AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W152.2252519.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Tadschikistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2022, Zl. 1285254001-211373055, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.07.2023 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer reiste am 21.09.2021 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, worauf er am 21.09.2021 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 29.11.2021 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen wurde.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , wies dann den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 26.01.2022, Zahl: 1285254001-211373055, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tadschikistan abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt(Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Tadschikistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging hiebei von der tadschikischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers aus. Es drohe ihm jedoch keine asylrelevante Gefahr.
Gegen diesen Bescheid erhob der Asylwerber fristgerecht Beschwerde.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen (Sachverhalt):
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Tadschikistan, trägt den Namen XXXX und wurde als Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken am XXXX in XXXX im Bezirk XXXX in der Provinz Khatlonskaja von Tadschikistan geboren, wo er bis zum Besuch der elften Klasse auch lebte. Während seines Studiums und zuletzt lebte der Beschwerdeführer, der Angehöriger der sunnitischen Glaubensgemeinschaft ist, in der Hauptstadt Duschanbe. Nachdem der Beschwerdeführer alle erforderlichen Prüfungen an einem College abgelegt hatte, wollte er sein Diplom im Mai/Juni 2019 abholen. Der Direktor verlangte für die Ausfolgung dieses Diploms jedoch 1.000 USD und warf dem Beschwerdeführer überdies vor, der Gruppe 24 – einer in Tadschikistan verbotenen Organisation – anzugehören. Der Direktor informierte dann die Polizei, die den Beschwerdeführer festnahm, zehn Tage inhaftierte und befragte. Der Beschwerdeführer war zwar Sympathisant der Gruppe 24 – so informierte er sich diesbezüglich und sah sich einschlägige Videos an – jedoch zu diesem Zeitpunkt noch kein Mitglied. Da die Polizei keine belastenden Beweise erheben konnte, wurde der Beschwerdeführer entlassen, stand aber weiterhin unter polizeilicher Beobachtung. Im Rahmen einer Sportlerreise konnte sich der Beschwerdeführer dann nach Russland absetzen. Nach seiner Ankunft in Moskau nahm der Beschwerdeführer Kontakt mit führenden Mitgliedern der Gruppe 24 in Russland auf und wurde im September 2019 Mitglied der Gruppe 24. Als ein führendes Mitglied der Gruppe 24 in Russland verhaftet wurde, wobei der Beschwerdeführer diesem zuvor Material hinsichtlich seiner Geschichte übermittelte, wurden die in Tadschikistan befindlichen Eltern des Beschwerdeführers von der Polizei aufgesucht und nach seinem Verbleib befragt. Der Beschwerdeführer hat daher Verfolgung in Tadschikistan zu gewärtigen.
Feststellungen zur Lage in Tadschikistan:
COVID-19
Die Behörden haben die Berichterstattung über die Covid-19-Pandemie streng kontrolliert und deren tatsächliche Auswirkungen heruntergespielt, was zu späten und wenig wirksamen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung und zum Schutz der öffentlichen Gesundheit führte (AI 29.3.2022). Bis Ende April 2020 leugnete die tadschikische Regierung die Existenz von COVID-19 im Land. Die erste Reaktion auf die Pandemie kam seitens einiger Aktivisten und NGOs, welche die Öffentlichkeit über COVID-19 informierten, Fälle registrierten, über Todesfälle berichteten und Unterstützung, für die am stärksten gefährdeten Gemeinschaften mobilisierten. Im Mai 2020 meldete die Regierung schließlich die ersten COVID-19-Fälle und beantragte beim IWF und der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) finanzielle Unterstützung, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu lindern. Die Soforthilfe richtete sich an das öffentliche Gesundheitssystem, das auf eine Pandemie dieses Ausmaßes nicht vorbereitet war. Im Sommer 2020 wurden Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen nur mit den von selbst mobilisierten lokalen Gruppen gesammelten Material-, Lebensmittel- und Ausrüstungsvorräten betrieben. Die Familien der von COVID-19 betroffenen Patienten sahen sich ohne staatliche Unterstützung mit den exorbitanten Kosten der Behandlung konfrontiert (BS 23.2.2022).
Medienberichten zufolge wurde medizinisches Personal, das mit COVID-19-Patienten arbeitete, entlassen, weil es sich über den mangelnden Zugang zu persönlicher Schutzausrüstung beschwert hatte (USDOS 12.4.2022). Nachdem der Präsident am 26. Januar 2021 den Sieg Tadschikistans über die Corona-Pandemie verkündet hatte, wurde bis einschließlich Mai 2021 behauptet es seien keine weiteren COVID-19-Fälle gemeldet worden. Unabhängige Medien berichteten jedoch, dass in Krankenhäusern im ganzen Land COVID-19-Patienten behandelt werden, wobei die Ärzte gezwungen waren, sie nicht als solche zu identifizieren (IPHR 13.10.2021; vgl. AI 29.3.2022). Berichten zufolge stellten die Labors des Landes daher nur negative Tests aus (IPHR 13.10.2021).
Seit Januar 2021 gelten die Daten über COVID-19-bedingte Todesfälle, Inzidenzraten, Testkapazitäten und Genauigkeit als unzuverlässig und manipuliert (BS 23.2.2022).
