BVwG W156 2236257-1

BVwGW156 2236257-120.1.2021

AuslBG §4c
AVG §74
B-VG Art133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W156.2236257.1.00

 

Spruch:

W156 2236254-1/6EW156 2236257-1/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes PFLUG und Alexander Wirth als Beisitzer über die Beschwerde der 1. XXXX und des 2. XXXX , beide vertreten durch Mag. Ali POLAT, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 1/6, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 17.08.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend Abweisung eines Antrages der XXXX auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für türkische Staatsangehörige gemäß § 4c Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) vom 22.06.2020 zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Kostenersatz wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die XXXX mit Sitz XXXX Wien, XXXX , (im Folgenden: BF1) beantragte am 22.06.2020 eine Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4c AuslBG für den am XXXX geborenen türkischen Staatsangehöriger XXXX (im Folgenden: BF2) für die berufliche Tätigkeit als Küchengehilfe.

2. Mit Schreiben der belangten Behörde (im Folgenden: AMS) vom 29.06.2020 wurde die Antragstellerin über die gesetzlichen Bestimmungen informiert, insbesondere dass die Voraussetzungen des Artikel 6 ARB 1/80 nicht vorlägen, weder Aufenthaltstitel noch Qualifikationsnachweise vorlägen und ihr Gelegenheit gegeben, binnen 14 Tagen ab Zustellung hiezu Stellung zu nehmen und die geforderten Nachweise vorzulegen.

3. Mit Schriftsatz vom 15.07.2020 wurde vorgebracht, dass bereits am 13.12.2018 der BF2 eine Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4c AuslBG beantragt hätte, der Antrag jedoch mit Bescheid vom 31.01.2019 gemäß § 4 AuslBG abgewiesen worden sei. Über den Antrag vom 13.01.2018 sei daher bis dato nicht entscheiden worden. Auch am 19.12.2019 hätte der BF 2 einen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4c AuslBG für eine Tätigkeit bei der BF1 gestellt, der Antrag sei jedoch von der BF1 am 21.01.2020 aufgrund von Beratung durch das AMS zurückgezogen worden.

Der BF2 erfülle die Voraussetzungen des Art. 6 ARB, unter Anführung von höchstgerichtlicher Judikatur wird vorgebracht, dass bei dato kein Aufenthaltstitel ausgestellt werden konnte, da das NAG keine spezifischen Aufenthaltstitel für türkische Staatsangehörige, die Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 ableiten, vorsehe. Es stünden dem BF2 diese Rechte vielmehr unmittelbar aufgrund es ARB 1/80 zu, unabhängig ob die Behörden diese Papiere ausstellten.

Weiters werde mitgeteilt, dass der BF2 mit seinem Bruder im selben Haushalt lebe und es sei beim Magistrat der Stadt Wien ein Aufenthaltsverfahren wegen Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ anhängig.

4. Mit Parteiengehör vom 16.07.2020 wurde der BF1 mitgeteilt, dass der BF2 die dreijährige Mindestbeschäftigungsdauer von drei Jahren beim selben Dienstgeber nicht erfülle. Deshalb sei die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4c AuslBG nicht möglich. Zudem liege seit dem 13.07.2020 eine Anmeldung als „vorl. KV-Pflichtv.“ Vor, ohne Vorliegen einer gültigen Beschäftigungsbewilligung.

5. in der Stellungnahme vom 24.07.2020 wird nach Zitierung der rechtlichen Bestimmungen und höchstgerichtlicher Judikatur vorgebracht, dass der BF2 türkischer Staatsangehöriger sei, eine Beschäftigungsbewilligung nach § 43c AuslBG (gemeint wohl § 4c AuslBG) im Betrieb der BF1 beantragte. Der BF2 habe erstmals eine Aufenthaltstitel „Studierende“ für den Zeitraum von 10.01.2011 bis 10.01.2012 erhalten und sei im Jänner 2011 legal eingereist. In Folge werden die vom AMS bisher erteilten Beschäftigungsbewilligungen und die Zeiten der ordnungsgemäßen Beschäftigungen ausgezählt. Verschuldete Zeiten der Arbeitslosigkeit lägen auf Seiten des BF2 nicht vor.

