AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W194.1430097.1.00
Spruch:
W194 1430097-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Daniela SABETZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 09.10.2012, AZ: 12 09.172-BAL, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28.04.2015 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 20.07.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz (§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005). Bei der am 21.07.2012 durchgeführten Erstbefragung führte der Beschwerdeführer an, dass er ein afghanischer Staatsangehöriger muslimisch-schiitischen Glaubens und Angehöriger der Hazara sei. Er habe in Afghanistan in "XXXX" in der Provinz XXXX gelebt und von dort vor ca. zehn Monate seine Ausreise aus Afghanistan begonnen. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er aufgrund einer außerehelichen Beziehung zu einer jungen Frau Verfolgung durch deren Familie befürchte.
2. Am 12.09.2012 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und führte dabei zu seinem Fluchtgrund insbesondere aus, dass die junge Frau bereits einem anderen Mann versprochen gewesen sei. Er habe gemeinsam mit der jungen Frau flüchten wollen, ihre Familie habe sie jedoch daran gehindert. Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte sich der Beschwerdeführer besonders vor dem Bruder der Freundin. Weiters führte er aus, dass seine Mutter in der Provinz XXXX, Distrikt XXXX, in "XXXX XXXX" lebe. Sie sei Hausfrau und werde vom Onkel in XXXX unterstützt. Der Beschwerdeführer habe keine Geschwister.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde:
"I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 20.07.2012 wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen.
III. Sie werden gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen."
Begründend wurde nach Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle im Rahmen der Feststellungen ua. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Afghanistan sei, der Volksgruppe der Hazara angehöre und muslimischen Glaubens sei. Seine Identität stehe nicht fest. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer von der Familie einer Freundin bedroht oder verfolgt worden sei. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr nach Afghanistan einer Gefahr oder Bedrohung im Sinne von § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer habe Familie in der Heimat. Weiters wurden Feststellungen zur Lage in Afghanistan getroffen.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass sich die Angaben des Beschwerdeführers zu den behaupteten Ausreisegründen als gänzlich unglaubwürdig erwiesen hätten und daher den weiteren Feststellungen und Erwägungen nicht zu Grunde gelegt werden könnten.
In rechtlicher Hinsicht wurde dargelegt, dass dem Vorbringen hinsichtlich des Bestehens der Gefahr einer Verfolgung in Afghanistan die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden könne. Zu Spruchpunkt II. wurde angeführt, dass beim Beschwerdeführer keine individuellen Umstände vorliegen würden, die dafür sprechen würden, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine derart extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen würde. Die Ausweisungsentscheidung wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK begründet.
4. Mit Beschluss der belangten Behörde vom 09.10.2012 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
5. Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Asylgerichtshof, welche den Bescheid zur Gänze bekämpft, und insbesondere ausführt: Der Beschwerdeführer könne die Gründe, die dazu geführt hätten, dass sein Vorbringen als unglaubwürdig bewertet worden sei, nicht nachvollziehen und sei der Auffassung, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft gewesen sei. Dem Beschwerdeführer werde vorgeworfen, dass er sich entgegen der bestehenden Sitten- und Moralvorstellungen heimlich mit einem Mädchen getroffen habe, welches einem anderen Mann versprochen gewesen sei. Sie seien erwischt worden, als sie sich geküsst hätten. Das reiche aus, um ihn und seine Freundin nach den geltenden Sitten und den Regeln der Scharia unverhältnismäßig hart zu bestrafen.
6. Am 28.01.2013 übermittelte der Beschwerdeführer dem Asylgerichtshof eine Bestätigung der Iranischen Christen Gemeinschaft, Persische Gemeinschaft, XXXX, vom 18.01.2013, dass der Beschwerdeführer seit zwei Monaten die Gottesdienste besuche und an der christlichen Glaubensunterweisung der Gemeinde teilnehme.
7. Am 17.10.2014 übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht mehrere Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse sowie eine Bestätigung für die Teilnahme an einem 9-wöchigen Basisbildungslehrgang am BFI XXXX.