Berichten zufolge schikanierte die Polizei zu Beginn der COVID-19-Pandemie lokale Journalisten, als diese Beamte des Gesundheitswesens befragten, die zunächst darauf beharrt hatten, dass es in Tadschikistan trotz zahlreicher Verdachtsfälle kein Coronavirus gebe (RFE/RL 19.7.2022). Das tadschikische Parlament hat Gesetze verabschiedet, die die Verbreitung von „Fehlinformationen“ über die Pandemie unter Strafe stellen (BS 23.2.2022; vgl. FH 28.2.2022) und die strafrechtliche Verfolgung derjenigen ermöglichen, die COVID-19 übertragen (BS 23.2.2022).
Die COVID-19-Pandemie hat das Wirtschaftswachstum verlangsamt, da wichtige Rücküberweisungen aus dem Ausland deutlich zurückgegangen sind und der Binnenkonsum sowie der Tourismus- und Gastgewerbesektor rückläufig waren. Der wirtschaftliche Abschwung und die schwerwiegende Unterbrechung der Rücküberweisungen während der COVID-19-Pandemie haben die Ungleichheiten weiter verstärkt und die die Aussichten auf Armutsbekämpfung untergraben. Die Regierung hat zwar nur 90 COVID-19-bedingte Todesfälle zugegeben. Die offiziellen Daten zur Übersterblichkeit zeigen einen Anstieg um 26 % - eine sehr hohe Rate für ein Land mit einer stabilen umgekehrten demografischen Pyramide (BS 23.2.2022).
In Tadschikistan ist die Impfung gegen das COVID-19-Virus für alle Bürger ab 18 Jahren verpflichtend. Darüber hinaus gehen die Hausärzte von Tür zu Tür und fordern die Menschen auf, sich impfen zu lassen, und sind bereit, die Menschen auch zu Hause zu impfen. Nach Angaben des tadschikischen Ministeriums für Gesundheit und sozialen Schutz hatten bis zum 18. Januar etwa 70 % der Bevölkerung die erste Dosis des Impfstoffs erhalten, 60 % die zweite Dosis. Unabhängige Experten gehen davon aus, dass diese Zahlen deutlich zu hoch angesetzt sind (CABAR 28.1.2022).
Quellen:
- AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/2022; The State of the World’s Human Rights; Tajikistan 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070283.html , Zugriff 8.8.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 8.8.2022
- CABAR (28.2.2021): Revaccination against COVID-19 has begun in Tajikistan. Why is it needed? https://cabar.asia/en/revaccination-against-covid-19-has-begun-in-tajikistan-why-is-it-needed , Zugriff 8.8.2022
- FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Tajikistan, https://freedomhouse.org/country/tajikistan/freedom-world/2022 , Zugriff 8.8.2022
- IPHR – International Partnership for Human Rights (13.10.2021): In Jail for a Joke: Stifling of Independent Voices Continues, https://www.iphronline.org/in-jail-for-a-joke-stifling-of-independent-voices-continues.html , Zugriff 8.8.2022
- RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (19.7.2022): Tajikistan Steps Up Attacks On Independent Media to ‚Control Public Opinion‘, https://www.ecoi.net/de/dokument/2076013.html , Zugriff 8.8.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-report-on-international-religious-freedom/tajikistan/ , Zugriff 8.8.2022
Politische Lage
Tadschikistan ist ein autoritärer Staat, der seit 1992 von Präsident Emomali Rahmon und seinen Anhängern politisch dominiert wird. Die Verfassung sieht ein politisches Mehrparteiensystem vor, aber die Regierung hat in der Vergangenheit den politischen Pluralismus behindert (USDOS 12.4.2022). Tadschikistan ist seit 1991 unabhängig und eine Präsidial-Republik mit Zweikammer-Parlament. Es hat 9,5 Mio Einwohner. Das Land ist in drei Verwaltungs-Gebiete (Oblaste) eingeteilt: Sughd, Kathlon und das autonome Gebiet Berg-Badachschan, während die „Regionen unter direkter republikanischer Verwaltung“ mit der Hauptstadt Duschanbe der Zentralregierung unterstellt sind (AA 14.3.2022). Die aus zwei Kammern bestehende Oberste Versammlung besteht aus einem Oberhaus, der Nationalversammlung, und einem Unterhaus, der Repräsentantenversammlung. Die Nationalversammlung besteht aus 25 Mitgliedern, die von den lokalen Versammlungen gewählt werden, und 8 Mitgliedern, die vom Präsidenten ernannt werden; auch ehemalige Präsidenten haben Anspruch auf einen Sitz. Die 63 Mitglieder zählende Repräsentantenversammlung wird vom Volk in einem gemischten System aus 41 Einzelwahlkreisen und 22 Sitzen nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Die Amtszeit der Mitglieder der Obersten Versammlung beträgt fünf Jahre (FH 28.2.2022). Laut OSZE-/ODIHR-Wahlbeobachterberichten haben Präsidentschafts- und Parlaments-Wahlen in Tadschikistan demokratische Standards bisher deutlich verfehlt. Die in der Verfassung von 1994 vorgesehene Gewaltenteilung wird in der Verfassungswirklichkeit nicht umgesetzt – ebenso wenig wie die dort vorgesehenen Grundrechte und –freiheiten (AA 14.3.2022).
