AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W189.2108833.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RA Mag Robert Bitsche, 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11, betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom 02.06.2013, ZI. 637444704/2087315 zu Recht erkannt:
A)
I. Dem Antrag wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt.
II. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 27.02.2021 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Die Antragstellerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste nach eigenen Angaben am 01.06.2013 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der am selben Tag durchgeführten mündlichen Erstbefragung gab die Antragstellerin zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass sie Angst vor der Organisation "Raad voor de Kinderbeschering" haben würde, die ihr ihre Tochter weggenommen habe. Sie sei 2012 wegen der Wegnahme ihrer Tochter zwei Monate lang in psychologischer Betreuung gewesen. Die Tochter der Antragstellerin sei auch zwei Jahre lang in Therapie gewesen. Die holländischen Behörden hätten alles unternommen, damit sie ihre Tochter nicht zurückbekomme. Es werde ihr vorgeworfen, dass sie aus ihrer Tochter eine Islamistin machen wolle, da Holland Angst vor Islamisten habe. Die Antragstellerin gibt jedoch an, dass sie nie Propaganda dafür gemacht habe.
2. Die Antragstellerin wurde am 24.07.2013 im Rahmen einer mündlichen Befragung zum Antrag niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühle Angaben zu ihrem Asylverfahren zu machen. Zu ihren Fluchtgründen brachte die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass Sie von der holländischen Jugendwohlfahrt und dem holländischen Kinderschutzkommitee verfolgt worden sei und ihr in Holland zu Unrecht die "Elternrechte" in Bezug auf ihre Tochter aberkannt werden. Im Detail brachte die Antragstellerin zu der Verfolgung in Holland Folgendes vor:
"Am 03.06. dieses Jahres hatte ich eine Gerichtsverhandlung bei der zweiten Organisation, bei der Jugendwohlfahrt. Die Jugendwohlfahrt hat einen Antrag beim Gericht in Mastricht gestellt, damit die Tochter weiterhin mir entzogen bleibt. Sie sagten "du bekommst deine Tochter nicht. Bis 2014 bleibt sie bei uns". Der Richter entsprach diesem Antrag, obwohl ich starke Argumente hatte. Dennoch hat der Richter den Antrag dieser Organisation berücksichtigt. Am 04.06. dieses Jahres hatte ich ein treffen im Rathaus, beim Meldeamt von Heerlen wo ich lebte. Sie sagten, wir wissen das du Islamistin bist und dich mit der Islamisierung von ganz Holland beschäftigst und uns alle in Holland zu Islamisten machen willst. Ich fragte, woher sie das wissen würden. Ich sagte, ich verkehre mit niemand. Ich gebe meine Kraft nur für meine Tochter her. Ich bin in keinen Kreisen oder politischen Organisationen tätig. Ich hatte zwar eine religiöse Überzeugung, aber ich kann ja selbst entscheiden welche Religion für mich und meine Tochter richtig ist und welche Erziehung sie bekommt. Die Frau war ganz aufgeregt "Vergiss es. Deine Tochter wird keine Muslimin werden." Sie wird Holländerin werden und ich soll dies annehmen. Sie sagte, dass meine Tochter nie zu mir zurückkehren wird und ich alleine leben werde und auch meine Tochter wird alleine leben. Nie werden wir zusammen sein. Ich habe zu weinen begonnen und bin aus Angst nachhause davon gelaufen. Den ganzen Tag war ich zuhause. In der Nacht konnte ich nicht einschlafen. Ich brachte eine Beschwerde gegen diese Leute ein. Ich rief deren Vorgesetzte an. Am nächsten Tag rief ich den Vorgesetzten an. Ich berichtete ihm über das Gespräch und den Inhalt und dass deren Rathaus mich den Terrorismus beschuldigt hat und dass ich mich mit der Islamisierung Hollands beschäftige. Ich sagte, ich werde dort nicht mehr hingehen aus Angst. Im Zuge des Verfahrens schickten sie mir einen Brief und leugneten, dass ein solches Gespräch mit dieser Frau gewesen sein soll. Man meinte, dass soll von mir ausgedacht gewesen. Dann legte ich Beschwerde beim nationalen Ombudsmann ein. Als dort die Beschwerde lag, erhielt ich einen anonymen Anruf. Dieser sagte, ich möge in Holland nicht länger bleiben. Ich fragte "Wer sind Sie?". Er sagte, er könne seinen Namen nicht sagen, aber aus meinem Akt geht hervor, dass in unserem Wahlkreis in letzter Zeit die Partei PVV/Wilders wählen und dass Leute wie ich, Moslems, die ihre Kinder so erziehen von denen kontrolliert würden und man würde gegen eine Verbreitung des Islams in Holland auftreten. Der Mann der mich anrief sagte, ich tue ihm leid, aber ich habe schon meine Tochter verloren und jetzt könnte ich mein Leben verlieren. Nach diesen zwei Treffen und diesem Anruf beschloss ich Holland zu verlassen. (...)"
3. Da bislang keine Entscheidung zu dem gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ergangen ist, brachte die Antragstellerin mit Schreiben vom 16.06.2015 eine Säumnisbeschwerde ein.
3. Im Rahmen der Aktenübersendung vom 16.06.2015 (hg. eingelangt am 19.06.2015) wurde die eingebrachte Säumnisbeschwerde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zuständigkeitshalber übermittelt.
4. Am 20.09.2016 stellte die Antragstellerin an den VwGH einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Fristsetzungsantrages. Mit Beschluss vom 10.10.2016, ZI. Fr2016/01/0019-2 wurde der Antragstellerin die Verfahrenshilfe für den gegenständlichen Fristsetzungsantrag bewilligt.
5. Am 22.11.2016 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführt, wo die Antragstellerin im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch erklärte, dass es ihr gesundheitlich nicht so gut gehe, es ihr aber gut genug gehen würde, um an der Verhandlung teilzunehmen und sie sich nicht in medizinischer Behandlung wegen ernsthafter Erkrankungen befinde.
Ihre Muttersprache sei russisch, jedoch könne sie auch Tschetschenisch sprechen, da ihr Vater Tschetschene gewesen sei.
Die Beschwerdeführerin würde über ein Diplom, ein Arbeitsbuch und eine Geburtsurkunde aus ihrer Heimat verfügen. Diese seien jedoch zur sicheren Verwahrung bei ihrer Schwester in Italien.
Bezüglich ihrer Religionszugehörigkeit gab die Beschwerdeführerin an, dass ihre Mutter Christin und ihr Vater Moslem gewesen sei. Sie fühle sich beiden Religionsgemeinschaften zugehörig.
Die Antragstellerin legte im Zuge der Verhandlung nachfolgende Unterlagen vor:
* Konvolut an Schreiben an die niederländischen Behörden;
* Kopie des Reisepasses der Tochter;
* Kopie der Geburtsurkunde.
6. Mit Beschluss des BVwG vom 29.11.2016 wurde im gegenständlichen Verfahren eine medizinische Sachverständige bestellt, um die Frage zu klären, ob die Antragstellerin an einer krankheitswerten psychischen Störung leide und ob sie dadurch gehindert sei, ihre Interessen im Verfahren wahrzunehmen.
7. Mit Schreiben vom 05.12.2016 übermittelte die Antragstellerin im Rahmen ihrer Vertretung eine Stellungnahme und brachte darin inhaltlich vor, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien massiven Diskriminierungen und Verfolgungshandlungen ausgesetzt sei, da sie mit einem Christen verheiratet gewesen sei und ihr das als muslimische Frau verboten sei. Weiters würde sie seit 16 Jahren in Europa leben und könne sich nicht dem in Tschetschenien üblichen Frauenbild unterordnen. Da die Beschwerdeführerin staatenlos sei, würde sie über keine innerstaatliche Fluchtalternative verfügen und sei es ihr selbst in anderen Teilen der Russischen Föderation aufgrund fehlender sozialer und familiärer Netzwerke nicht möglich zu überleben.
8. Mit Schreiben vom 24.02.2017 wurde dem BVwG ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand der Antragstellerin übermittelt. Die vom BVwG bestellte Gutachterin kommt darin zu dem Schluss, dass die Antragstellerin an einer psychischen Beeinträchtigung mit Krankheitswert leide. Die Antragstellerin leidet an einer depressiven Symptomatik, sowie an einer schizotyopen und wahnhaften Störung und ist nicht fähig sich im Asylverfahren ohne die Gefahr eines Nachteils selbst zu vertreten. In medizinischen und finanziellen Angelegenheiten sei die Antragstellerin jedoch fähig ohne Gefahr eines Nachteils zu handeln.
9. Mit Schreiben vom 16.03.2017 teilten die holländischen Dublin-Behörden dem Bundesamt mit, dass die Antragstellerin am 27.09.2000 in Holland um Asyl angesucht habe und der Antrag mit Entscheidung vom 22.12.2000 abgelehnt worden sei. Die Antragstellerin erhob dagegen Beschwerde und wurde diese mit Entscheidung vom 01.12.2003 abgewiesen.
In weiterer Folge wurde der Antragstellerin eine vorübergehende Aufenthaltsberechtigung für Holland ausgestellt, die mit 15.06.2013 mangels eines Verlängerungsantrages abgelaufen ist.