8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.03.2015 wurden dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde Ladungen zur mündlichen Verhandlung sowie Sachverhaltsannahmen zur Situation in Afghanistan übermittelt.
9. Am 17.04.2015 übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht eine ergänzende Stellungnahme und legte eine Bestätigung für die vom 10.06.2014 bis 27.03.2015 absolvierte Teilnahme am Lehrgang "Pflichtschulabschluss" vor.
10. Am 28.04.2015 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreterin teilnahmen. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.
In der Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer weitere Länderinformationen zum Herkunftsstaat, speziell auch zu seiner Herkunftsregion ausgehändigt. Der Beschwerdeführer legte zwei Ausdrucke von Landkarten zum Nachweis der Lage seines Heimatdorfes vor.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung nahm der Beschwerdeführer insbesondere zu seiner Herkunft und seiner Familie sowie zu seiner Entscheidung, sich vom muslimischen Glauben abzuwenden, und seinen Integrationsbemühungen in Österreich Stellung. Weiters führte er aus, dass er infolge dieser Abwendung nicht nach Afghanistan zurückkehren könne.
11. Am 28. und 29.04.2015 wurden der belangten Behörde die Niederschrift der mündlichen Verhandlung sowie ergänzende Sachverhaltsannahmen des Bundesverwaltungsgericht und die vom Beschwerdeführer in der Verhandlung vorgelegten Ausdrucke zur Kenntnis übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum vorliegend entscheidungswesentlichen Sachverhalt ist zunächst auf die unter I. getroffenen Ausführungen zu verweisen und des Weiteren Folgendes festzustellen:
1.2. Der Beschwerdeführer ist volljährig, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Seine Muttersprache ist Dari.
Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet und hat auch keine Kinder. Er ist in der Provinz XXXX im Bezirk XXXX im Dorf XXXX geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan vor ca. vier Jahren durchgehend gelebt. Bevor er dann nach Österreich gekommen ist, hat der Beschwerdeführer in Griechenland gelebt. Der Vater des Beschwerdeführers ist verschollen, seine Mutter - zu welcher der Beschwerdeführer Kontakt hat - ist gemeinsam mit ihrem Bruder aufgrund der Sicherheitslage in der Provinz XXXX vor ca. einem Jahr in den Iran gegangen. Weiterhin in der Provinz XXXX leben zwei Halbschwestern des Vaters des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan nicht die Schule besucht, er hat bei einem Automechaniker als Lehrling gearbeitet. In Österreich macht er gerade seinen Hauptschulabschluss und ist damit beschäftigt, die deutsche Sprache zu lernen. In seiner Freizeit betreibt er Sport (Laufen).
Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig iSd § 2 Abs. 3 AsylG 2005 und hat in Österreich keine Verbrechen begangen.
1.3. Der Beschwerdeführer war schiitischer Moslem, hat sich in Österreich jedoch von diesem Glauben abgewandt. Ab Ende 2012 hat er für ca. sechs Monate die Kirche besucht, jedoch hat er hierbei für sich festgestellt, dass zwischen der muslimischen und der christlichen Religion (außer bei den Glaubensritualen) keine Unterschiede bestehen.
Seit er in Österreich ist, hat der Beschwerdeführer weder gebetet, noch gefastet und ist auch nicht in die Moschee gegangen. Er folgt den Aufforderungen seiner muslimischen Zimmerkollegen in Österreich, sie bei religiösen Feierlichkeiten zu begleiten, nicht. Ab ca. Mitte 2013 hat er auch nicht mehr an christlichen Gottesdiensten teilgenommen.
Der Beschwerdeführer bezeichnet sich selbst als jemanden, der "einfach keinen Glauben" hat.
Der Beschwerdeführer befürchtet, infolge seiner Abwendung vom muslimischen Glauben in seinem Heimatland verfolgt zu werden bzw. sich in Afghanistan zu dieser Abwendung vom Glauben nicht offen bekennen zu können. Konkret befürchtet er soziale Ausgrenzung durch seine Familie oder Bekannte sowie Verfolgung durch die Taliban.