In Tadschikistan existieren derzeit legal folgende Parteien: Die Volksdemokratische Partei Tadschikistans, die Agrarier-Partei, die Partei der Wirtschaftsreformen, die Sozialistische Partei, die Kommunistische Partei, die Demokratische Partei und die Sozialdemokratische Partei Tadschikistans. Mit Ausnahme der Sozialdemokratischen Partei Tadschikistans - der einzigen Oppositionspartei - sind alle Parteien im Parlament vertreten; eindeutig dominierende politische Kraft ist die Volksdemokratische Partei von Präsident Rahmon (mehr als 80 % der Sitze). Die anderen im Parlament vertretenen Parteien unterstützen die Politik des Präsidenten und sind daher keine echten Oppositionsparteien (AA 14.3.2022; vgl. BS 23.2.2022).
In Tadschikistan finden in den von der Verfassung vorgeschriebenen Fristen regelmäßig Parlaments- (alle 5 Jahre) und Präsidentenwahlen (alle 7 Jahre) statt. Seit 1994 ist Emomali Rahmon der Präsident der Republik Tadschikistan. Er trägt seit 2015 auf Lebenszeit zusätzlich den Titel „Führer der Nation“. Am 11.10.2020 wurde er für eine fünfte Amtszeit mit knapp 91 % der Stimmen wiedergewählt. Eine Beschränkung des Präsidenten-Mandats auf zwei Amtszeiten wurde 2016 aufgehoben (AA 14.3.2022; vgl. FH 28.2.2022, USDOS 12.4.2022). Sohn des Präsidenten, Rustam Emomali, ist z.Z. Bürgermeister der Hauptstadt Duschanbe. Seit den Parlamentswahlen im Frühjahr 2020 ist Rustam Emomali auch Vorsitzender des Oberhauses des Parlaments und damit gemäß Verfassung zweiter Mann im Staat. Er würde bei Rücktritt oder Ausscheiden des jetzigen Staatspräsidenten automatisch amtierender Staatspräsident. Die nächsten Präsident-schaftswahlen sind im Oktober 2027 vorgesehen (AA 14.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 14.7.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Tajikistan, https://freedomhouse.org/country/tajikistan/freedom-world/2022 , Zugriff 14.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-report-on-international-religious-freedom/tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
Sicherheitslage
Die politische Lage ist insgesamt ruhig. Jedoch sind Demonstrationen und Proteste sowie das Risiko von Anschlägen auf westliche Ziele nicht auszuschließen. In der Autonomen Provinz Berg-Badachschan (GBAO) bzw. an der Grenze zu Kirgistan und Afghanistan gibt es ein Sicherheitsrisiko aufgrund gewalttätiger Auseinandersetzungen, Schusswechsel und Kampfhandlungen. An vielbesuchten Orten kommt es zu Kleinkriminalität (AA 19.7.2022). Gelegentlich kommt es auch zu Entführungen (BMEIA 19.7.2022; vgl. C24 o.D.).
Die tadschikische Regierung sah sich aufgrund des Ausbruchs von COVID-19 mit Einschränkungen bei ihren Bemühungen konfrontiert, die Kapazitäten der Strafverfolgungsbehörden zur Terrorismusbekämpfung, Verbesserung der Grenzsicherheit und Aufdeckung der Terrorismusfinanzierung zu verbessern. Sie arbeitet zur Terrorismusbekämpfung mit internationalen Organisationen wie der EU, OSZE und den Vereinten Nationen zusammen. Im Jahr 2020 wurden in Tadschikistan keine terroristischen Vorfälle gemeldet. In Bezug auf Gesetzgebung, Strafverfolgung und Grenzsicherheit hat das Parlament keine neuen Sicherheitsabkommen ratifiziert. Weiters ermöglicht Tadschikistan durch Änderung der Strafgesetze 2015 den Behörden, tadschikische ausländische terroristische Kämpfer zu begnadigen, die freiwillig aus dem Irak oder Syrien zurückkehren, Reue für ihre Taten bekunden und sich von Verbindungen zu ausländischen militanten Gruppen lossagen. Gruppen, die die Regierung als extremistisch einstuft, unterwirft sie weiterhin strengen Beschränkungen und inhaftiert sie, auch aufgrund der politischen und religiösen Meinungsäußerung und der Aktivitäten dieser Gruppen (USDOS 16.12.2021). Eine geschätzte Anzahl an Tadschiken, die derzeit für den Islamischen Staat (IS), einschließlich in Afghanistan kämpfen, beläuft sich auf 600 bis 1.400 (C24 o.D.).
Der Drogenschmuggel durch Tadschikistan als eine wichtige Route für den Drogenhandel in Zentralasien wird auf 30-50 % des BIP geschätzt (CIA 13.4.2022). Die afghanisch-tadschikische Grenzregion wird häufig von Drogenhändlergruppen durchquert, die sowohl Drogen als auch Waffen nach Tadschikistan bringen. Durch Anstieg des Drogenmissbrauchs im Land erhöht sich die Kriminalitätsrate. Die organisierte Kriminalität ist mit internationalen Netzwerken verbunden, insbesondere mit russischen Drogenhandelsgruppen (C24 o.D.).