10. Mit Schreiben vom 04.04.2017 ersuchte das BVwG das zuständige BG Innere Stadt Wien aufgrund der bei der Antragstellerin vorliegenden psychiatrischen Erkrankung, um die Bestellung eines Sachwalters gemäß § 11 AVG für die Wahrnehmung der Interessen im gegenständlichen Asylverfahren.
11. Mit Beschluss des BVwG vom 18.07.2017, GZ: W189 2108833-1/64Z, wurde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des BG Innere Stadt Wien über die Bestellung eines Sachwalters ausgesetzt.
12. Mit Beschluss des BG Innere Stadt Wien vom 12.07.2018, ZI. 10 P 27/17w, wurde betreffend die Antragstellerin ein Sachwalter zur Vertretung im gegenständlichen Verfahren bestellt.
13. Am 27.03.2019 wurde am BVwG eine neuerliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Antragstellerin brachte dabei vor, dass sie bereits alle persönlichen Dokumente vorgelegt habe. Ihr sowjetischer Reisepass befinde sich noch in der russischen Föderation.
Die Antragstellerin gab an, dass sie sich seit ihrer Einreise am 01.06.2013 ununterbrochen in Österreich aufhalten würde. Auf Vorhalt, dass ihre Tochter sie in der Zwischenzeit bei der holländischen Polizei wegen "Stalkings" angezeigt habe und es daher naheliegend sei, dass sie in der Zwischenzeit in Holland gewesen sei, gab die Antragstellerin an, dass sie nicht in Holland gewesen sei und sie Fragen zu ihrem Privatleben nicht beantworten werde.
Die Antragstellerin weigerte sich außerdem nähere Angaben zu ihrem ehemaligen, holländischen Ehemann bzw. zu dem Vater ihres Kindes zu machen.
Nach mehrmaligen Nachfragen gab die Antragstellerin an, dass sie über eine Schwester in Italien, einen Bruder in Frankreich, einen Bruder in Deutschland, sowie einen Bruder in ihrer Heimatstadt verfüge.
Auf Vorhalt der Richterin, dass die Antragstellerin in dem holländischen Asylverfahren nur einen Bruder angegeben habe, führte die Antragstellerin aus, dass die meisten Angaben aus dem holländischen Verfahren Lügen seien und sie keine Korrekturen machen hätte können.
Befragt dazu, warum die Antragstellerin nicht nach Russland zurückkönne, gab die Antragstellerin an, dass es für eine tschetschenische Frau, die mit einem Christ verheiratet gewesen sei, gefährlich sei nach Tschetschenien zu reisen. Die Antragstellerin gab an, dass sie in ihrem Heimatstaat nur in Tschetschenien gelebt habe. Auf Vorhalt des Gerichts, dass die Antragstellerin ihre Tochter in Moskau zur Welt gebracht habe, gab die Antragstellerin an, dass sie dort nur zu Besuch gewesen sei. Dass sie kein Tschetschenisch sprechen würde begründete die Antragstellerin damit, dass in Tschetschenien Russisch die Amtssprache sei und sie dort nur Russisch gesprochen habe. Auf Vorhalt der Richterin, dass es zum notorischen Amtswissen gehöre, dass Personen, die in Tschetschenien aufgewachsen seien auch die tschetschenische Sprache beherrschen würden, führte sie aus, dass sie Tschetschenin sei.
Zur derzeitigen Situation in Österreich befragt gab die Antragstellerin an, dass sie seit sechs Jahren in Österreich lebe und keinen Status bekommen habe. Sie habe in Österreich keine Familienangehörigen und wolle in der Schweiz leben. Zu ihrem Alltag in Österreich gab die Antragstellerin an, dass sie über keine Freunde in Österreich verfüge, sondern nur klassische Musik hören würde und Schreiben in Bezug auf ihr Asylverfahren verfassen würde.
Die Antragstellerin machte im gesamten Verfahren zahlreiche Eingaben, welche vorwiegend nicht verfahrensrelevant waren und wegen des Umfangs bzw. verworrenen Inhaltes nicht eigens aufgelistet werden (vgl. insbesondere ab OZ 67 bis OZ 153).
OZ67 | Vorlage eines Briefes an Psychologe in den Niederlanden |
OZ68 | Schreiben an Psychotherapeut Dr. Kurt MESZAROS |
OZ69 | Dokumente - Dokumentenvorlage in russischer Sprache |
OZ70 | Mitteilung über Brief an den russischen Präsidenten Putin |
OZ71 | Schreiben der BF über Sachwalterschaft |
OZ72 | Schreiben an BVwG |
OZ73 | Stellungnahme der BF zur Verfahrensgang |
OZ74 | Mitteilung an BVwG, Hinweis auf vorgelegte Dokumente |
OZ75 | Mitteilung über Schreiben an Ombundsstelle |
OZ76 | Mitteilung an BVwG, Hinweis auf vorgelegte Dokumente |
OZ77 | Mitteilung über Schreiben an die Europäische Kommission |
OZ78 | Mitteilung über Schreiben an die Europäische Kommission |
OZ79 | Mitteilung an BVwG, Hinweis auf vorgelegte Dokumente |
OZ80 | Anfrage an BG Innere Stadt Wien über Rekurs |
OZ81 | Beschluss BG Innere Stadt Wien über Bestellung eines Erwachsenenvertreters |
OZ82 | Vollmachtbekanntgabe von RA Mag. Pfaller + Beschluss des BG Innere Stadt Wien über die Bestellung eines Erwachsenenvertreters |
OZ83 | Mitteilung an BVwG, Hinweis auf vorgelegte Dokumente |
OZ84 | Mitteilung an BVwG, Hinweis auf vorgelegte Dokumente |
OZ85 | Schreiben an BVwG, Vorlage eines Dokuments des Außenministeriums der Russischen Föderation in Moskau |
OZ86 | Mitteilung an Menschenrechtsrat in Genf, Stellungnahme der BF zur Verfahrensgang |
OZ87 | Mitteilung an BVwG |
OZ88 | Mitteilung an Behörden in Österreich und Genf |
OZ89 | Mitteilung an Behörden in Österreich und Genf |
OZ90 | Ladungen für den 01.02.2019 |
OZ91 | Mitteilung an BVwG und Menschenrechtsrat in Genz |
OZ92 | Mitteilung an BVwG und Menschenrechtsrat in Genz |
OZ93 | Mitteilung an BVwG und Menschenrechtsrat in Genz |
OZ94 | Mitteilung an BVwG und Menschenrechtsrat in Genz |
OZ95 | Mitteilung an Präsident und Vizepräsident des BVwG, Volksanwaltschaft Wien und Mag. Pfaller |
OZ96 | Mitteilung an Präsident und Vizepräsident des BVwG, Volksanwaltschaft Wien und Mag. Pfaller |
OZ97 | Mitteilung an Präsident und Vizepräsident des BVwG, Volksanwaltschaft Wien und Mag. Pfaller |
OZ98 | Mitteilung an Präsident und Vizepräsident des BVwG, Volksanwaltschaft Wien und Mag. Pfaller |
OZ99 | Mitteilung an Präsident und Vizepräsident des BVwG, Volksanwaltschaft Wien und Mag. Pfaller |
OZ100 | Mitteilung an Präsident und Vizepräsident des BVwG, Volksanwaltschaft Wien und Mag. Pfaller |
OZ101 | Mitteilung an Präsident und Vizepräsident des BVwG, Volksanwaltschaft Wien und Mag. Pfaller |
OZ102 | Mitteilung an Präsident und Vizepräsident des BVwG |
OZ103 | Mitteilung an Präsident und Vizepräsident des BVwG |
OZ104 | Mitteilung an Präsident und Vizepräsident des BVwG |
OZ105 | Mitteilung an Behörden in Österreich und Genf |
OZ106 | Mitteilung an Behörden in Österreich und Genf |
OZ107 | Mitteilung über Beschwerde über Mitarbeiter im BVwG |
OZ108 | Mitteilung über Beschwerde über Mitarbeiter im BVwG |
OZ109 | Mitteilung über Beschwerde über Mitarbeiter im BVwG |
OZ110 | Mitteilung an Behörden in Österreich und Genf |
OZ111 | Mitteilung der BF hinsichtlich Korrektur der Niederschrift von 22.11.2016 |
OZ112 | Mitteilung der BF hinsichtlich Korrektur der Niederschrift von 22.11.2016 |
OZ113 | Mitteilung der BF |
OZ114 | Stellungnahme der BF hinsichtlich Korrektur der Niederschrift von 22.11.2016 |
OZ115 | Mitteilung - Erteilung eines Hausverbots beim BFA wegen massiver Beschimpfungen von MitarbeiterInnen der Außenstelle Wien und der Polizei |
OZ116 | Vollmachtsauflösung von RA Mag. Thomas PFALLER + Beschluss des BG Wien |
OZ117 | Vollmachtbekanntgabe von Mag. Robert BITSCHE+ Vorlage Beschluss BG Wien über die Bestellung von Mag. Robert BITSCHE zum Erwachsenenvertreter |
OZ118 | Mitteilung - Ablehnung des VH-Termins |
OZ119 | Mitteilung - Ablehnung des VH-Termins |
OZ120 | Ladung für den 27.03.2019 |
