BVwG W185 2286657-1

BVwGW185 2286657-114.5.2024

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W185.2286657.1.00

 

Spruch:

 

W185 2286655-1/4EW185 2286657-1/4EIM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX und 2.) XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , beide StA. Afghanistan, die mj. Beschwerdeführerin vertreten durch die Kindesmutter XXXX alias XXXX als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2024, Zl. 1377696502-232437221 (1.) und Zl. 1377692002-232436403 (2.), zu Recht:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2). Die Beschwerdeführerinnen (im Folgenden: BF), Staatsangehörige Afghanistans, stellten nach irregulärer Einreise in das Bundesgebiet am 23.11.2023 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz.

EURODAC-Treffermeldungen zufolge wurde die BF1 in Griechenland am 09.12.2022 erkennungsdienstlich behandelt und suchte am selben Tag auch um Asyl an. Am 19.11.2023 wurde die BF1 dann in Kroatien erkennungsdienstlich behandelt und suchte dort am selben Tag auch um Asyl an.

Im Akt erliegt eine Kopie einer griechischen Asylwerberkarte aus der sich die Aliasdaten der BF1 ergeben (As 23).

Im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.11.2023 gab die BF1 zusammengefasst an, der Einvernahme ohne gesundheitliche Probleme folgen zu können, keine Medikamente zu benötigen und nicht schwanger zu sein. In Österreich seien, neben der mitgereisten BF2, zwei ihrer (namentlich genannten) Schwestern aufhältig. Der Ehemann der BF1 befinde sich (noch) in Serbien. Den Herkunftsstaat habe die BF1 vor etwa drei Jahren illegal verlassen. Ihr Zielland sei Österreich gewesen, weil ihre Schwestern und weitere Verwandte hier wohnhaft seien. Sie sei über Pakistan (Durchreise), den Iran (Aufenthalt fünf Tage), die Türkei (Aufenthalt zweieinhalb Jahre), Griechenland (Aufenthalt zehn Monate), Mazedonien (Durchreise), Serbien (Aufenthalt drei Wochen), Bosnien (Aufenthalt eine Woche), Kroatien (Aufenthalt vier Tage) und Slowenien (Durchreise) nach Österreich gelangt. In Griechenland und Kroatien seien die BF von der Polizei angehalten und der BF1 die Fingerabdrücke abgenommen worden. Sie habe in keinem dieser Länder um Asyl angesucht. Die schleppergestützte Flucht habe der Ehemann der BF1 organisiert. Die BF1 stellte auch einen Antrag auf internationalen Schutz für die mj BF2.

Am 02.01.2024 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Kroatien. Dies unter Hinweis auf die Eurodac-Treffer der Kategorie "1" und "2" zu Griechenland und Kroatien, die systemischen Defizite in Griechenland und den angegebenen Reiseweg (AS 47f).

Die kroatischen Behörden stimmten der Wiederaufnahme der BF gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO am 15.01.2024 ausdrücklich zu und gaben die Aliasdaten der BF bekannt (AS 57).

Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt am 29.01.2024 gab die BF1 zusammengefasst an, sich körperlich und geistig in der Lage zu fühlen, die gestellten Fragen zu beantworten. Für ihre Tochter würden dieselben Fluchtgründe gelten. Gesundheitlich gehe es ihrer Tochter und auch der BF1 selbst gut. Die mj BF2 leide an keinen Krankheiten und benötige keine Medikamente. Die BF1 stellte in der Folge den Nachnamen und das Geburtsdatum der mj BF2 richtig; die Genannte sei in der Türkei zur Welt gekommen. Ihre bisherigen Angaben, auch zum Reiseweg, würden der Wahrheit entsprechen. Entgegen den Angaben im Rahmen der Erstbefragung sei festzuhalten, dass sich ihr Ehemann mittlerweile bereits in Deutschland befinde. Sie habe keinen Kontakt mehr zu ihrem Ehemann. Die BF hätten in Griechenland und in der Türkei einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In Griechenland habe sich zehn Monate lang aufgehalten und einen negativen Bescheid erhalten. Auch in der Türkei sei es nicht möglich gewesen, Asyl zu bekommen. In Österreich würden die BF von der Grundversorgung leben. Sie würden hier sonst von niemandem unterstützt. In Österreich hätten die BF viel Verwandte. Ihre beiden Schwestern würden seit etwa neun bzw. fünfzehn Jahren in Wien leben. Die BF seien bereits von den genannten Schwestern in der Unterkunft besucht worden. Geld habe sie von ihren Angehörigen nicht erhalten; sie hätten ihnen aber Kleidung gebracht. Als die BF2 in der Türkei zur Welt gekommen sei, habe ihre Schwester sie besucht. Vor ihrer Einreise habe die BF1 telefonischen Kontakt mit ihren hier aufhältigen Schwestern gehabt. Auch eine Tante und ihre Tochter sowie ein Onkel der BF würden sich im Bundesgebiet aufhalten. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Verwandten in Österreich bestehe nicht. Ihre Schwestern würden ihr aber helfen, zum Beispiel bei Arztbesuchen etc. Die BF seien in Österreich bisher zweimal beim Arzt gewesen; die Schwestern der BF1 seien jedoch nicht dabei gewesen. Über Vorhalt der Absicht des Bundesamtes, den Asylantrag der BF als unzulässig zurückzuweisen und eine Anordnung zur Außerlandesbringung auszusprechen, erklärte die BF1, nicht nach Kroatien zurückkehren zu wollen. Die kroatische Polizei sei „sehr schlimm“. Die Polizeibeamten würden an der Grenze „einfach darauflosschlagen“. Die BF hätten dort eine schwere Zeit durchgemacht. Sie selbst sei zwar nicht von der Polizei geschlagen, aber „sehr laut angeschrien“ worden. Sie habe nicht die Möglichkeit gehabt, sich deswegen zu beschweren. In Kroatien hätten sich die BF drei Tage lang aufgehalten. Sie hätten sie einen Tag und eine Nacht nichts zu essen bekommen. Draußen sei es kalt gewesen und es sei ihnen „nicht gut“ gegangen; ihre Tochter sei krank geworden. In der Folge seien die BF mit einer anderen afghanischen Familie von der Polizei an die Grenze zu Slowenien gebracht worden, von wo aus sie dann mit dem Zug nach Österreich gefahren seien. Die BF1 könne nicht zurück nach Kroatien, weil sie ein Kind habe und dort auf sich alleine gestellt wäre.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO zur Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Kroatien wurden im angefochtenen Bescheid folgendermaßen zusammengefasst:

Allgemeines zum Asylverfahren

Letzte Änderung: 14.04.2023

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2 22.4.2022; USDOS 12.4.2022 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

(AIDA 22.4.2022)

Im Jahr 2021 bestand die größte Herausforderung neben der anhaltenden Ausbreitung von COVID-19 weiterhin in einem strengen Grenzregime, das den Zugang zum Hoheitsgebiet und zum Verfahren für internationalen Schutz in Kroatien einschränkt und ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Schutzes der Menschenrechte von Personen, die internationalen Schutz beantragen, aufkommen lässt (HPC 22.42022).

Im Jahr 2022 wurden laut Eurostat 12.750 Erstanträge gestellt (von insgesamt 12.870 Anträgen im Vergleich zu 2.930 Anträgen im Jahr 2021) (Eurostat 23.3.2023; vgl. MoI 1.2.2023). Die Zahl der mutmaßlich unbegleiteten Minderjährigen belief sich auf 128 Personen (Eurostat 9.3.2023). Russen stellen inzwischen die mit Abstand antragsstärkste Nationalität dar (VB 6.2.2023).

Quellen:

• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 24.1.2023

• Eurostat (23.3.2023): Asylum and first time asylum applicants - annual aggregated data, https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tps00191/default/table?lang=en , Zugriff 28.3.2023

• Eurostat (9.3.2023): Asylum applications of unaccompanied minors withdrawn by citizenship, age, sex and type of withdrawal - annual aggregated data, https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/migr_asyumwita/default/table?lang=en , Zugriff 28.3.2023

• HPC - Croatian Law Centre (22.4.2022): Access to the territory and push backs - Croatia, https://asylumineurope.org/reports/country/croatia/asylum-procedure/access-procedure-and-registration/access-territory-and-push-backs/ , Zugriff 25.1.2023

• MoI - Ministry of Interior [Kroatien] (1.2.2023): Statistische Indikatoren von Antragstellern auf internationalen Schutz gem Staatsbürgerschaft und Geschlecht für den Zeitraum 01.01.-31.12.2022, https://mup.gov.hr/UserDocsImages/OTVORENI%20PODACI/Tra%C5%BEitelji%20me%C4%91unarodne%20za%C5%A1tite/web%20statistike%202022%20Q4%20TMZ.pdf , Zugriff 17.2.2023

• USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071254.html , Zugriff 24.1.2023

• VB des BM.I Kroatien [Österreich] (6.2.2023): Bericht des VB, per E-Mail

Dublin-Rückkehrer

Letzte Änderung: 13.04.2023

Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren (dies waren im Jahr 2021 insgesamt 54 Personen), haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Allerdings müssen Personen, die Kroatien vor Abschluss des Verfahrens verlassen haben und deren Verfahren daher ausgesetzt wurde, nach ihrer Rückkehr nach Kroatien erneut ein Asylverfahren beantragen (wenn sie dies wünschen), und somit das ursprüngliche Verfahren wieder aufnehmen, wie es in Artikel 18 Absatz 2 der Dublin-III-Verordnung vorgesehen ist (AIDA 22.4.2022).

Andererseits gelten Personen, deren Antrag ausdrücklich zurückgezogen oder abgelehnt wurde, bevor sie Kroatien verlassen haben, als Folgeantragsteller, was im Widerspruch zur Dublin-Verordnung steht. Dublin Rückkehrer haben keine Schwierigkeiten beim Zugang zum Aufnahmesystem und zu den materiellen Aufnahmebedingungen (AIDA 22.4.2022).

Das kroatische Rote Kreuz (CRC) bietet Dublin-Rückkehrern, die in Aufnahmezentren für Antragsteller untergebracht sind, Unterstützung bei der Integration in die kroatische Gesellschaft an (IOM 30.3.2023).