Die Sicherheitsprobleme der jüngsten Jahre in Tadschikistan waren hausgemacht, trotz des Versuches seitens der Regierung diese als aus dem Ausland herrührend darzustellen. Die Sicherheitslage in Afghanistan und im Nahen Osten hatte wenig Wirkung auf die innere Stabilität Tadschikistans, trotz der Behauptungen der Regierung, dutzende Terroranschläge aus dem Lager der ausländischen Opposition verhindert zu haben (BS 23.2.2022).
Tadschikistan ist auf die militärische Unterstützung und Präsenz Russlands angewiesen, wenn es darum geht, externe Bedrohungen, insbesondere aus dem Süden abzuwehren. Die militanten islamistischen Aktivitäten im Norden Afghanistans, jenseits der durchlässigen Grenze, stellen eine zentrale Bedrohung dar, insbesondere wenn der afghanische Konflikt auf Zentralasien übergreift. Die zunehmende diplomatische Feindseligkeit zwischen der Taliban-Regierung im benachbarten Afghanistan und der tadschikischen Regierung erhöht die Sicherheitsrisiken entlang der 1.360 km langen gemeinsamen Grenze. Diese Risiken werden durch die Zwischenfälle an der Grenze im Juni-Juli 2021 deutlich, als die Taliban dabei waren, die Kontrolle über nördliche Provinzen in Afghanistan zu übernehmen. Um hierbei Risiken zu minimalisieren, wurden zusätzliche russische Truppen und militärische Ausrüstung in den Süden Tadschikistans entsandt. Ferner birgt die unzureichend demarkierte Grenze zu Kirgistan die Gefahr gelegentlicher Sicherheitsvorfälle an der tadschikisch-kirgisischen Grenze bei kommunalen Konflikten über den Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen und die Wasserversorgung für die Bewässerung (C24 o.D.).
Die Sicherheitskräfte unterdrücken weiterhin alle Dissidentenbewegungen in den peripheren Regionen des Rascht-Tales und Gorno-Badachschan (BS 23.2.2022).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.7.2022): Tadschikistan: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tadschikistan-node/tadschikistansicherheit/206756#content_1 , Zugriff 20.7.2022
- AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 20.7.2022
- BMEIA – Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (19.7.2022): Tadschikistan – Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/tadschikistan/ , Zugriff 20.7.2022
- BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 20.7.2022
- C24 – Crisis24 (o.D.): Tajikistan Country Report, https://crisis24.garda.com/insights-intelligence/intelligence/country-reports/tajikistan?origin=gwc24 , Zugriff 20.7.2022
- CIA – Central Intelligence Agency [USA] (13.7.2022): The World Factbook – Tajikistan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/tajikistan/ , Zugriff 20.7.2022
- USDOS – US Department of State [USA] (16.12.2021): Country Report on Terrorism 2020 - Chapter 1 – Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2065446.html , Zugriff 20.7.2022
Rechtsschutz / Justizwesen
Obgleich das Gesetz eine unabhängige Gerichtsbarkeit vorsieht, übt die Exekutive Druck auf Staatsanwälte, Verteidiger und Richter aus. Korruption und Ineffizienz stellen erhebliche Probleme dar (USDOS 12.4.2022; vgl. BS 23.2.2022). Der Staatspräsident kontrolliert die Justiz durch sein verfassungsmäßiges Prärogativ und kann Richter und den Generalstaatsanwalt ernennen oder entlassen. Die Gerichte werden zudem durch die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft beeinflusst. Was den Einfluss und die politische Macht betrifft, rangiert die Staatsanwaltschaft rangiert über den Gerichten. In politisch heiklen Fällen urteilen die Richter gemäß den Anweisungen mächtiger Offizieller aus der Präsidialverwaltung (BS 23.2.2022; vgl. AA 14.3.2022). Niedrige Gehälter für Richter und Staatsanwälte führen dazu, dass Bestechung weit verbreitet ist (USDOS 12.4.2022).
Für Angeklagte gilt in der Praxis nicht die Unschuldsvermutung, denn die Gerichte befinden fast alle Angeklagten für schuldig. Die meisten menschenrechtsbezogenen Fälle werden als sensibel eingestuft, so dass die Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden können (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Im Allgemeinen erlauben die Gerichte den Angeklagten zeitgerecht einen Anwalt zu konsultieren, doch wird ihnen das Recht auf einen Verteidiger während der Untersuchungshaft bzw. der Zeit der Ermittlungen oft vorenthalten, insbesondere in politisch heiklen Fällen. Angeklagte und Nichtregierungsorganisationen beklagen, dass die Regierung manchmal einen Pflichtverteidiger ernennt, um zu verhindern, dass der Angeklagte einen Rechtsbeistand nach eigener Wahl bekommt. Angeklagte und Verteidiger haben das Recht, alle behördlichen Beweismittel einzusehen und die Zeugen damit zu konfrontieren bzw. diese zu befragen (USDOS 12.4.2022).