zu OZ120 | Eingabe in Russischer Sprache 1. Schreiben an Mag. Bitsche 2. Schreiben an Mag. Bitsche Schreiben an Mag. Riepl - Korrektur der Niederschrift 3. Schreiben an Mag. Bitsche 4. Schreiben an Mag. Bitsche 5. Schreiben an Mag. Bitsche Russisches Dokument Kopie von 1. Seite des Antrages auf internationalen Schutz 6. Schreiben an Mag. Bitsche - Frage der Staatsbürgerschaft 7. Schreiben an Mag. Bitsche Kopien von niederländischen Dokumenten Russisches Schreiben 8. Schreiben an Mag. Bitsche 9. Schreiben an Mag. Bitsche 10. Schreiben an Mag. Bitsche - Anlage: russische Mitteilung 11. Schreiben an Mag. Bitsche - Anlage russische Mitteilung 12. Schreiben an Mag. Bitsche 13. Schreiben an Mag. Bitsche 14. Schreiben an Mag. Bitsche 15. Schreiben an Mag. Bitsche 16. Schreiben an Mag. Bitsche -niederländischer RP in Kopie 17. Schreiben an Mag. Bitsche 18. Schreiben an Mag. Bitsche - Anlage: - niederländisches Reisedokument - Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe - Schreiben des VMÖ 19. Schreiben an Mag. Bitsche - Kopie von russischen Dokumenten - Kopie von niederländischen Dokument 20. Schreiben an Mag. Bitsche - Kopie von russischen Doks 21. Schreiben an Mag. Bitsche - niederländische Doks 1. Schreiben an BVwG und Menschenrechtsrat in Genf - russisches Dok 2. Schreiben an BVwG, Volksanwaltschaft, RA Krizan, RA Pfaller 3.Schreiben an BVwG 4. Schreiben an BVwG und VwGH 5. Schreiben an BVwG und VwGH 6. Schreiben an BVwG 7. Schreiben an BVwG 8. Schreiben an BVwG |
OZ121 | Internes Dok (Verrechungsstelle) |
OZ122 | Unterlagen in Zahlstelle persönlich abgegeben (siehe OZ 120) |
OZ123 | Übersetzung von Mag. Sobolewska |
OZ124 | Internes Dok (Verrechungsstelle) |
OZ125 | Schreiben des BFA - Fundservice - Aufenthaltstitel in NL |
OZ126 | Schreiben des BFA - Aufenthaltstitel - Schreiben von NL-Behörde |
OZ127 | Schreiben des BVwG an Europol Verbindungsbüro |
OZ128 | Verhandlungsprotokoll von 27.03.2019 - Anlage: - Russisches Dokument - Aktenvermerk - Unterschriftenverweigerung - Kopie des Verhandlungsprotokoll von 22.11.2016 |
OZ129 | Schreiben der niederländischen Behörde - EOB erforderlich |
OZ130 | Schreiben an: - Caritas - Mag. Bitsche - BVwG - Polizei 3. Bezirk |
OZ131 | Schreiben an: - Caritas - Mag. Bitsche - BVwG - Polizei 3. Bezirk |
OZ132 | 1. Schreiben an Mag. Bitsche und BVwG |
OZ133 | 2. Schreiben an Mag. Bitsche und BVwG |
OZ134 | 3. Schreiben an Mag. Bitsche und BVwG |
OZ135 | 4. Schreiben an Mag. Bitsche und BVwG |
OZ136 | Schreiben an Caritas und Mag. Bitsche |
OZ137 | Schreiben an Volksanwaltschaft |
OZ138 | Schreiben an Menschenrechtsrat in Genf |
OZ139 | Schreiben an Mag. Bitsche |
OZ140 | Schreiben an VMÖ Österreich |
OZ141 | Sachverhaltsdarstellung an Staatsanwaltschaft Wien |
OZ 142 | Mitteilung |
OZ 143 | Stellungnahme |
OZ 144 | Mitteilung betreffend der Übernahme der Heimreisekosten bei einer freiwilligen Rückkehr |
OZ 145 | psychiatrisches Sachverständigengutachten der StA Wien |
14. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.06.2019 wurde der Antrag gemäß §§ 3, 8 AsylG 2005 abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 10 Abs. 1 Z 3 AsyylG 2005 sowie § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Infolge der Erkrankung der Antragstellerin und ihrer persönlichen Gesamtumstände wurde die Abschiebung der Antragstellerin in die Russiche Föderartion für unzulässig erklärt.
15. Nach Beschwerdeerhebung wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 04.12.2019, E 1199/2019-10, das angefochtene Erkenntnis, soweit die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation, gegen die Nichterteilung des Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung abgewiesen wurde, aufgehoben.
Im Übrigen wurde die Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz richtete, abgelehnt und insoweit zur Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
16. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.12.2019, Ro 2019/14/0008-7, wurde das angefochtene Erkenntnis in Bezug auf die Versagung des Status der subsidiär Schutzberechtigte samt den darauf aufbauenden Aussprüchen wegen Rechtswidrigkeit behoben.
Im Übrigen wurde die Revision, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz richtete, zurückgewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Antragstellerin, beinhaltend die niederschriftlichen Einvernahmen vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die vorgelegten medizinischen Unterlagen betreffend die Antragstellerin, die Unterlagen zu integrativen Aspekten betreffend Antragstellerin, die Stellungnahme vom 20.07.2017, durch Einsichtnahme in die die vom BFA vorgehaltenen Länderinformationen zum Herkunftsstaat, durch Einholung von Auszügen aus ZMR, GVS und IZR betreffend die Antragstellerin.
1. Feststellungen:
Feststellungen zu der AS:
Die Antragstellerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation. Die Antragstellerin hat am 27.09.2000 in Holland um Asyl angesucht und wurde dieser Antrag mit Entscheidung vom 01.12.2003 rechtskräftig abgewiesen. In weiterer Folge wurde der Antragstellerin eine vorübergehende Aufenthaltsberechtigung für Holland ausgestellt, die mit 15.06.2013 abgelaufen ist. Die Antragstellerin hat nicht um Verlängerung angesucht. Sie verfügt über eine volljährige Tochter die in Holland lebt. Sie war seit über 20 Jahren nicht mehr im Herkunftsstaat.
Die Antragstellerin stellte nach ihrer illegalen Einreise am 02.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe ist und in Tschetschenien aufgewachsen ist. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass Familienangehörige der Antragstellerin in Tschetschenien oder sonst wo in der Russischen Föderation leben.
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin staatenlos ist.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre
Die Antragstellerin ist unbescholten.
Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der Antragstellerin:
Grundversorgung
2016 betrug die Zahl der Erwerbstätigen in Russland ca. 75,5 Millionen, somit ungefähr 64% der Gesamtbevölkerung. Der Frauenanteil an der erwerbstätigen Bevölkerung beträgt knapp 49%. Die Arbeitslosenrate liegt bei 5,3% (WKO 4.2017), diese ist jedoch abhängig von der jeweiligen Region (IOM 2017).
Russland ist einer der größten Rohstoffproduzenten der Welt und verfügt mit einem Viertel der Weltgasreserven (25,2%), circa 6,3% der Weltölreserven und den zweitgrößten Kohlereserven (19%) über bedeutende Ressourcen. Die mangelnde Diversifizierung der russischen Wirtschaft führt zu einer überproportional hohen Abhängigkeit der Wirtschaftsentwicklung von den Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas. Rohstoffe stehen für ca. 80% der Exporte und finanzieren zu rund 50% den Staatshaushalt. Die Staatsverschuldung in Russland ist mit rund 10% des BIP weiterhin vergleichsweise moderat. Sowohl hohe Gold- und Währungsreserven als auch die beiden durch Rohstoffeinnahmen gespeisten staatlichen Reservefonds stellen eine Absicherung des Landes dar. Strukturdefizite, Finanzierungsprobleme und Handelseinschränkungen durch Sanktionen seitens der USA, Kanadas, Japans und der EU bremsten das Wirtschaftswachstum. Insbesondere die rückläufigen Investitionen und die Fokussierung staatlicher Finanzhilfen auf prioritäre Bereiche verstärken diesen Trend. Das komplizierte geopolitische Umfeld und die Neuausrichtung der Industrieförderung führen dazu, dass Projekte vorerst verschoben werden. Wirtschaftlich nähert sich Russland der VR China an. Im Index of Economic Freedom nimmt Russland 2018 den 107. Platz unter 180 Ländern ein. Das schlechte Investitionsklima schlägt sich in einer niedrigen Rate ausländischer Investitionen nieder. Bürokratie, Korruption und Rechtsunsicherheit bremsen die wirtschaftliche Entwicklung aus. Seit Anfang 2014 hat die Landeswährung mehr als ein Drittel ihres Wertes im Vergleich zum Euro verloren, was unter anderem an den westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise und dem fallenden Ölpreis liegt. Durch den Währungsverfall sind die Preise für Verbraucher erheblich gestiegen, die Inflationsrate betrug Ende 2015 ca. 15%. 2015 geriet die russische Wirtschaft in eine schwere Rezession. Nach dem BIP-Rückgang um 3% 2015 und dem weiteren BIP-Rückgang um 0,2% 2016 wurde für 2017 eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um ca. 2% prognostiziert (GIZ 6.2018b).