Quellen:

• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 24.1.2023

• IOM - International Organization for Migration (30.3.2023): Information on IOM activities and IOM supported initiatives for migrants in the Republic of Croatia, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Dokument liegt bei der Staatendokumentation auf.

Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Letzte Änderung: 13.04.2023

Als vulnerabel gelten unmündige Personen, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, alte und gebrechliche Personen, ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern, psychisch Kranke, Opfer von Menschenhandel, Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen psychologischer, physischer und sexueller Gewalt. Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände ist ihnen geeignete – auch medizinische - Unterstützung zu bieten. Speziell geschulte Beamte sollen Vulnerable identifizieren; ein institutionalisiertes Früherkennungssystem gibt es nicht (AIDA 22.4.2022).

In Gesetz und Praxis wird die Identifizierung spezieller Bedürfnisse als kontinuierlicher Prozess während des Verfahrens gesehen. Die frühzeitige Erkennung von Vulnerabilität erfolgt durch speziell ausgebildete Polizeibeamte, die dann das Aufnahmezentrum für Asylwerber je nach Bedarf entsprechend informieren. Die weitere Ermittlung besonderer Schutzbedürftigkeit erfolgt in der Unterbringung durch Sozialarbeiter oder Mitarbeiter von NGOs in Kooperation mit dem Innenministerium. Weniger offensichtliche Vulnerabilität wie z. B. im Zusammenhang mit Traumatisierten oder Opfern von Folter oder Menschenhandel oder auch von LGBTI-Personen werden in der gegenwärtigen Praxis viel seltener erkannt. Das Rehabilitationszentrum für Stress und Trauma berichtete, dass es noch immer keinen geeigneten Mechanismus zur Identifizierung von Folteropfern gibt (AIDA 22.4.2022).

Als "unbegleitete Minderjährige" gelten Drittstaatsangehörige bzw. staatenlose Personen, die jünger als 18 Jahre alt sind und ohne Begleitung verantwortlicher erwachsener Personen in die Republik Kroatien eingereist sind, aber auch alle Minderjährigen, die nach der Einreise unbegleitet verbleiben (AIDA 22.4.2022)

Nach Angaben des Ministeriums für Arbeit, Rentensystem, Familie und Sozialpolitik haben unbegleitete Minderjährige nach wie vor Schwierigkeiten beim Zugang zum Bildungswesen und stoßen auf den Widerstand der lokalen Gemeinden gegen ihre Integration. Sie können nur kurzzeitig in Sozialhilfeeinrichtungen untergebracht werden. Weitere Schwierigkeiten betreffen den Mangel an Dolmetschern, die fehlende Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen und die unzureichende Kooperation von Sondervormunden mit Unterbringungseinrichtungen für unbegleitete Minderjährige. Im Jahr 2021 erhielt das Büro der Ombudsperson für Minderjährige weiterhin Informationen über Fälle, in denen Behörden Kinder von Migranten und Asylwerbern monatelang von ihren Familien trennten. Die Medien berichteten auch über zwei Fälle der Trennung von Eltern und Kindern durch kroatische Grenzschutzbeamte an den Außengrenzen, ohne dass Informationen über den Verbleib der Eltern vorlagen. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst berichtete von einer zunehmenden Zahl von Familien, die an der Grenze getrennt werden, wenn Mütter und Kinder einen Asylantrag stellen dürfen, während die Väter nach Bosnien und Herzegowina zurückgeschoben werden (AIDA 22.4.2022).

Die Ombudsperson für Minderjährige berichtete, dass im Jahr 2021 laut NGO-Angaben 256 Minderjährige zurückgeschoben wurden. Es gibt auch Berichte über physische und psychische Gewalt gegen Minderjährige und Verweigerung des Rechts auf internationalen Schutz (HPC 22.4.2022).

Am 1. Januar 2019 trat ein neues Pflegeelterngesetz in Kraft, das die Möglichkeit des Aufenthalts unbegleiteter Minderjähriger in einer Pflegefamilie vorsieht. 2020 gab es noch keine Minderjährigen in Pflegefamilien, im Jahr 2021 waren es drei (AIDA 22.4.2022).

Gemäß dem Protokoll über Verfahren für unbegleitete und von ihren Eltern getrennte Minderjährige muss der Polizeibeamte bei Feststellung, dass ein Kind unbegleitet oder von seinen Eltern getrennt ist, Maßnahmen zur Sicherstellung des Identifizierungsverfahrens ergreifen. Hierzu gehört unter anderem die Verpflichtung, einen Sozialarbeiter des Zentrums für soziale Wohlfahrt und - wenn das Kind kein Kroatisch versteht - einen Dolmetscher hinzuzuziehen, sowie ein Schreiben an das zuständige Zentrum für soziale Wohlfahrt zu senden, in dem die Bestellung eines besonderen Vormunds beantragt wird. Vormunde sind in der Regel Mitarbeiter des zuständigen Zentrums für soziale Wohlfahrt, üblicherweise Juristen, Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen. Der Vormund hat im besten Interesse des Kindes alle notwendigen Abklärungen mit Behörden, NGOs, usw. zu treffen. Die Ombudsperson für Kinder berichtete, dass es im Jahr 2021 immer noch Probleme im Vormundschaftssystem gab. Einige spezielle Vormunde hatten keinen Kontakt zu ihren Mündeln, weshalb diese nicht ausreichend über ihre Rechte und Pflichten informiert wurden. Einige Vormunde sind Berichten zufolge auch nicht motiviert, was auf den Umfang der Arbeit zurückzuführen ist, die sie regelmäßig verrichten. Ist ein UMA über 16 Jahre alt und verheiratet, ist kein Vormund zu bestellen (AIDA 22.4.2022).

Bei Zweifeln am Alter einer Person sollen zuerst die vorhandenen Informationen, inklusive der Meinung der Experten, die mit dem Minderjährigen täglich arbeiten, bewertet werden. Wenn dies nicht genügt, ist mit schriftlichem Einverständnis des Minderjährigen und des Vormunds eine medizinische Altersfeststellung möglich. Diese besteht aus einer allgemeinen medizinischen Untersuchung und einem Röntgen der Zähne und/oder der Hand. Bei einem nicht eindeutigen Ergebnis ist im Zweifel Minderjährigkeit anzunehmen. Zuvor sind jedoch weitere Untersuchungen vorgesehen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, ist der Antragssteller als Erwachsener zu behandeln, der Antrag darf aber nicht ausschließlich deswegen abgelehnt werden. Im Zweifel wird zunächst eine zweite Meinung eingeholt, sofern die Zweifel fortbestehen, ist von der Minderjährigkeit auszugehen. Nach Angaben des Innenministeriums wurde das Altersfeststellungsverfahren in den Jahren 2017 und 2018 nicht durchgeführt. Für 2019 bis Ende 2021 liegen diesbezüglich keine Informationen vor (AIDA 22.4.2022).

Das kroatische Rote Kreuz (CRC) bietet besondere Betreuung für vulnerable Gruppen wie insbesondere unbegleitete und von ihren Eltern getrennte Minderjährige, Frauen, Menschen mit gesundheitlichen und psychischen Problemen sowie Überlebende von Folter und Traumata. Médecins du Monde (MdM) betreibt unter anderem ein Projekt zur Befähigung von Frauen und Minderjährigen zur Bekämpfung sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst (JRS) betreibt mit Unterstützung von UNICEF einen kinderfreundlichen Raum im Aufnahmezentrum für Asylbewerber in Zagreb, der Minderjährigen einen sicheren Aufenthaltsort bietet (MtC o.D.).

Bei der Unterbringung von Asylwerbern im Aufnahmezentrum werden insbesondere das Geschlecht, das Alter, die Stellung von schutzbedürftigen Personen, Asylwerbern mit besonderem Aufnahmebedarf und die Einheit der Familie berücksichtigt. Personen mit besonderen Aufnahmebedürfnissen können in einer geeigneten Einrichtung untergebracht oder zu einer Unterbringung nach den Vorschriften über die Sozialhilfe zugelassen werden, wenn eine ihren Bedürfnissen entsprechende Unterbringung in der Aufnahmeeinrichtung nicht möglich ist. Die Verordnung über die Verwirklichung der materiellen Aufnahmebedingungen schreibt vor, dass die Aufnahmebedingungen an die Bedürfnisse der Antragsteller angepasst werden, psychosoziale Unterstützung geleistet wird und Antragsteller mit besonderen Aufnahmebedürfnissen entsprechend spezialisiert betreut werden müssen. Der Prozess der Identifizierung von Personen mit besonderen Aufnahmebedürfnissen wird von Fachleuten durchgeführt, die im Aufnahmezentrum psychosoziale Unterstützung leisten, und bei Bedarf kann das zuständige Zentrum für soziale Wohlfahrt an der Bewertung teilnehmen. Das Zentrum für soziale Wohlfahrt unterrichtet das Aufnahmezentrum über alle getroffenen Maßnahmen und Aktionen. Antragstellern mit besonderen gesundheitlichen Bedürfnissen wird auf der Grundlage der Empfehlungen des Arztes eine spezielle Diät angeboten. Es gibt keinen Überwachungsmechanismus für die Maßnahmen zur Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der in den Zentren untergebrachten Bewerber. Allerdings stehen Sozialarbeiter des Innenministeriums und des Kroatischen Roten Kreuzes täglich in den Aufnahmezentren zur Verfügung und können Unterstützung leisten. In der Praxis können die Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes bei ihrer regelmäßigen Arbeit und Kommunikation mit den Asylwerbern sowie bei der Einzel- und Gruppenbetreuung die Bedürfnisse schutzbedürftiger Gruppen beobachten und dem Leiter des Aufnahmezentrums bei Bedarf Änderungen bei der Aufnahme bestimmter Asylwerber vorschlagen (AIDA 22.4.2022).

UMA unter 14 Jahren werden in Kinderheimen und jene über 14 Jahren in Jugendunterkünften untergebracht. Die Mitarbeiter dieser Unterkünfte sind jedoch nicht speziell auf den Umgang mit UMA vorbereitet. Verschiedene NGOs haben Bedenken insbesondere hinsichtlich der Unterbringung in Kinderbetreuungseinrichtungen geäußert, da dort hauptsächlich Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten betreut werden. Die Eignung dieser Einrichtungen für den Aufenthalt von UMA kann in Zweifel gezogen werden, insbesondere wenn man die besonderen Bedürfnisse dieser Minderjährigen sowie die Nichtverfügbarkeit von Dolmetschern in diesen Einrichtungen berücksichtigt (AIDA 22.4.2022). Die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen, die internationalen Schutz beantragten, stieg von 115 im Jahr 2020 auf 195 im Jahr 2021 (Eurostat 23.3.2023).