Obschon alle Prozesse öffentlich sind, sieht das Gesetz die Möglichkeit von Geheimprozessen vor, wenn die nationale Sicherheit betroffen ist. Fälle, in denen der Vorwurf des „Extremismus“ erhoben wird, fallen in diese Kategorie, so dass die meisten Prozesse gegen Menschenrechtsaktivisten unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Vertretern der Zivilgesellschaft wird der Zugang zu Gerichtsprozessen gegen hochrangige Persönlichkeiten verwehrt, weil diese Prozesse durch die Regierung als geheim eingestuft werden (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 14.3.2022). Eine förmliche Verweigerung des Rechtsschutzes ist nicht bekannt. In politisch heiklen Fällen ist effektiver Rechtsschutz nicht gegeben, da in diesen Fällen die verteidigenden Rechtsanwälte Gefahr laufen, unter Vorwänden selbst der Strafverfolgung unterzogen zu werden (AA 14.3.2022).
Einflussreichen Personen ist es möglich, das Einleiten von Ermittlungen und die Verurteilung gegen ihnen missliebige Personen, z. B. wirtschaftliche Konkurrenten, orchestrieren zu lassen; die Zahl der unschuldig Verurteilten dürfte hoch sein (AA 14.3.2022).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 21.7.2022
- BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 21.7.2022
- FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2074701.html , Zugriff 14.7.2022
- USDOS – US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071184.html , Zugriff 21.7.2022
Sicherheitsbehörden
Das Innenministerium (MWD) ist vorrangig für die Erhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig und kontrolliert die Polizei (Miliz). Die Drogenkontrollbehörde, die Antikorruptionsbehörde, die staatliche Steuer- sowie die Zollbehörden können spezifischen Straftaten nachgehen und berichten dem Präsidenten. Das Staatskomitee für nationale Sicherheit (GKNB) ist für den Nachrichtendienst verantwortlich, kontrolliert den Grenzschutz und untersucht Fälle von vermeintlichen extremistischen Aktivitäten im politischen oder religiösen Bereich, sowie Fälle von Menschenschmuggel und politisch sensible Fälle. Alle Strafverfolgungsbehörden und die Zollbehörde unterstehen direkt dem Präsidenten. Die Zuständigkeiten der Behörden überschneiden sich erheblich. Die Strafverfolgungsbehörden unterstehen dem Staatskomitee für nationale Sicherheit (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 14.3.2022).
Die Sicherheitsbehörden – insbesondere das Innenministerium (MWD) und das Staatskomitee für nationale Sicherheit (GKNB) – dienen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und staatlichen Stabilität, Kritiker sehen darin aber vor allem den Machterhalt der Machtelite. Ihre Hauptaufgaben seien Kontrolle und Repression, wobei auch die Zuständigkeiten nicht immer klar abgegrenzt sind. Beide Institutionen haben eigene bewaffnete Einheiten. Das GKNB hat die Funktionen eines Inlands- und Auslandsgeheimdienstes, ferner die Zuständigkeit des Grenzschutzes inne (AA 14.3.2022).
Straffreiheit der Behörden stellt ein gravierendes Problem dar. Während die Behörden begrenzte Schritte gegen Straftäter unternehmen, gibt es weiterhin Berichte von Folter und Misshandlungen von Häftlingen. Die Kultur der Straflosigkeit und der Korruption schwächen die Ermittlungen und die Strafverfolgung (USDOS 12.4.2022; vgl. BS 23.2.2022).
Verhaftungen erfolgen in der Regel mit einer Begründung, aber Häftlinge und Gruppen der Zivilgesellschaft berichten häufig, dass die Behörden Anklagen gefälscht oder kleinere Vorfälle aufgebauscht haben, um politisch motivierte Verhaftungen vorzunehmen. Die Polizei kann eine Person zwölf Stunden lang festhalten, bevor die Behörden Strafanklage erheben. Wenn letzteres nicht geschieht, muss die Person freigelassen werden. Allerdings informiert die Polizei die Festgenommenen oft nicht über die konkreten Vorwürfe. Falls die Polizei Strafanzeige erhebt, kann eine Person bis zu 72 Stunden festgehalten werden, bevor die Polizei die Anzeige einem Richter zwecks Einvernahme unterbreiten muss (USDOS 12.4.2022).
Die Sicherheitskräfte stehen nur teilweise unter der Kontrolle ziviler Behörden (USDOS 12.4.2022). Polizeibeamte sind u.a. verpflichtet, der Politik des Präsidenten von Tadschikistan treu zu sein und sie im Leben umzusetzen (A+ 3.3.2020c).