Der BF2 hätte seine Beschäftigung bei der BF1 unmittelbar nach Ausstellung der Beschäftigungsbewilligung vom 13.12.2018 aufnehmen können und seither fortsetzten können. Ein Arbeitsplatz sei immer noch vorhanden. Der BF2 könne daher unmittelbar nach Verlängerung seines Aufenthaltstitels die Beschäftigung laut vorgelegten Arbeitsvertrag aufnehmen. Die Parteien hätte die Verlängerung der letzten Arbeitsbewilligung beantragt und habe das AMS einen Aufenthaltstitel für die weitere Verlängerung vorausgesetzt. Die Parteien hätten auf die Information des AMS vertrauen dürfen. Da über die Verlängerung bis dato noch nicht positiv entschieden worden sei, sei es unmöglich gemacht worden, die beabsichtigte Beschäftigung aufzunehmen.

6. Mit angefochtenem Bescheid vom 17.08.2020 wies das AMS den verfahrensgegenständlichen Antrag mit der Begründung ab, dass der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung entgegenstehe, dass der BF2 die dreijährige Mindestbeschäftigungsdauer beim gleichen Dienstgeber nicht erfülle.

4. Dagegen erhoben die BF1 und der BF2 durch ihren Rechtsvertreter binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass der Beschwerdeführer seit Ende Jänner 2011 in Österreich im gemeinsamen Haushalt mit seinem Bruder lebe., der über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfüge. Weiter lebten seine Schwester und deren Sohn in Österreich, zu denen der BF2 einen sehr guten Kontakt habe. Der Lebensmittelpunkt des BF2 liege in Österreich und sei er hier verfestigt.

Der BF2 sei im Jänner 2011 eingereicht und habe erstmals über einen Aufenthaltstitel „Studierender“ von 10.01.2011 bis 10.10.2012 verfügt. Er sei neben seinem Studium ordnungsgemäß einer regelmäßigen Beschäftigung nachgegangen und habe über Beschäftigungsbewilligungen verfügt. Ein Antrag des BF2 auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ aufgrund seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die nach acht Monaten einvernehmlich aufgelöst worden sei, sei abgewiesen worden. Das Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitel „Angehöriger“ sei derzeit noch anhängig.

Der am 13.12.2018 gestellte Antrag auf Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4c AuslBG sei noch offen, da der Antrag mit Bescheid vom 31.01.2019 unrichtigerweise gemäß § 4 AuslBG abgewiesen worden sei.

Mit gegenständlichen Antrag sei neuerlich um Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung angesucht worden. Der BF2 sei seit dem 30.07.2920 bei der BF1 Vollzeit beschäftigt.

Der angefochtene Bescheid gehe unrichtigerweise davon aus, dass der BF2 nicht drei Jahre beim gleichen Dienstgeber beschäftigt gewesen sei.

Der BF2 sei seit seiner Einreise nunmehr neun Jahre rechtmäßig in Österreich aufhältig und aufgrund seiner Beschäftigungsbewilligungen rechtmäßig beschäftigt. Er habe nicht gegen fremde- und aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen, und habe aufgrund der nicht ausgestellten Beschäftigungsbewilligungen Nachteile erleiden müssen. Dennoch habe er gegen keine Vorschriften verstoßen. Er habe bei mehreren Arbeitgebern gearbeitet und sei seit dem 30.07.2020 bei der BF1 laufend beschäftigt.

Der angefochtene Bescheid zitiere lediglich die Bestimmungen des Assoziationsabkommen, ohne näher zu begründen, aus welchen Gründen der BF2 nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 ARB 1/80 falle. Der Bescheid setze sich mit dem Sachverhalt nicht richtig und ausreichend auseinander. Die belangte Behörde verkenne die Rechtslage. Es sei klarzustellen, dass der Anwendung des Artikel 13 ARB 1/80 nicht entgegenstehe, wenn der BF2 nicht bereits in den Arbeitsmarkt integriert sei, also die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 nicht erfülle. Art. 13 solle gerade für türkische Staatsangehörige gelten, die noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und entsprechend auf Aufenthalt nach Art. 6 ARB genießen. Die Verleihung der in Art. 6 1. bis 3. Gedankenstrich des Beschlusses 1/80 verankerten rechte setze daher nur voraus, dass der türkische Abreitnehmer die Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates über die Einreise in das Hoheitsgebiet und Ausübung einer Tätigkeit im lohn- und Gehaltsverhältnis beachtet habe.