Quellen:

• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 24.1.2023

• Eurostat (24.3.2023): Asylum applicants considered to be unaccompanied minors - annual data, https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tps00194/default/table?lang=en , Zugriff 28.3.2023

• HPC - Croatian Law Centre (22.4.2022): Access to the territory and push backs - Croatia, https://asylumineurope.org/reports/country/croatia/asylum-procedure/access-procedure-and-registration/access-territory-and-push-backs/ , Zugriff 25.1.2023

• MtC - Moving to Croatia (o.D.): Reception centers and other helpful services, https://movingtocroatia.com/asylum-in-croatia , Zugriff 26.1.2023

Non-Refoulement

Letzte Änderung: 13.04.2023

Seit 2016 gibt es eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten. Diese sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien, Tunesien und die Türkei. Auf die Türkei wird das Konzept des sicheren Herkunftsstaates in der Praxis allerdings nicht angewandt. Im Jahr 2018 wurde das Konzept in insgesamt 76 Fällen umgesetzt, die sich wie folgt verteilen: bei Algeriern (39), Marokkanern (13), Tunesiern (13), Kosovaren (5), Serben (4) und Bosniern (2). Entsprechende Zahlen für den Zeitraum ab 2019 liegen nicht vor. Laut Gesetz kann ein Land dann als sicherer Drittstaat eingestuft werden, wenn ein Antragsteller dort sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko, ernsten Schaden zu erleiden, wenn das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats erfüllt sind, wird für jeden Antrag gesondert festgestellt. Hierzu wird geprüft, ob ein Land die oben genannten Bedingungen erfüllt und ob eine Verbindung zwischen diesem Land und dem Antragsteller besteht, aufgrund derer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er dort internationalen Schutz beantragen könnte, wobei alle Fakten und Umstände seines Antrags zu berücksichtigen sind (AIDA 22.4.2022).

Wie in den Jahren zuvor wurde die Grenzpolizei auch noch 2021 in Berichten nationaler und internationaler NGOs gewaltsamer Pushbacks und der Misshandlung irregulärer Migranten beschuldigt (USDOS 12.4.2022; vgl. SFH 13.9.2022). Nach Angaben des Dänischen Flüchtlingsrats (DRC) wurden 2021 gemäß HPC 9.114 (HPC 22.4.2022) und gemäß USDOS 3.629 (USDOS 12.4.2022) Personen aus Kroatien nach Bosnien und Herzegowina (BiH) zurückgeschoben, darunter auch Vulnerable (UMA, Familien mit Kindern, Frauen), wobei es auch zu Kettenabschiebungen gekommen sein soll (HPC 22.4.2022). Ende 2021 hatte das Anti-Folter-Komitee des Europarates die Anwendung von Gewalt durch die kroatischen Behörden bei Pushbacks kritisiert (SFH 13.9.2022). In einem Bericht vom Mai 2022 stellte das Border Violence Monitoring Network fest, dass die kroatische Polizei in das Hoheitsgebiet von Bosnien und Herzegowina eindrang, während sie Menschen über die Grenze zurückdrängte (FH 2023).

Am 8.6.2021 schloss das Innenministerium eine Vereinbarung zur Einrichtung eines unabhängigen Mechanismus zur Überwachung des Verhaltens von Polizeibeamten des Innenministeriums im Bereich der illegalen Migration und des internationalen Schutzes. Der Mechanismus soll die Behandlung von irregulären Migranten und Personen, die internationalen Schutz suchen, durch angekündigte und unangekündigte Beobachtungen auf Polizeistationen, in Ausländerunterkünften und durch angekündigte Besuche an "anderen geeigneten Orten" wie der grünen Grenze zwischen Kroatien und Bosnien und Herzegowina überwachen. Einige NGOs kritisierten den Mechanismus wegen mangelnder öffentlicher Informationen über die Einzelheiten des Abkommens und unzureichender Überwachung an der grünen Grenze, wo ihrer Meinung nach die meisten Menschenrechtsverletzungen stattfanden (USDOS 12.4.2022).

Seit geraumer Zeit gibt es nun keine (VB 6.2.2023) bzw. weniger Berichte und Beschwerden über Pushbacks (FH 2023). Insbesondere seit der Zeit vor dem Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum am 1. Jänner 2023 hat es kaum mehr Berichte über Pushbacks gegeben (DF 1.2.2023).

Anfang April 2023 sind Kopien angeblicher polizei-interner WhatsApp-Chatverläufe aufgetaucht, welche nahelegen sollen, dass die Pushbacks systematisch und mit dem Wissen höherer kroatischer Stellen erfolgt sein könnten. Das kroatische Innenministerium bestätigt die berichteten Inhalte nicht und nennt Pushbacks weiterhin Einzelfälle (ORF 6.4.2023).

Quellen:

• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 26.1.2023

• DF – Deutschlandfunk (1.2.2023): Sind Pushbacks jetzt Geschichte? https://www.deutschlandfunkkultur.de/kroatiens-grenzen-100.html , Zugriff 28.3.2023

• FH - Freedom House: Freedom in the World (2023): Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088503.html , Zugriff 28.3.2023

• HPC - Croatian Law Centre (22.4.2022): Access to the territory and push backs - Croatia, https://asylumineurope.org/reports/country/croatia/asylum-procedure/access-procedure-and-registration/access-territory-and-push-backs/ , Zugriff 26.1.2023

• ORF - Österreichischer Rundfunk (6.4.2023): Kroatien: Polizeichats erhärten Pushback-Vorwürfe, https://orf.at/stories/3311677/ , Zugriff 13.4.2023

• SFH - Schweizer Flüchtlingshilfe (13.9.2022): Polizeigewalt in Bulgarien und Kroatien: Konsequenzen für Dublin-Überstellungen, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Juristische_Themenpapiere/220913_Polizeigewalt_final.pdf , Zugriff 26.1.2023

• USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071254.html , Zugriff 26.1.2023

• VB des BM.I Kroatien [Österreich] (6.2.2023): Bericht des VB, per E-Mail

Versorgung

Letzte Änderung: 14.04.2023

Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht gilt ab dem Zeitpunkt, wo sie den Willen zur Asylantragstellung erkennen lassen und umfasst Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten in öffentlichen Verkehrsmitteln (AIDA 22.4.2022). Das Innenministerium (MOI) betreibt die Aufnahmezentren für Asylwerber in Zagreb und Kutina und ist für die Erbringung von Leistungen durch NGOs verantwortlich. Derzeit hat das Innenministerium Verträge mit dem Kroatischen Roten Kreuz und Médecins du Monde (UNHCR o.D.).

Der Jesuitische Flüchtlingdienst (JRS Croatia) betreibt mit Unterstützung von UNICEF einen Bereich im Aufnahmezentrum für Asylsuchende in Zagreb, der Minderjährigen einen sicheren Ort zum Verweilen bietet (JRS o.D.).

Die monatliche finanzielle Unterstützung wird ab der Unterbringung in einem Aufnahmezentrum gewährt und beläuft sich per 31.12.2021 auf 100 Kuna (EUR 13,30) pro Person. Auch wenn sich der Betrag bei abhängigen Familienmitgliedern erhöht, gilt er als sehr gering bemessen. Asylwerber, deren Verfahren nach neun Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten und können auf freiwilliger Basis etwa auch innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten. Auch können sie bei gemeinnützigen Tätigkeiten oder bei der Arbeit humanitärer Organisationen mitwirken. Die NGO Are You Syrious (AYS) berichtete, dass sie im Jahr 2021 Asylwerber über das Recht auf Arbeit informiert und bei der Arbeitssuche unterstützt hat (z.B. beim Verfassen von Lebensläufen und bei der Kontaktaufnahme mit Arbeitgebern). Als ein Manko der derzeitigen gesetzlichen Lösung wurde die neunmonatige Frist für die Umsetzung des Rechts auf Arbeit genannt, die eine frühzeitige Integration in den Arbeitsmarkt verhindert (AIDA 22.4.2022).

Begünstigte des IOM-Projekts "Voluntary Relocation from Italy to other EU Member and Associated States - RELITA", in dessen Rahmen Migranten aus Italien nach Kroatien umgesiedelt werden (bis März 2023 10 Personen), erhalten Unterstützung von IOM Kroatien. Diese Unterstützung umfasst u. a. Reiseunterstützung inkl. Flugticketbuchung. IOM Kroatien schließlich sorgt für den Empfang der Begünstigten des RELITA-Projekts am Flughafen (IOM 30.3.2023).

Quellen:

• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 26.1.2023

• IOM - International Organization for Migration (30.3.2023): Information on IOM activities and IOM supported initiatives for migrants in the Republic of Croatia, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Dokument liegt bei der Staatendokumentation auf.

• JRS – Jesuit Refugee Service (o.D.): Our work in Croatia, https://jrs.net/en/country/croatia/ , Zugriff 31.3.2023

• UNHCR – the UN-Refugee-Agency (o.D.): Reception centers and other helpful services, https://help.unhcr.org/croatia/reception-centers/ , Zugriff 28.3.2023

Unterbringung

Letzte Änderung: 14.04.2023

Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in entsprechenden Aufnahmezentren. Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über zwei offene Aufnahmezentren für Asylwerber, in Zagreb im „Hotel Porin“ (Kapazität: 500-600 Plätze) (AIDA 22.4.2022; vgl. VB 6.2.2023) und in Kutina, mit einer Kapazität von 100 (AIDA 22.4.2022) bis 200 Plätzen (VB 6.2.2023). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt. Das Zentrum in Kutina ist für die Unterbringung vulnerabler Antragsteller gedacht, derzeit findet dort aber Renovierungsarbeiten statt (VB 6.2.2023; vgl. AIDA 22.4.2022).

Der Plan, in Mala Gorica ein neues Aufnahmezentrum zu bauen, wurde nach Protesten der lokalen Bevölkerung wieder verworfen und das veranschlagte Geld in die Renovierung der bestehenden Zentren investiert (AIDA 22.4.2022).