Quellen:
- A+ – Media Group Asia-Plus Tajikistan (3.3.2020): Как должен себя вести таджикский милиционер? Отвечают душанбинцы, https://asiaplustj.info/ru/news/tajikistan/society/20200303/kak-dolzhen-sebya-vesti-tadzhikskii-militsioner-otvechayut-dushanbintsi , Zugriff 21.7.2022
- AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 21.7.2022
- BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report – Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 21.7.2022
- USDOS – US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071184.html , Zugriff 21.7.2022
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung verbietet die Anwendung von Folter, obwohl die Regierung 2012 das Strafgesetzbuch änderte und einen eigenen Artikel hinzufügte, um Folter im Einklang mit dem Völkerrecht zu definieren (USDOS 2.6.2022). Folter kommt jedoch weiterhin vor (AA 14.3.2022; vgl. USDOS 2.6.2022, BS 23.2.2022). Laut den abschließenden Beobachtungen des UN-Menschenrechtsausschusses (OHCHR) von 2019 gab es Berichte über Schläge, Folter und andere Formen der Nötigung, um bei Verhören Geständnisse zu erzwingen (USDOS 2.6.2022).
Obwohl die Behörden einige begrenzte Schritte unternahmen, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, gab es weiterhin Berichte über Folter und Misshandlung von Gefangenen, und eine Kultur der Straffreiheit und Korruption schwächte die Ermittlungen und die Strafverfolgung. In einigen Fällen wiesen die Richter die Missbrauchsvorwürfe der Angeklagten während ihrer Anhörungen in der Untersuchungshaft oder während des Prozesses zurück. Die Behörden gewährten keinen ausreichenden Zugang zu Informationen, um Menschenrechtsorganisationen die Untersuchung von Foltervorwürfen zu ermöglichen, und viele Fälle werden in den Statistiken nicht erfasst, da die Opfer und ihre Angehörigen aus mangelndem Vertrauen in die Strafjustiz und aus Angst vor Repressalien seitens der Strafverfolgungsbehörden keine Beschwerden einreichen (USDOS 2.6.2022). Viele Fälle werden in den Statistiken nicht erfasst (IPHR 3.2021; vgl. AA 14.3.2022), da die Opfer und ihre Angehörigen keine Anzeige erstatten, weil aus mangelndem Vertrauen in das Strafrechtssystem und aus Angst vor Repressalien seitens der Strafverfolgungsbehörden (IPHR 3.2021).
Mitglieder der NGO Coalition against Torture and Impunity in Tajikistan registrierten in der ersten Hälfte des Jahres 2021 14 neue Fälle von Misshandlung, wobei einige Opfer schwere körperliche Misshandlungen angaben. Von diesen Beschwerden richteten sich 11 gegen das Innenministerium (USDOS 2.6.2022). Im Jahr 2020 wurden 37 Fälle dokumentiert (AA 14.3.2022).
Die Regierung möchte Folter bekämpfen. In den letzten Jahren hat es zwar Strafverfolgungen gegen Folterer gegeben, die Täter kamen aber häufig rasch in den Genuss von Amnestien (AA 14.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland](14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 14.7.2022
- IPHR (3.2021): Submission to the UN Universal Periodic Review 39th session of the UPR Working Group, October-November 2021, https://www.iphronline.org/wp-content/uploads/2021/09/UPR-Taj-torture.pdf , Zugriff 14.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
Korruption
Auf allen Regierungsebenen sind Korruption und Nepotismus weit verbreitet, Korruption ist Teil des Alltagslebens und Gesetze, die Korruption verhindern sollen, werden regelmäßig ignoriert (USDOS 2.6.2022; vgl. FH 28.2.2022). Patronagenetzwerke und regionale Zugehörigkeiten stehen im Mittelpunkt des politischen Lebens (FH 28.2.2022). Transparency International listet Tadschikistan im Corruption Perceptions Index 2021 auf Platz 150 von 180 untersuchten Ländern (TI 2021).
Das Gesetz sieht Sanktionen nach dem Strafrecht für korrupte Beamte vor, doch setzt die Regierung dieses Gesetz nicht effektiv um. Beamte sind häufig straflos in korrupte Praktiken verwickelt. Korruption ist insbesondere im Bildungsbereich und bei der Polizei verbreitet (USDOS 2.6.2022).
Das Innenministerium, die Antikorruptionsbehörde und die Generalstaatsanwaltschaft sind für die Untersuchung, Verhaftung und Verfolgung mutmaßlich korrupter Beamter zuständig (USDOS 11.3.2020). Die Regierung hat das Problem der Korruption erkannt und einige Schritte zu ihrer Bekämpfung unternommen (USDOS 2.6.2022; vgl. BS 23.2.2022). Der Regierung gelingt es jedoch weitgehend nicht, die Korruption einzudämmen. Regeln für Interessenkonflikte und Verhaltenskodizes gibt es nicht. Die Staatsausgaben unterliegen keiner unabhängigen Rechnungsprüfung. Der Haushalt wird nicht im Parlament erörtert. Ein transparentes öffentliches Beschaffungswesen wurde noch nicht eingeführt, trotz des Drucks von Gebern und internationalen Finanzinstitutionen. Journalisten, die über Korruption unter Beamte berichten, werden häufig wegen Verleumdung und übler Nachrede angeklagt (BS 23.2.2022).
