiert sind. Der größte Anteil der Befragten (45 %) gab an, arbeitslos zu sein, während 40 % sagten, sie arbeiteten für einen Tageslohn und fast 90 % der Befragten gaben an, dass sich ihre wirtschaftliche Situation im ersten Halbjahr 2022 verschlechtert habe (IOM 5.9.2022).

IOM hat aufgrund der aktuellen Lage vor Ort die Option der Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration seit 16.8.2021 für Afghanistan bis auf Weiteres weltweit ausgesetzt. Es können somit derzeit keine freiwilligen Rückkehrer aus Österreich nach Afghanistan im Rahmen des Projektes RESTART III unterstützt werden (IOM 12.1.2023). Das Reintegrations- und Entwicklungshilfeprojekt (RADA), welches 2017 ins Leben gerufen wurde, hat das Ziel, "eine geordnete, sichere, regelmäßige und verantwortungsvolle Migration und Mobilität von Menschen zu erleichtern, unter anderem durch die Umsetzung geplanter und gut verwalteter Maßnahmen". Es unterstützt Gemeinden mit einer hohen Anzahl an Rückkehrern durch Projekte wie den Bau von Bewässerungskanälen. Die Beratungstätigkeit des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) durch IOM wurde mit der Machtübernahme der Taliban eingestellt. Auch ist die Bereitstellung von sofortiger Aufnahmeunterstützung am Flughafen Kabul derzeit ausgesetzt (IOM 12.1.2023).

Am 30.8.2021 gab Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid in einem Interview an, dass viele aus Angst aufgrund von Propaganda aus Afghanistan ausgereist wären und die Taliban seien nicht glücklich darüber, dass Menschen Afghanistan verlassen, obwohl jeder, der über Dokumente verfüge, zur Ausreise berechtigt sein sollte. Auf die Frage, ob afghanische Asylwerber in Deutschland oder Österreich mit abgelehnten Asylanträgen, die möglicherweise auch Straftaten begangen haben, wieder aufgenommen würden, antwortete Mujahid, dass sie aufgenommen würden, wenn sie abgeschoben und einem Gericht zur Entscheidung über das weitere Vorgehen vorgeführt würden (KrZ 30.8.2021). Es war nicht klar, ob sich Mujahid mit dieser Aussage auf Rückkehrer im Allgemeinen oder nur auf Rückkehrer bezog, die Straftaten begangen haben (EASO 1.1.2022). Nach Einschätzung von UNAMA besteht die Möglichkeit, dass im Ausland straffällig gewordene Rückkehrende, wenn die Tat einen Bezug zu Afghanistan aufweist, in Afghanistan zum Opfer von Racheakten z. B. von Familienmitgliedern der Betroffenen werden können; auch eine erneute Verurteilung durch das von Taliban kontrollierte Justizsystem ist nicht ausgeschlossen, wenn der Fall den Behörden bekannt würde (AA 20.7.2022).

Die Taliban haben am 16.3.2022 eine Kommission unter Leitung des Taliban-Ministers für Bergbau und Petroleum Delawar ins Leben gerufen, die Mitglieder der ehemaligen wirtschaftlichen und politischen Elite überzeugen soll, nach Afghanistan zurückzukehren. Im Rahmen dieser Bemühungen sollen inzwischen 200 mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten nach Afghanistan zurückgekehrt sein, darunter auch ehemalige Minister und Parlamentarier. Die Taliban-Regierung trifft widersprüchliche Aussagen darüber, ob es den Rückkehrern gestattet sein wird, sich politisch zu engagieren (AA 20.7.2022).

