B-VG Art133 Abs4
FPG §61
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2025:W185.2306484.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.01.2025, Zl. 1412229906-241425281, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und gemäß § 61 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 19.09.2024 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.
EURODAC-Treffermeldungen zufolge wurde der BF am 25.07.2024 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt und suchte dort am 26.07.2024 auch um Asyl an. Am 11.09.2024 brachte der BF dann in Kroatien einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.09.2024 gab der BF zusammengefasst an, der Einvernahme ohne gesundheitliche Probleme folgen zu können und keine Medikamente zu benötigen. In Österreich würden seine Eltern, sein Bruder und seine Schwester leben. Der BF habe den Herkunftsstaat im November 2023 illegal verlassen und sei über die Türkei (Aufenthalt drei bis vier Monate), Griechenland (Aufenthalt einen Monat), Nordmazedonien (Aufenthalt eine Woche), Serbien (Aufenthalt zwanzig Tage), Bosnien (Aufenthalt eine Woche), Kroatien (Aufenthalt eine Woche) und Slowenien (Aufenthalt eine Woche) nach Österreich gelangt. In Griechenland, in Kroatien und in Slowenien habe der BF Behördenkontakt und auch eine ED-Behandlung gehabt. Das Zielland des BF sei Österreich gewesen, da seine Familie hier lebe. Hinsichtlich seines Aufenthalts in den durchreisten EU-Ländern gab der BF an, die Lage vor Ort sei „schlecht“ gewesen. Er sei gezwungen worden, seine Fingerabdrücke abzugeben und er sei von Polizisten geschlagen worden. Wissentlich habe der BF nicht um Asyl angesucht; die Behördenvertreter hätten ihm mitgeteilt, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung keine Asylantragstellung darstelle. Der BF wolle in keinen der durchreisten Staaten zurückkehren.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) richtete am 27.09.2024 ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) an Kroatien. Dies unter Hinweis auf den Eurodac-Treffer zu Kroatien sowie den vom BF angegebenen Reiseweg (AS 31 ff).
Mit Schreiben vom 11.10.2024 teilte die kroatische Dublin-Behörde dem Bundesamt mit, dass dem Wiederaufnahmegesuch nicht zugestimmt werde. Der BF habe am 11.09.2024 in Kroatien um Asyl angesucht, das Land jedoch vor dem Interview wieder verlassen. Da der BF am 25.07.2024 in Griechenland um Asyl angesucht und das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht wieder für mindestens drei Monate verlassen habe, sei das Wiederaufnahmegesuch Österreichs abzulehnen. Im Antwortschreiben Kroatiens wurde auch eine Aliasidentität des BF bekannt gegeben (AS 43).
Am 11.10.2024 richtete das Bundesamt ein Informationsersuchen gemäß Art. 34 Dublin III-VO an Griechenland (AS 47)
Mit Schreiben vom 05.11.2024 gab die griechische Dublin-Behörde bekannt, dass der BF am 26.07.2024 in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe und das Verfahren am 12.08.2024 wegen impliziter Rücknahme des Asylantrags eingestellt worden sei. Es sei bislang keine Entscheidung ergangen. Im Antwortschreiben wurde auch eine Aliasidentität des BF bekannt gegeben (AS 57).
Am 08.11.2024 richtete das Bundesamt erneut ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b der Dublin III-VO an Kroatien. Dies unter Hinweis auf das Antwortschreiben Griechenlands, die Rechtsprechung des EuGH und des EGMR sowie die Ergebnisse der Sitzung des Dublin Contact Committee vom 24.06.2015 AS 61ff).
Die kroatische Dublin-Behörde stimmte der Wiederaufnahme des BF gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO mit Schreiben vom 21.11.2024 ausdrücklich zu (AS 69 f).
Am 15.01.2025 fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt statt. Dabei gab der Genannte an, derzeit wegen eines Ausschlages im Gesicht in ärztlicher Behandlung zu sein. In Kroatien sei er wegen des Ausschlages nicht in ärztlicher Behandlung gewesen. Im Bundesgebiet würden sich sein Bruder, seine Schwester und seine Eltern aufhalten. Die angesprochenen Familienangehörigen seien in Österreich aufenthaltsberechtigt; sie seien im Rahmen des Familiennachzugs nach Österreich gekommen. Mit den angeführten Familienangehörigen lebe der BF nicht im gemeinsamen Haushalt; er lebe im Camp. Derzeit könne der BF keiner Arbeit nachgehen, da er die grüne Karte habe. Manchmal schicke ihm sein Vater deshalb Geld. Der BF erklärte weiter, mit seinen Angehörigen per Handy, vor allem via WhatsApp, Kontakt zu haben. Vor zwei Wochen habe er die Genannten auch einmal persönlich getroffen. In Kroatien sei der BF gezwungen worden, seine Fingerabdrücke abzugeben und Asyl zu beantragen. Sein Ziel sei Österreich gewesen, was er den Behörden in Kroatien auch gesagt habe. In Kroatien verfüge er über keinen Status. Über Vorhalt der Absicht des Bundesamtes, den Antrag des BF auf internationalen Schutz zurückzuweisen und seine Abschiebung nach Kroatien zu veranlassen, erklärte der BF, „natürlich dagegen“ zu sein, zumal er in Kroatien „gezwungen“ worden sei. Der BF wolle mit seiner Familie leben. Er könne nicht alleine leben und werde von seiner Familie unterstützt. Die Trennung von seiner Familie würde ihn „psychisch beeinflussen“. Er wolle nicht alleine nach Kroatien zurückgehen. Sein Vater werde am 28.01.2025 operiert und der BF wäre „gerne dabei“. Zum Schluss führte der BF aus, einen Universitätsabschluss zu haben und in Österreich arbeiten zu wollen, sobald er dies dürfe.
Mit Bescheid vom 20.01.2025 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO Kroatien zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG wurde gegen den BF die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge dessen Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Kroatien wurden im angefochtenen Bescheid folgendermaßen dargelegt (ungekürzt):
Länderspezifische Anmerkungen
Letzte Änderung: 14.04.2023
Hinweis:
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports .
Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität:
https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 .
Allgemeines zum Asylverfahren
Letzte Änderung: 14.04.2023
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2 22.4.2022; USDOS 12.4.2022 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).
Im Jahr 2021 bestand die größte Herausforderung neben der anhaltenden Ausbreitung von COVID-19 weiterhin in einem strengen Grenzregime, das den Zugang zum Hoheitsgebiet und zum Verfahren für internationalen Schutz in Kroatien einschränkt und ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Schutzes der Menschenrechte von Personen, die internationalen Schutz beantragen, aufkommen lässt (HPC 22.42022).
Im Jahr 2022 wurden laut Eurostat 12.750 Erstanträge gestellt (von insgesamt 12.870 Anträgen im Vergleich zu 2.930 Anträgen im Jahr 2021) (Eurostat 23.3.2023; vgl. MoI 1.2.2023). Die Zahl der mutmaßlich unbegleiteten Minderjährigen belief sich auf 128 Personen (Eurostat 9.3.2023). Russen stellen inzwischen die mit Abstand antragsstärkste Nationalität dar (VB 6.2.2023).