Quellen:
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 14.7.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Tajikistan, https://freedomhouse.org/country/tajikistan/freedom-world/2022 , Zugriff 14.7.2022
- TI - Transparency International (2021): Corruption Perceptions Index 2021, https://www.transparency.org/en/cpi/2021/index/tjk , Zugriff 14.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Menschenrechtsorganisationen können sich in Tadschikistan betätigen; ihr Spielraum ist in den letzten Jahren allerdings deutlich kleiner geworden (AA 14.3.2021; vgl. USDOS 2.6.2022). NGOs, die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten, müssen dies anzeigen; die zwischenzeitlich erklärte Absicht, dass sich solche NGOs als „ausländische Agenten“ registrieren lassen müssen, wurde jedoch bisher nicht umgesetzt. NGOs, insbesondere solche, die sich auf dem Gebiet der Menschenrechte betätigen, können in begrenztem Rahmen auf Missstände hinweisen. Ihr Einfluss beschränkt sich zumeist auf nicht-politische Bereiche, (z.B. Rechte behinderter Menschen) (AA 14.3.2021; vgl. FH 28.2.2022). Mittel zur Kontrolle sind häufige Überprüfungen durch staatliche Institutionen wie die Steuerbehörde, Brandschutzbehörde, etc., aber auch Besuche oder Anrufe von Angehörigen der Sicherheitsorgane bzw. Einbestellungen durch diese (AA 14.3.2022).
Quellen:
- AA- Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Tajikistan, https://freedomhouse.org/country/tajikistan/freedom-world/2022 , Zugriff 14.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
Wehrdienst und Rekrutierungen
Männer müssen im Alter von 18-27 Jahren den Wehrdienst ableisten (RFE/RL 7.2.2020; vgl. CIA 13.7.2022).
Da sich wegen der schlechten Bedingungen beim Militärdienst viele junge Männer der Wehrpflicht zu entziehen versuchen, gibt es im Frühjahr und Herbst jeden Jahres Kampagnen. Bei Nicht-Erfüllung der regionalen Quoten können junge Männer unter Beteiligung des Militärs von der Straße weg zwangsrekrutiert werden. Freikauf vom Wehrdienst durch Bestechung ist weit verbreitet. Viele junge Männer entziehen sich dem Wehrdienst auch durch Arbeitsmigration nach Russland. Manche von ihnen werden aber unter Druck gesetzt, auch über ihre Familien, zurückzukehren und den Dienst doch noch abzuleisten (AA 24.3.2022).
Einzige Söhne, Familienväter mit mindestens zwei Kindern und Studenten sind vom Wehrdienst freigestellt (AA 24.3.2022; vgl. RFE/RL 7.2.2020). Sanktionen für Wehrdienstverweigerung sind Geld- bzw. Haftstrafen. Fahnenflucht wird mit Haftstrafen von zwei bis fünf Jahren bestraft (AA 24.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (13.7.2022): The World Factbook – Tajikistan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/tajikistan/#military-and-security , Zugriff 14.7.2022
- RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (7.2.2020): Tajikistan Plans To Cut Military Service Term By Six Months, https://www.rferl.org/a/tajikistan-cut-military-service-six-months/30422877.html , Zugriff 17.2.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Sämtliche Bürgerrechte sind im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsstandards in der nationalen Gesetzgebung verankert (BS 23.2.2022; vgl. AA 14.3.2022). Allerdings werden in der Praxis die Bürgerrechte regelmäßig verletzt (BS 23.2.2022).
Zu den bedeutendsten Menschenrechtsverletzungen gehören: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen durch Gefängnisbehörden; erzwungenes Verschwindenlassen durch die Regierung in Absprache mit ausländischen Regierungen; Folter und Misshandlung von Gefangenen durch Sicherheitskräfte; willkürliche Inhaftierung; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; politische Gefangene; willkürliche oder unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; Zensur, Sperrung von Internetseiten und kriminalisierte Verleumdung; erhebliche Eingriffe in die Rechte der friedlichen Versammlung und der Vereinigungsfreiheit, wie z.B. übermäßig restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs), schwere Einschränkungen der Religionsfreiheit, erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Einschränkungen der politischen Partizipation, auch durch die Verhinderung echter, freier oder fairer Wahlen, erhebliche Akte der Korruption und Vetternwirtschaft, Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Personen (LGBTI) und Zwangsarbeit. Es gibt nur sehr wenige Verfolgungen von Regierungsbeamten wegen Menschenrechtsverletzungen. Beamte in den Sicherheitsdiensten und anderswo in der Regierung handeln straflos (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 14.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
Meinungs- und Pressefreiheit
Die Meinungs- und Pressefreiheit ist in der Verfassung festgelegt, wird jedoch in der Praxis durch die Regierung eingeschränkt (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022, AA 14.3.2022). Die Redefreiheit wird weiterhin durch Festnahmen, Verfolgung, schwere Strafen, die Verabschiedung strenger und überzogener Gesetze und die erzwungene Schließung von Medienunternehmen eingeschränkt. Auf die Beleidigung des Präsidenten drohen bis zu fünf Jahre Haft (USDOS 12.4.2022). Die Behörden unterdrückten oppositionelle Aktivisten und Regierungskritiker, indem sie sie aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen zu langen Haftstrafen verurteilten, häufig ihre Auslieferung aus Exilländern verlangten und ihre Angehörigen in Tadschikistan und im Ausland schikanierten (AI 29.3.2022).