1.4. Religion in Afghanistan:
1.4.1. Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans (Artikel 2 der Verfassung). Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht.
Nach offiziellen Schätzungen sind 84 Prozent der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15 Prozent schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 Prozent der Bevölkerung aus.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 31. März 2014, S. 10)
Laut UNHCR schützt die afghanische Regierung religiöse Minderheiten nicht vor Übergriffen.
(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender, S. 22, 44ff.; USDOS, Human Rights Practices 2012, 19. April 2013, S. 22f.)
1.4.2. Konversion wird als Apostasie betrachtet und mit dem Tode bestraft.
(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2013, S. 19)
Ein Konvertit kann den Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion innerhalb von drei Tagen widerrufen, andernfalls kann ihm Tod durch Steinigung drohen, er kann enteignet und seine Ehe annulliert werden.
(International Religious Freedom Report 2012 des U.S. Department of State vom 20. Mai 2013)
Konvertiten riskieren ferner, von ihren eigenen Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen zu werden und ihre Arbeit zu verlieren. Wer vom Islam zum Christentum konvertiert, ist außerdem durch die Taliban gefährdet, die jeden mit dem Tode bedrohen, der sich zum Christentum bekehren lässt. Personen, die vermeintlich versuchen, andere zu einer Konversion zu bewegen, sind ebenfalls gefährdet, verhaftet und inhaftiert zu werden.
(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)
Dort, wo Apostasie nicht vor Gericht verhandelt wird - und das scheint die Mehrheit der Fälle zu sein -, erleidet der Konvertit häufig Verfolgung durch die eigene Familie und Gesellschaft, manchmal sogar den Tod durch Verwandte, die die Schande des Abfalls von der Familie abwaschen möchten. Konvertiten müssen damit rechnen, beschimpft und bloßgestellt oder geschlagen zu werden, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, ins Gefängnis zu kommen oder auch umgebracht zu werden.
(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13. Februar 2012)
Im April 2013 unterstrich das Informationsministerium (MoIC) per Direktive das Verbot von Sendungen, die islamische Werte und afghanische Kultur verletzten. Damit reagierte es auf die Forderung des Rates von Religionsgelehrten, Ulemma, "unmoralische Medieninhalte", insbesondere freizügige Fernsehsendungen (z.B. "Afghan Star"), einzuschränken. Auch über den Islamvorbehalt hinaus ist Medienfreiheit in Afghanistan noch keine Wirklichkeit.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 31. März 2014, S. 9)
1.4.3. In Afghanistan besteht innerhalb der Bevölkerung eine starke Intoleranz gegenüber Menschen, die vom Islam zu einer anderen Religion konvertiert haben. Konvertierung oder Apostasie ist nach dem islamischen Recht Afghanistans ein Verbrechen und wird mit dem Tode bestraft. Dennoch gibt es natürlich Atheisten auch in Afghanistan; darunter auch Apostaten vom Islam. Die meisten von ihnen sind sicher vor Verfolgung, weil sie ihren nicht-muslimischen Glauben verbergen. Atheisten können -im Gegensatz zu den Konvertiten, welche ihre Zugehörigkeit zu einer anderen Religion durch religiöse Praxis zeigen-, schwieriger identifiziert werden. Solange ein Atheist in der Öffentlichkeit keine Respektlosigkeit gegenüber dem Islam zeigt, wird er oder sie grundsätzlich auch keinen Sanktionen unterworfen werden.
Am 14.1.2014 berichtete BBC, dass einem afghanischen Staatsbürger in Großbritannien Asyl erteilt wurde und dies als eine Grundsatzentscheidung gesehen wird. In einem weiteren Artikel vom 14.1.2014 berichtete BBC, dass es gemäß seinen Anwälten glaublich das erste Mal sei, das in UK einer Person auf der Grundlage ihres Atheismus Asyl gewährt wurde. Der Muslim wurde während seines Aufenthaltes in UK zum Atheisten. Die Anwälte sind davon ausgegangen, dass dem Mann als Apostat bei einer Rückkehr nach Afghanistan gemäß der Scharia ein Todesurteil drohen würde, sofern seine atheistische Überzeugung nicht diskret bliebe. Dies sei jedoch praktisch unmöglich, da das tägliche Leben und die Kultur in Afghanistan vom Islam beeinflusst werden.