Der BF2 gehöre aufgrund seiner bisher rechtmäßigen Beschäftigungen dem Arbeitsmarkt an und falle daher in den Anwendungsbereich des Art. 6 ARB 1/80. Allfällige Lücken aufgrund fehlender Beschäftigungsbewilligungen in der Beschäftigung können nicht zum Nachteil des BF2 ausgelegt werden, zumal er wegen nicht ausgestellter Beschäftigungsbewilligungen rechtliche Nachteile habe hinnehmen müssen, da andere Arbeitnehmer mit Beschäftigungsbewilligungen oder Aufenthaltskarten bevorzugt worden seien.

Weiters finde Art. 7 des Beschlusses Anwendung. Der Beschluss finde auf türkische Staatsbürger Anwendung, die in einem Mitgliedstaat beschäftigt sind und deren Aufenthalt und Beschäftigung im Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, oder die als Arbeitnehmer tätig werden wollen sowie auf ihre Familienmitglieder, soweit diese mit dem türkischen Arbeitnehmer tatsächlich in häusliche Gemeinschaft leben, auch wenn sie selber keine eigene Beschäftigung ausüben. Aus dem Wortlaut von Art. 13 ergebe sich, dass dieser nicht nur für türkische Arbeitnehmer gelte, sondern auch für deren Familienmitglieder. Da der BF2 mit seinem Bruder, der dem Arbeitsmarkt angehöre in einem gemeinsamen Haushalt lebe, komme gegenständliche Art. 7 ARB 1/80 iVm. Art. 13 ARB 1/80 zur Anwendung.

6. Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens am 21.10.2020 einlangend dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF2 reiste im Jänner 2011 legal nach Österreich ein. Er hatte einen Aufenthaltstitel „Studierender“ für den Zeitraum vom 10.01.2011 bis 10.01.2012 inne.

Dem BF2 wurden folgende Beschäftigungsbewilligungen erteilt:

- als gastgewerbliche Hilfskraft bei XXXX KG für 10Stunden pro Woche und einer Entlohnung von € 325 brutto pro Monat von 03.04.2013 bis 10.06.2015 inklusive Verlängerung

- Beschäftigungsbewilligung als Aushilfskraft bei Arbeitgeber XXXX GmbH, Pizza/Kebap; (mit einer Entlohnung von € 337,25 brutto/Monat bei einer Arbeitszeit von 10h/M) – gültig von 17.12.2014 – 16.12.2015;

- Beschäftigungsbewilligung als Aushilfskraft bei Arbeitgeber XXXX KG, Imbiss, (mit einer Entlohnung von € 380,- brutto/Monat bei einer Arbeitszeit von 10h/W) – gültig inklusiver Verlängerung von 13.08.2015 – 12.08.2017;

Laut Hauptverband liegen folgende Beschäftigungszeiten vor:

- von 12.04.2013 bis 10.06.2014 (das sind 425 Tage) bei XXXX KG

- von 17.08.2015 – 31.05.2017 (das sind 654 Tage) bei XXXX KG

- von 26.12.2014 – 10.01.2015 (das sind 26Tage) bei XXXX GmbH

- seit dem 30.07.2020 bei der BF1

Nach dem 31.05.2017 wurde keine Beschäftigungsbewilligung oder sonstige Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erteilt.

Der Beschwerdeführer verfügt bislang über kein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Familienzusammenführung im Bundesgebiet. Ein diesbezügliches Verfahren ist derzeit anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die im vorliegenden Fall anzuwendenden maßgebenden Rechtsvorschriften lauten:

§ 17 AVG:

„Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Kosten der Beteiligten

§ 74. (1) Jeder Beteiligte hat die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten.

(2) Inwiefern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht, bestimmen die Verwaltungsvorschriften. Der Kostenersatzanspruch ist so zeitgerecht zu stellen, daß der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann. Die Höhe der zu ersetzenden Kosten wird von der Behörde bestimmt und kann von dieser auch in einem Pauschalbetrag festgesetzt werden.

§ 4c AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 72/2013:

„Türkische Staatsangehörige

§ 4c. (1) Für türkische Staatsangehörige ist eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Artikel 9 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei - ARB - Nr. 1/1980 erfüllen.