Nach zwei Jahren in der Rezession ist die russische Konjunktur auf einem Pfad der langsamen Erholung. Zwar stiegen das Durchschnittseinkommen (38.040 Rubel im August 2017) und die Durchschnittsrente (12.934 RUB im August 2017). Bedingt durch die hohe Inflationsrate und die Erhöhung der kommunalen Abgaben sanken jedoch die real verfügbaren Einkommen (6% im 2016) und die Armutsrate bleibt hoch. Die soziale Lage in Russland ist weiterhin angespannt. Mehr als 15% der russischen Bevölkerung leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Das per Verordnung bestimmte monatliche Existenzminimum liegt mit 10.329 Rubel (2. Quartal 2017) weit unter dem Wert, der faktisch zum Überleben notwendig ist. Auffällig ist, dass der Mindestlohn mit 7.800 Rubel sogar die Grenze des Existenzminimums unterschreitet. Lediglich 7% der Bevölkerung verfügen über ein monatliches Einkommen von mehr als 60.000 Rubel. 39% des russischen BIP entstehen in der Schattenwirtschaft. Im 1. Quartal 2017 waren bis zu 63% der Bevölkerung armutsgefährdet. Dies kann nur teilweise durch die Systeme der sozialen Absicherung aufgefangen werden. Diese Verarmungsentwicklung ist vorwiegend durch extrem niedrige Löhne verursacht. Ungünstig ist die Arbeitsmarktstruktur. Der größte Teil der Beschäftigten arbeitet im öffentlichen Dienst oder in Unternehmen, die ganz oder teilweise dem Staat gehören. Nur 26% aller Beschäftigten arbeiten in privaten Unternehmen. Ein weiteres Spezifikum der russischen Lohnpolitik ist der durchschnittliche Lohnverlust von 15-20% für Arbeitnehmer ab dem 45. Lebensjahr. Sie gelten in den Augen von Arbeitgebern aufgrund fehlender Fortbildung als unqualifiziert und werden bei den Sonderzahlungen und Lohnanpassungen nicht berücksichtigt. Dieser Effekt wird durch eine hohe Arbeitslosenquote (21%) bei den über 50-Jährigen verstärkt. Folglich müssen Arbeitnehmer bis zum 44. Lebensjahr jede Chance zum Vermögensaufbau nutzen, um sich vor Altersarmut zu schützen. Auch bei Migranten wird beim Lohn gespart. Sie verdienen öfters nur den Mindestlohn (AA 21.5.2018).
Die Lage der Rentner (29,5 % der russischen Bevölkerung) ist stabil, aber prekär (Rentenniveau: 30% des letzten Einkommens). In den ersten fünf Monaten 2017 waren die Altersrenten zwar um 7,6% höher als 2016, dies war aber die kumulierte Auswirkung von inflationsausgleichenden Indexierungen und einer einmaligen Sonderzahlung von 5.000 Rubel im Jänner 2017. Durch letztere stiegen die Renten einmalig um 37,3% und das Vermögen der Rentner um 33%. Die Stärke dieses Effekts zeigt letztlich vor allem, wie niedrig das Ausgangsniveau der Renten und Ersparnisse war. Gemessen am Existenzminimum ist das durchschnittliche Niveau der Rente zwischen 2012 und Ende 2016 um 19% gesunken. Damit führen die Rentner ein Leben an der Grenze des Existenzminimums und sind stark von den Lebensmittelpreisen abhängig. Dennoch gehören die Rentner nicht zu den Verlierern der Politik. Weil die Rente die verlässlichste staatliche Transferleistung ist, sind die Rentner vielmehr ein Stabilisierungsfaktor in vielen Haushalten geworden. Statistisch ist das Armutsrisiko von Haushalten ohne Rentner dreimal höher als das von Haushalten mit Rentnern. Die spezifischen Interessen der Rentner übertragen sich damit auch auf die Familien, die sie mitfinanzieren. Verlierer der aktuellen Politik sind v.a. ältere Arbeitnehmer, Familien mit Kindern und Arbeitsmigranten. An der Höhe des Existenzminimums gemessen sank das Lohnniveau zwischen 2012 und 2016 um 54% (AA 21.5.2018).
Angesichts der Geschehnisse in der Ost-Ukraine hat die EU mit VO 833/2014 und mit Beschluss 2014/512/GASP am 31.7.2014 erstmals Wirtschaftssanktion gegen Russland verhängt und mit 1.8.2014 in Kraft gesetzt. Diese wurden mehrfach, zuletzt mit Beschluss (GASP) 2018/964 bis zum 31.1.2019 verlängert (WKO 22.8.2018).
Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation - GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018b): Russland, Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/russland/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 24.8.2018 - IOM - International Organisation of Migration (2017):
Länderinformationsblatt Russische Föderation - WKO - Wirtschaftskammer Österreich (22.8.2018): Aktueller Stand der Sanktionen gegen Russland und die Ukraine, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/Aktueller_Stand_der_Sanktionen_gegen_Russlan d_und_die_Ukrai.html, Zugriff 24.8.2018 - WKO - Wirtschaftskammer Österreich (4.2018): Länderprofil Russland, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-russland.pdf , Zugriff 24.8.2018
Nordkaukasus
Die nordkaukasischen Republiken ragen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden noch immer zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ 7.2018a, vgl. ÖB Moskau 12.2017), obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind. Aufgrund der Transferzahlungen aus dem föderalen Budget hat sich die wirtschaftliche Situation Tschetscheniens in den letzten Jahren einigermaßen stabilisiert. Trotz der Versuche Moskaus, die sozio-ökonomische Situation im gesamten Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen abhängig. Die Wirtschaftskrise während der vergangenen Jahre und damit einhergehenden budgetären Einsparungen stellen eine potentielle Gefahr für die Nachhaltigkeit der Subventionen an die Nordkaukasus-Republiken dar (ÖB Moskau 12.2017).
Der Kreml verfolgt seit einigen Jahren einen Ansatz, der auf regionale wirtschaftliche Entwicklung setzt, und viele der Republiken im Nordkaukasus - allen voran Tschetschenien - haben durch zahlreiche Verwaltungs- und Finanzreformen heute mehr Unabhängigkeit als Anfang der 1990er Jahre jemals anzunehmen gewesen wäre. Auch der Tourismus soll in der landschaftlich attraktiven Region helfen, die Spirale aus Armut und Gewalt zu durchbrechen, wie insbesondere in der Entscheidung, die olympischen Winterspiele 2014 im unweit der Krisenregion gelegenen Sotschi auszutragen, deutlich wird. Zudem profitieren einige Teilrepubliken von Rohstoffvorkommen, und so lassen sich auch einige sichtbare Zeichen von wirtschaftlichem Aufschwung und Wiederaufbau im Nordkaukasus ausmachen. Als beispielhaft dafür steht unter anderem die tschetschenische Hauptstadt Grozny, die nach ihrer fast völligen Zerstörung heute durchaus auflebt. Die volatile Sicherheitslage und ein weit gestricktes Netzwerk aus Korruption, die zu einem wesentlichen Teil von den Geldern des russischen Zentralstaats lebt, blockieren aber eine umfassende und nachhaltige Entwicklung des Nordkaukasus. Das grundlegende Problem liegt in der russischen Strategie, den Konflikt durch die Übertragung der Verantwortung an lokale Machtpersonen mit zweifelhaftem Ruf zu entmilitarisieren. Deren Loyalität zu Moskau aber basiert fast ausschließlich auf erheblichen finanziellen Zuwendungen und dem Versprechen der russischen Behörden, angesichts massiver Verstrickungen in Strukturen organisierter Kriminalität beide Augen zuzudrücken. Ein wirksames Aufbrechen dieses Bereicherungssystems jedoch würde wiederum die relative Stabilität gefährden. Nachhaltige Entwicklungsfortschritte bleiben deshalb bislang weitgehend aus, und insbesondere die hohe regionale Arbeitslosigkeit bildet einen Nährboden für neue Radikalisierung (Zenithonline 10.2.2014).
Die Arbeitslosenquote betrug laut offiziellen Statistiken der Republik im ersten Quartal 2016 rund 12%, was von Experten jedoch als zu niedrig angezweifelt wird. Der monatliche Durchschnittslohn in Tschetschenien lag im 1. Quartal 2016 bei 21.774 Rubel (landesweit: 34.000 Rubel), die durchschnittliche Pensionshöhe bei
10.759 Rubel (landesweit: 12.299 Rubel). Die Höhe des Existenzminimums für die erwerbsfähige Bevölkerung ist mit 9.317 Rubel pro Monat festgelegt (landesweit: 10.187 Rubel), für Pensionisten mit 8.102 Rubel (landesweit: 7.781 Rubel) und für Kinder mit 7.348 Rubel (landesweit: 9.197 Rubel). Korruption ist nach wie vor weit verbreitet und große Teile der Wirtschaft werden von wenigen, mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Es gibt glaubwürdige Berichte, wonach öffentliche Bedienstete einen Teil ihres Gehalts an den nach Kadyrows Vater benannten und von dessen Witwe geführten Wohltätigkeitsfonds abführen müssen. Der 2004 gegründete Fonds baut Moscheen und verfolgt Wohltätigkeitsprojekte. Kritiker meinen jedoch, dass der Fonds auch der persönlichen Bereicherung Kadyrows und der ihm nahestehenden Gruppen diene. So bezeichnete die russische Tageszeitung "Kommersant" den Fonds als eine der intransparentesten NGOs des Landes (ÖB Moskau 12.2017). Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkrieges dank großer Zuschüsse aus dem russischen föderalen Budget deutlich verbessert. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens, Grozny, ist wieder aufgebaut. Problematisch sind allerdings weiterhin die Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Armut und Perspektivlosigkeit von Teilen der Bevölkerung (AA 21.5.2018).
Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation - GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836 , Zugriff 24.8.2018 - ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation - Zenithonline (10.2.2014): Speznaz, Spiele und Korruption, Link nicht mehr aktiv, Originaldokument liegt bei der Staatendokumentation auf, Zugriff 24.8.2018 20.2. Sozialbeihilfen
Die Russische Föderation hat ein reguläres Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Rentensystem. Leistungen hängen von der spezifischen Situation der Personen ab (IOM 2017). Das soziale Sicherungssystem wird von vier Institutionen getragen: dem Rentenfonds, dem Sozialversicherungsfonds, dem Fonds für obligatorische Krankenversicherung und dem staatlichen Beschäftigungsfonds. Aus dem 1992 gegründeten Rentenfonds werden Arbeitsunfähigkeits- und Altersrenten gezahlt. Das Rentenalter wird mit 60 Jahren bei Männern und bei 55 Jahren bei Frauen erreicht. Da dieses Modell aktuell die Renten nicht vollständig finanzieren kann, steigen die Zuschüsse des staatlichen Pensionsfonds an. Eine erneute Rentenreform wurde seit 2012 immer wieder diskutiert. Am Tag der Eröffnung der Fußball-Weltmeisterschaft [14. Juni 2018] hat die Regierung einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, womit das Renteneintrittsalter für Frauen bis zum Jahr 2034 schrittweise auf 63 Jahre und für Männer auf 65 angehoben werden soll. Die Pläne der Regierung stießen auf Protest: Mehr als 2,5 Millionen Menschen unterzeichneten eine Petition dagegen, in zahlreichen Städten finden Demonstrationen gegen die geplante Rentenreform statt (GIZ 7.2018c).
Der Sozialversicherungsfonds finanziert das Mutterschaftsgeld (bis zu 18 Wochen), Kinder- und Krankengeld. Das Krankenversicherungssystem umfasst eine garantierte staatliche Minimalversorgung, eine Pflichtversicherung und eine freiwillige Zusatzversicherung. Vom staatlichen Beschäftigungsfonds wird das Arbeitslosengeld (maximal ein Jahr lang) ausgezahlt. Alle Sozialleistungen liegen auf einem niedrigen Niveau (GIZ 7.2018c).
Personen im Rentenalter mit mindestens fünfjährigen Versicherungszahlungen haben das Recht auf eine Altersrente. Begünstigte müssen sich bei der lokalen Pensionskasse melden und erhalten dort, nach einer ersten Beratung, weitere Informationen zu den Verfahrensschritten. Informationen zu den erforderlichen Dokumenten erhält man ebenfalls bei der ersten Beratung. Eine finanzielle Beteiligung ist nicht erforderlich. Zu erhaltende Leistungen werden ebenfalls in der Erstberatung diskutiert (IOM 2017).
Zu dem Kreis der schutzbedürftigen Personen zählen Familien mit mehr als drei Kindern, Menschen mit Beeinträchtigungen sowie alte Menschen. Staatliche Zuschüsse werden durch die Pensionskasse bestimmt (IOM 2017).
Familienhilfe: Monatliche Zahlungen im Falle von einem Kind liegen bei 3.120 Rubel (ca. 44 Euro). Bei einem zweiten Kind sowie weiteren Kindern liegt der Betrag bei 6.131 Rubel (ca. 87 Euro). Der maximale Betrag liegt bei 22.120 Rubel (ca. 313 Euro) (IOM 2017).
Mutterschaft: Mutterschaftsurlaub kann man bis zu 140 Tage beantragen und erhält weiterin 100% Lohn (70 Tage vor der Geburt, 70 Tage danach). Im Falle von Mehrlingsgeburten kann dieser auf 194 Tage erhöht werden. Das Minimum der Mutterschaftshilfe liegt bei 100% des gesetzlichen Mindestlohns bis zu einem Maximum im Vergleich zu einem 40-Stunden Vollzeitjob. Der Maximalbetrag der Mutterschutzhilfe liegt bei 35.901 Rubel (ca. 513 Euro) (IOM 2017).
Mutterschaftskapital: Zu den bedeutendsten Positionen der staatlichen Beihilfe zählt das Mutterschaftskapital, in dessen Genuss Mütter mit der Geburt ihres zweiten Kindes kommen. Dieses Programm wurde 2007 aufgelegt und wird russlandweit umgesetzt. Der Umfang der Leistungen ist beträchtlich - innerhalb von zehn Jahren stiegen sie inflationsbereinigt von 250.000 auf 453.026 Rubel, also von 4.152 auf mehr als 7.500 Euro. Man bekommt das Geld allerdings erst drei Jahre nach der Geburt ausgezahlt und die Zuwendungen sind an bestimmte Zwecke gebunden. So etwa kann man von den Geldern Hypothekendarlehen tilgen, weil das zur Verbesserung der Wohnsituation beiträgt. In einigen Regionen darf der gesamte Umfang des Mutterkapitals bis zu 70% der Wohnkosten decken. Das Programm wurde nun für weitere zwei Jahre verlängert, wobei eine weitere inflationsbedingte Anpassung nicht vorgesehen ist. Aufgestockt werden die Leistungen durch Beihilfen in den Regionen (RBTH 22.4.2017).
Behinderung: ArbeitnehmerInnen mit einem Behindertenstatus haben das Recht auf eine Behindertenrente. Dies gilt unabhängig von der Schwere der Behinderung, der Beitragsdauer und Arbeitsstatus. Diese wird für die Dauer der Behinderung gewährt oder bis zum Erreichen des normalen Rentenalters (IOM 2017).
Arbeitslosenunterstützung: Eine Person kann sich bei den Arbeitsagenturen der Föderalen Behörde für Arbeit und Beschäftigung (Rostrud) arbeitslos melden und Arbeitslosenhilfe beantragen. Daraufhin wird die Arbeitsagentur innerhalb von zehn Tagen einen Arbeitsplatz anbieten. Sollte der/die BewerberIn diesen zurückweisen, wird er/sie als arbeitslos registriert. Arbeitszentren gibt es überall im Land. Arbeitslosengeld wird auf Grundlage des durchschnittlichen Gehalts des letzten Beschäftigungsverhältnisses kalkuliert. Ebenfalls wird dieses durch eine maximale und minimale festgelegte Höhe der russischen Rechtslage determiniert. Seit 2009 beträgt die Mindestlohnhöhe pro Monat 850 Rubel (12 Euro) und der Maximallohn 4.900 Rubel (71 Euro). Gelder werden monatlich ausgezahlt. Die Voraussetzung ist jedoch die notwendige Neubewertung (normalerweise zwei Mal im Monat) der Bedingungen durch die Arbeitsagenturen. Die Leistungen können unter verschiedenen Umständen auch beendet werden (IOM 2017).
Wohnmöglichkeiten und Sozialwohnungen: BürgerInnen ohne Unterkunft oder mit einer unzumutbarer Unterkunft und sehr geringem Einkommen können kostenfreie Wohnungen beantragen. Dennoch ist dabei mit Wartezeiten von einigen Jahren zu rechnen. Es gibt in der Russischen Föderation keine Zuschüsse für Wohnungen. Einige Banken bieten jedoch für einen Wohnungskauf niedrige Kredite an (min. 12%). Junge Familien mit vielen Kindern können bundesstaatliche Zuschüsse (Mutterschaftszulagen) für wohnungswirtschaftliche Zwecke beantragen. Im Jahr 2017 lag dieser Zuschuss bei 453.026 Rubel (ca 6.618 Euro) (IOM 2017).
Das europäische Projekt MedCOI erwähnt weitere Kategorien von Bürgern, denen unterschiedliche Arten von sozialer Unterstützung gewährt werden: - Kinder (unterschiedliche Zuschüsse und Beihilfen für Familien mit Kindern); - Großfamilien (Ausstellung einer Großfamilienkarte, unterschiedliche Zuschüsse und Beihilfen, Rückerstattung von Nebenkosten (Wasser, Gas, Elektrizität, etc.); - Familien mit geringem Einkommen; - Studenten, Arbeitslose, Pensionisten, Angestellte spezialisierter Institutionen und Jungfamilien (BDA 31.3.2015).
