European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180055.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, stellte am 7. Juni 2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab der Revisionswerber an, Syrien wegen des Krieges verlassen zu haben. Die kriegerischen Auseinandersetzungen forderten täglich das Leben vieler Landsleute, weshalb er um sein Leben gefürchtet habe.
2 Mit Bescheid vom 15. Dezember 2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte dem Revisionswerber gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine bis 15. Dezember 2015 befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).
3 Die gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides (betreffend die Nichtzuerkennung von Asyl) gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.
4 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber stamme aus einem nahe der Stadt Qamishli gelegenen Dorf. In diesem Gebiet sei nach den im Einklang mit den Länderberichten stehenden Angaben des Revisionswerbers sowohl zum Zeitpunkt seiner Ausreise als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts die Macht in den Händen "kurdischer Gruppen", und zwar vor allem der YPG, gelegen. Es bestehe aktuell kein reales Risiko, dass dieses Gebiet in naher Zukunft in die Hände des "Islamischen Staates" fallen könne. Das Gericht erachtete das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers insofern als glaubhaft, als er Syrien wegen des Krieges und wegen wiederholter Angriffe durch den Islamischen Staat und die "Al Nusra-Front" verlassen habe. Sofern sich der Revisionswerber allerdings darauf berufen habe, an Demonstrationen teilgenommen zu haben, Gefahr zu laufen, in der syrischen Armee zum Wehrdienst eingezogen zu werden, sowie Verfolgung durch kurdische Gruppen zu befürchten, weil er sich geweigert habe, diesen seine 15-jährige Tochter als Kämpferin zur Verfügung zu stellen, sprach das Verwaltungsgericht dem Fluchtvorbringen aus näher dargestellten Gründen die Glaubhaftigkeit ab.
5 Dabei hob das Bundesverwaltungsgericht diverse Widersprüche in den Angaben des Revisionswerbers hervor und hielt betreffend die behauptete Gefahr der Rekrutierung durch die syrische Armee insbesondere fest, der Revisionswerber habe sich, auch wenn er zum Zeitpunkt der Ausreise dem Stand der Reservisten angehört habe, bereits in einem für einen Soldaten fortgeschrittenen Alter befunden. Zudem habe er keine besondere militärische Ausbildung erhalten. Vor allem aber habe er in einem Gebiet gelebt, zu dem das syrische Regime keinen Zugang habe. Im Übrigen gehe aus den Länderberichten zwar hervor, dass auch Personen im Alter des Revisionswerbers Reservedienst in der syrischen Armee leisteten. Es sei aber nicht ersichtlich, dass es zu einer generellen Mobilmachung von Personen über 35 Jahren komme. Der Revisionswerber verfüge über keine Sonderausbildungen, sondern nur über eine infanteristische Grundausbildung und auch sein Wehrdienst liege lange Zeit zurück, sodass zwar eine theoretische Möglichkeit, aber aus den angeführten Gründen für den Revisionswerber kein reales Risiko einer Einziehung zur syrischen Armee bestehe.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit ausführt, das angefochtene Erkenntnis enthalte keine Feststellungen zur aktuellen Lage in Syrien sowie zur vom Revisionswerber dargelegten drohenden Einberufung zum Militärdienst. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beruhe auf veralteten Länderberichten und sei insofern mit einem Begründungsmangel belastet. Dieser erweise sich als relevant, weil sich aus aktuellen Berichten zur Lage in Syrien und den dort beschriebenen Rekrutierungsmethoden der syrischen Armee ergebe, dass der Revisionswerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufe, im Falle seiner Rückkehr nach Syrien zum Militärdienst einberufen zu werden. In den nach Ansicht des Revisionswerbers maßgeblichen Berichten werde festgehalten, dass das zuvor für den Militärdienst mit 42 Jahren festgesetzte Höchstalter erhöht worden sei. Diesbezüglich gebe es keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter, sodass Reservisten je nach Gebiet und je nach Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden könnten. Dabei sei für die Frage der Einberufung weniger das Alter als vielmehr der Beruf und die Ausbildung einer Person sowie deren Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes entscheidend. Zudem sei es - nach den in der Revision zitierten Berichten - schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stünden, tatsächlich durchgesetzt werde und in welcher Weise dies erfolge, zumal in der syrischen Armee zunehmend Willkür herrsche und sich die Situation in Bezug auf die betroffenen Personen fallweise auch unterschiedlich darstelle. Die Ausführungen des Gerichts, wonach die syrische Armee keinen Zugang zu der Herkunftsregion des Revisionswerbers habe, erwiesen sich als grob unschlüssig, weil sich in den beweiswürdigenden Überlegungen auch die Aussage finde, dass in Qamishli und Umgebung die Macht in den Händen der YPG und des syrischen Staates liege. Im Übrigen habe das Bundesverwaltungsgericht den im Asylverfahren heranzuziehenden "Beweismaßstab" verkannt, weil es unzutreffender Weise darauf abgestellt habe, dass dem Revisionswerber kein "reales Risiko" einer Einberufung drohe, obwohl diese theoretisch möglich wäre. Gemäß § 3 AsylG 2005 genüge demgegenüber bereits die Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens.
Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt:
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zunächst ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht unter Berufung auf die eigenen Angaben des Revisionswerbers und unter Berücksichtigung von Länderberichten mehrfach betonte, dass sich die (unmittelbar an der Grenze zur Türkei gelegene) Herkunftsregion des Revisionswerbers nicht in den Händen der syrischen Armee befinde. Dass sich die Machtverhältnisse in der Stadt Qamishli und den umliegenden Gebieten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tatsächlich anders dargestellt hätten, wird in der Revision weder behauptet noch ergibt sich dies aus den von ihr zitierten Länderberichten.
9 Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision nicht auf, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, wenn dieses auf die in Qamishli herrschende Vormachtstellung der "kurdischen Gruppen" verweist, in einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise vorgenommen worden wäre (siehe zur Beweiswürdigung z.B. VwGH 21.6.2018, Ra 2017/18/0431). Die in der Revision beanstandete (missverständliche) Passage wonach die Macht in der Heimatregion des Revisionswerbers in den Händen der YPG und des syrischen Staates liege, bezog sich erkennbar nur darauf, dass jedenfalls keine Übergriffe durch den "Islamischen Staat" zu befürchten seien. Sie kann aber unter Bedachtnahme auf die gesamte Begründung des Erkenntnisses nicht so gelesen werden, dass das BVwG damit eine Verfolgung des Revisionswerbers durch die syrische Armee bei Rückkehr in die Heimatregion für glaubhaft angesehen hätte.
10 Davon ausgehend ist aber auch nicht ersichtlich, inwiefern im Hinblick auf die in der Revision angeführten Länderberichte zu den entscheidungswesentlichen Aspekten des vorliegenden Falls für den Rechtsstandpunkt des Revisionswerbers günstigere Sachverhaltsfeststellungen zu treffen gewesen wären. Einerseits können die näheren Anforderungen für die Rekrutierung in der syrischen Armee, wenn diese unter Zugrundelegung insofern unbedenklicher Feststellungen keinen Zugriff auf die zu beurteilenden Gebiete hat, dahinstehen. Andererseits ergeben sich - selbst unter der Annahme, dass die syrische Armee Zugang zu den betreffenden Gebieten hätte - auf dem Boden des Revisionsvorbringens keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht bei der Beurteilung der für die Einziehung zur syrischen Armee maßgeblichen Wahrscheinlichkeit bezogen auf das individuelle "Gefährdungsprofil" des Revisionswerbers wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen oder unvertretbar gewichtet hätte.
11 Sofern sich die Revision auf das Heranziehen veralteter Länderberichte beruft, fehlt dem behaupteten Verfahrensmangel folglich schon die nach der Rechtsprechung für die Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erforderliche Relevanz (vgl. etwa VwGH 9.10.2014, Ra 2014/18/0036-0039).
12 Schließlich trägt das österreichische Asylrecht allfälligen Beweisschwierigkeiten der Antragsteller im Asylverfahren in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100-0101). Dass das Bundesverwaltungsgericht diese Grundsätze verkannt bzw. im Rahmen seiner beweiswürdigenden Erwägungen in unvertretbarer Weise angewandt hätte, wird in der Revision nicht aufgezeigt.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 6. September 2018
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