In Slavonski Brod/Bjeliš besteht ein angemietetes Objekt für eventuelle zukünftige Migrationswellen (VB 6.2.2023).

In den Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Minderjährige bis 16 Jahre erhalten zusätzlich eine Nachmittagsjause. In vom Roten Kreuz ausgestatteten Küchen können sich die Asylwerber außerdem selbst Mahlzeiten zubereiten (AIDA 22.4.2022).

Für Familien mit Kindern stellt UNICEF die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern sowie Unterstützung für schwangere und stillende Mütter bereit. Weiters organisiert UNICEF abgeschlossene Bereiche, in denen die Kinder spielen und informell lernen können (UNICEF o.D.).

Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, endet das Recht, sich dort aufzuhalten (AIDA 22.4.2022).

Kroatien verfügt zurzeit über drei Schubhaftzentren mit einer Gesamtkapazität von insgesamt 219 Plätzen: das geschlossene (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 95 Plätzen und die Transitzentren in Trilj und in Torvarnik mit jeweils 62 Plätzen (AIDA 22.4.2022, vgl. VB 6.2.2023).

Quellen:

• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 26.1.2023

• UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (o.D.): Helping child refugees and migrants, https://www.unicef.org/croatia/en/helping-child-refugees-and-migrants , Zugriff 25.1.2023

• VB des BM.I Kroatien [Österreich] (6.2.2023): Bericht des VB, per E-Mail

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 14.04.2023

Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung (AIDA 4.2022; vgl. SRC 12.2021). Diese Behandlung ist in den Aufnahmezentren verfügbar. Darüber hinaus können die Antragsteller an örtliche Krankenhäuser verwiesen werden. Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich (AIDA 22.4.2022).

Aufgrund restriktiver Vorschriften haben Asylwerber nur eingeschränkt Zugang zur regulären Gesundheitsversorgung: Nach dem Gesetz wird ihnen "medizinische Notbetreuung und notwendige Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen" gewährt. Die psychiatrische und psychologische Behandlung von Asylwerbern ist daher nur bei medizinischer Notversorgung und notwendiger Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen abgedeckt. Dies ist meist der Fall, wenn eine Person in ein Krankenhaus eingewiesen werden muss. Abgesehen davon gibt es keine klaren Kriterien für die Feststellung eines Notfalls. Um sicherzustellen, dass diese Bestimmungen des Gesetzes erfüllt werden, finanziert das kroatische Gesundheitsministerium zusammen mit dem Asyl- und Migrationsintegrationsfonds AMIF der Europäischen Union ein medizinisches Projekt, das von Médicins du Monde (MdM) durchgeführt wird. Die Vereinbarung lief bis Ende 2022 (SRC 12.2021).

Teams von Medecins du Monde - bestehend aus Allgemeinmedizinern, einer Krankenschwester, einem Psychologen und einem Dolmetscher - bieten bei Bedarf medizinische und psychologische Unterstützung an. MdM kümmert sich sofern erforderlich auch um den Transport und die Begleitung in Krankenhäuser. Weiters wird Asylwerbern auch eine spezialisierte Betreuung angeboten. Zweimal im Monat sind ein Psychiater, ein Kinderarzt und ein Gynäkologe bei den Konsultationen anwesend. Sie ermöglichen Frauen und Kindern eine fachärztliche Betreuung. Schließlich wird auch die Impfung von Kindern gefördert, indem diese zu den entsprechenden Einrichtungen begleitet werden (MdM o.D.).

Schwangere oder Wöchnerinnen, die eine Überwachung von Schwangerschaft und Geburt benötigt, haben Anspruch auf Gesundheitsversorgung im gleichen Umfang wie Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung. Kindern bis zum Alter von 18 Jahren wird das gesamte Recht auf Gesundheitsversorgung in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften über das Recht auf Gesundheitsversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung garantiert (AIDA 22.4.2022).

MedCOI bearbeitet keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten (EUAA MedCOI 19.2.2021).

Quellen:

• AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf , Zugriff 26.1.2023

• MdM - Médecins du Monde (o.D.): Soigner et soutenir les demandeurs d'asile à Zagreb & Kutina. Croatie, https://medecinsdumonde.be/projets/soigner-et-soutenir-les-demandeurs-dasile-a-zagreb-kutina#Notreaction , Zugriff 27.1.2023

• SRC - Swiss Refugee Council (12.2021): Situation of asylum seekers and beneficiaries of protection with mental health problems in Croatia, https://www.refugeecouncil.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Dublinlaenderberichte/211220_Croatia_final.pdf , Zugriff 27.1.2023

• EUAA MedCOI - Medical COI (19.2.2021): Auskunft von EUAA MedCOI, per E-Mail

In den Bescheiden wurde weiter festgestellt, dass die Identität der BF nicht feststehe. Die BF1 sei volljährig, afghanische Staatsangehörige und die Mutter und gesetzliche Vertreterin der mj BF2. Esliege ein Familienverfahren vor.Die BF seien gesund. Die BF1 habe für sich und die BF2 in Kroatien Asylanträge gestellt. Kroatien habe der Aufnahme mit Schreiben vom 15.01.2024 gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO zugestimmt. Es könne nicht festgestellt werden, dass die BF das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten seit ihrer Asylantragstellung in Kroatien wieder verlassen hätten. Das Verfahren der BF werde in gleicher Weise entschieden und eine Anordnung zur Außerlandesbringung nach Kroatien erlassen. Die beiden asylberechtigten Schwestern der BF1 würden in Österreich leben. Es seien auch noch weitere Verwandte der BF in Österreich aufhältig. Ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK der BF mit in Österreich aufenthaltsberechtigten Fremden könne nicht festgestellt werden. Im Falle der Außerlandesbringung der BF nach Kroatien könne keine unzulässige Verletzung der gemäß Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte erkannt werden. Es werde festgestellt, dass die BF in Kroatien keiner Verfolgung oder Misshandlung ausgesetzt wären bzw. diese zu erwarten hätten. Es könne nicht festgestellt werden, dass die BF in Kroatien nicht ausreichend medizinisch behandelt werden würden. Es könne nicht festgestellt werden, dass die BF bei ihrer Überstellung nach Kroatien einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wären. Die in Österreich lebenden Schwestern der BF1 seien bereits vor langer Zeit (mind. zehn Jahren) hier eingereist und würden sich seither im Bundesgebiet aufhalten. Die BF würden von den Schwestern der BF1 besucht werden und sie hätten von ihnen Kleidung erhalten. Vor der Einreise der BF hätte telefonischer Kontakt bestanden. Ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht; die BF würden Leistungen der Grundversorgung erhalten. Die Schwestern der BF1 könnten die BF auch im Falle der Überstellung nach Kroatien finanziell oder durch Sachzuwendungen unterstützen sowie sie persönlich besuchen. Die BF würden sich erst kurz in Österreich aufhalten. Ein schützenswertes Familien- oder Privatleben iSd Art. 8 EMRK könne daher nicht festgestellt werden. Zu den Angaben der BF1, dass die BF von der kroatischen Polizei „sehr schlecht“ und brutal behandelt worden seien, werde festgehalten, dass sich die BF1 in Kroatien nicht über dieses Verhalten beschwert habe. Zudem sei anzumerken, dass es sich bei Kroatien um einen Rechtsstaat mit ausreichenden Rechtsschutzeinrichtungen handle, um sich gegen behördliches Fehlverhalten oder das Fehlverhalten privater Personen zur Wehr setzen zu können. Bezüglich der Angaben hinsichtlich der mangelhaften Versorgung in Kroatien werde darauf hingewiesen, dass Asylwerber sich im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublinstaates nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen können, in dem sie bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten könnten. Schwierige Lebensbedingungen, wie sie auch von der BF1 bemängelt worden seien, würden selbst im Fall ihres Zutreffens keine die Schwelle des Art 3 EMRK übersteigende Eingriffsintensität aufweisen. Für Vulnerable, wie die BF, gebe es in Kroatien spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. In Kroatien, einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union werde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten. Auch aus der Rechtsprechung des EGMR oder aus sonstigem Amtswissen lasse sich eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Kroatien keinesfalls erkennen. Kroatien habe sich ausdrücklich aufgrund der Dublin III-VO zur Übernahme bereiterklärt und sei somit europarechtlich zur Prüfung der Asylanträge verpflichtet. Aus den Angaben der BF1 hätten sich keine stichhaltigen Gründe für die Annahme ergeben, dass die BF tatsächlich Gefahr laufen würden, in Kroatien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihnen eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. Es sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung der Dublin III-VO, sowie von Art. 7 Grundrechtecharta bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung unter diesen Aspekten zulässig sei. Ein von den BF in besonderem Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung des Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich für möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu, ein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO habe sich nicht ergeben.