Im Artikel wird auch das UK Home Office zitiert, welches anführt, jeden Fall auf "case-by-case" Basis zu prüfen. Des Weiteren heißt es im Artikel: Nicht-Muslime, insbesondere Hindus und Sikhs, leben seit Jahrhunderten friedlich in Afghanistan. In jüngster Zeit wurden die Menschen von verschiedenen Glaubensrichtungen und Ideologien wie den Kommunismus inspiriert. Für diejenigen, die als Muslim geboren wurden, könnte es möglich sein, in der afghanischen Gesellschaft zu leben, ohne den Islam zu praktizieren oder sogar zu einem "Abtrünnigen" zu werden oder zu "konvertieren"; sie sind wahrscheinlich sicher, solange sie darüber schweigen. Eine Gefahr entsteht, wenn es öffentlich bekannt ist, dass ein Muslim aufgehört hat an die Prinzipien des Islam zu glauben. In den meisten Fällen verstößt selbst die Familie diese Person. Konvertierung oder Apostasie ist nach dem islamischen Recht Afghanistans ein Verbrechen und wird mit dem Tode bestraft.
Im einem Artikel führt "The Huffington Post" an, dass es natürlich Atheisten in Afghanistan gebe - darunter auch Apostaten vom Islam. Die meisten von ihnen sind sicher vor Verfolgung, weil sie ihren nicht-muslimischen Glauben verbergen. Aber würde die Abkehr vom Islam öffentlich bekannt werden, dann würde ein muslimischer Apostat in höchster Gefahr schweben.
(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18. September 2014 im Hinblick auf die Verfolgung von Atheisten in Afghanistan)
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, die dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Unterlagen des Beschwerdeführers und die dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde (gemeinsam mit der Ladung zur Verhandlung sowie in der Verhandlung) übermittelten Sachverhaltsannahmen zum Herkunftsstaat.
2.1. Die unter I. getroffenen Ausführungen gründen sich auf die angeführten Entscheidungen, Unterlagen und Schriftsätze, welche Teil der Verfahrensakten sind.
2.2. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu dessen Familie, Herkunft und Bildung sowie seinen Tätigkeiten in Österreich gründen sich insbesondere auf seine glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, welche im Hinblick auf seine Tätigkeiten in Österreich zusätzlich durch die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Unterlagen untermauert werden. Es ist im Verfahren auch nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen aufkommen lässt.
Seine strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 29.04.2015.
2.3. Die Feststellungen zur Abwendung des Beschwerdeführers vom muslimischen Glauben stützen sich auf die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht getroffenen Aussagen. Der Beschwerdeführer schilderte klar und überzeugend den diesbezüglich seit seiner Ankunft in Österreich durchlebten Entscheidungsprozess und konnte glaubhaft dartun, dass er zunächst versucht hat, sich dem christlichen Glauben anzunähern, letztlich aber für sich zum Ergebnis gekommen ist, keiner Glaubensrichtung zu folgen. Auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen antwortete der Beschwerdeführer ohne Zögern und verzichtete auf ausschweifende - nicht den Kern der Fragen treffende - Erläuterungen.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse von einer ernsthaften Abwendung des Beschwerdeführers vom (muslimischen) Glauben sowie von einem entsprechenden inneren Entschluss des Beschwerdeführers auszugehen. Auch wenn der Beschwerdeführer dies nicht mit Worten kundtut, kann aus seinem Verhalten (der Nichtteilnahme an religiösen Ritualen trotz Aufforderung) abgeleitet werden, dass die Abwendung vom Glauben nach außen hin erkennbar erfolgt ist.
Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer (auch bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat) beabsichtigt, "ohne Glauben" zu leben. Der Beschwerdeführer äußerte im Verfahren ausdrücklich die Befürchtung, sich dazu in Afghanistan nicht offen bekennen zu können.