(2) Türkischen Staatsangehörigen ist von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen. Der Befreiungsschein berechtigt zur Aufnahme einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet und ist jeweils für fünf Jahre auszustellen. Der Befreiungsschein ist zu widerrufen, wenn der Ausländer im Antrag über wesentliche Tatsachen wissentlich falsche Angaben gemacht oder solche Tatsachen verschwiegen hat.

(3) Die Rechte türkischer Staatsangehöriger auf Grund der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bleiben unberührt. Für die Verfahrenszuständigkeit und die Durchführung der Verfahren gemäß Abs. 1 und 2 gelten, soweit dem nicht Bestimmungen des ARB Nr. 1/1980 entgegenstehen, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.“

§ 15 AuslBG in der Fassung BGBl. Nr. 218/1975 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 126/2002 (Inkrafttretedatum 01.01.2003, Außerkrafttretedatum 31.12.2005)

Gemäß § 15 Absatz 1 Ziffer 1 ist einem Ausländer, sofern er noch keinen Niederlassungsnachweis hat, auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn er während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war. Gemäß Absatz 5 ist der Befreiungsschein für 5 Jahre auszustellten.Art. 6 und 7 ARB Nr. 1/1980:

„Artikel 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat

– nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

– nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

– nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt.

Artikel 7

Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

– haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;

– haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßenWohnsitz haben.

Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthaltes in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.“

"Artikel 13

Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen."

3.2. Spruchpunkt A I. Abweisung der Beschwerde:

Der Erwerb von Rechten nach dem ARB 1/80 setzt voraus, dass der Anspruchsberechtigte nach den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) einen Aufenthaltstitel erhalten hat, der den Zugang zum regulären Arbeitsmarkt nicht von vornherein ausschließt (Art. 6 ARB 1/80), oder dass der Anspruchsberechtigte zum Zweck der Familienzusammenführung eingereist ist (Art. 7 ARB 1/80). Für die Inanspruchnahme von Rechten gemäß Art. 6 ARB 1/80 ist zudem beachtlich, dass die Beschäftigung ordnungsgemäß, d.h. unter den Voraussetzungen des AuslBG ausgeübt wurde. Aufenthalts- und Beschäftigungszeiten, die nachweislich unrechtmäßig zurückgelegt wurden, können für den Erwerb von Rechten nach dem ARB 1/80 nicht herangezogen werden (s. Deutsch/Nowotny/Seitz, AuslBG2 § 4c Rz 11 und die dort zitierte Judikatur).

Den Feststellungen folgend wurde für den BF2 die in den Feststellungen genannten Beschäftigungsbewilligung erteilt. Die in Rahmen dieser Beschäftigungsbewilligungen ordnungsgemäß ausgeübten Beschäftigungen dauerte 1079 Tage an.

Für die seit dem 30.07.2020 ausgeübte Beschäftigung wurde keine Beschäftigungsbewilligung erteilt und wurde diese Beschäftigungszeit daher nachweislich unrechtmäßig zurückgelegt und kann daher für den Erwerb von Rechten nach dem ARB 1/80 nicht herangezogen werden.

Somit kann der BF2 weder eine ordnungsgemäße Beschäftigung beim gleichen Arbeitgeber in der Dauer von drei Jahren noch vier Jahre ordnungsgemäße Beschäftigung nachweisen und konnte der Antrag daher nicht auf Art. 6 ARB 1/80 gestützt werden.

Die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 schließt die Anwendbarkeit neu eingeführter Bestimmungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt nur dann aus, wenn eine restriktivere (verschärfte) Regelung getroffen wird, als sie eine frühere Rechtslage vorsah (vgl. VwGH 23.11.2017, Ra 2016/22/0099, 19.1.2012, 2011/22/0313). (VwGH 16.01.2018, Ra 2017/22/0209 betreffend das NAG)

Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 ist dahin auszulegen, dass eine Verschärfung einer Bestimmung, die eine Erleichterung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats für die Bedingungen der Ausübung der Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer geltenden Bestimmung vorsah, eine "neue Beschränkung" im Sinne dieses Artikels darstellt, auch wenn diese Verschärfung die genannten Bedingungen im Vergleich zu denen, die sich aus der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats geltenden Bestimmung ergeben, nicht verschlechtert. Angesichts der übereinstimmenden Auslegung des mit Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls und Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 verfolgten Ziels ist davon auszugehen, dass sich die Tragweite der in diesen Bestimmungen enthaltenen Stillhalteverpflichtung entsprechend auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, des freien Dienstleistungsverkehrs oder der Freizügigkeit der Arbeitnehmer erstreckt, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen, so dass gewährleistet sein muss, dass sich die Mitgliedstaaten nicht von dem mit den Stillhalteklauseln verfolgten Ziel entfernen, indem sie Bestimmungen ändern, die sie nach Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/80 oder des Zusatzprotokolls in ihrem Gebiet zugunsten der genannten Freiheiten türkischer Staatsangehöriger erlassen haben (vgl. EugH Urteil 9. Dezember 2010, C-300/09 und C- 301/09 ; Toprak und Oguz). (VwGH 19.05.2014, Ro 2014/09/0016, RS 4, Hinweis auf Stammrechtssatz GRS wie 2007/18/0430 E 15. Dezember 2011 RS 3)

Die Klauseln des Art. 13 ARB 1/80 und des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen entfalten unmittelbare Wirkung und schließen bezüglich der in ihren Geltungsbereich fallenden türkischen Staatsangehörigen die Anwendbarkeit aller neu eingeführten Beschränkungen aus (vgl. zu Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls, der in der gleichen Weise auszulegen ist wie Art. 13 ARB 1/80, das Urteil des EuGH vom 15. November 2011, C- 256/11 , Dereci u.a., Randnr. 87 ff). (VwGH 19.05.2014, Ro 2014/09/0016, RS 6, GRS wie 2008/22/0180 E 13. Dezember 2011 RS 1)

Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 ist dahin auszulegen, dass eine Verschärfung einer Bestimmung, die eine Erleichterung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats für die Bedingungen der Ausübung der Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer geltenden Bestimmung vorsah, eine "neue Beschränkung" im Sinne dieses Artikels darstellt, auch wenn diese Verschärfung die genannten Bedingungen im Vergleich zu denen, die sich aus der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats geltenden Bestimmung ergeben, nicht verschlechtert. Angesichts der übereinstimmenden Auslegung des mit Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls und Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 verfolgten Ziels ist davon auszugehen, dass sich die Tragweite der in diesen Bestimmungen enthaltenen Stillhalteverpflichtung entsprechend auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, des freien Dienstleistungsverkehrs oder der Freizügigkeit der Arbeitnehmer erstreckt, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen, so dass gewährleistet sein muss, dass sich die Mitgliedstaaten nicht von dem mit den Stillhalteklauseln verfolgten Ziel entfernen, indem sie Bestimmungen ändern, die sie nach Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/80 oder des Zusatzprotokolls in ihrem Gebiet zugunsten der genannten Freiheiten türkischer Staatsangehöriger erlassen haben (vgl. EugH Urteil 9. Dezember 2010, C-300/09 und C- 301/09 ; Toprak und Oguz). (VwGH 24.03.2015, Ro 2014/09/0057, Stammrechtssagt mit Hinweis auf Stammrechtssatz: GRS wie 2007/18/0430 E 15. Dezember 2011 RS 3)

In einem Verfahren betreffend Ausstellung eines Befreiungsscheines hat die Behörde darauf Bedacht zu nehmen, dass der Fremde türkischer Staatsangehöriger ist und in Österreich die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit beabsichtigt (eine Beschäftigungsbewilligung für ihn ist bereits beantragt worden). Es ist daher die Stillhalteklausel nach Art. 13 des ARB 1/80 zu beachten, derzufolge die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (und die Türkei) für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen dürfen (vgl. E 26. Jänner 2012, 2008/21/0304). (VwGH 24.03.2015, Ro 2014/09/0057)