Quellen:
• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 24.1.2023
• Eurostat (23.3.2023): Asylum and first time asylum applicants - annual aggregated data, https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tps00191/default/table?lang=en , Zugriff 28.3.2023
• Eurostat (9.3.2023): Asylum applications of unaccompanied minors withdrawn by citizenship, age, sex and type of withdrawal - annual aggregated data, https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/migr_asyumwita/default/table?lang=en , Zugriff 28.3.2023
• HPC - Croatian Law Centre (22.4.2022): Access to the territory and push backs - Croatia, https://asylumineurope.org/reports/country/croatia/asylum-procedure/access-procedure-and-registration/access-territory-and-push-backs/ , Zugriff 25.1.2023
• MoI - Ministry of Interior [Kroatien] (1.2.2023): Statistische Indikatoren von Antragstellern auf internationalen Schutz gem
• Staatsbürgerschaft und Geschlecht für den Zeitraum 01.01.-31.12.2022, https://mup.gov.hr/UserDocsImages/OTVORENI%20PODACI/Tra%C5%BEitelji%20me%C4%91unarodne%20za%C5%A1tite/web%20statistike%202022%20Q4%20TMZ.pdf , Zugriff 17.2.2023
• USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071254.html , Zugriff 24.1.2023
• VB des BM.I Kroatien [Österreich] (6.2.2023): Bericht des VB, per E-Mail
Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung: 13.04.2023
Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren (dies waren im Jahr 2021 insgesamt 54 Personen), haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Allerdings müssen Personen, die Kroatien vor Abschluss des Verfahrens verlassen haben und deren Verfahren daher ausgesetzt wurde, nach ihrer Rückkehr nach Kroatien erneut ein Asylverfahren beantragen (wenn sie dies wünschen), und somit das ursprüngliche Verfahren wieder aufnehmen, wie es in Artikel 18 Absatz 2 der Dublin-III-Verordnung vorgesehen ist (AIDA 22.4.2022).
Andererseits gelten Personen, deren Antrag ausdrücklich zurückgezogen oder abgelehnt wurde, bevor sie Kroatien verlassen haben, als Folgeantragsteller, was im Widerspruch zur Dublin-Verordnung steht. Dublin Rückkehrer haben keine Schwierigkeiten beim Zugang zum Aufnahmesystem und zu den materiellen Aufnahmebedingungen (AIDA 22.4.2022).
Das kroatische Rote Kreuz (CRC) bietet Dublin-Rückkehrern, die in Aufnahmezentren für Antragsteller untergebracht sind, Unterstützung bei der Integration in die kroatische Gesellschaft an (IOM 30.3.2023).
Quellen:
• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 24.1.2023
• IOM - International Organization for Migration (30.3.2023): Information on IOM activities and IOM supported initiatives for migrants in the Republic of Croatia, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Dokument liegt bei der Staatendokumentation auf.
Non-Refoulement
Letzte Änderung: 13.04.2023
Seit 2016 gibt es eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten. Diese sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien, Tunesien und die Türkei. Auf die Türkei wird das Konzept des sicheren Herkunftsstaates in der Praxis allerdings nicht angewandt. Im Jahr 2018 wurde das Konzept in insgesamt 76 Fällen umgesetzt, die sich wie folgt verteilen: bei Algeriern (39), Marokkanern (13), Tunesiern (13), Kosovaren (5), Serben (4) und Bosniern (2). Entsprechende Zahlen für den Zeitraum ab 2019 liegen nicht vor. Laut Gesetz kann ein Land dann als sicherer Drittstaat eingestuft werden, wenn ein Antragsteller dort sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko, ernsten Schaden zu erleiden, wenn das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats erfüllt sind, wird für jeden Antrag gesondert festgestellt. Hierzu wird geprüft, ob ein Land die oben genannten Bedingungen erfüllt und ob eine Verbindung zwischen diesem Land und dem Antragsteller besteht, aufgrund derer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er dort internationalen Schutz beantragen könnte, wobei alle Fakten und Umstände seines Antrags zu berücksichtigen sind (AIDA 22.4.2022).
Wie in den Jahren zuvor wurde die Grenzpolizei auch noch 2021 in Berichten nationaler und internationaler NGOs gewaltsamer Pushbacks und der Misshandlung irregulärer Migranten beschuldigt (USDOS 12.4.2022; vgl. SFH 13.9.2022). Nach Angaben des Dänischen Flüchtlingsrats (DRC) wurden 2021 gemäß HPC 9.114 (HPC 22.4.2022) und gemäß USDOS 3.629 (USDOS 12.4.2022) Personen aus Kroatien nach Bosnien und Herzegowina (BiH) zurückgeschoben, darunter auch Vulnerable (UMA, Familien mit Kindern, Frauen), wobei es auch zu Kettenabschiebungen gekommen sein soll (HPC 22.4.2022). Ende 2021 hatte das Anti-Folter-Komitee des Europarates die Anwendung von Gewalt durch die kroatischen Behörden bei Pushbacks kritisiert (SFH 13.9.2022). In einem Bericht vom Mai 2022 stellte das Border Violence Monitoring Network fest, dass die kroatische Polizei in das Hoheitsgebiet von Bosnien und Herzegowina eindrang, während sie Menschen über die Grenze zurückdrängte (FH 2023).
Am 8.6.2021 schloss das Innenministerium eine Vereinbarung zur Einrichtung eines unabhängigen Mechanismus zur Überwachung des Verhaltens von Polizeibeamten des Innenministeriums im Bereich der illegalen Migration und des internationalen Schutzes. Der Mechanismus soll die Behandlung von irregulären Migranten und Personen, die internationalen Schutz suchen, durch angekündigte und unangekündigte Beobachtungen auf Polizeistationen, in Ausländerunterkünften und durch angekündigte Besuche an "anderen geeigneten Orten" wie der grünen Grenze zwischen Kroatien und Bosnien und Herzegowina überwachen. Einige NGOs kritisierten den Mechanismus wegen mangelnder öffentlicher Informationen über die Einzelheiten des Abkommens und unzureichender Überwachung an der grünen Grenze, wo ihrer Meinung nach die meisten Menschenrechtsverletzungen stattfanden (USDOS 12.4.2022).
Seit geraumer Zeit gibt es nun keine (VB 6.2.2023) bzw. weniger Berichte und Beschwerden über Pushbacks (FH 2023). Insbesondere seit der Zeit vor dem Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum am 1. Jänner 2023 hat es kaum mehr Berichte über Pushbacks gegeben (DF 1.2.2023).
Anfang April 2023 sind Kopien angeblicher polizei-interner WhatsApp-Chatverläufe aufgetaucht, welche nahelegen sollen, dass die Pushbacks systematisch und mit dem Wissen höherer kroatischer Stellen erfolgt sein könnten. Das kroatische Innenministerium bestätigt die berichteten Inhalte nicht und nennt Pushbacks weiterhin Einzelfälle (ORF 6.4.2023).