Gegen die o.a. Bescheide des Bundesamtes richten sich die fristgerecht eingebrachten Beschwerden. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die BF1 in Kroatien gezwungen worden sei, ihre Fingerabdrücke abzugeben. Um Asyl hätten die BF in Kroatien nicht ansuchen wollen. Ihr Zielland sei wegen der beiden hier aufhältigen Schwestern der BF1 immer Österreich gewesen. Die BF hätten sich nur drei Tage in Kroatien aufgehalten. Die Art und Weise, wie mit den BF umgegangen worden sei, sei erniedrigend und beleidigend gewesen. Es sei der BF1 nicht erlaubt gewesen, auf die Toilette zu gehen; die Hygienebedingungen seien katastrophal gewesen. Die BF seien in einem Raum ohne Betten untergebracht gewesen und die Klimaanlage sei so kalt eingestellt gewesen, dass die BF2 krank geworden sei. Die BF hätten auch einen ganzen Tag lang kein Essen bekommen. Am dritten Tag seien die BF zur slowenischen Grenze gebracht und aufgefordert worden, das Land zu verlassen. Zu den Schwestern der BF1 bestehe ein sehr enges Verhältnis; die BF würden von diesen unterstützt werden. Eine Trennung der Familie hätte schwerwiegende Konsequenzen für die psychische Gesundheit der BF. Der Ehemann der BF1 habe die BF nach einem Streit alleine in Griechenland zurückgelassen, weshalb der Wunsch der alleinerziehenden BF1, zu ihren Schwestern zu gelangen, umso größer gewesen sei. Die BF1 habe keinen Kontakt mehr zu ihrem Ehemann und wisse auch nicht, wo sich dieser aufhalte. Eine Überstellung nach Kroatien erweise sich aufgrund der systemischen Missstände im kroatischen Asyl- und Aufnahmesystem Art. 4 GRC als unzulässig. Die BF1 als alleinerziehende Frau und die BF2 als Kleinkind seien als vulnerable Personengruppe anzusehen, deren Bedürfnisse in Kroatien nicht gesichert erfüllt würden. Im konkreten Fall wäre eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob den BF in Kroatien eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, erforderlich gewesen. Aufgrund der Vulnerabilität der BF hätte das Bundesamt jedenfalls eine individuelle Zusicherung von den kroatischen Behörden hinsichtlich adäquater Unterbringung und Versorgung einholen müssen. Die BF1 habe in Österreich zwei Schwestern sowie Nichten. In Kroatien habe sie niemanden. Die BF hätten sehr guten Kontakt zu ihren Verwandten in Österreich und würden diese sie regelmäßig besuchen. Eine Schwester der BF1 habe sie sogar in der Türkei besucht, um sie finanziell zu unterstützen. Die BF könnten sofort nach Zulassung des Verfahrens bei ihrer Familie unterkommen und diese wäre auch bereit, sie finanziell zu unterstützen. Die BF1 könne sich nicht mehr vorstellen, getrennt von ihren Schwestern zu leben. Sie sei als nunmehr alleinerziehende Mutter auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen. Die Schwestern der BF1 seien dazu bereit, die gesamten Kosten im Asylverfahren der BF zu übernehmen, sodass die BF Österreich finanziell nicht zur Last fallen würden. Zum Beweis des Privat- und Familienlebens in Österreich werde die zeugenschaftliche Einvernahme der Schwester der BF1 beantragt. Dieser Beweisantrag sei insbesondere deshalb relevant, weil aufgrund der familiären Anbindung zu Österreich und des Abhängigkeitsverhältnisses der BF von den Schwestern der BF1 eine Außerlandesbringung nach Kroatien jedenfalls eine Verletzung der in Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde. Die Länderfeststellungen zu Kroatien seien mangelhaft. In Kroatien würden Pushbacks und damit verbunden Polizeigewalt systematisch erfolgen. Aus den Länderberichten gehe hervor, dass die Gesundheitsversorgung in der Praxis nicht regelmäßig zugänglich sei. Für die Annahme einer Verletzung von Art. 3 EMRK müsse es genügen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass die Betroffenen im Falle einer Abschiebung aufgrund von systematischen Mängeln in Kroatien der sozialen Versorgung von Asylsuchenden, Flüchtlingen und Schutzberechtigten in einen Zustand extremer Armut, existentieller Not und sozialer Ausgrenzung von solcher Ausprägung geraten würden, dass dies als unmenschliche und erniedrigende Behandlung iSv Art. 3 EMRK zu werten wäre. Das sei der Fall. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass eine Abschiebung der BF nach Kroatien eine Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK und Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte darstellen würde und somit zwingend das Selbsteintrittsrecht auszuüben sei. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde angeregt. Beiliegend wurden Fotos der Familie sowie eine Einstellungszusage betreffend die BF1 eingebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der unter Pkt. I. dargelegte Verfahrensgang.

Die BF1 ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen BF2; beide sind afghanische Staatsangehörige. Die BF1 gelangte nach eigenen Angaben über Pakistan, den Iran, die Türkei (Anm: wo die mj BF2 zur Welt gekommen ist), Griechenland, Mazedonien, Serbien, Bosnien, Kroatien und Slowenien irregulär in das Bundesgebiet, wo sie am 23.11.2023 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz stellte.

Die BF1 wurde am 09.12.2022 in Griechenland und am 19.11.2023 in Kroatien erkennungsdienstlich behandelt und stellte jeweils am selben Tag Asylanträge (EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie "1" und "2" zu Griechenland und Kroatien).

Am 02.01.2024 richtete das Bundesamt ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Kroatien. Die kroatischen Behörden stimmten der Wiederaufnahme der BF gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO am 15.01.2024 ausdrücklich zu. Bekannt gegeben wurden auch die Aliasdaten der BF.

Die BF haben nach Asylantragstellung in Kroatien das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate wieder verlassen. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Kroatiens beendet hätte, liegt nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Kroatien an.

Konkrete, in der Person der BF gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen würden, liegen nicht vor. Die BF haben nicht dargetan, dass sie im Falle einer Überstellung nach Kroatien Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Eine die BF konkret treffende Bedrohungssituation in Kroatien wurde nicht substantiiert dargetan.

Die BF leiden an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohenden Krankheiten. Sie sind gesund. In Kroatien sind alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich und besteht ausreichende medizinische Versorgung für Asylwerber.

Im Bundesgebiet leben zwei Schwestern der BF1 sowie eine Tante (mit ihrer Tochter) und ein Onkel der BF1 sowie zwei Neffen der BF1. Eine Schwester der BF1 hält sich seit etwa neun Jahren in Österreich auf und ist asylberechtigt, die andere Schwester hält sich seit etwa 15 Jahren im Bundesgebiet auf und ist österreichische Staatsbürgerin. Beide Schwestern haben die BF in Österreich besucht und ihnen Kleidung gebracht. Zwischen den BF und den Schwestern der BF1 besteht regelmäßiger Kontakt. Vor der Einreise der BF bestand telefonischer Kontakt; eine der Schwestern besuchte die BF, als diese in der Türkei die BF2 zur Welt brachte. Die BF wurden von den Schwestern der BF1 bisher nicht finanziell unterstützt. Die BF sind weder finanziell noch in sonstiger Weise von ihren Angehörigen bzw Verwandten in Österreich abhängig. Seit der Einreise der BF in das Bundesgebiet kein gemeinsamer Wohnsitz begründet. Zum Ehemann der BF1 und dem Vater der mj BF2 besteht seit einem Streit in Griechenland kein Kontakt mehr. Die BF leben in Österreich von Leistungen aus der Grundversorgung. Eine besondere Integrationsverfestigung der BF in Österreich besteht nicht. Die BF verfügen in Österreich nicht über ein iSd Art. 8 EMRK schützenswertes Privat- oder Familienleben.

Anhaltspunkte dafür, dass die minderjährige BF2 in Kroatien in eine ausweglose Lage geraten würde und dadurch das Kindeswohl gefährdet wäre, liegen nicht vor, zumal in Kroatien Zugang zu Unterkunft und materieller Versorgung besteht. Es ergeht gegen die gemeinsam mit ihrer Mutter nach Österreich eingereiste BF2 dieselbe Ausweisungsentscheidung nach Kroatien. Die gemeinsame Überstellung der BF nach Kroatien stellt keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte und keine Verletzung des Kindeswohls dar.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unstrittigen Inhalt des vorliegenden Verwaltungsakts und des Gerichtsakts.

Die Aliasdaten der BF ergeben sich aus der griechischen Asylkarte der BF1, dem Schreiben der kroatischen Dublin-Behörde vom 15.01.2024 sowie den Angaben der BF1 in der Einvernahme vor dem Bundesamt (AS 88).

Die Feststellungen zum Reiseweg der BF beruhen auf den plausiblen Angaben der BF1 in der Erstbefragung. Dass die BF1 in Griechenland und in Kroatien erkennungsdienstlich behandelt wurde und dort Asylanträge stellte, steht aufgrund der vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie "1" und "2" zu Griechenland und Kroatien zweifelsfrei fest.

Das Konsultationsverfahren ist im Verwaltungsakt dokumentiert. Allfällige Mängel des Verfahrens sind nicht ersichtlich.

Dass die BF seit ihrer Asylantragstellung in Kroatien das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate wieder verlassen haben, basiert auf den Daten der EURODAC-Treffermeldungen zur Antragstellung der BF in Kroatien (19.11.2023) und in Österreich (23.11.2023). Gegenteiliges wurde nicht behauptet.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Kroatien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Sofern Quellen älteren Datums herangezogen wurden, ist davon auszugehen, dass sich die Lage in Kroatien nicht maßgeblich geändert hat.

Aus den dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das kroatische Asylwesen gravierende systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Kroatien, den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, haben die BF nicht dargetan.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF beruhen auf den glaubhaften und im Verfahren gleichbleibenden Angaben der BF1. Befunde oder Arztschreiben wurden bis dato nicht vorgelegt. Es wurde kein konkretes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die festgestellten persönlichen und privaten Verhältnisse der BF in Österreich ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage. Dass die BF Leistungen aus der Grundversorgung erhalten, steht aufgrund eines GVS-Auszuges fest und wurde von der BF1 auch nicht bestritten. Durch die vorgelegten Familienfotos wurden die Angaben, dass regelmäßiger Kontakt zu den Angehörigen bzw Verwandten der BF in Österreich bestehe, bestätigt. Die beantragte zeugenschaftliche Einvernahme der Schwester der BF1 konnte unterbleiben, zumal die vorgebrachten Tatsachen zum Familienleben der BF weder von der Behörde noch vom Gericht in Zweifel gezogen wurden; es ist nicht ersichtlich, welche (zustzlichen) entscheidungsrelevanten Ausführungen die Schwester machen könnte. Die familiären Anbindungen der BF zu Österreich wurden festgestellt und die zur Beurteilung eines Abhängigkeitsverhältnisses vorgebrachten Ausführungen berücksichtigt.

Die Feststellung des Nichtvorliegens einer Verletzung des Kindeswohls basiert auf den entsprechenden Ausführungen zu Vulnerablen im LIB zu Kroatien sowie auf folgender Einzelfallprüfung sowohl der Behörde als auch des erkennenden Gerichts:

Zum Kindeswohl als – laut VwGH vom 19.4.2023, Ra 2022/17/0232-9, Rz 21 – (lediglich) einem Aspekt der anzustellenden Gesamtbetrachtung:

Im Hinblick auf das Kindeswohl ist festzuhalten, dass diesem im Rahmen des europäischen Zuständigkeitssystems der Dublin III-VO grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu kommt, der sich durch die explizite Erwähnung im 13. Erwägungsgrund sowie durch die besonderen Zuständigkeitstatbestände des Art. 8 leg. cit. und spezielle Verfahrensgarantien zeigt. Jedoch kann aus der UN-Konvention über die Rechte des Kindes vom 26.01.1990 (Kinderrechtskonvention) nicht abgeleitet werden, dass die Berücksichtigung des Kindeswohls so weit geht, dass sich Beschwerdeführer im Wissen um ihren unsicheren Aufenthalt den bevorzugten Mitgliedsstaat quasi "frei wählen" könnten.