2.4. Betreffend die unter II.1.4. getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch wurde den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen durch den Beschwerdeführer nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 101/2014, erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Bis zum Ablauf des 31.12.2013 war der Asylgerichtshof gemäß Art 129c Z 1 B-VG (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 51/2012) zuständig, nach Erschöpfung des Instanzenzuges über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen zu erkennen.
§ 75 Abs. 19 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 144/2013, lautet: "Alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren sind ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen." Das vorliegende Beschwerdeverfahren war mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängig.
Zur behördlichen Zuständigkeit in Asylsachen: Gemäß § 1 des Bundesgesetzes über die Einrichtung und Organisation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA-Einrichtungsgesetz - BFA-G), BGBl I Nr. 87/2012, besteht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als eine dem Bundesminister für Inneres unmittelbar nachgeordnete Behörde mit bundesweiter Zuständigkeit. Dieses wurde mit 01.01.2014 eingerichtet und ist Rechtsnachfolger des Bundesasylamtes (vgl. §§ 8 und 9 BFA-G). Gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BFA-G obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend daher vor diesem Hintergrund das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist (im Wesentlichen gleichlautend Art. 135 Abs. 1 B-VG sowie § 2 VwGVG). Mangels materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. § 27 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, normiert den "Prüfungsumfang":
"Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen."
§ 28 VwGVG ("Erkenntnisse"), BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[...]"
Zu Spruchpunkt A):
3.4. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Gemäß § 3 Abs. 2 erster Satz AsylG 2005 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, Zl. 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; 15.03.2001, Zl. 99/20/0128; 23.11.2006, Zl. 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
3.5. Im Beschwerdefall macht der Beschwerdeführer einen subjektiven Nachfluchtgrund (§ 3 Abs. 2 AsylG 2005) - seine ernsthafte Abwendung vom muslimischen Glauben bzw. seine Abwendung von jeglicher Religion - geltend. Damit gelingt es ihm, aus folgenden Erwägungen eine drohende asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubhaft zu machen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Begriff der Religion im Sinne der GFK ausgesprochen (VwGH 21.09.2000, Zl. 98/20/0557):
"Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Menschenrechtspakte verkünden das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, und Religionsfreiheit; dieses Recht schreibt die Freiheit des Menschen, seine Religion zu wechseln, und die Freiheit, ihr öffentlich oder privat Ausdruck zu verleihen, mit ein. Ebenso das Recht, sie zu lehren und auszuüben, ihre Riten zu praktizieren und nach ihr zu leben (vgl. Handbuch des UNHCR über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, S. 20). Nach Kälin (Grundriss, 93) betrifft religiöse Verfolgung Maßnahmen, welche eine Organisation gegen ihre Gegner bei Konflikten über die richtige Anschauung in Fragen des Verhältnisses des Menschen zu (einem) Gott ergreift. Im Gemeinsamen Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 4. März 1996 betreffend die harmonisierte Anwendung der Definition des Begriffs "Flüchtling" in Art 1 der FlKonv sei der Begriff der "Religion" in einem weiten Sinn aufzufassen und umfasse theistische, nichttheistische oder atheistische Glaubensüberzeugungen. Eine Verfolgung aus religiösen Gründen könne danach auch dann vorliegen, wenn maßgebliche Eingriffe eine Person betreffen, die keinerlei religiöse Überzeugung hat, sich keiner bestimmten Religion anschließe oder sich weigere, sich den mit einer Religion verbundenen Riten und Gebräuchen ganz oder teilweise zu unterwerfen. In diesem Sinn gilt auch nach der Rechtsprechung in der Schweiz als religiöse Verfolgung das Vorgehen des Staates gegen Atheisten, Ungläubige etc., um sie für ihre Ungläubigkeit zu bestrafen oder zu einem bestimmten Glauben zu zwingen (vgl. Kälin, a.a.O.). Nach der von Rohrböck wiedergegebenen Literatur (vgl. Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, Rz 402) ist unter Religion ein in sich geschlossenes metaphysisches Gedankensystem, das durch eine wie auch immer geartete Gottesvorstellung gekennzeichnet ist bzw. auf einer solchen metaphysischen Vorstellung aufbaut, zu verstehen."