Quellen:
- BDA - Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI - GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c):
Russland, Gesellschaft,
https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/#c18140 , Zugriff 24.8.2018 - IOM - International Organisation of Migration (2017):
Länderinformationsblatt Russische Föderation - RBTH - Russia beyond the Headlines (22.4.2017): Gratis-Studium und Steuerbefreiung:
Russlands Wege aus der Geburtenkrise, https://de.rbth.com/gesellschaft/2017/04/22/gratisstudium-und-steuerbefreiung-russlands-wege-aus-der-geburtenkrise_747881 , Zugriff 27.8.2018
Medizinische Versorgung
Medizinische Versorgung wird von staatlichen und privaten Einrichtungen zu Verfügung gestellt. StaatsbürgerInnen haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu einer kostenlosen medizinischen Versorgung. Vorausgesetzt für OMS sind Unterlagen wie ein gültiger Pass und die Geburtsurkunde für Kinder unter 14 Jahren. Diese müssen bei der nächstliegenden Krankenversicherung eingereicht werden. An staatlichen wie auch an privaten Kliniken sind medizinische Dienstleistungen verfügbar, für die man direkt bezahlen kann (im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung - Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM 2017).
Die kostenfreie Versorgung umfasst Notfallbehandlung, Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken, Stationäre Behandlung und teilweise kostenlose Medikamente. Medizinische Leistungen stehen im allgemeinen kostenfrei zur Verfügung. Es gibt jedoch auch private Anbieter (IOM 2017), die zum Teil auch mit OMS abrechnen (GTAI 5.1.2016). Immer mehr russische Staatsbürger wenden sich an Privatkliniken (GTAI 5.1.2016, vgl. Ostexperte 22.9.2017) Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert (GIZ 7.2018c, vgl. IOM 2017, AA 21.5.2018, ÖB Moskau 12.2017). Das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt jedoch ineffektiv. Trotz der schrittweisen Anhebung der Honorare sind die Einkommen der Ärzte und des medizinischen Personals noch immer niedrig. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist (GIZ 7.2018c).
Das Wissen und die technischen Möglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen sind meistens nur in den Großstädten vorhanden. Das Hauptproblem ist weniger die fehlende technische Ausstattung als vielmehr ein gravierender Ärztemangel und eine unzureichende Aus- und Fortbildung. Hinzu kommt, dass die Gesundheitsversorgung zu stark auf klinische Behandlung ausgerichtet ist und gleichzeitig Allgemeinmediziner und Chirurgen fehlen. Das Problem wurde vom Staat erkannt. Die Zahl der Ärzte ist 2016 leicht gestiegen. Dank großangelegter ProphylaxeProgramme hat sich die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen vervierfacht (AA 21.5.2018).
Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Seit Jänner 2011 ist das "Föderale Gesetz Nr. 326-FZ über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation" vom November 2010 in Kraft und seit Jänner 2012 gilt das föderale Gesetz Nr. 323-FZ vom November 2011 über die "Grundlagen der medizinischen Versorgung der Bürger der Russischen Föderation". Laut Gesetz hat jeder Mensch Anrecht auf kostenlose medizinische Hilfestellung in dem gemäß "Programm der Staatsgarantien für kostenlose medizinische Hilfestellung" garantierten Umfang. Von diesem Programm sind alle Arten von medizinischer Versorgung (Notfallhilfe, ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, spezialisierte Eingriffe) erfasst. Kostenpflichtig sind einerseits Serviceleistungen (Einzelzimmer u.Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind). Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist. Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen als dem "zuständigen" Krankenhaus, bzw. bei einem anderen als dem "zuständigen" Arzt, kostenpflichtig ist. In der ausgewählten Organisation können Personen ihren Allgemein- bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbstständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Abgesehen von den oben stehenden Ausnahmen sind Selbstbehalte nicht vorgesehen (ÖB Moskau 12.2017).
Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise erwartet wird (ÖB Moskau 12.2017). Bestimmte Medikamente werden kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes (DIS 1.2015). Weiters wird berichtet, dass die Qualität der medizinischen Versorgung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Ausstattung von Krankenhäusern und der Qualifizierung der Ärzte landesweit variieren kann (ÖB Moskau 12.2017). Die Palliativmedizin muss erheblich ausgebaut werden, es fehlen vor allem stark wirkende Schmerzmedikamente. Im Zuge der Lokalisierungspolitik der Russischen Föderation sinkt der Anteil an hochwertigen ausländischen Medikamenten. Es wurde über Fälle von Medikamenten ohne oder mit schädlichen Wirkstoffen berichtet. Im starken Kontrast zum Erleben der Bevölkerung sieht die Regierung ihre Reformen im Gesundheitswesen pauschal als Erfolg und führt als Beleg die gestiegene Lebenserwartung an (AA 21.5.2018).
Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit sieben föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und zwölf Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert. Seit 2002 ist die Lebenserwartung in Russland stetig gestiegen (GIZ 7.2018c).
Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land ist es für alle Bürger der Russischen Föderation möglich, bei Krankheiten, die in einzelnen Teilrepubliken nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) (vgl. dazu die Kapitel 19. Bewegungsfreiheit und 19.1 Meldewesen) (DIS 1.2015, vgl. AA 21.5.2018).
Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation - GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/#c18140 , Zugriff 22.8.2018 - GTAI - German Trade and Invest (5.1.2016): Russlands Privatmedizin erfährt ungewohnten Zulauf, http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/suche ,t=russlands-privatmedizinerfaehrt-ungewohnten-zulauf,did=1387278.html, Zugriff 23.8.2018 - DIS - Danish Immigration Service (1.2015):
Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnyafact-finding-mission-report.pdf , Zugriff 23.8.2018 - IOM - International Organisation of Migration (2017): Länderinformationsblatt Russische Föderation - ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation - Ostexperte.de (22.9.2017): Privatkliniken in Russland immer beliebter, https://ostexperte.de/russland-privatkliniken/ , Zugriff 23.8.2018
Tschetschenien
Wie jedes Subjekt der Russischen Föderation hat auch Tschetschenien eine eigene öffentliche Gesundheitsverwaltung, die die regionalen Gesundheitseinrichtungen wie z.B. regionale Spitäler (spezialisierte und zentrale), Tageseinrichtungen, diagnostische Zentren und spezialisierte Notfalleinrichtungen leitet. Das Krankenversicherungssystem wird vom territorialen verpflichtenden Gesundheitsfonds geführt. Schon 2013 wurde eine dreistufige Roadmap eingeführt, mit dem Ziel, die Verfügbarkeit und Qualität des tschetschenischen Gesundheitssystems zu erhöhen. In der ersten Stufe wird die primäre Gesundheitsversorgung - inklusive Notfall- und spezialisierte Gesundheitsversorgung zur Verfügung gestellt. In der zweiten Stufe wird multidisziplinäre spezialisierte Gesundheitsversorgung und in der dritten Stufe die spezialisierte Gesundheitsversorgung zur Verfügung gestellt (BDA CFS 31.3.2015). Es sind somit in Tschetschenien sowohl primäre als auch spezialisierte Gesundheitseinrichtungen verfügbar. Die Krankenhäuser sind in einem besseren Zustand als in den Nachbarrepubliken, da viele erst vor kurzem erbaut worden sind (DIS 1.2015).
Bestimmte Medikamente werden kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes. Auch gibt es bestimmte Personengruppen, die bestimmte Medikamente kostenfrei erhalten. Dazu gehören Kinder unter drei Jahren, Kriegsveteranen, schwangere Frauen und Onkologie- und HIV-Patienten. Verschriebene Medikamente werden in staatlich lizensierten Apotheken kostenfrei gegen Vorlage des Rezeptes abgegeben (DIS 1.2015). Weitere Krankheiten, für die Medikamente kostenlos weitergegeben werden (innerhalb der obligatorischen Krankenversicherung): - infektiöse und parasitäre Krankheiten - Tumore - endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - Krankheiten des Nervensystems - Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bestimmte Störungen mit Beteiligung des Immunsystems - Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde - Krankheiten des Ohres und des Warzenfortsatzes - Krankheiten des Kreislaufsystems - Krankheiten des Atmungssystems - Krankheiten des Verdauungssystems - Krankheiten des Urogenitalsystems - Schwangerschaft, Geburt, Abort und Wochenbett - Krankheiten der Haut und der Unterhaut - Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes
- Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen - Geburtsfehler und Chromosomenfehler - bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben - Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die nicht in der Kategorie der Internationalen Klassifikation von Krankheiten gelistet sind (BDA CFS 31.3.2015).
Die obligatorische Krankenversicherung deckt unter anderem auch klinische Untersuchungen von bestimmten Personengruppen wie Minderjährige, Studenten, Arbeiter usw. und medizinische Rehabilitation in Gesundheitseinrichtungen. Weiters werden zusätzliche Gebühren von Allgemeinmedizinern und Kinderärzten, Familienärzten, Krankenschwestern und Notfallmedizinern finanziert. Peritoneal- und Hämodialyse werden auch unterstützt (nach vorgegebenen Raten), einschließlich der Beschaffung von Materialien und Medikamenten. Die obligatorische Krankenversicherung in Tschetschenien ist von der föderalen obligatorischen Krankenversicherung subventioniert (BDA CFS 31.3.2015). Trotzdem muss angemerkt werden, dass auch hier aufgrund der niedrigen Löhne der Ärzte das System der Zuzahlung durch die Patienten existiert (BDA CFS 31.3.2015, vgl. GIZ 7.2018c, AA 21.5.2018). Trotzdem gibt es medizinische Einrichtungen, wo die Versorgung kostenfrei bereitgestellt wird, beispielsweise im Distrikt von Gudermes (von hier stammt Ramzan Kadyrow). In kleinen Dörfern sind die ärztlichen Leistungen auch günstiger (BDA CFS 31.3.2015).