Quellen:
• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 26.1.2023
• DF – Deutschlandfunk (1.2.2023): Sind Pushbacks jetzt Geschichte? https://www.deutschlandfunkkultur.de/kroatiens-grenzen-100.html , Zugriff 28.3.2023
• FH - Freedom House: Freedom in the World (2023): Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088503.html , Zugriff 28.3.2023
• HPC - Croatian Law Centre (22.4.2022): Access to the territory and push backs - Croatia, https://asylumineurope.org/reports/country/croatia/asylum-procedure/access-procedure-and-registration/access-territory-and-push-backs/ , Zugriff 26.1.2023
• ORF - Österreichischer Rundfunk (6.4.2023): Kroatien: Polizeichats erhärten Pushback-Vorwürfe, https://orf.at/stories/3311677/ , Zugriff 13.4.2023
• SFH - Schweizer Flüchtlingshilfe (13.9.2022): Polizeigewalt in Bulgarien und
• Kroatien: Konsequenzen für Dublin-Überstellungen, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Juristische_Themenpapiere/220913_Polizeigewalt_final.pdf , Zugriff 26.1.2023
• USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071254.html , Zugriff 26.1.2023
• VB des BM.I Kroatien [Österreich] (6.2.2023): Bericht des VB, per E-Mail
Versorgung
Letzte Änderung: 14.04.2023
Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht gilt ab dem Zeitpunkt, wo sie den Willen zur Asylantragstellung erkennen lassen und umfasst Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten in öffentlichen Verkehrsmitteln (AIDA 22.4.2022). Das Innenministerium (MOI) betreibt die Aufnahmezentren für Asylwerber in Zagreb und Kutina und ist für die Erbringung von Leistungen durch NGOs verantwortlich. Derzeit hat das Innenministerium Verträge mit dem Kroatischen Roten Kreuz und Médecins du Monde (UNHCR o.D.).
Der Jesuitische Flüchtlingdienst (JRS Croatia) betreibt mit Unterstützung von UNICEF einen Bereich im Aufnahmezentrum für Asylsuchende in Zagreb, der Minderjährigen einen sicheren Ort zum Verweilen bietet (JRS o.D.).
Die monatliche finanzielle Unterstützung wird ab der Unterbringung in einem Aufnahmezentrum gewährt und beläuft sich per 31.12.2021 auf 100 Kuna (EUR 13,30) pro Person. Auch wenn sich der Betrag bei abhängigen Familienmitgliedern erhöht, gilt er als sehr gering bemessen. Asylwerber, deren Verfahren nach neun Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten und können auf freiwilliger Basis etwa auch innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten. Auch können sie bei gemeinnützigen Tätigkeiten oder bei der Arbeit humanitärer Organisationen mitwirken. Die NGO Are You Syrious (AYS) berichtete, dass sie im Jahr 2021 Asylwerber über das Recht auf Arbeit informiert und bei der Arbeitssuche unterstützt hat (z.B. beim Verfassen von Lebensläufen und bei der Kontaktaufnahme mit Arbeitgebern). Als ein Manko der derzeitigen gesetzlichen Lösung wurde die neunmonatige Frist für die Umsetzung des Rechts auf Arbeit genannt, die eine frühzeitige Integration in den Arbeitsmarkt verhindert (AIDA 22.4.2022).
Begünstigte des IOM-Projekts "Voluntary Relocation from Italy to other EU Member and Associated States - RELITA", in dessen Rahmen Migranten aus Italien nach Kroatien umgesiedelt werden (bis März 2023 10 Personen), erhalten Unterstützung von IOM Kroatien. Diese Unterstützung umfasst u. a. Reiseunterstützung inkl. Flugticketbuchung. IOM Kroatien schließlich sorgt für den Empfang der Begünstigten des RELITA-Projekts am Flughafen (IOM 30.3.2023).
Quellen:
• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 26.1.2023
• IOM - International Organization for Migration (30.3.2023): Information on IOM activities and IOM supported initiatives for migrants in the Republic of Croatia, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Dokument liegt bei der Staatendokumentation auf.
• JRS – Jesuit Refugee Service (o.D.): Our work in Croatia, https://jrs.net/en/country/croatia/ , Zugriff 31.3.2023
• UNHCR – the UN-Refugee-Agency (o.D.): Reception centers and other helpful services, https://help.unhcr.org/croatia/reception-centers/ , Zugriff 28.3.2023
Unterbringung
Letzte Änderung: 14.04.2023
Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in entsprechenden Aufnahmezentren. Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über zwei offene Aufnahmezentren für Asylwerber, in Zagreb im „Hotel Porin“ (Kapazität: 500-600 Plätze) (AIDA 22.4.2022; vgl. VB 6.2.2023) und in Kutina, mit einer Kapazität von 100 (AIDA 22.4.2022) bis 200 Plätzen (VB 6.2.2023). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt. Das Zentrum in Kutina ist für die Unterbringung vulnerabler Antragsteller gedacht, derzeit findet dort aber Renovierungsarbeiten statt (VB 6.2.2023; vgl. AIDA 22.4.2022).
Der Plan, in Mala Gorica ein neues Aufnahmezentrum zu bauen, wurde nach Protesten der lokalen Bevölkerung wieder verworfen und das veranschlagte Geld in die Renovierung der bestehenden Zentren investiert (AIDA 22.4.2022).
In Slavonski Brod/Bjeliš besteht ein angemietetes Objekt für eventuelle zukünftige Migrationswellen (VB 6.2.2023).
In den Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Minderjährige bis 16 Jahre erhalten zusätzlich eine Nachmittagsjause. In vom Roten Kreuz ausgestatteten Küchen können sich die Asylwerber außerdem selbst Mahlzeiten zubereiten (AIDA 22.4.2022).
Für Familien mit Kindern stellt UNICEF die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern sowie Unterstützung für schwangere und stillende Mütter bereit. Weiters organisiert UNICEF abgeschlossene Bereiche, in denen die Kinder spielen und informell lernen können (UNICEF o.D.).
Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, endet das Recht, sich dort aufzuhalten (AIDA 22.4.2022).
Kroatien verfügt zurzeit über drei Schubhaftzentren mit einer Gesamtkapazität von insgesamt 219 Plätzen: das geschlossene (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 95 Plätzen und die Transitzentren in Trilj und in Torvarnik mit jeweils 62 Plätzen (AIDA 22.4.2022, vgl. VB 6.2.2023).
Quellen:
• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 26.1.2023
• UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (o.D.): Helping child refugees and migrants, https://www.unicef.org/croatia/en/helping-child-refugees-and-migrants , Zugriff 25.1.2023
• VB des BM.I Kroatien [Österreich] (6.2.2023): Bericht des VB, per E-Mail
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 14.04.2023
Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung (AIDA 4.2022; vgl. SRC 12.2021). Diese Behandlung ist in den Aufnahmezentren verfügbar. Darüber hinaus können die Antragsteller an örtliche Krankenhäuser verwiesen werden. Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich (AIDA 22.4.2022).
Aufgrund restriktiver Vorschriften haben Asylwerber nur eingeschränkt Zugang zur regulären Gesundheitsversorgung: Nach dem Gesetz wird ihnen "medizinische Notbetreuung und notwendige Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen" gewährt. Die psychiatrische und psychologische Behandlung von Asylwerbern ist daher nur bei medizinischer Notversorgung und notwendiger Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen abgedeckt. Dies ist meist der Fall, wenn eine Person in ein Krankenhaus eingewiesen werden muss. Abgesehen davon gibt es keine klaren Kriterien für die Feststellung eines Notfalls. Um sicherzustellen, dass diese Bestimmungen des Gesetzes erfüllt werden, finanziert das kroatische Gesundheitsministerium zusammen mit dem Asyl- und Migrationsintegrationsfonds AMIF der Europäischen Union ein medizinisches Projekt, das von Médicins du Monde (MdM) durchgeführt wird. Die Vereinbarung lief bis Ende 2022 (SRC 12.2021).