Gemäß den unter II.1.4. getroffenen Feststellungen besteht in Afghanistan innerhalb der Bevölkerung eine starke Intoleranz gegenüber Menschen, die vom Islam zu einer anderen Religion konvertiert sind. Konvertierung oder Apostasie ist nach dem islamischen Recht Afghanistans ein Verbrechen und wird mit dem Tode bestraft. Dennoch gibt es Atheisten auch in Afghanistan; darunter auch Apostaten vom Islam. Die meisten von ihnen sind sicher vor Verfolgung, weil sie ihren nicht-muslimischen Glauben verbergen. Für diejenigen, die als Muslim geboren wurden, könnte es möglich sein, in der afghanischen Gesellschaft zu leben, ohne den Islam zu praktizieren oder sogar zu einem "Abtrünnigen" zu werden oder zu konvertieren; sie sind wahrscheinlich sicher, solange sie darüber schweigen. Eine Gefahr entsteht, wenn es öffentlich bekannt ist, dass ein Muslim aufgehört hat an die Prinzipien des Islam zu glauben. In den meisten Fällen verstößt selbst die Familie diese Person.
Insoweit zeigt sich, dass die Abwendung vom Glauben an sich keine Verfolgung begründet, soweit der Betroffene sich nicht dazu bekennt. Nach den unter II.1.3. getroffenen Feststellungen ist jedoch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer (auch bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat) beabsichtigt, seine Abwendung vom muslimischen bzw. jeglichem Glauben offen zu zeigen. Wie die Quellen belegen, ist eine solches Verhalten jedoch keinesfalls möglich, ohne dass sich der Beschwerdeführer Verfolgung (allenfalls auch durch die eigene Familie) aussetzt. Die vom Beschwerdeführer dargelegte Abwendung von jeglichem Glauben erweist sich vor diesem Hintergrund und unter Bedachtnahme auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis als asylrelevant.
Folglich muss angenommen werden, dass dem Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung zu befürchten hat, sich sohin aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung iSd GFK außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren, von welchem er (wie im Folgenden gezeigt wird; II.3.6. und II.3.7.) keinen effektiven Schutz erwarten kann.
3.6. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB VwGH 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, Zl. 99/20/0505; 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256 mwN.).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen wer-den, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. zB VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, Zl. 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256; 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).
3.7. Mit Bedacht auf die unter II.1.4. getroffenen Feststellungen muss davon ausgegangen werden, dass der afghanische Staat nicht gewillt ist, den Beschwerdeführer vor der ihm drohenden Verfolgung zu schützen. Dem Beschwerdeführer ist es angesichts dessen nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes in Bezug auf seine Abwendung vom (speziell muslimischen) Glauben zu bedienen.
In Anbetracht der dargestellten Umstände ist im Beschwerdefall daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan den Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus der befürchteten Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat, sich sohin aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung iSd GFK außerhalb Afghanistans befindet (auch wenn die Verfolgung auf Aktivitäten des Beschwerdeführers beruht, die dieser erst nach Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat; vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005) und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.8. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
3.8.1. Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG zB VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0036; 15.03.2001, Zl. 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, Zl. 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 09.11.2004, Zl. 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0614, 29.03.2001, Zl. 2000/20/0539).
Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, dass dem Beschwerdeführer insoweit eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünde, als er in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher wäre. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass ihm (der seine Abwendung vom muslimischen Glauben offen zeigt) die unter II.1.4. aufgezeigten Bedrohungen in allen Landesteilen drohen. Eine inländische Fluchtalternative kommt daher für den Beschwerdeführer nicht in Frage.
3.8.2. Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Speziell ist im Hinblick auf § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 auf die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers zu verweisen.
3.9. Dem Beschwerdeführer war folglich gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idF BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG idF BGBl. I Nr. 164/2013 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich. Die vorliegende Entscheidung folgt der jeweils zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
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