Die Gewichtung des Kindeswohls hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Gegenständlich erfolgt durch die Entscheidung keine Trennung der noch nicht dreijährigen BF2 von ihrer Mutter. Auch nach der Überstellung nach Kroatien bliebe die mj BF2 in der Obhut ihrer Mutter und würde, so wie bisher, von dieser betreut und versorgt werden. Dass die BF1 hiezu – auch unter widrigen Umständen – willens und auch in der Lage ist, hat sie nach der Trennung vom Kindesvater und der folgenden Flucht über mehrere Länder hinweg hinlänglich bewiesen. In diesem Zusammenhang soll aber nicht unterwähnt bleiben, dass eine behördlich organisierte Überstellung der BF in ein Land der Europäischen Union dem Kindeswohl weit weniger entgegensteht, als eine mehrmonatige Flucht ohne jegliche organisatorische oder finanzielle Unterstützung.

Festzuhalten bleibt auch, dass es nach den Länderberichten für vulnerable Personen(gruppen) in Kroatien spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien gibt. Bei der Unterbringung wird ua auch die Einheit der Familie berücksichtigt. Auch die materielle Versorgung der mj BF ist während des laufenden Asylverfahrens garantiert. Sie umfasst Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung. In den Zentren erhalten Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag; AW können sich in den Küchen außerdem selbst Mahlzeiten zubereiten. Der minderjährigen BF2 stehen im Falle einer Rückkehr in Kroatien, einem Mitgliedstaat der EU, im Wesentlichen auch die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten offen wie in Österreich. Sie kann dort den Kindergarten besuchen und eine Schulausbildung absolvieren. UNICEF setzt sich in Kroatien dafür ein, dass in den Aufnahmezentren den Bedürfnissen der Kinder besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Für Familien mit Kindern stellt UNICEF die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern bereit. Weiters organisiert UNICEF abgeschlossene Bereiche, in denen die Kinder spielen und lernen können. Hinsichtlich der Unterbringung gibt es, wie gesagt, spezielle Bereiche für Vulnerable; Familien werden gemeinsam untergebracht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 17 AsylG 2005 idgF).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 16 Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.

Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird.

In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Art. 20 Einleitung des Verfahrens

(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.

(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.

(4) Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.

(5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.

Diese Pflicht erlischt, wenn der Mitgliedstaat, der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats abschließen soll, nachweisen kann, dass der Antragsteller zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen oder in einem anderen Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel erhalten hat.

Ein nach einem solchen Abwesenheitszeitraum gestellter Antrag im Sinne von Unterabsatz 2 gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs zur Durchführung der gegenständlichen Verfahren ist der Behörde beizupflichten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Kroatiens ergibt. Es war hierbei zudem eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.06.2012, U 462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12; Shamso Abdullahi/Österreich und vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15; Mehrdad Ghezelbash/Niederlande.

Eine allfällige Zuständigkeit Griechenlands kommt bereits aufgrund der dort nach wie vor herrschenden systemischen Mängel im Asylsystem nicht in Betracht. In Kroatien haben die BF um Asyl angesucht. Im vorliegenden Fall stimmte die kroatische Dublin-Behörde der Wiederaufnahme beider BF nach der Bestimmung des Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO ausdrücklich zu. Die grundsätzliche Zuständigkeit Kroatiens zur Führung der Asylverfahren der BF wurde im Verfahren auch nicht bestritten. Ein Vorbringen, das die Zuständigkeit Kroatiens in Zweifel ziehen würde, wurde nicht erstattet. Die Zuständigkeit Kroatiens ist auch nicht etwa zwischenzeitig wieder erloschen, da die BF nach Asylantragstellung in Kroatien das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht für mehr als 3 Monate wieder verlassen haben. Die Überstellungsfrist ist zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt des Gerichts noch offen.

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich gegenständlich keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung der Anträge der BF (siehe hiezu weiter unten).

Nach der Rechtsprechung des VfGH (zB 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (zB 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das Bundesamt hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Sofern keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung etwa im Fall, dass der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11, Bundesrepublik Deutschland/Kaveh Puid zu verweisen (Rn. 36, 37).

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass [...] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums [...] geltend machen kann.

Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15, Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung geltend machen kann.

Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber (objektiv) vorliegen, und, zum anderen, aus unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Erwägungen, der BF im Falle der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und seiner Außerlandesbringung gemäß §§ 5 AsylG 2005 und 61 FPG – unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation (subjektiv) – in seinen Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist, wie ihn EGMR und VfGH auslegen (vgl. dazu auch Baumann/Filzwieser in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht - Jahrbuch 2018, Seiten 213ff.).

In diesem Zusammenhang führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass mit § 5 Abs. 3 AsylG 2005 eine gesetzliche "Beweisregel" geschaffen wurde, die es – im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union vorgenommene normative Vergewisserung – grundsätzlich nicht notwendig macht, die Sicherheit des Asylwerbers vor "Verfolgung" im nach dem Dublin-System zuständigen Mitgliedstaat von Amts wegen in Zweifel zu ziehen. Die damit aufgestellte Sicherheitsvermutung ist jedoch unter näher bezeichneten Voraussetzungen widerlegbar (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2015/17/0113 bis 0120, mwN auf die bisherige Rechtsprechung). Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nur durch eine schwerwiegende, die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC übersteigende allgemeine Änderung der Rechts- und Sachlage im zuständigen Mitgliedstaat widerlegt werden kann (vgl. aktuell dazu auch VwGH 20.06.2017, Ra 2016/01/0153-16 (Rz 33, 35); 09.11.2017, Ra 2017/18/0272 bis 0273 (Rz 10); 04.09.2018, Ra 2017/01/0252 mwN; 15.04.2019, Ra 2019/01/0109 (Rz 8) mit Verweis auf EuGH 19.03.2019, C-163/17, Rs Jawo, zum Prinzip des gegenseitigen Vertrauens).

Von Relevanz wären bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa: grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien, kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren).

Solche Mängel – die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen wären, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 – sind schon auf Basis der Feststellungen des Bundesamtes nicht erkennbar.

Es gibt keinerlei Berichte hinsichtlich einer etwaigen Dysfunktionalität des kroatischen Asylsystems und des Vorliegens systemischer Mängel, wie dies in der Beschwerde in den Raum gestellt wird. Demgemäß werden die Überstellungen von Dublin-Rückkehren nach Kroatien vom EuGH auch bestätigt.

Es ist nicht erkennbar, dass Kroatien gegenüber Asylwerbern aus Afghanistan unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde.

Es ist festzuhalten, dass kein konkretes Vorbringen ergangen ist, das geeignet wäre, anzunehmen, dass der rechtliche und faktische Standard des kroatischen Asylverfahrens eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte erkennen ließe. Aus den von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Feststellungen zum kroatischen Asylverfahren ergibt sich, dass Asylwerbern dort ein rechtstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit offensteht, in welchem die Voraussetzungen der Asylgewährung und des Rückschiebungsschutzes im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, definiert sind. Rückkehrer nach der Dublin-VO haben grundsätzlich vollen Zugang zum Asylsystem. Personen, die Kroatien vor Abschluss des Verfahrens verlassen haben – wie gegenständlich die BF – und deren Verfahren daher ausgesetzt wurden, müssen nach ihrer Rückkehr erneut ein Asylverfahren beantragen, um das ursprünglichen Verfahren wiederaufzunehmen. Solche Anträge sind nicht als Folgeanträge anzusehen.

Nach den aktuellen Länderfeststellungen (Stand: 14.04.2023) haben Dublin-Rückkehrer keine Schwierigkeiten beim Zugang zum Aufnahmesystem und zu den materiellen Aufnahmebedingungen. Während des laufenden Verfahrens haben Asylwerber das Recht auf materielle Versorgung, was die Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel umfasst. Das Innenministerium, das die Aufnahmezentren betreibt, ist für die Erbringung von Leistungen durch NGOs verantwortlich und hat derzeit Verträge mit dem Kroatischen Roten Kreuz (CRC) und Medecins du Monde abgeschlossen. In Aufnahmezentren für Antragsteller untergebrachten Dublin-Rückkehrern wird vom Kroatischen Roten Kreuz Unterstützung bei der Integration in die kroatische Gesellschaft angeboten.

Für das Gericht besteht kein Grund daran zu zweifeln, dass die BF nach ihrer Rückkehr (und erneuter Antragstellung in Kroatien; siehe oben) adäquate Unterbringung und Versorgung erhalten werden. Eine Überbelegung der Unterkünfte bzw Camps ist nicht ersichtlich. Die Einholung einer individuellen Unterbringungszusicherung, wie dies in der Beschwerde gefordert wurde, war nach dem Gesagten nicht erforderlich. Im Übrigen sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass sich dem Urteil des EGMR vom 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel/Schweiz, nicht entnehmen ließe, dass im Vorfeld von Rücküberstellungen in andere Dublin-Staaten als Italien gleichermaßen Garantien hinsichtlich der Unterbringung (von Familien) einzuholen wären (vgl. VwGH 8.9.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159).

Für Vulnerable – wie die alleinerziehenden BF1 und ihr mj Kleinkind - gibt es darüber hinaus spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst betreibt mit Unterstützung von UNICEF einen Bereich im Aufnahmezentrum in Zagreb, der Minderjährigen einen sicheren Ort zum Verweilen bietet. Für Familien mit Kindern stellt UNICEF die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern sicher. Bei der Unterbringung in Aufnahmezentren wird u.a. auch die Einheit der Familie berücksichtigt, sodass es mit maßgeblicher Sicherheit nicht zu einer Trennung kommen wird.