Teams von Medecins du Monde - bestehend aus Allgemeinmedizinern, einer Krankenschwester, einem Psychologen und einem Dolmetscher - bieten bei Bedarf medizinische und psychologische Unterstützung an. MdM kümmert sich sofern erforderlich auch um den Transport und die Begleitung in Krankenhäuser. Weiters wird Asylwerbern auch eine spezialisierte Betreuung angeboten. Zweimal im Monat sind ein Psychiater, ein Kinderarzt und ein Gynäkologe bei den Konsultationen anwesend. Sie ermöglichen Frauen und Kindern eine fachärztliche Betreuung. Schließlich wird auch die Impfung von Kindern gefördert, indem diese zu den entsprechenden Einrichtungen begleitet werden (MdM o.D.).
Schwangere oder Wöchnerinnen, die eine Überwachung von Schwangerschaft und Geburt benötigt, haben Anspruch auf Gesundheitsversorgung im gleichen Umfang wie Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung. Kindern bis zum Alter von 18 Jahren wird das gesamte Recht auf Gesundheitsversorgung in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften über das Recht auf Gesundheitsversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung garantiert (AIDA 22.4.2022).
MedCOI bearbeitet keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten (EUAA MedCOI 19.2.2021).
Quellen:
• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 26.1.2023
• MdM - Médecins du Monde (o.D.): Soigner et soutenir les demandeurs d'asile à Zagreb & Kutina. Croatie, https://medecinsdumonde.be/projets/soigner-et-soutenir-les-demandeurs-dasile-a-zagreb-kutina#Notreaction , Zugriff 27.1.2023
• SRC - Swiss Refugee Council (12.2021): Situation of asylum seekers and beneficiaries of protection with mental health problems in Croatia, https://www.refugeecouncil.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Dublinlaenderberichte/211220_Croatia_final.pdf , Zugriff 27.1.2023
• EUAA MedCOI - Medical COI (19.2.2021): Auskunft von EUAA MedCOI, per E-Mail
Es wurde weiter ausgeführt, dass die Identität des BF nicht feststehe. Schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden nicht. Der BF habe in Kroatien einen Asylantrag gestellt und Kroatien habe sich gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO für die Führung des Asylverfahrens des BF für zuständig erklärt. Ein zuständigkeitsbeendendes Sachverhaltsmerkmal liege nicht vor. In Österreich würden die Eltern, der Bruder und die Schwester des BF leben. Der Bruder des BF verfüge über einen unbefristeten Aufenthaltstitel, die übrigen genannten Familienangehörigen seien aufgrund einer Familienzusammenführung hier aufhältig. Mit den angeführten Familienangehörigen lebe der BF nicht im gemeinsamen Haushalt. Weiters bestehe weder ein finanzielles noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zu den angeführten Angehörigen. Eine besondere Integrationsverfestigung des BF in Österreich liege nicht vor. In Kroatien sei der BF keinen systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen und habe diese dort auch nicht zu erwarten. Aus den Angaben des BF hätten sich keine stichhaltigen Gründe für die Annahme ergeben, dass er konkret Gefahr liefe, in Kroatien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Zum Vorbringen des BF, dass ihm in Kroatien die Fingerabdrücke unter Zwang abgenommen worden seien, sei anzuführen, dass jeder Mitgliedstaat grundsätzlich dazu angehalten sei, einem Drittstaatsangehörigen, der beim illegalen Überschreiten der Grenze von den zuständigen Sicherheitsbehörden aufgegriffen würde, die Fingerabdrücke abzunehmen, um dessen Identität zu klären. Auch aufgrund der allgemeinen Lage in Kroatien sei nicht davon auszugehen, dass der BF in Kroatien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden könnte oder ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. Der Kontakt zu seinen Familienangehörigen sei bisher primär über Social-Media gepflegt worden. Der Kontakt könne weiterhin über soziale Netzwerke sowie telefonisch aufrechterhalten werden. Die Beziehung zu seinen Verwandten gehe nicht über ein übliches verwandtschaftliches Maß hinaus, wechselseitige Abhängigkeiten lägen nicht vor. Die Anordnung der Außerlandesbringung führe nicht zu einer Verletzung der Dublin III-VO, sowie von Art. 7 Grundrechtecharta bzw. Art. 8 EMRK und die Zurückweisungsentscheidung sei unter diesen Aspekten zulässig. In Kroatien, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als einer Rechts- und Wertegemeinschaft und des Europarates, werde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten. Auch aus der Rechtsprechung des EGMR oder aus sonstigem Amtswissen lasse sich eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Kroatien keinesfalls erkennen. Ein vom BF in besonderem Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung des Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich für möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG habe nicht erschüttert werden können. Ein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO habe sich nicht ergeben.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF im Wege seiner Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Inhaltlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der BF lediglich für etwa eine Woche in Kroatien aufgehalten habe, wovon er fünf Tage „im Wald“ verbracht habe. Er habe in Kroatien zwangsweise seine Fingerabdrücke abgeben müssen und sei von der kroatischen Polizei auch geschlagen worden. Er fürchte, in Kroatien keinen Zugang zu einem fairen Asylverfahren zu erhalten und in sein Heimatland abgeschoben zu werden. Die Eltern und die Geschwister des BF würden rechtmäßig in Österreich leben. Der BF sei auf deren Unterstützung angewiesen und wolle mit seinen Angehörigen zusammenleben. Sein Vater werde am 28.01.2025 operiert und der BF wolle „bei ihm sein“. Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Sie habe die Länderberichte nur unzureichend ausgewertet; aus diesen gehe klar hervor, dass die Situation in Kroatien prekär sei. NGOs und internationale Organisationen würden von Polizeigewalt, Pushbacks und einem unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und erniedrigender und unmenschlicher Behandlung von Asylwerbern berichten. Es komme regelmäßig zu Kettenabschiebungen nach Bosnien und weiter nach Serbien. Die belangte Behörde habe das bestehende Abhängigkeitsverhältnis des BF zu seinen Familienangehörigen verkannt. Es bestehe ein Nähe- und Abhängigkeitsverhältnis. Der BF verfüge in Österreich über ein aufrechtes und schützenswertes Privat- und Familienleben. Im konkreten Fall wäre eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob dem BF in Kroatien eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, erforderlich gewesen, welche jedoch unterblieben sei. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass die Abschiebung des BF nach Kroatien eine Verletzung seiner durch Art. 3 und 8 EMRK sowie Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte darstellen würde, weshalb zwingend das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben gewesen wäre. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung angeregt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der unter Pkt. I. dargelegte Verfahrensgang.
Der BF, ein volljähriger Staatsangehöriger Syriens, gelangte nach eigenen Angaben über die Türkei, Griechenland, Nordmazedonien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Slowenien irregulär in das Bundesgebiet, wo er am 19.09.2024 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Zuvor suchte der BF am 26.07.2024 in Griechenland und am 11.09.2024 in Kroatien um Asyl an.