Einem afghanischen Menschenrechtsexperten zufolge gab es unter Taliban-Sympathisanten und einigen Taliban-Segmenten ein negatives Bild von Afghanen, die Afghanistan verlassen hatten. Menschen, die Afghanistan verlassen hatten, würden als Personen angesehen, die keine islamischen Werte vertraten oder auf der Flucht vor Dingen seien, die sie getan haben. Auf der anderen Seite haben die Taliban den Pässen für afghanische Arbeiter, die im Ausland arbeiten, Vorrang eingeräumt, da dies ein Einkommen für das Land bedeuten würde. Auf einer Ebene mögen die Taliban also den wirtschaftlichen Aspekt verstehen, aber sie wissen auch, dass viele derjenigen Afghanen, die ins Ausland gehen, nicht mit ihnen einverstanden sind. Ein afghanischer Rechtsprofessor beschrieb zwei Darstellungen der Taliban über Personen, die Afghanistan verlassen, um in westlichen Ländern zu leben. Einerseits jene, die Afghanistan aufgrund von Armut, nicht aus Angst vor den Taliban, verlassen und auf eine bessere wirtschaftliche Lage in westlichen Ländern hoffen. Die andere Darstellung bezog sich auf die "Eliten" die das Land verließen. Sie würden nicht als "Afghanen", sondern als korrupte "Marionetten" der "Besatzung" angesehen, die sich gegen die Bevölkerung stellten. Dieses Narrativ könnte beispielsweise auch Aktivisten, Medienschaffende und Intellektuelle einschließen und nicht nur ehemalige Regierungsbeamte. Der Quelle zufolge sagten die Taliban oft, dass ein "guter Muslim" nicht gehen würde und dass viele, die in den Westen gingen, nicht "gut genug als Muslime" seien. Zwei Anthropologen an der Zayed-Universität, beschrieben ein ähnliches Narrativ, nämlich dass Menschen, die das Land verlassen wollen, nicht als "die richtige Art von Mensch" bzw. nicht als "gute Muslime" wahrgenommen werden. Sie unterschieden jedoch die seit Langem bestehende Tradition der paschtunischen Männer, ins Ausland zu gehen, um dort zu arbeiten, von anderen Afghanen, die weggehen und sich in nicht-muslimischen Ländern aufhalten - was nicht "der richtige Weg" sei. Sie erklärten ferner, dass in ländlichen paschtunischen Gebieten eine Person, die nach Europa oder in die USA gehen will, im Allgemeinen mit Misstrauen betrachtet wird, ebenso wie Personen mit westlichen Kontakten (EASO 1.1.2022).

[…]“

2. Beweiswürdigung:

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Asylantragstellung mündig minderjährig. Bei der Erstbefragung war er 16 Jahre und bei der Einvernahme vor der belangten Behörde 17 Jahre alt.

Bei der Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers wird berücksichtigt, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen Minderjährigen handelt, sodass die Dichte des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht mit „normalen“ Maßstäben gemessen werden kann (vgl. VwGH29.01.2021, Ra 2020/01/0470). Die erkennende Richterin nahm deshalb darauf Bedacht, dass das Vorbringen aus der Perspektive eines Minderjährigen im jeweiligen Alter erfolgte.

2.1. Zu den Feststellungen hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu den Personalien des Beschwerdeführers gründen auf seinen Angaben im Verfahren (AS 15, 69 im Verwaltungsakt). Mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente steht seine Identität nicht fest; die getroffenen Feststellungen zu Namen und Geburtsdaten des Beschwerdeführers dienen ausschließlich der Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Religionszugehörigkeit, dem Familienstand sowie den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers beruhen auf seinen im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Verfahren (AS 15ff, 69ff im Verwaltungsakt). Dass der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Sadat angehört, beruht auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde (AS 69 im Verwaltungsakt). Dagegen war seiner früheren Angabe, er sei Hazara (AS 17 im Verwaltungsakt), unter Berücksichtigung dessen, dass er diese als Minderjähriger im Rahmen der Erstbefragung getätigt hat, nicht weiter zu folgen.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer im Iran geboren wurde, dort aufgewachsen ist und bis zu seiner Ausreise dort gelebt und sieben Jahre lang die Schule besucht hat sowie anschließend seinen Vater bei dessen Tätigkeit als Tagelöhner unterstützt hat, beruhen auf seinen plausiblen, sohin glaubhaften Angaben (AS 15, 17, 69ff, 83, 87 im Verwaltungsakt).

Die Feststellungen zu den Eltern und Geschwistern des Beschwerdeführers im Iran sowie seinen weiteren Verwandten in Afghanistan beruhen auf seinen entsprechenden, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben dazu im Verfahren (AS 19, 71, 87, 89 im Verwaltungsakt).

Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers, zur Asylantragstellung, zur Gewährung von subsidiärem Schutz, zur befristeten Aufenthaltsberechtigung sowie zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt (AS 17 im Verwaltungsakt), dem im Verwaltungsakt befindlichen Bescheid vom 12.02.2023 (AS 131ff im Verwaltungsakt) sowie einer Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, das Zentrale Melderegister und das Grundversorgungs-Informationssystem.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruht auf seinen Angaben im Zuge der Erstbefragung (AS 21 im Verwaltungsakte) sowie vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (AS 83 im Verwaltungsakt) und stützen sich zudem auf den Umstand, dass keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, aus welchen körperliche Beeinträchtigungen, regelmäßige medizinische Behandlungen oder eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit abzuleiten wären.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers beruht auf einer Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers:

Eingangs ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Erstbefragung lediglich angegeben hatte, im Iran geboren und aufgewachsen zu sein. Dort habe er keine Aufenthaltsdokumente gehabt und würden schlechte Bedingungen für Afghanen herrschen, weshalb er ausgereist sei. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst vor den Taliban. (AS 25 im Verwaltungsakt) Vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er im Iran als Afghane diskriminiert worden sei. So könne man dort als Afghane keine staatliche Schule besuchen, keine Ausbildung machen und bekomme auch keine ärztliche Versorgung. Auch wenn sein Vater trotz geleisteter Arbeit keinen Lohn erhalten habe oder seine Schwestern auf der Straße belästigt worden seien, habe man nichts dagegen tun können. (AS 91, 93 im Verwaltungsakt). Nach Afghanistan habe er nicht gehen können, da er noch nie in Afghanistan gewesen sei und er Angst vor den Taliban habe. Er kenne dort niemanden und könne ihn auch niemand unterstützen. Weiters gab er an, dass die Taliban merken würden, dass er aus dem Iran komme und deswegen alles verlangen könnten. Sie könnten ihn etwa zwingen, einen Selbstmordanschlag auszuüben. Es könnte zudem sein, dass er von den Taliban mit in den Kampf genommen würde oder für sie arbeiten müsste. Die Taliban hätten es populär gemacht, Schiiten zu töten und habe es zuletzt viele Anschläge auf schiitische Moscheen und Schulen gegeben. (AS 93 im Verwaltungsakt)

Hinsichtlich der Fluchtmotive des Beschwerdeführers zum Iran ist auszuführen, dass sich diese ausschließlich auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Iran, nicht aber auf sein Heimatland Afghanistan bezogen und daher schon aus diesem Grunde nicht von asylrechtlicher Relevanz sind. Schließlich muss sich die begründete Furcht vor Verfolgung auf jenes Land beziehen, dessen Staatsangehörigkeit der Asylwerber besitzt – die Furcht vor Verfolgung in einem Land, das nicht das Heimatland ist, kann nämlich dadurch abgewendet werden, dass man den Schutz des Heimatlandes in Anspruch nimmt (VwGH 08.11.1989, 89/01/0338). Der Beschwerdeführer schilderte anlässlich seiner Einvernahme auch keine Vorfälle (etwa mit iranischen Behörden), sondern legte lediglich seine Lebenssituation und damit verbundene Erschwernisse, wie eine fehlende Aufenthaltsgenehmigung oder prekäre Arbeitsverhältnisse (AS 91, 93 im Verwaltungsakt), dar.

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban droht und ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit konkrete und individuelle physische und/oder psychische Eingriffe erheblicher Intensität in seine persönliche Sphäre aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit drohen, ergibt sich zunächst, wie bereits von der belangten Behörde zutreffend ausgeführt, daraus, dass der Beschwerdeführer keine konkrete und individuelle, gegen ihn gerichtete Verfolgung in Afghanistan vorgebracht hat. Vielmehr besteht das Vorbringen des Beschwerdeführers lediglich aus vagen Befürchtungen, die jedoch seitens des Beschwerdeführers nicht weiter konkretisiert wurden, zumal er selbst wiederholt angab, noch nie in Afghanistan gewesen zu sein und folglich noch nie Kontakt mit den Taliban hatte. Zudem vermochte der Beschwerdeführer keinerlei Angaben dazu zu tätigen, weshalb seine Eltern Afghanistan verlassen hätten.