In Tschetschenien gibt es nur einige private Gesundheitseinrichtungen, die normalerweise mit Spezialisten arbeiten, die aus den Nachbarregionen eingeladen werden. Die Preise sind hier um einiges teurer als in öffentlichen Institutionen aufgrund von komfortableren Aufenthalt, besser qualifizierten Spezialisten und modernerer medizinischer Ausstattung (BDA CFS 31.3.2015).
Wenn eine Behandlung in einer Region nicht verfügbar ist, gibt es die Möglichkeit, dass der Patient in eine andere Region, wo die Behandlung verfügbar ist, überwiesen wird (BDA CFS 31.3.2015).
Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation - GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/#c18140 , Zugriff 23.8.2018 - BDA - Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015):
Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI - DIS - Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnyafact-finding-mission-report.pdf , Zugriff 23.8.2018
Gesundheitseinrichtungen in Tschetschenien
Gesundheitseinrichtungen, die die ländlichen Gebiete Tschetscheniens abdecken sind: "AchkhoyMartan RCH" (regional central hospital), "Vedenskaya RCH", "Grozny RCH", "Staro-Yurt RH" (regional hospital), "Gudermessky RCH", "Itum-Kalynskaya RCH", "Kurchaloevskaja RCH", "Nadterechnaye RCH", "Znamenskaya RH", "Goragorsky RH", "Naurskaya RCH", "Nozhai-Yurt RCH", "Sunzhensk RCH", Urus-Martan RCH", "Sharoy RH", "Shatoïski RCH", "Shali RCH", "ChiriYurt RCH", "Shelkovskaya RCH", "Argun municipal hospital N° 1" und "Gvardeyskaya RH" (BDA CFS 31.3.2015).
Gesundheitseinrichtungen, die alle Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind: "The Republican hospital of emergency care" (former Regional Central Clinic No. 9), "Republican Centre of prevention and fight against AIDS", "The National Centre of the Mother and Infant Aymani Kadyrova", "Republican Oncological Dispensary", "Republican Centre of blood transfusion", "National Centre for medical and psychological rehabilitation of children", "The Republican Hospital", "Republican Psychiatric Hospital", "National Drug Dispensary", "The Republican Hospital of War Veterans", "Republican TB Dispensary", "Clinic of pedodontics", "National Centre for Preventive Medicine", "Republican Centre for Infectious Diseases", "Republican Endocrinology Dispensary", "National Centre of purulent-septic surgery", "The Republican dental clinic", "Republican Dispensary of skin and venereal diseases", "Republican Association for medical diagnostics and rehabilitation", "Psychiatric Hospital 'Samashki', "Psychiatric Hospital 'Darbanhi'", "Regional Paediatric Clinic", "National Centre for Emergency Medicine", "The Republican Scientific Medical Centre", "Republican Office for forensic examination", "National Rehabilitation Centre", "Medical Centre of Research and Information", "National Centre for Family Planning", "Medical Commission for driving licenses" und "National Paediatric Sanatorium 'Chishki'" (BDA CFS 31.3.2015).
Städtische Gesundheitseinrichtungen in Grosny sind: "Clinical Hospital N° 1 Grozny", "Clinical Hospital for children N° 2 Grozny", "Clinical Hospital N° 3 Grozny", "Clinical Hospital N° 4 Grozny", "Hospital N° 5 Grozny", "Hospital N° 6 Grozny", "Hospital N° 7 Grozny", "Clinical Hospital N° 10 in Grozny", "Maternity N° 2 in Grozny", "Polyclinic N° 1 in Grozny", "Polyclinic N° 2 in Grozny",
"Polyclinic N° 3 in Grozny", "Polyclinic N° 4 in Grozny",
"Polyclinic N° 5 in Grozny", "Polyclinic N° 6 in Grozny",
"Polyclinic N° 7 in Grozny", "Polyclinic N° 8 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 1", "Paediatric polyclinic N° 3 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 4 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 5", "Dental complex in Grozny", "Dental Clinic N° 1 in Grozny", "Paediatric Psycho-Neurological Centre", "Dental Clinic N° 2 in Grozny" und "Paediatric Dental Clinic of Grozny" (BDA CFS 31.3.2015).
Quellen: - BDA - Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015):
Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI
Behandlungsmöglichkeiten von psychischen Krankheiten (z.B. Posttraumatisches Belastungssyndrom (PTBS/PTSD, Depressionen, etc.)
Psychiatrische Behandlungen für diverse psychische Störungen und Krankheiten sind in der gesamten Russischen Föderation verfügbar. Es gibt auch psychiatrische Krisenintervention bei Selbstmordgefährdeten z.B. im Psychiatric Clinical Hospital #1 in Moskau (BMA 7754).
Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) sind in der gesamten Russischen Föderation behandelbar. Z.B. im Alexeevskaya (Kacshenko) hospital, Zagorodnoye shosse 2, Moscow (BMA 6051). Dies gilt unter anderem auch für Tschetschenien z.B. im Republican Psychoneurological Dispenser, Verkhoyanskaya Str. 10, Grosny (BMA 6551, vgl. BMA 7979).
Wie in anderen Teilen Russlands werden auch in Tschetschenien mentale Krankheiten hauptsächlich mit Medikamenten behandelt, und es gibt nur selten eine Therapie. Die Möglichkeiten für psychosoziale Therapie oder Psychotherapie sind aufgrund des Mangels an notwendiger Ausrüstung, Ressourcen und qualifiziertem Personal in Tschetschenien stark eingeschränkt. Es gibt keine spezialisierten Institutionen für PTBS, jedoch sind Nachsorgeuntersuchungen und Psychotherapie möglich. Ambulante Konsultationen und Krankenhausaufenthalte sind im Republican Psychiatric Hospital of Grozny für alle in Tschetschenien lebende Personen kostenlos. Auf die informelle Zuzahlung wird hingewiesen. Üblicherweise zahlen Personen für einen Termin wegen psychischen Problemen zwischen 7002000 Rubel. Bei diesem Krankenhaus ist die Medikation bei stationärer und ambulanter Behandlung kostenfrei (BDA 31.3.2015).
Während es in Moskau unterschiedliche Arten von Therapien gibt (kognitive Verhaltenstherapie, Desensibilisierung und Aufarbeitung durch Augenbewegungen (EMDR) und Narrative Expositionstherapie), um PTBS zu behandeln (BMA 7980), gibt es in Tschetschenien nur Psychotherapie und diese in eingeschränktem Maß (BMA 7979). Diverse Antidepressiva sind aber in der gesamten Russischen Föderation verfügbar (BMA 7754, BMA 7979).
Häufig angefragte und verfügbare Inhaltsstoffe von Antidepressiva sind verfügbar (auch in Tschetschenien!): Mirtazapin, Sertralin, Citalopram, Amitriptylin, Trazodon, Fluoxetin, Paroxetin, Duloxetin (BMA 7754, BMA 7306, BMA 9701, BMA 7874, BMA 8169).
Quellen: - MedCOI (11.3.2015): BMA 6551 - MedCOI (7.11.2014): BMA 6051 - MedCOI (1.4.2016): BMA 7979 - MedCOI (1.4.2016): BMA 7980 - MedCOI (26.2.2016): BMA 7754 - MedCOI (1.10.2015): BMA 7306 - MedCOI (29.5.2017): BMA 9701 - MedCOI (26.2.2016): BMA 7874 - MedCOI (23.5.2016): BMA 8169 - BDA - Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI
Rückkehr
Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme. Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation mussten sich bislang alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln. 2016 wurde der FMS allerdings aufgelöst und die entsprechenden Kompetenzen in das Innenministerium verlagert. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Überstellung informiert und, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden (ÖB Moskau 12.2017).
Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands hohe Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus. Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können (ÖB Moskau 12.2017).
Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen weite Teile der russischen Bevölkerung und können somit nicht als spezifisches Problem von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich für Frauen aus dem Nordkaukasus, zu deren Bewältigung zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützend tätig sind. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. die nordkaukasischen Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt. Aus gut informierten Kreisen war jedoch zu erfahren, dass Rückkehrer gewöhnlich mit keinerlei Diskriminierung seitens der Behörden konfrontiert sind (ÖB Moskau 12.2017).
Die Stellung eines Asylantrags im Ausland führt nicht prinzipiell zu einer Verfolgung. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA 21.5.2018).
Rückkehrende zählen nicht automatisch zu den schutzbedürftigen Personenkreisen. Wie alle russischen Staatsangehörige können sie ebenfalls durch das Wohlfahrtssystem Leistungen erhalten. Mikrokredite für Kleinunternehmen können bei Banken beantragt werden (der Zinsatz liegt bei mindestens 10,6%). Einige Regionen bieten über ein Auswahlverfahren spezielle Zuschüsse zur Förderung von Unternehmensgründung an (IOM 2017).
Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation - IOM - International Organisation of Migration (2017):
Länderinformationsblatt Russische Föderation - ÖB Moskau (12.2017):
Asylländerbericht Russische Föderation
2. Beweiswürdigung:
2.1. Dass die Antragstellerin russische Staatsangehörige ist ergibt sich aus ihren gleichbleibenden Angaben im Verfahren.