Am 27.09.2024 richtete das Bundesamt ein erstes auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Kroatien, welchem die kroatischen Behörden nicht zustimmten. Das Bundesamt richtete am 08.11.2024 ein weiteres auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Kroatien. Die kroatischen Behörden stimmten der Wiederaufnahme des BF gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO am 21.11.2024 ausdrücklich zu.
Der BF hat nach Asylantragstellung in Kroatien das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate wieder verlassen. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Kroatiens beendet hätte, liegt nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Kroatien an.
Konkrete, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen würden, liegen nicht vor. Der BF hat nicht dargetan, dass er im Falle einer Überstellung nach Kroatien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Eine den BF konkret treffende Bedrohungssituation in Kroatien wurde nicht substantiiert dargetan.
Der BF ist gesund und benötigt keine Medikamente. Er war in Österreich lediglich wegen eines Ausschlages im Gesicht in ärztlicher Behandlung. In Kroatien war er nicht in ärztlicher Behandlung. In Kroatien sind alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich.
In Österreich halten sich rechtmäßig die Eltern, ein Bruder und eine Schwester des BF auf. Der angeführte Bruder verfügt über eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung; die übrigen Angehörigen kamen im Wege der Familienzusammenführung nach Österreich.
Der BF lebt in Österreich nicht im gemeinsamen Haushalt mit seinen Familienangehörigen. Es bestehen weder finanzielle noch eine sonstige Abhängigkeiten zu seinen Angehörigen. Ein Pflegebedarf besteht nicht. Kontakt besteht primär via WhatsApp. Der BF hat seine Familienangehörigen in Österreich einmal persönlich getroffen. Der BF bezieht Leistungen aus der Grundversorgung; eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich ist nicht ersichtlich. Der BF verfügt in Österreich nicht über ein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Privat- oder Familienleben.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unstrittigen Inhalt des vorliegenden Verwaltungsakts und des Gerichtsakts.
Die Feststellungen zum Reiseweg des BF beruhen auf dessen diesbezüglichen, plausiblen Angaben. Die Asylantragstellung in Kroatien steht aufgrund der vorliegenden EURODAC-Treffermeldung der Kategorie „1“ zu Kroatien fest.
Das Konsultationsverfahren mit Kroatien ist im Verwaltungsakt dokumentiert. Allfällige Mängel des Verfahrens sind nicht ersichtlich.
Dass der BF seit seiner Asylantragstellung in Kroatien und vor Antragstellung in Österreich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate wieder verlassen hat, ergibt sich zweifelsfrei aus den Daten zur Antragstellung in Kroatien (11.09.2024) und in Österreich (19.09.2024).
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Kroatien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtschutz im Rechtsmittelweg getroffen.
Aus den angeführten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das kroatische Asylwesen gravierende systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Kroatien, den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der BF nicht dargetan (siehe hiezu die weiteren Ausführungen unten).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF beruhen auf dessen eigenen nicht anzuzweifelnden Angaben. Medizinische Unterlagen wurden bis dato nicht vorgelegt. Es wurde in diesem Zusammenhang kein konkretes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.
Die Feststellungen zu den persönlichen und familiären Verhältnissen des BF ergeben sich aus dessen eigenen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage. Der BF gab durchgehend an, dass seine Eltern, sein Bruder und seine Schwester in Österreich rechtmäßig aufhältig seien. Dass kein gemeinsamer Haushalt mit seinen Angehörigen besteht, hat der BF selbst angegeben und findet dies auch in einem ZMR-Auszug Deckung. Finanzielle oder sonstige Abhängigkeiten ergeben sich aus der Aktenlage nicht. Der BF bezieht laut einem Auszug aus dem GVS Leistungen aus der Grundversorgung, welche alle existenziellen Grundbedürfnisse abdeckt. Dass der BF mit seinen Familienangehörigen primär via soziale Medien in Kontakt steht, hat er glaubhaft angegeben (AS 133). Ein unzulässiger Eingriff in das durch Art 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des BF in Österreich liegt nicht vor (siehe auch weiter unten).
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.
Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 17 AsylG 2005 idgF).
§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
[...]
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
[…]"
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.der Grad der Integration,
5.die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
"§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
[...]
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:
"Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Art. 16 Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17 Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.
Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird.
In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.
Art. 20 Einleitung des Verfahrens
(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(2) ...
(3) ...
(4) Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.
Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.
(5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.
Diese Pflicht erlischt, wenn der Mitgliedstaat, der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats abschließen soll, nachweisen kann, dass der Antragsteller zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen oder in einem anderen Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel erhalten hat.
Ein nach einem solchen Abwesenheitszeitraum gestellter Antrag im Sinne von Unterabsatz 2 gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.
Art. 25 Antwort auf ein Wiederaufnahmegesuch
(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.
(2) Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von einem Monat von zwei Wochen gemäß Absatz 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person wiederaufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen."
Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs zur Durchführung des gegenständlichen Verfahrens ist der Behörde beizupflichten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Kroatiens ergibt. Es war hierbei zudem eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.06.2012, U 462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12; Shamso Abdullahi/Österreich und vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15; Mehrdad Ghezelbash/Niederlande.
Der BF reiste zunächst über Griechenland und letztlich über Kroatien in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein. Eine Zuständigkeit Griechenlands kommt aufgrund der dort nach wie vor herrschenden systemischen Mängel im Asylsystem nicht in Betracht. Die Einreise nach Kroatien erfolgte letztlich über Bosnien und Herzegowina, einen Drittstaat. In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Kroatiens in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet, da der BF aus einem Drittstaat kommend die Landgrenze Kroatiens illegal überschritten und dort auch einen Asylantrag gestellt hat. Der BF hat Kroatien vor Abschluss seines Zuständigkeitsprüfungsverfahrens verlassen und ist Kroatien gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO verpflichtet, den BF wieder einreisen zu lassen und das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren zu Ende zu führen. Kroatien hat der Rücknahme des BF gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO auch ausdrücklich zugestimmt. Die Zuständigkeit Kroatiens ist auch nicht etwa zwischenzeitig wieder erloschen, da der BF das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht für mehr als drei Monate wieder verlassen hat (siehe auch oben). Die Überstellungsfrist ist zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt noch offen.
Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich gegenständlich keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrags des BF (siehe hiezu auch weiter unten).
Nach der Rechtsprechung des VfGH (zB 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (zB 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.
Das Bundesamt hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall erwogen:
Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Sofern keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). „Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist.“ (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit e Dublin II-VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).
Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11, Bundesrepublik Deutschland/Kaveh Puid zu verweisen (Rn. 36, 37).
Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.
Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass […] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums […] geltend machen kann.
Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15, Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 2. Unterabsatz der Verordnung geltend machen kann.
Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber (objektiv) vorliegen, und, zum anderen, aus unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Erwägungen, der BF im Falle der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und seiner Außerlandesbringung gemäß §§ 5 AsylG 2005 und 61 FPG – unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation (subjektiv) – in seinen Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt würde, wobei der Maßstab des „real risk“ anzulegen ist, wie ihn EGMR und VfGH auslegen (vgl. dazu auch Baumann/Filzwieser in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht - Jahrbuch 2018, Seiten 213ff.).