Hinsichtlich der Aussage des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, er befürchte, die Taliban könnten ihn zwingen, einen Selbstmordanschlag auszuführen, ihn in den Kampf mitnehmen oder dazu zwingen, für sie zu arbeiten, sowie bezüglich der Ausführungen in der Stellungnahme seiner Rechtsvertretung vom 02.02.2023, wonach sich der Beschwerdeführer im wehrfähigen Alter befinde und ihm folglich eine Zwangsrekrutierung drohen würde, ist diesen entgegenzuhalten, dass derartige Vorfälle auch in den Länderberichten keine Deckung finden. Wie bereits seitens des Bundesamtes zu Recht ausgeführt, lässt sich der Quellenlage nicht entnehmen, dass sämtliche junge Männer oder Minderjährige konkret gefährdet wären, Opfer von Zwangsrekrutierungen zu werden. Da es sich bei den Taliban nahezu ausschließlich um Paschtunen handelt, ist die Rekrutierung aus anderen ethnischen Gruppen, wie z.B. auch aus jener, der der Beschwerdeführer angehört, weniger üblich. In Übereinstimmung mit dem zugrunde gelegten Berichtsmaterial und den diesbezüglichen Ausführungen seitens der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ist überdies festzuhalten, dass die Taliban grundsätzlich keinen Bedarf haben, Zwangsnahmen zur Rekrutierung anzuwenden, sie den Aufbau einer eigenen Armee ankündigten und keine Wehrpflicht besteht.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seiner ethnisch-religiösen Zugehörigkeit zu den schiitischen Sadat konkrete und individuelle physische oder psychische Gewalt droht. Dabei wird nicht verkannt, dass es sich um eine ethnische Minderheit handelt und aus den Länderfeststellungen hervorgeht, dass ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen weiterhin vereinzelt in Konflikten und Tötungen münden, jedoch unterliegen vor dem Hintergrund der getätigten Länderfeststellungen ethnische Minderheiten - soweit bislang erkennbar -, keiner grundsätzlichen Verfolgung durch die Taliban, solange sie deren Machtanspruch akzeptieren. Darauf wurde auch seitens des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen. Dies bedeutet aber, dass eine derartige Gefährdung noch kein Ausmaß erreicht, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan lebende schiitische Sadat wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnisch-religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind. Aus den Länderberichten geht nicht hervor, dass aktuell regelmäßig systematische und gezielt gegen schiitische Sadat gerichtete Angriffe stattfinden würden. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass es nach den verfügbaren Länderinformationen weiterhin, wenn auch in geringerem Ausmaß, zu gewalttätigen Übergriffen auf die Zivilbevölkerung allgemein kommen kann und die aktuelle Lage in Afghanistan daher für alle Bevölkerungsgruppen Gefahrenpotential birgt. Vor diesem Hintergrund ist derzeit nicht zu erkennen, dass Angehörigen der schiitischen Sadat ein Ausmaß an Gewaltanwendung droht, das über die gegenüber allen anderen Bevölkerungsgruppen angewendete Gewalt hinausgeht.

Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Rückkehrern in Afghanistan haben sich weiters derzeit keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle Rückkehrer aus dem Iran oder Europa gleichermaßen bloß auf Grund ihrer Eigenschaft als Rückkehrer und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, konkreter und individueller physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein. Dass es aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer als Rückkehrer aus dem Iran bzw. Europa erkennbar ist, zu Ungleichbehandlungen kommen kann, ist auf Basis der Länderberichte, wonach Rückkehrer aus Europa häufig misstrauisch wahrgenommen werden, nicht auszuschließen, es ist derzeit daraus jedoch nicht das Bestehen einer im gegenständlichen Fall konkret drohenden Verfolgungsgefahr ersichtlich. Dabei wird auch nicht verkannt, dass es zu Diskriminierung und unmittelbaren Bedrohungen von Rückkehrern kommen kann und es Berichte über Personen gibt, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückkehrten und bedroht, gefoltert oder getötet wurden, etwa weil sie sich vermeintlich die diesen Ländern zugeschriebenen Werte zu eigen gemacht hätten. Es ist daraus aber nicht generell zu schließen, dass jeder Rückkehrer aus dem Iran bzw. aus Europa in besonderer Form von Gewalt und Bedrohungen betroffen wäre und legte der Beschwerdeführer auch nicht dar, weshalb er sich im Fall einer Rückkehr in einer besonders exponierten Stellung befinden würde. Zwar sind zum aktuellen Zeitpunkt noch keine validen Informationen über den Umgang der Taliban mit Rückkehrern bekannt; derzeit ist aber nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan als Rückkehrer aus Europa mit einer über die bloße Möglichkeit hinausgehenden Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt ist, aus diesem Grund physische oder psychische Gewalt zu erleiden. Dass der Beschwerdeführer eine Wertehaltung, in der etwa eine politische oder religiöse Überzeugung erkannt werden könnte, angenommen und verinnerlicht hätte, bzw. eine Lebensweise angenommen hätte, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen und ihn im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan der konkreten und individuellen Gefahr aussetzen würde, mit der Anwendung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht zu werden, ist nicht hervorgekommen. Wenn in der Beschwerde nunmehr erstmalig vorgebracht wurde, der Beschwerdeführer habe ein Tattoo, es sei ihm darüber hinaus die Religion nicht wichtig und liege es ihm fern, auf seine gewonnenen Meinungs- und Verhaltensfreiheiten zu verzichten bzw. diese gänzlich aufzugeben, ist dem entgegen zu halten, dass dies für sich betrachtet noch keine Verinnerlichung westlicher Werte („westliche Orientierung“) darstellt, aufgrund welcher dem Beschwerdeführer (asylrelevante) Verfolgung drohen würde, zumal sich Tätowierungen auch verbergen und unkenntlich machen lassen; zudem handelt es sich bei diesen Ausführungen um erstmals in der Beschwerde aufgestelltes, gänzlich neues Vorbringen, welches auch unter Berücksichtigung seines Alters unter das Neuerungsverbot fällt.

Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wurde, es wäre in der angefochtenen Entscheidung der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers und dem Gedanken des Kindeswohls nicht ausreichend Rechnung getragen worden, so ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in weniger als drei Monaten das Alter der Volljährigkeit erreicht, weshalb derartige Ausführungen bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt als obsolet erscheinen.

Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan sohin weder eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban noch würde er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Sadat verfolgt werden. Seinem Vorbringen ist auch sonst keine (asylrelevante) Verfolgung zu entnehmen und haben sich aus den vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen keine Hinweise ergeben, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre.

2.3. Zu den Feststellungen hinsichtlich der Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.

Auch wurde den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Länderfeststellungen in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig.

3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 mwN.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Herkunftsstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055; vgl. auch VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, mwN).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Herkunftsstaates bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Herkunftsstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (vgl. etwa VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307, mwN).

Eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention kann gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Herkunftsstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0177; 19.10.2017, Ra 2017/20/0069). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne der ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, das heißt er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichtes vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2018/19/0262; vgl. auch VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0237-0240, mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkrieges hinausgehende „Gruppenverfolgung“, hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 31.07.2018, Ra 2018/20/0182, mwN).

3.2.2. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, vermochte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft zu machen, dass er in Afghanistan der Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt ist.

Auch eine dem Beschwerdeführer allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Religionsgruppe der Schiiten oder der Volksgruppe der Sadat drohende Verfolgung ist aktuell, wie aufgezeigt, nicht ersichtlich.

Weiters droht dem Beschwerdeführer in Afghanistan, wie dargelegt, derzeit auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der Tatsache, dass er im Iran und in Europa gelebt hat, oder aufgrund einer (ihm allenfalls unterstellten) „Verwestlichung“ konkrete und individuelle Gewalt bzw. droht nicht jedem afghanischen Rückkehrer aus dem Iran oder Europa physische oder psychische Gewalt in Afghanistan.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan und der individuellen Situation des Beschwerdeführers ist insgesamt nicht zu erkennen, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat aktuell asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist somit als unbegründet abzuweisen.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) – folgend: GRC – hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Gemäß Art. 47 Abs. 2 GRC hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen. Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, u.a. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch könne er finden, dass der (damalige) Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich grundlegend mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 (vgl. zur seitdem ständigen Rechtsprechung zuletzt etwa VwGH vom 01.03.2018, Ra 2017/19/0410; 20.09.2018, Ra 2018/20/0173), mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Auf den vorliegenden Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, dass die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt vollständig ermittelt und ein durchwegs mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat.

Das Bundesverwaltungsgericht hat keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich in seiner Beurteilung der Richtigkeit der von der Behörde vorgenommenen Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten ausschließlich auf die nachvollziehbaren Ausführungen im angefochtenen Bescheid gestützt, welche in der Beschwerde nicht konkret in Zweifel gezogen wurden.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher hinsichtlich des in Beschwerde gezogenen Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin ungeachtet des diesbezüglich in der Beschwerde gestellten Antrags gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (vgl. beispielsweise VwGH 21.12.2022, Ra 2021/18/0411, mwN).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

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