Dass die Antragstellerin in Holland gelebt hat und seit über 20 Jahren nicht mehr in ihrem Herkunftsstaat lebt, ergibt sich aus ihren gleichbleibenden Angaben im Verfahren samt den übermittelten Kopien aus den Verwaltungsakten der holländischen Asylbehörden vom 16.03.2017.
Dass die Antragstellerin an einer psychischen Erkrankung mit Krankheitswert leidet, konnte aufgrund des durchgeführten Sachverständigengutachtens festgestellt werden. Dass die Antragstellerin aufgrund einer psychischen Erkrankung für das gegenständliche Verfahren besachwaltert wurde, ergibt sich aus dem Beschluss des BG Innere Stadt Wien vom 12.07.2018.
In Bezug auf die Antragstellerin hat sich im Lichte der vorgelegten medizinischen Unterlagen ergeben, dass diese an einer psychischen Erkrankung leidet aufgrund derer sie nicht mehr in der Lage ist, ihre Interessen ohne Gefahr für einen Nachteil wahrzunehmen und sie deswegen aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts als besonders vulnerable Person einzuschätzen ist.
Aus den Länderinformationen zur medizinischen Versorgung in der Russischen Föderation ergibt sich zwar, dass dort medizinische Einrichtungen zur Behandlung von psychischen Erkrankungen vorhanden sind. Da die Antragstellerin jedoch schon seit 20 Jahren nicht mehr in der Russischen Föderation gelebt hat, besteht in Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung und der fehlenden sozialen und familiären Unterstützung die reale Gefahr, dass die Antragstellerin in eine Notlage geraten könnte.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit, Entscheidung durch Einzelrichter:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Anzuwendendes Verfahrensrecht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A)
Zu A)
Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017) lautet:
Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach der langjährigen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen waren, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH, 21.02.2017, Ro 2017/18/005). Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher für die Gewährung von subsidiärem Schutz insbesondere auf den Maßstab des Art. 3 EMRK ab (vgl. etwa VwGH, 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes mit 11.03.2019 wurde aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461 ua.
wie folgt ausgeführt:
"Allerdings hatte der EuGH in seinem Urteil vom 18.12.2014, M¿Bodj/Belgien, C-542/13, klargestellt, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht automatisch zur Gewährung des Status von subsidiärem Schutz nach Art 15 der Status-Richtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) führt. Konkret führt er in Rz 40 aus: "Der Umstand, dass ein an einer schweren Krankheit leidender Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in absoluten Ausnahmefällen nicht in ein Land abgeschoben werden kann, in dem keine angemessene Behandlung vorhanden ist, bedeutet deswegen aber nicht, dass es ihm erlaubt werden muss, sich auf der Grundlage des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie 2004/83 in einem Mitgliedstaat aufzuhalten." Subsidiärer Schutz nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie verlangt nach dieser Auslegung durch den EuGH, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten verursacht werden muss und nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist. Zugleich hielt der EuGH in dieser Entscheidung auch fest, dass es unionsrechtlich unzulässig sei, den in der Statusrichtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen.
Die in dem Urteil vom 18.12.2014, M¿Bodj/Belgien vom EuGH entwickelten Grundsätze wurden im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 aufgenommen und festgestellt, dass der österreichische Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status subsidiär Schutzberechtigter in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH umgesetzt habe. In seiner Entscheidung vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461 wiederholt der Verwaltungsgerichtshof, dass es der Statusrichtlinie widerspreche, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen.
Die dargelegte rechtliche Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofes im obig zitiertem Judikat, auf Basis dessen der negative Ausspruch über die Gewährung subsidiären Schutzes durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 04.06.2019 im gegenständlichen Fall ergangen ist, wurde mittlerweile durch jüngere Entscheidungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. VwGH v. 21.5.2019,Ro 2019/19/0006) wie auch im vorliegenden Fall revidiert und wurde zur langjährigen Spruchpraxis zurückgekehrt.
Zum Sachverhalt wird nunmehr erwogen:
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Der EGMR geht allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
So hat der EGMR im Fall Paposhvili v. Belgium (no. 41738/10) vom 20.04.2015 weitere grundsätzliche Ausführungen zu diesem Thema getätigt:
"(183) Die "anderen sehr außergewöhnlichen Fälle" im Sinne des Urteils N./GB, die eine Angelegenheit unter Art. 3 EMRK aufwerfen können, sollten nach Ansicht des GH so verstanden werden, dass sie sich auf die Ausweisung einer schwer kranken Person betreffende Situationen beziehen, in denen stichhaltige Gründe für die Annahme aufgezeigt wurden, dass sie, obwohl sie nicht in unmittelbarer Lebensgefahr ist, mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Empfangsstaat oder des fehlenden Zugangs zu solcher Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu werden, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Der GH betont, dass diese Situationen einer hohen Schwelle für die Anwendung von Art. 3 EMRK in Fällen entsprechen, welche die Ausweisung von an einer schweren Erkrankung leidenden Fremden betreffen. Gemäß Art. 1 EMRK liegt die primäre Verantwortung für die Umsetzung der garantierten Rechte und Freiheiten bei den nationalen Behörden, die daher vom Standpunkt des Art. 3 EMRK die Ängste der Bf. beurteilen und die Risiken einschätzen müssen, denen diese im Fall der Abschiebung in den Empfangsstaat ausgesetzt wären."
Ergänzend wurde vom EuGH im Urteil vom 24. 04. 2018, in der Rs C-353/16, MP festgehalten, dass Art. 4 und Art. 19 Abs. 2 GRC der Ausweisung entgegenstehen würden, wenn diese Ausweisung dazu führen würde, dass sich die psychischen Störungen, an denen der Drittstaatsangehörige im damaligen Ausgangsfall litt, erheblich und unumkehrbar verschlimmern. Dies gelte in besonderem Maße, wenn die Verschlimmerung sogar sein Überleben gefährden würde, so der EuGH. In solchen Ausnahmefällen würde die Ausweisung eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen in ein Land, in dem keine angemessenen Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind, gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Art 3 EMRK könnte daher einer Rückkehr entgegenstehen.
Im gegenständlich Fall liegen konkrete Anhaltspunkte dahingehend vor, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die Antragstellerin zu einer drastischen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes führen und sie in eine finanzielle Notlage bringen würde. Es wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht verkannt, dass die Antragstellerin grundsätzlich auch in der Russischen Föderation wegen ihrer psychischen Behandlung behandelt werden kann. Da die Antragstellerin jedoch seit 20 Jahren nicht mehr in der Russischen Föderation gelebt hat und sich während ihres langen Aufenthaltes in Europa die europäische Lebensweise angeeignet hat, ist nicht mit Sicherheit davon auszugehen, dass sie aufgrund ihrer langen Abwesenheit und ihrer psychischen Verfassung in der Lage ist, für die Sicherung ihrer grundlegendsten Bedürfnisse (Nahrung, Unterkunft) zu sorgen. Die Antragstellerin würde sich aufgrund ihrer psychischen Verfassung in einer aussichtslosen Lage befinden, eine Anstellung zu finden und wäre sie auf externe Hilfe angewiesen. Da jedoch nicht festgestellt werden konnte, dass die Antragstellerin in der russischen Föderation über nennenswerte soziale Kontakte verfügt, kann aufgrund ihrer langen Abwesenheit nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin bei einer Rückkehr in die russische Föderation über ein ausreichendes soziales Netzwerk verfügt. Insgesamt wäre ihre Versorgungssituation derart beeinträchtigt, dass in diesem Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte und eine Verelendung zu erwarten wären.
Es ist daher aus Sicht des erkennenden Gerichts für den Fall einer Außerlandesbringung der Antragstellerin von einem realen Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK auszugehen. In diesem Einzelfall, in dem eine besondere Schutzwürdigkeit der Antragstellerin gegeben ist, muss aktuell jedenfalls davon ausgegangen werden, dass eine Rückkehr in die Russische Föderation sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation und der langen Abwesenheit in eine aussichtlose Lage versetzen würde, so dass eine Rückführung einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellen würde.
Es erscheint daher aus Sicht des erkennenden Gerichts derzeit angezeigt, für den Fall einer Außerlandesbringung der Antragstellerin von einem realen Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK auszugehen. In diesem Einzelfall, in dem eine besondere Schutzwürdigkeit der Antragstellerin gegeben ist, muss aktuell jedenfalls davon ausgegangen werden, dass eine Rückkehr in die Russische Föderation sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation in eine aussichtlose Lage versetzen würde, so dass eine Rückführung einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellen würde.
Das Risiko einer Verletzung der durch Art.2 und 3 EMRK sowie Protokoll Nr.6 zur EMRK geschützten Güter droht der Antragstellerin mit einer Wahrscheinlichkeit, dass dies zur Gewährung von subsidiären Schutz gereicht.
Dem Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation daher stattzugeben und ihr gemäß § 8 Abs.1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuzuerkennen.
Ausschlussgründe nach § 8 Abs.3a iVm §9 Abs.2 AsylG 2005 liegen nicht vor.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert.
Gemäß den o.zit. gesetzlichen Bestimmungen des § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist der Antragstellerin eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres zu erteilen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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