Asylwerber, deren Verfahren nach neun Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten und können auf freiwilliger Basis auch innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten. Ebenso besteht eine Mitwirkungsmöglichkeit bei gemeinnützigen Tätigkeiten oder bei der Arbeit humanitärer Organisationen. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass NGO-Unterstützung auch bei der Arbeitssuche geleistet wird.

Es gibt keine Hinweise dahingehend, dass Kroatien das Non-Refoulement-Gebot nicht beachten würde. So wird für jeden Antrag gesondert festgestellt, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats erfüllt sind. Hierzu wird geprüft, ob ein Antragsteller in einem Land vor Verfolgung oder vor dem Risiko, ernsthaft Schaden zu erleiden, sicher ist, wenn das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Weiter wird dabei unter Berücksichtigung aller Fakten und Umstände des Antrags beurteilt, ob vernünftigerweise erwartet werden kann, dass der Antragsteller in diesem Staat internationalen Schutz beantragen könnte. Nur wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Land Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann nach den Länderfeststellungen zu Kroatien dessen Antrag als unzulässig zurückgewiesen werden. Dass die BF nach einer Rückkehr Opfer einer Kettenabschiebung werden könnten, ist nach dem Gesagten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Nur wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Land Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann nach den Länderfeststellungen zu Kroatien dessen Antrag als unzulässig zurückgewiesen werden. Ein „real risk“ einer Art 3 EMRK-Verletzung ist auch in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen.

Was die in Berichten und auch in der Beschwerde angesprochene Ausübung gewaltsamer Push-backs und Misshandlungen irregulärer Migranten durch die Polizei betrifft, so hat das kroatische Innenministerium am 08.06.2021 eine Vereinbarung zur Einrichtung eines unabhängigen Mechanismus zur Überwachung des Verhaltens von Polizeibeamten des Innenministeriums im Bereich der illegalen Migration und des internationalen Schutzes geschlossen. Damit soll die Behandlung irregulärer Migranten und Schutzsuchender durch sowohl angekündigte als auch unangekündigte Beobachtungen auf Polizeistationen, in Ausländerunterkünften und „an anderen geeigneten Orten“, wie der grünen Grenze zwischen Kroatien und Bosnien und Herzegowina, überwacht werden. Laut jüngster Auskunft des Verbindungsbeamten vom 06.02.2023 gibt es nunmehr keine bzw. weniger Berichte und Beschwerden über Push-backs. Die BF selbst wurden offenbar nicht Opfer physischer Übergriffe seitens der kroatischen Sicherheitskräfte. Zwar gab die BF1 an, dass die kroatische Polizei "sehr schlimm" sei und sie ohne Erbarmen an der Grenze „einfach darauf losschlagen“ würden, führte jedoch auf Nachfrage explizit an, selbst nicht Opfer von Übergriffen welcher Art auch immer geworden zu sein. Einmal hätten Polizisten sie aber „sehr laut angeschrien“. Darin kann das Gericht (noch) keine übermäßige Gewaltausübung erkennen. Allgemein bleibt in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass Übergriffe durch Sicherheitsorgane klar zu verurteilen sind. Eine Anzeige vorausgesetzt ist davon auszugehen, dass in Kroatien, einem Rechtsstaat und Mitglied der EU, der Rechtsweg beschritten werden kann und Asylwerber keinen Übergriffen von welcher Seite auch immer schutzlos ausgesetzt wären. Es ist nicht a priori auszuschließen, dass es sich bei dem Vorbringen der BF1 um ein konstruiertes bzw. gesteigertes Vorbringen handelt, um eine mögliche Rücküberstellung nach Kroatien zu erschweren oder zu verhindern. Es ist jedoch, auch bei Wahrunterstellung, keine diesbezügliche Gefährdung der BF im Falle einer Rückkehr nach der Dublin-VO zu erwarten, da eine solche Überstellung in Zusammenarbeit der Behörden organisiert erfolgt und sich die BF somit auch nicht illegal im Hoheitsgebiet Kroatiens aufhalten. Entscheidend ist in Hinblick darauf eine prognostische Beurteilung der Verhältnisse im Aufnahmestaat (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0113). Es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass den BF im Zuge ihrer Rückkehr nach Kroatien keine unmenschliche Behandlung droht. Übergriffe seitens der kroatischen Sicherheitskräfte stehen, ohne diese rechtfertigen oder bagatellisieren zu wollen, zumeist in Zusammenhang mit der illegalen Einreise von Migranten nach Kroatien und deren Weigerung, an der Feststellung der Identität mitzuwirken. Die in der Beschwerde relevierten Pushbacks sind naturgemäß abzulehnen, spielen jedoch im Rahmen einer behördlich vorbereiteten und organisierten Rückkehr im Rahmen der Dublin-VO keine Rolle, zumal die BF dann auch keine illegalen Migrantinnen sind.

Im Übrigen ist auch allgemein von der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der kroatischen Sicherheitsbehörden auszugehen. Bei Kroatien, einem Rechtsstaat und Mitgliedstaat der Europäischen Union, ist vorauszusetzen, dass sich die dortigen Sicherheitsbehörden an die Standards der EU halten und Asylwerber bzw. irreguläre Immigranten Übergriffen (von welcher Seite auch immer) nicht schutzlos ausgesetzt sind. Voraussetzung einer Verfolgung von Übergriffen staatlicher Organe oder Privater ist aber naturgemäß die Erstattung einer entsprechenden Anzeige.

Eine Schutzverweigerung seitens Kroatiens ist nicht zu erwarten. Ein „real risk“ einer Art 3 EMRK-Verletzung ist auch in diesem Zusammenhang nicht zu befürchten.

Auch wenn die BF1 angab, nicht nach Kroatien zurückkehren zu wollen, weil sie dort „nicht gut behandelt“ worden sei und in Kroatien niemanden habe und sie bei ihren Schwestern in Österreich bleiben wolle, ist hiezu festzuhalten, dass es nicht der Fremden obliegt, ein Asylverfahren in einem Land ihrer Wahl durchzuführen. Asylwerber können sich im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staates nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen, in welchem sie bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten können oder den sie aus sonstigen Gründen bevorzugen. Es ist auch auf den Hauptzweck der Dublin-VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wünschen der Asylwerber losgelöste Zuständigkeitsregelung zu treffen und das „Zielland“ nach den in der Verordnung normierten Zuständigkeitskriterien zu ermitteln ist. Gegenständlich hat sich unzweifelhaft die Zuständigkeit Kroatiens ergeben. Es bleibt in diesem Zusammenhang auch anzumerken, dass das kroatische Asylwesen, die diesbezügliche Gesetzgebung sowie die Unterbringungssituation, den Länderberichten zufolge sämtliche Mindeststandards der EU erfüllen. Die einschlägigen Standards in den Mitgliedstaaten weichen zwar voneinander ab, wie auch der Lebensstandard in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ist. Schwierige Lebensbedingungen, wie etwa die in der Beschwerde relevierten (Hygiene-)Mängel, weisen selbst im Falle ihres Zutreffens keine die Schwelle des Art. 3 EMRK übersteigende Eingriffsintensität auf. Dass den BF nicht erlaubt gewesen wäre, die Toilette zu benützen und sie in einem Raum ohne Betten untergebracht gewesen seien, wurde erstmals in der Beschwerde releviert; die BF1 hat dies nie vorgebracht. Es kann nicht überprüft werden, ob es zutrifft, dass die BF einen Tag lang nichts zu essen bekommen hätten. Die kroatischen Behörden haben der Wiederaufnahme der BF ausdrücklich zugestimmt, weshalb davon auszugehen ist, dass diese nach ihrer Überstellung in Kroatien auch ordnungsgemäß untergebracht und versorgt werden (siehe hiezu auch weiter oben).

Nach den Länderberichten zu Kroatien kann keinesfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Asylwerber im Fall einer Überstellung konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. Insgesamt gesehen herrschen somit in Kroatien nach dem gegenwärtigen Informationsstand keineswegs derartige systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar wären. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich außerdem, dass die Verletzung einzelner Bestimmungen von Richtlinien nicht schon per se mit einem systemischen Mangel gleichzusetzen ist (EuGH 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, Rn. 82 bis 85).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage für nach Kroatien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.

Des Weiteren vermögen einzelne Grundrechtsverletzungen, respektive Verstöße gegen Asylrichtlinien, die Anwendung der Dublin II-VO (und nunmehr der Dublin III-VO) demgegenüber unionsrechtlich nicht zu hindern und bedingen keinen zwingenden, von der Beschwerdeinstanz wahrzunehmenden, Selbsteintritt (EuGH C-411/10 und C-493/10). Es ist davon auszugehen, dass die BF als Dublin-Rückkehrer in Kroatien nicht quasi sich selbst überlassen werden und in eine ausweglose Situation iSd Art. 3 EMRK geraten könnten.

Insgesamt gesehen konnten die BF keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art 3 EMRK sprechen würden, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Jedenfalls hätten die BF die Möglichkeit, etwaige ihnen drohende oder eingetretene Verletzungen ihrer Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Kroatien und letztlich beim EGMR geltend zu machen.

Zur medizinischen Versorgung von Asylwerbern bzw Dublin-Rückkehrern in Kroatien:

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und zu Krankheiten eine Überstellung nach Kroatien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohen würde und diesfalls das Selbsteintrittsrecht nach der Dublin-VO zwingend auszuüben wäre.

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die relevante Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führt der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Die Rechtsprechung des EGMR (N vs. UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung vorliegt.

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

In seiner Entscheidung im Fall Paposhvili vs. Belgium hat der EGMR am 13.12.2016 seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass ein Betroffener auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben muss und auch die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks zu berücksichtigen sind. "Außergewöhnliche Umstände" würden bereits auch dann vorliegen, wenn stichhaltige Gründe dargelegt würden, dass eine schwer kranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung, einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führen würde.

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG 2005 in der Stammfassung). Dabei sind die von den Asylinstanzen festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Reisefähigkeit" handelt.

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, haben eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustandes außer Betracht zu bleiben. Ebenso vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalem Stress eine Abschiebung nicht unzulässig zu machen.