Die mit 1. Jänner 2006 durch das NAG 2005 eingeführten Verschärfungen der Bedingungen für den Familiennachzug (vgl. E 19. Jänner 2012, 2011/22/0313; E 26. Jänner 2012, 2008/21/0304), die durch das FrÄG 2009 bewirkte Verschiebung einer Altersgrenze für die Familienzusammenführung von Ehegatten auf 21 Jahre (vgl. E 23. Mai 2012, 2011/22/0216), oder das durch das BGBl. I Nr. 25/2011 in § 4 AuslBG eingeführte Erfordernis der Zustimmung des Regionalbeirates oder des Vorliegens besonderer Sachverhalte oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe als Voraussetzung für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 19. Mai 2014, Ro 2014/09/0016), stellen nicht anzuwendende Verschärfung dar. Ein Befreiungsschein gemäß § 15 AuslBG berechtigt zur Aufnahme einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet und bescheinigt das Recht des Zuganges zum gesamten Arbeitsmarkt. Er war nach § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG idF BGBl. I Nr. 126/2002 einem Ausländer auf Antrag für fünf Jahre auszustellen, wenn dieser "1. während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet mit einer dem Geltungsbereich diesen Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war". Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 101/2005 wurde diese Rechtslage dahingehend verändert, dass das Erfordernis hinzugefügt wurde, dass der Ausländer "rechtmäßig niedergelassen ist". Diese mit 1. Jänner 2006 erfolgte Einfügung stellt eine "neue Beschränkung" iSd Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 dar. Mit Wirkung vom 1. Jänner 2014 wurde die Rechtslage neuerlich geändert (BGBl. I Nr. 72/2013) und das Rechtsinstitut des Befreiungsscheines aus dem AuslBG entfernt (2163 BlgNR 24 GP , 4). In § 32 Abs. 11 AuslBG wurde allerdings die Weitergeltung bisher erteilter Befreiungsscheine angeordnet, Übergangsvorschriften für anhängige Verfahren aber nicht für notwendig gesehen. Das Vwg hatte über einen Antrag auf Erteilung eines Befreiungsscheines, sohin einer Bescheinigung zu befinden, mit welchem dem Antragsteller für die Dauer von fünf Jahren der unbeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt bescheinigt wird. Bei der Beurteilung des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen für die Ausstellung einer solchen Bescheinigung hatte das VwG alle "neuen Beschränkungen", welche in der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung seit der ab 1. Jänner 1995 bestehenden günstigsten Rechtslage in Kraft getreten waren, außer Acht zu lassen. Auch die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 72/2013 bewirkte Entfernung des Befreiungsscheines aus dem AuslBG ist als eine solche "neue Beschränkung" zu betrachten, die Kraft der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 für türkische Staatsangehörige iSd Art. 13 ARB 1/80 keine Wirkung hat. Bisher erteilte Befreiungsscheine gelten gemäß § 32 Abs. 11 AuslBG ohnehin ausdrücklich weiter. § 32 Abs. 11 AuslBG idF BGBl. I Nr. 72/2013 normiert, dass vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 72/2013 ausgestellte Arbeitserlaubnisse und Befreiungsscheine bis zum Ablauf ihrer jeweiligen Geltungsdauer gültig bleiben. Schon aufgrund der unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität bleiben Befreiungsscheine, die zwar nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 72/2013, aber in Anwendung der Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 aufgrund früherer Fassungen des AuslBG ausgestellt wurden, ebenfalls bis zum Ablauf ihrer jeweiligen Geltungsdauer gültig. (VwGH 24.03.2015, Ro 2014/09/0057)

Siehe zu weiteren Fragestellungen auch VwGH 24.03.2015, Ro 2014/09/0057 mit weiteren Verweisen auf Judikatur des EuGH und des VwGH, mit dem die Revision gegen das Erkenntnis BVwG 09.05.2014, I402 2002120-1/11E als unbegründet abgewiesen wurde. Insbesondere mit Ausführungen dazu, dass Artikel 13 ARB 1/80 nicht nur auf türkische Staatsangehörige anzuwenden ist, die bereits in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integriert sind, sondern auch auf solche, welche die Voraussetzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 des ARB 1/80 nicht erfüllen; zum Erfordernis, das sich ein türkischer Staatsangehöriger nur dann auf diese Stillhalteklausel berufen kann, wenn er die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthalts und gegebenenfalls der Beschäftigung beachtet hat und sich dementsprechend rechtmäßig im Hoheitsgebiet dieses Staates befindet; zum Begriff "ordnungsgemäß" im Sinne von Art. 13 ARB 1/80 sowie zur "ordnungsmäßigen Beschäftigung" sowohl iSd Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 als auch iSd Art. 13 ARB 1/80.

Aufgrund der Stillhalteklausel in Artikel 13 des Assoziationsratsbeschluss (ARB) 1/1980 (bzw. des Verschlechterungsverbots gemäß Artikel 41 Absatz 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen) dürfen türkische Staatsangehörige u.a. bei der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Österreich nicht strengeren Voraussetzungen unterworfen werden, als zum Zeitpunkt des Inkrafttreten des ARB für Österreich am 01.01.1995.