In diesem Zusammenhang führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass mit § 5 Abs. 3 AsylG 2005 eine gesetzliche „Beweisregel“ geschaffen wurde, die es – im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union vorgenommene normative Vergewisserung – grundsätzlich nicht notwendig macht, die Sicherheit des Asylwerbers vor „Verfolgung“ im nach dem Dublin-System zuständigen Mitgliedstaat von Amts wegen in Zweifel zu ziehen. Die damit aufgestellte Sicherheitsvermutung ist jedoch unter näher bezeichneten Voraussetzungen widerlegbar (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2015/17/0113 bis 0120, mwN auf die bisherige Rechtsprechung). Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nur durch eine schwerwiegende, die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC übersteigende allgemeine Änderung der Rechts- und Sachlage im zuständigen Mitgliedstaat widerlegt werden kann [vgl. aktuell dazu auch VwGH 20.06.2017, Ra 2016/01/0153-16 (Rz 33, 35); 09.11.2017, Ra 2017/18/0272 bis 0273 (Rz 10); 04.09.2018, Ra 2017/01/0252 mwN; 15.04.2019, Ra 2019/01/0109 (Rz 8) mit Verweis auf EuGH 19.03.2019, C-163/17, Rs Jawo, zum Prinzip des gegenseitigen Vertrauens].
Von Relevanz wären bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa: grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien, kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren).
Solche Mängel – die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen wären, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 – sind schon auf Basis der Feststellungen des Bundesamtes nicht erkennbar. Es gibt keinerlei Berichte hinsichtlich einer etwaigen Dysfunktionalität des kroatischen Asylsystems und des Vorliegens systemischer Mängel, wie dies in der Beschwerde in den Raum gestellt wird. Demgemäß wurden die Überstellungen von Dublin-Rückkehren nach Kroatien vom EuGH auch bestätigt.
Es ist nicht erkennbar, dass Kroatien gegenüber Asylwerbern aus Syrien unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde.
Es ist festzuhalten, dass kein konkretes Vorbringen ergangen ist, das geeignet wäre, anzunehmen, dass der rechtliche und faktische Standard des kroatischen Asylverfahrens eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte erkennen ließe. Aus den von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Feststellungen zum kroatischen Asylverfahren ergibt sich, dass Asylwerbern dort ein rechtstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit offensteht, in welchem die Voraussetzungen der Asylgewährung und des Rückschiebungsschutzes im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, definiert sind. Rückkehrer nach der Dublin-VO haben grundsätzlich vollen Zugang zum Asylsystem. Personen, die Kroatien vor Abschluss des Verfahrens verlassen haben – wie gegenständlich der BF – und deren Verfahren daher ausgesetzt wurde, können nach ihrer Rückkehr erneut ein Asylverfahren beantragen, um das ursprüngliche Verfahren wiederaufzunehmen. Diese Anträge sind nicht als Folgeanträge anzusehen.
Nach den Länderfeststellungen vom 14.04.2023 haben Dublin-Rückkehrer keine Schwierigkeiten beim Zugang zum Aufnahmesystem und zu den materiellen Aufnahmebedingungen. Während des laufenden Verfahrens haben Asylwerber das Recht auf materielle Versorgung, das die Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel umfasst. Das Innenministerium, das die Aufnahmezentren betreibt, ist für die Erbringung von Leistungen durch NGOs verantwortlich und hat derzeit Verträge mit dem Kroatischen Roten Kreuz (CRC) und Medecins du Monde abgeschlossen. In Aufnahmezentren für Antragsteller untergebrachten Dublin-Rückkehrern wird vom Kroatischen Roten Kreuz Unterstützung bei der Integration in die kroatische Gesellschaft angeboten.
Für das Gericht besteht kein Grund zum Zweifel, dass der BF nach seiner Rückkehr nach Kroatien und (erneuter Antragstellung; siehe oben) adäquate Unterbringung und Versorgung erhalten wird. Eine Überbelegung der Unterkünfte bzw. Camps ist nicht ersichtlich. Im Übrigen sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass sich dem Urteil des EGMR vom 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel/Schweiz, nicht entnehmen ließe, dass im Vorfeld von Rücküberstellungen in andere Dublin-Staaten als Italien gleichermaßen Garantien hinsichtlich der Unterbringung (von Familien) einzuholen wären (vgl. VwGH 8.9.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159). Beim BF handelt es sich um einen jungen, gesunden Mann, der alleine reist und somit nicht um eine besonders vulnerable Person.
Es bleibt festzuhalten, dass sich Asylwerber im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staates nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen können, in welchem sie die bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten können oder den sie aus sonstigen Gründen bevorzugen. Die einschlägigen Standards in den Mitgliedstaaten weichen voneinander ab, wie auch der Lebensstandard in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ist. Es bleibt in diesem Zusammenhang jedoch anzumerken, dass das kroatische Asylwesen, die diesbezügliche Gesetzgebung sowie die Unterbringungssituation, den Länderberichten zufolge sämtliche Mindeststandards der EU erfüllen. Es ist auf den Hauptzweck der Dublin-VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wünschen der Asylwerber losgelöste Zuständigkeitsregelung zu treffen und das „Zielland“ nach den in der Verordnung normierten Zuständigkeitskriterien zu ermitteln ist. Gegenständlich hat sich unzweifelhaft die Zuständigkeit Kroatiens ergeben.
Asylwerber, deren Verfahren nach neun Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten und können auf freiwilliger Basis auch innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten. Ebenso besteht eine Mitwirkungsmöglichkeit bei gemeinnützigen Tätigkeiten oder bei der Arbeit humanitärer Organisationen. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass NGO-Unterstützung auch bei der Arbeitssuche geleistet wird.
Es gibt keine Hinweise dahingehend, dass Kroatien das Non-Refoulement-Gebot nicht beachten würde. So wird für jeden Antrag gesondert festgestellt, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats erfüllt sind. Hierzu wird geprüft, ob ein Antragsteller in einem Land vor Verfolgung oder vor dem Risiko, ernsthaft Schaden zu erleiden, sicher ist, wenn das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Weiter wird dabei unter Berücksichtigung aller Fakten und Umstände des Antrags beurteilt, ob vernünftigerweise erwartet werden kann, dass der Antragsteller in diesem Staat internationalen Schutz beantragen könnte. Nur wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Land Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann nach den Länderfeststellungen zu Kroatien dessen Antrag als unzulässig zurückgewiesen werden. Dass der BF nach Rückkehr Opfer einer Kettenabschiebung nach Bosnien und Herzegowina oder nach Serbien und in weiterer Folge nach Syrien werden könnte, ist nach dem Gesagten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Nachprüfbare Berichte hinsichtlich ungeprüfter Kettenabschiebungen von Angehörigen Syriens nach Serbien oder Bosnien und Herzegowina sowie in weiterer Folge nach Syrien liegen nicht vor. Nur wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Land Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann nach den Länderfeststellungen zu Kroatien dessen Antrag als unzulässig zurückgewiesen werden. Ein „real risk“ einer Art. 3 EMRK-Verletzung ist auch in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen.