Wie die BF1 selbst glaubhaft und im Verfahren gleichbleibend vorbrachte, leiden die BF weder an schweren Krankheiten noch benötigen sie Medikamente. Die BF sind gesund. Erstmals in der Beschwerde wurde in den Raum gestellt, dass die BF1 aufgrund ihres „psychischen Zustandes“ auf die Hilfe ihrer hier aufhältigen Familienmitglieder angewiesen sei; eine nähere Konkretisierung bzw Erläuterung zu diesem Vorbringen ist allerdings unterblieben. Befunde oder Arztschreiben wurden nicht vorgelegt; über einen allfälligen stationären Aufenthalt der BF1 wurde nicht berichtet. Die gesundheitliche Situation der BF steht einer Überstellung nach Kroatien nach dem Gesagten somit nicht entgegen. Die BF sind zweifellos nicht akut lebensbedrohlich erkrankt; an deren Transportfähigkeit bestehen keine Zweifel. Eine behördlich organisierte Überstellung auf dem Luftweg oder auf dem Landweg ist den BF jedenfalls zumutbar und wird letztlich vom Amtsarzt vor Ort die Letztentscheidung getroffen.

In Kroatien sind grundsätzlich alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich. In den Aufnahmezentren besteht ausreichende medizinische Versorgung für Asylwerber, die jedenfalls das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung (schwerer psychischer Störungen, worauf es fallgegenständlich keinerlei Hinweise gibt) beinhaltet. Darüber hinaus ist die Überweisung an örtliche Krankenhäuser möglich. Teams von Medecins du Monde bieten bei Bedarf medizinische und psychologische Unterstützung an. Weiter wird Asylwerbern auch eine spezialisierte Betreuung angeboten. Zweimal im Monat sind ein Psychiater, ein Kinderarzt und ein Gynäkologe bei den Konsultationen anwesend, wodurch Frauen und Kindern eine fachärztliche Betreuung ermöglicht wird.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen eines Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Ein Recht auf Familienleben gemäß Art. 8 EMRK kann sich nicht nur in Bezug auf die Kernfamilie ergeben, sondern auch auf andere verwandtschaftliche Verhältnisse (wie bspw. zwischen erwachsenen Geschwistern), insofern bestimmte Voraussetzungen einer hinreichend stark ausgeprägten Nahebeziehung erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind u.a. gegenseitige finanzielle Abhängigkeit, ein gemeinsamer Wohnsitz sowie sonstige Abhängigkeit wie beispielsweise gegenseitige Pflege.

Der EGMR bzw. die EMRK verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines „effektiven Familienlebens“, das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. Urteil Marckx, Ziffer 45 sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. gegen Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin: „Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise“, Mai 1997, Seite 46).

Vorweg ist festzuhalten, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung die gesamte Familie (BF1 und mj BF2) gleichermaßen betrifft und die BF somit nicht voneinander getrennt werden. Im Falle einer Überstellung der BF nach Kroatien bleibt die Familieneinheit somit gewahrt, sodass kein Eingriff in ihr durch Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben stattfindet.

Im vorliegenden Fall hat die getroffene Entscheidung die Trennung der BF von den in Österreich rechtmäßig aufhältigen (volljährigen) Schwestern der BF1, von den mitgereisten Neffen der BF1 sowie einer Tante und eines Onkels der BF1 zur Folge.

Die Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des § 9 BFA-Verfahrensgesetz in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 EMRK bzw. Art. 52 Abs. 1 GRC, insbesondere der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes, führt jedoch zu dem Ergebnis, dass die für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechenden öffentlichen Interessen schwerer wiegen als die persönlichen Interessen der Beteiligten. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR nur dann unter den Schutz des Familienlebens des Art. 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 20.12.2011, 6222/10, A.H. Khan, Rn 32; 12.01.2010, 47486/06, A.W. Khan; 10.07.2003, 53441/99, Benhebba, Rn 36). Auch auf die Beziehung zwischen Eltern und ihrem erwachsenen Kind wendet die Rechtsprechung des EGMR regelmäßig dieses Kriterium der zusätzlichen, über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmale der Abhängigkeit, an.

Gegenständlich befinden sich, wie bereits gesagt, seit etwa 10 bzw 15 Jahren zwei erwachsene Schwestern der BF1 in Österreich. Eine der Schwestern ist asylberechtigt, die andere bereits österreichische Staatsangehörige. Beide Schwestern leben in Wien. Ein gemeinsamer Haushalt lag seit der Ausreise der Schwestern der BF1 aus dem Herkunftsstaat nicht mehr vor; ein solcher wurde auch nach der Einreise der BF nach Österreich nicht begründet. Die BF sind in einer Unterkunft der BBU GmbH in ca 300 Km Entfernung von Ihren Angehörigen untergebracht. Ein (wechselseitiger) Pflegebedarf bzw. ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis wurde nicht einmal behauptet. Auch eine finanzielle oder sonstige wechselseitige Abhängigkeit war im gegenständlichen Fall nicht zu erkennen. Die BF befinden sich seit ihrer Einreise nach Österreich in der Grundversorgung, in deren Rahmen die existenziellen Bedürfnisse jedenfalls abgedeckt werden. Eine finanzielle Unterstützung der BF durch ihre hier aufhältigen Angehörigen erfolgte nach den expliziten Ausführungen der BF1 nicht. Es wurde lediglich die mj BF ab und zu mit Kleidung versorgt (Anm: was nicht notwendig gewesen wäre). Auch nach einer Rückkehr nach Kroatien werden die BF, eine neuerliche Antragstellung vorausgesetzt, die dort vorgesehenen Leistungen der Grundversorgung in Anspruch nehmen können. Die Beziehung zu den Angehörigen und Verwandten der BF in Österreich besteht in gelegentlichen Besuchen und „Sachspenden“ an die mj BF. Darüber hinaus besteht regelmäßiger telefonischer Kontakt.

Eine, über die üblichen Bindungen hinausgehende Beziehungsintensität zwischen (erwachsenen) Angehörigen besteht nicht. Zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit, die über die üblichen Bindungen hinausgehen, waren nicht feststellbar. Dass es den BF zumutbar ist, zukünftig wieder ohne die Unterstützung ihre Verwandten in Österreich zu leben, zeigt sich auch darin, dass es der BF1 möglich war, nach der Trennung von ihrem Ehemann die BF2 ordnungsgemäß zu versorgen und zu betreuen. Dies relativiert auch die Beteuerung in der Beschwerde, dass die BF ihre Angehörigen unbedingt „brauchen“ würden. Das Gericht hegt keine Zweifel, dass die BF1 auch nach einer Überstellung nach Kroatien weiterhin in adäquater Weise für ihr Kind sorgen wird.

Es ist nach dem Gesagten nicht vom Vorliegen eines iSd Art. 8 EMRK schützenswerten Familienlebens der BF mit ihren Angehörigen in Österreich auszugehen, in das durch die Überstellung der BF nach Kroatien in unzulässiger Weise eingegriffen werden würde.

Der Kontakt über Telefon oder die sozialen Medien kann auch von Kroatien aufrechterhalten werden. Ebenso sind Besuche der Geschwister der BF1 in Italien möglich, zumal diese über einen Konventionsreisepass bzw über die österreichische Staatsangehörigkeit verfügen. Auch eine finanzielle Unterstützung der BF kann bei Bedarf in Kroatien erfolgen.

Es bestehen keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration der BF in Österreich. Die Überstellung nach Kroatien würde folglich auch keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Privatleben darstellen. Der durch die Ausweisung der BF aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in deren Privatleben ist jedenfalls durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu ihrem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt.

Die privaten und familiären Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

Während ihres nur wenige Monate dauernden Aufenthaltes im Bundesgebiet kam den BF nicht einmal eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu, sondern es bestand, da die Verfahren nicht zugelassen waren, lediglich faktischer Abschiebeschutz.

Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/1024).

Der Wunsch der BF, „in der Nähe“ ihrer in Österreich aufhältigen Angehörigen bzw Verwandten zu bleiben, ist subjektiv nachvollziehbar und verständlich, stellt nach den angeführten Gründen jedoch keine derart außergewöhnliche Situation dar, dass eine Familienzusammenführung aus Gründen der EMRK zwingend geboten wäre.

Sowohl die BF als auch deren Angehörige mussten sich des bloß vorläufigen Aufenthaltsstatus der BF bewusst gewesen sein. Die BF durften von Anfang an nicht damit rechnen, dass ihnen unabhängig vom Ausgang ihres Asylverfahrens eine weitere Niederlassung im Bundesgebiet bewilligt wird (vgl. VwGH vom 21.01.2010, Zl. 2009/18/0258). Das erkennende Gericht ist der Auffassung, dass die BF unter diesen Umständen zu keiner Zeit vernünftigerweise erwarten konnten, ein Familienleben aufgrund der hier gestellten Asylanträge in Österreich begründen zu können.

Schwer ins Gewicht fällt die Missachtung der österreichischen Einreise- und Einwanderungsvorschriften durch die BF. Es überwiegen bei der Interessenabwägung klar die Interessen an der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens sowie am wirtschaftlichen Wohl des Landes.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz vorzunehmen.

Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zur Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der BF auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.

Festzuhalten bleibt noch, dass das Bundesverwaltungsgericht die zeugenschaftliche Einvernahme der Schwester der BF1 zum Beweis des Privat- und Familienlebens der BF in Österreich nicht als erforderlich erachtet, zumal sämtliche diesbezügliche Ausführungen der BF der gegenständlichen Entscheidung bereits zu Grunde gelegt wurden und weitere relevante Ausführungen das Verhältnis zu ihren Angehörigen nicht zu erwarten sind (welche im Verfahren jederzeit möglich gewesen wären, jedoch nicht erstattet wurden). Es bedarf nur dann keines Ermittlungsverfahrens und keiner weiteren Feststellungen durch ein Beweisverfahren, wenn die Entscheidungsgrundlagen außer Streit stehen oder die den Sachverhalt bildenden Tatsachen sichtbar zutage liegen und offenkundig sind, was gegenständlich der Fall ist (vgl. VwGH 27.09.2013, 2012/05/0212).

Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; die dort genannten Kriterien für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG sind gegenständlich erfüllt). Es ergab sich kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit den BF zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall liegen die tragenden Elemente der Entscheidung allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, die auf den umfassenden und aktuellen Feststellungen der Behörde über die Lage im Vertragsstaat beruht, sowie in der Bewertung der Intensität des Privat- und Familienlebens der BF und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

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