Auch nach dem Inkrafttreten des ARB erlassene günstigere Bestimmungen dürfen sich für türkische Staatsangehörige nicht mehr verschlechtern (vergleiche dazu Deutsch/Nowotny/ Seitz, Ausländerbeschäftigungsgesetz, 2. Auflage, § 4c AuslBG, Rz 49 unter anderem mit Verweis auf EuGH Topnak und Oguz, Rs C-300/09 und 301/09 Rz 56, oder Dereci, Rs C-256/11 , Rz 93 bzw. VwGH 19.01.2012, 2011/22/0313 betreffend das NAG).

Da der § 15 AuslBG mehrfach geändert wurde, ist auch diesbezüglich auf die für den Beschwerdeführer günstigste Lage abzustellen. Dies ist im Beschwerdefall § 15 AuslBG in der Fassung BGBl. Nr. 218/1975 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 126/2002 (Inkrafttretedatum 01.01.2003, Außerkrafttretedatum 31.12.2005). Es wird auf die oben zitierten Erwägungen VwGH 24.03.2015, Ro 2014/09/0057, verwiesen.

Es ist somit zu prüfen, ob der BF2 während der letzten 8 Jahre in Summe während einer Dauer von mindestens fünf Jahren in Österreich mit einer dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, trifft dies im Beschwerdefall nicht zu.

Zudem ist anzumerken, dass sich der BF2 nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht auf die Stillhalteklausel berufen kann, da er durch die Beschäftigung bei der BF1 ohne gültige Beschäftigungsbewilligung Vorschriften Österreichs auf dem Gebiet der Beschäftigung nicht beachtet hat.

Der Beschwerdeführer ist unstrittig nicht zum Zweck der Familienzusammenführung eingereist, sondern er erhielt einen Aufenthaltstitel „Studierender“. Darüber hinaus zählen der im Bundesgebiet aufhältigen Bruder des Beschwerdeführers nicht zum Kreis der Familienangehörigen iSd Art. 7 ARB 1/80. Davon sind nach dem Unionsrecht (vgl. Art. 2 Ziffer 2 der Richtlinie 2004/38/EG ) nur die Ehegatten oder eingetragenen Partner, die eigenen Verwandten und die Verwandten des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres (Kinder, Enkelkinder) und darüber hinaus, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, und die eigenen Verwandten und die Verwandten des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird (Eltern, Großeltern), erfasst.

Wenn sich auch mit dem In-Kraft-Treten des NAG 2005 am 1. Jänner 2006 die Bedingungen (auch) für türkische Staatsangehörige, die Angehörige von Österreichern sind, zum Zweck (auch) einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet Aufenthalt nehmen zu dürfen, verschärft haben, führt der Verweis auf Art. 13 ARB 1/80 nicht zum Erfolg.

Gemäß § 49 Abs. 1 FrG 1997 genossen Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3 FrG 1997, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, Niederlassungsfreiheit. Nach § 47 Abs. 3 Z 1 FrG 1997 gilt als Angehöriger eines Österreichers im Sinn des § 49 Abs. 1 FrG sein Ehegatte.

Sohin waren schon zu diesem Zeitpunkt Geschwister nicht zum Angehörigenkreis zugehörig und konnte der Antrag damit auch nicht auf Art. 7 ARB 1/80 gestützt werden.

Dementsprechend war die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.3.Kostenentscheidung

Gemäß § 74 Abs 1 AVG hat jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. Im AVG herrscht daher der Grundsatz der Kostenselbsttragung. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob das Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag eingeleitet wurde, ob der Beteiligte im Verfahren obsiegt hat oder um welche Art von Kosten es sich handelt; dies selbst dann, wenn die Befolgung einer Vorschrift allenfalls eine unzumutbare finanzielle Belastung darstellt.

Da das VwGVG im Fall der Bescheidbeschwerde keine von § 74 AVG abweichende Regelung enthält war der Antrag auf Kostenersatzanspruch mangels gesetzlicher Grundlage zurückzuweisen.

3.4 Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Beschwerdeführer haben einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Der erkennende Senat erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedoch nicht für erforderlich, weil der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien und durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.

Da keine Fragen der Beweiswürdigung auftraten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. u.a. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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