Was die in Berichten und auch in der Beschwerde angesprochene Ausübung gewaltsamer Pushbacks und Misshandlungen irregulärer Migranten durch die Polizei betrifft, so ist festzuhalten, dass es laut jüngster Auskunft des Verbindungsbeamten vom 06.02.2023 nunmehr keine bzw. weniger Berichte und Beschwerden über Pushbacks gibt. Es ist nicht davon auszugehen, dass der BF im Zuge eines behördlich organisierten Dublin-Überstellungsverfahrens mit unrechtmäßigem Verhalten der kroatischen Sicherheitskräfte konfrontiert sein könnte, zumal er in diesem Fall kein „illegaler Migrant“ ist. Von illegalen Pushbacks sind Dublin-Rückkehrer nicht betroffen.
Zum Vorbringen des BF, er sei in Kroatien gezwungen worden, seine Fingerabdrücke abzugeben und von Polizisten geschlagen worden, ist zunächst festzuhalten, dass sämtliche Mitgliedstaaten der EU (so auch Österreich) gehalten sind, irregulär eingereiste Fremde einer erkennungsdienstlichen Behandlung zuzuführen, um deren Identität festzustellen. Es handelt sich dabei um eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme, die insbesondere für die Wahrung der Sicherheit der Mitgliedstaaten notwendig ist, und somit um einen zumutbaren Eingriff. Da der BF offenkundig versuchte, in Kroatien nicht aufgegriffen zu werden, um eine Zuständigkeit Kroatiens zu verhindern, hat er sich offenkundig 5 Tage lang in einem Wald „versteckt“ und nach seinem Aufgriff die Abgabe der Fingerabdrücke verweigert. Die berichteten Übergriffe seitens der kroatischen Polizei könnten, bei deren Zutreffen, in Zusammenhang mit dem dargestellten Szenario zu sehen sein. Abgesehen davon, dass eine übermäßige Gewaltanwendung stets zu verurteilen ist, fehlt es gegenständlich an jeglicher, näherer Darlegung der Umstände des angeblichen Übergriffs durch kroatische Polizisten; der BF behauptete lediglich unsubstantiiert, „von Polizisten geschlagen“ worden zu sein. Mangels einer Anzeigenerstattung liegen jedoch keine Nachweise für den behaupteten Übergriff vor. Wenngleich es nicht gänzlich auszuschließen ist, dass es vereinzelt zu Übergriffen von Sicherheitskräften oder von Lagerpersonal gegen Asylsuchende kommt, ist nach den Länderberichten jedoch nicht von einem systematischen Vorgehen gegen Schutzsuchende auszugehen. Der BF wäre, wie gesagt, gehalten gewesen, einen allfälligen Übergriff seitens der Sicherheitsorgane in Kroatien zur Anzeige zu bringen. In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass bei Kroatien, einem Rechtsstaat und Mitglied der Europäischen Union, vorauszusetzen ist, dass sich die dortigen Sicherheitsbehörden an die Standards der EU halten und Asylwerber Übergriffen (von welcher Seite auch immer) nicht schutzlos ausgesetzt sind. Es ist von der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der kroatischen Sicherheitsbehörden auszugehen.
Nach den Länderberichten zu Kroatien kann keinesfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Asylwerber im Fall einer Überstellung konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. Insgesamt gesehen herrschen somit in Kroatien nach dem gegenwärtigen Informationsstand keineswegs derartige systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar wären. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich außerdem, dass die Verletzung einzelner Bestimmungen von Richtlinien nicht schon per se mit einem systemischen Mangel gleichzusetzen ist (EuGH 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, Rn. 82 bis 85).
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage für nach Kroatien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts. Nach den Länderberichten ist nicht zu erwarten, dass der BF nach seiner Rückkehr quasi sich selbst überlassen bliebe und so in eine ausweglose Situation geraten könnte. In Kroatien haben Asylwerber das Recht auf materielle Versorgung während ihres Asylverfahrens.
Im Übrigen vermögen einzelne Grundrechtsverletzungen, respektive Verstöße gegen Asylrichtlinien, die Anwendung der Dublin II-VO (und nunmehr der Dublin III-VO) demgegenüber unionsrechtlich nicht zu hindern und bedingen keinen zwingenden, von der Beschwerdeinstanz wahrzunehmenden, Selbsteintritt (EuGH C-411/10 und C-493/10). Es ist davon auszugehen, dass der BF als Dublin-Rückkehrer in Kroatien nicht quasi sich selbst überlassen werden und in eine ausweglose Situation iSd Art. 3 EMRK geraten könnte.
Eine Schutzverweigerung seitens Kroatiens ist nicht zu erwarten. Ein „real risk“ einer Art. 3 EMRK-Verletzung ist auch in diesem Zusammenhang nicht zu befürchten.
Insgesamt gesehen konnte der BF keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.
Jedenfalls hätte der BF die Möglichkeit, etwaige ihm drohende oder eingetretene Verletzungen seiner Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Kroatien und letztlich beim EGMR geltend zu machen.
Zur medizinischen Versorgung von Asylwerbern in Kroatien:
Bezüglich des Gesundheitszustandes ist unbestritten, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung in den Zielstaat nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohen würde. In einem solchen Fall wäre das Selbsteintrittsrecht gemäß Dublin-VO zwingend auszuüben.
In diesem Zusammenhang ist auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die relevante Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).
Zusammenfassend führt der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).
Die Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren“) bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung vorliegt.
Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.
In seiner Entscheidung im Fall „Paposhvili vs. Belgium“ hat der EGMR am 13.12.2016 seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass ein Betroffener auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben muss und auch die Kosten der Behandlung und Medikamente und das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks zu berücksichtigen sind. „Außergewöhnliche Umstände“ würden bereits auch dann vorliegen, wenn stichhaltige Gründe dargelegt würden, dass eine schwer kranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung, einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führen würde.
Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG 2005 in der Stammfassung). Dabei sind die von den Asylinstanzen festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Reisefähigkeit" handelt.
Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, haben eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustandes außer Betracht zu bleiben. Ebenso vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalem Stress eine Abschiebung nicht unzulässig zu machen.
Die gesundheitliche Situation des BF, der selbst angegeben hat, abgesehen von einem Ausschlag im Gesicht, gesund zu sein und keine Medikamente zu benötigen, steht einer Überstellung nach Kroatien jedenfalls nicht entgegen. Befunde oder Arztschreiben wurden bis dato nicht vorgelegt. Der BF ist zweifellos nicht akut lebensbedrohlich erkrankt; an der Transportfähigkeit des BF bestehen zum jetzigen Zeitpunkt insofern keine Zweifel. Eine behördlich organisierte Überstellung des BF (auch auf dem Luftweg) nach Kroatien wäre dem BF jedenfalls zumutbar.
In Kroatien sind grundsätzlich alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich. In den Aufnahmezentren besteht ausreichende medizinische Versorgung für Asylwerber, die jedenfalls das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung beinhaltet. Darüber hinaus ist die Überweisung an örtliche Krankenhäuser möglich. Teams von Medecins du Monde bieten bei Bedarf medizinische und psychologische Unterstützung an. Weiter wird Asylwerbern auch eine spezialisierte Betreuung angeboten. Zweimal im Monat sind ein Psychiater, ein Kinderarzt und ein Gynäkologe bei den Konsultationen anwesend, wodurch Frauen und Kindern eine fachärztliche Betreuung ermöglicht wird.
Es ist nicht erkennbar, dass dem BF nach Rückkehr eine allenfalls erforderliche medizinische Versorgung vorenthalten würde. Nach derzeitigem Stand ist auch nicht davon auszugehen, dass der BF in besonderem Maße auf medizinische Betreuung angewiesen wäre.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen eines Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.
Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Ein Recht auf Familienleben gem. Art. 8 EMRK kann sich nicht nur in Bezug auf die Kernfamilie ergeben, sondern auch auf andere verwandtschaftliche Verhältnisse (wie bspw. zwischen erwachsenen Geschwistern), insofern bestimmte Voraussetzungen einer hinreichend stark ausgeprägten Nahebeziehung erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind u.a. gegenseitige finanzielle Abhängigkeit, ein gemeinsamer Wohnsitz sowie sonstige Abhängigkeit wie beispielsweise gegenseitige Pflege.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ist das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Bindungen („marriage-based relationships“) beschränkt, sondern erfasst auch andere faktische Familienbindungen („de facto family ties“), bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben. Zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK begründet, stellt der EGMR auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen – etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder – äußern können. Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens iSd Art. 8 MRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des EGMR jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind (vgl. etwa VwGH 17.12.2019, Ro 2019/18/0006, mwN).
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR nur dann unter den Schutz des Familienlebens des Art. 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 20.12.2011, 6222/10, A.H. Khan, Rn 32; 12.01.2010, 47486/06, A.W. Khan; 10.07.2003, 53441/99, Benhebba, Rn 36). Auch auf die Beziehung zwischen Eltern und ihrem erwachsenen Kind wendet die Rechtsprechung des EGMR regelmäßig dieses Kriterium der zusätzlichen, über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmale der Abhängigkeit, an.
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516/2005 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).
Im Bundesgebiet befinden sich rechtmäßig die Eltern, der Bruder und die Schwester des BF. Im vorliegenden Fall hat die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung die Trennung des BF von den genannten Angehörigen zur Folge. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte sohin grundsätzlich einen Eingriff in den Schutzbereich des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK darstellen.
Die Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des § 9 BFA-Verfahrensgesetz in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 EMRK bzw. Art. 52 Abs. 1 GRC, insbesondere der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes, führt jedoch zu dem Ergebnis, dass die für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechenden öffentlichen Interessen schwerer wiegen als die persönlichen Interessen der Beteiligten.
Der BF lebt mit den genannten Familienangehörigen in Österreich nicht im gemeinsamen Haushalt. Auch nach seiner Einreise in das Bundesgebiet steht der BF mit seinen Familienangehörigen primär via WhatsApp in Kontakt; in über 5 Monaten (!) fand lediglich ein persönliches Treffen statt. Der BF gab zwar an, gelegentlich Geld von seinem Vater zu erhalten, da er selbst keiner Arbeit nachgehen dürfe. Es ist aber trotzdem nicht von einer finanziellen (oder sonstigen) Abhängigkeit des BF von seinem Vater oder seinen anderen Familienangehörigen auszugehen, zumal der BF seit seiner Einreise in das Bundesgebiet Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt. Während des laufenden Asylverfahrens (sowohl in Österreich als auch, nach seiner Rückkehr, in Kroatien) hat der BF Anspruch auf Deckung seiner existenziellen Grundbedürfnisse durch staatliche Grundversorgungsleistungen. Es bleibt dem Vater des BF unbenommen, den BF gegebenenfalls in Kroatien (weiterhin) finanziell zu unterstützen. Dass ein Pflegebedarf bestünde, den der BF bewerkstelligen könnte und würde, wurde nicht dargelegt.
Eine, über die üblichen Bindungen hinausgehende Beziehungsintensität zwischen dem erwachsenen BF und seinen Familienangehörigen konnte nach dem Gesagten nicht erkannt werden. Zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit, die über die üblichen Bindungen zwischen Verwandten hinausgehen, sind nicht erkennbar.
Wenn es auch nachvollziehbar ist, dass der BF bei seinen im Bundesgebiet aufhältigen Familienangehörigen bleiben möchte, ist festzuhalten, dass der Wunsch des BF, von den genannten Personen nicht getrennt zu werden, keine derart außergewöhnliche Situation darstellt, dass eine Familienzusammenführung aus Gründen der EMRK zwingend geboten wäre. Ein humanitärer Sonderfall ist gegenständlich nicht zu erkennen.
Sowohl der BF als auch seine Familienangehörigen mussten sich des bloß vorläufigen Aufenthaltsstatus des BF bewusst gewesen sein. Der BF durfte von Anfang an nicht damit rechnen, dass ihm unabhängig vom Ausgang seines Asylverfahrens eine weitere Niederlassung im Bundesgebiet bewilligt wird (vgl. VwGH vom 21.01.2010, Zl. 2009/18/0258). Der BF konnte unter diesen Umständen zu keiner Zeit vernünftigerweise erwarten, ein allfälliges Familienleben aufgrund des hier gestellten Asylantrages in Österreich begründen bzw wieder aufnehmen zu können. Der Kontakt zwischen dem BF und seinen Familienangehörigen, kann, wie auch bisher, über Telefon oder das Internet sowie unter Umständen durch Besuche seiner Familienangehörigen in Kroatien aufrechterhalten werden.
Auch bei einem Eingriff in das Privatleben misst die Rechtsprechung im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dem Umstand wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfGH 12.06.2013, U 485/2012; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012).
Schwer ins Gewicht fällt die Missachtung der österreichischen Einreise- und Einwanderungsvorschriften durch den BF. Gemäß Art. 3 Abs. 1 letzter Satz Dublin III-VO wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Die rechtswidrige Weiterreise des BF innerhalb der Union zwecks Einbringung eines weiteren Asylantrages stellt ein Verhalten dar, das durch die Rechtsvorschriften des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verhindert werden soll, um eine zügige Bearbeitung der zahlreichen jährlich gestellten Asylanträge in den Mitgliedstaaten der Union zu ermöglichen.
Die privaten und familiären Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund. Er verfügte zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel, sondern stützte den Aufenthalt vielmehr von Anfang an nur auf einen unzulässigen Antrag auf internationalen Schutz. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet kam dem BF nicht einmal eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu, sondern es bestand – da das Verfahren nicht zugelassen war – lediglich faktischer Abschiebeschutz. Zudem war der insgesamt verbrachte Zeitraum des BF in Österreich gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen (dort: vorläufig berechtigten) Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).
Es lagen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration des BF in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11). Integrationsbemühungen sind nicht dokumentiert. Der durch die normierte Ausweisung des BF aus dem Bundesgebiet erfolgte Eingriff in sein Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu seinem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK vorliegt. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrags des BF auf internationalen Schutz vorzunehmen.
Wie ausgeführt, stellt die Anordnung zur Außerlandesbringung des BF keinen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.
Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; die dort genannten Kriterien für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG sind gegenständlich erfüllt). Es ergab sich kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit den BF zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).
Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im vorliegenden Fall liegen die tragenden Elemente der Entscheidung allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, die auf den umfassenden und aktuellen Feststellungen der Behörde über die Lage im Vertragsstaat beruht, sowie in der Bewertung der Intensität des Privat- und Familienlebens des BF und demgemäß in Tatbestandsfragen.
Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.
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