Unabhängige Medien sind erheblichem und wiederkehrendem Druck durch die Regierung ausgesetzt. Obwohl einige Printmedien politische Kommentare und regierungskritisches Untersuchungsmaterial veröffentlichten, werden bestimmte Themen von den Behörden als tabu erachtet, darunter unter anderem Fragen zu finanziellen Unregelmäßigkeiten von dem Präsidenten nahestehenden Personen oder Inhalte bezüglich verbotener Parteien. Die Regierung kontrolliert den Inhalt aller Fernseh- und Rundfunksender unabhängig von der Art ihrer Besitzverhältnisse. Der Zugang zu einem weiten Spektrum von Internetseiten und Social-Media-Plattformen wird von der Regierung regelmäßig blockiert (USDOS 12.4.2022).
Aus Sorge vor persönlich negativen Konsequenzen üben Journalisten Selbstzensur; die Besitzer von Massenmedien müssen auch an nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen einer kritischen Berichterstattung denken (AA 14.3.2022; vgl. USDOS 12.4.2022).
Unter dem Vorwand, die nationale Sicherheit zu schützen, sperrt die staatliche Telekommunikationsbehörde Tadschikistans regelmäßig Websites, die potenziell regierungskritische Informationen enthalten, darunter Facebook, Radio Ozodi, die Website des tadschikischen Dienstes von Radio Free Europe, und Websites der Opposition. Journalisten und Blogger werden für ihre in sozialen Medien geäußerten kritischen Meinungen strafrechtlich verfolgt. Grundlage hierfür sind Gesetzesänderungen aus dem Jahr 2017, die es den Sicherheitsdiensten erlauben, die Online-Aktivitäten von Einzelpersonen zu überwachen, unter anderem durch die Aufzeichnung von Mobilfunknachrichten und Kommentaren (HRW 13.1.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- AI - Amnesty International (29.3.2022): The State of the World's Human Rights; Tajikistan 2021, https://www.amnesty.org/en/location/europe-and-central-asia/tajikistan/report-tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 14.7.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Tajikistan, https://freedomhouse.org/country/tajikistan/freedom-world/2022 , Zugriff 14.7.2022
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/2066565.html , Zugriff 14.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Das von der Verfassung vorgesehene Recht auf Versammlungsfreiheit wird in der Praxis von der Regierung eingeschränkt. Die Regierung verlangt von Einzelpersonen die Einholung einer Erlaubnis zur Abhaltung öffentlicher Demonstrationen (USDOS 12.4.2022; vgl. BS 23.2.2022, FH 28.2.2022, AA 14.3.2022). Es wurde berichtet, dass Einzelpersonen, die die Durchführung eines friedlichen Protests erwägen, davon Abstand nehmen, weil sie Repressionen fürchten (USDOS 12.4.2022). Die Genehmigung für Demonstrationen ist bei der Lokalregierung einzuholen, die praktisch in allen Fällen eine solche verweigert, wodurch Versammlungen illegal werden (BS 23.2.2022; vgl. AA 14.3.2022). Wenn Demonstrationen stattfinden, sind sie in der Regel vom Régime orchestriert (AA 14.3.2022).
Das Gesetz sieht das Recht vor, unabhängige Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten, verlangt jedoch die Registrierung aller NGOs, einschließlich der Gewerkschaften. Das Gesetz sieht ferner vor, dass Gewerkschaftsaktivitäten, wie etwa Tarifverhandlungen, frei von Eingriffen sind, außer "in gesetzlich festgelegten Fällen", aber das Gesetz definiert diese Fälle nicht. Tarifverträge gelten für 90 Prozent der Beschäftigten im formellen Sektor (USDOS 12.4.2022).
Viele Aktivistinnen waren anonymen Schikanen und Versuchen ausgesetzt, sie in sozialen Netzwerken zu verunglimpfen, unter anderem indem sie fälschlicherweise als Sexarbeiterinnen dargestellt wurden, als Vergeltung für ihre Teilnahme an Protesten (USDOS 12.4.2022).
Im November 2021 kam es in Chorog, der Hauptstadt der autonomen Region Gorno-Badachschan, zu einer Demonstration, nachdem die Polizei den Einwohner Gulbidin Ziyobekov erschossen hatte; die Behörden behaupteten, Ziyobekov habe auf die Polizei geschossen, bevor er getötet wurde. Zwei Demonstranten starben, als Sicherheitsbeamte in eine Menge von Demonstranten schossen. Die Proteste endeten nach einigen Tagen, wobei die Behörden versprachen, den Tod von Ziyobekov zu untersuchen. Im Dezember stellte ein staatliches Fernsehprogramm Ziyobekov jedoch als Selbstjustizler dar (FH 28.2.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 14.7.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Tajikistan, https://freedomhouse.org/country/tajikistan/freedom-world/2022 , Zugriff 14.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
Opposition
Die Regierung marginalisiert konsequent unabhängige oder oppositionelle Parteien, die vom politischen Prozess ausgeschlossen sind (FH 28.2.2022; vgl. BS 23.2.2022). Die politischen Parteien der Opposition sind zu schwach und werden werden nur geduldet, solange sie das Regime nicht herausfordern (BS 23.2.2022). Präsident Rahmon hat in den letzten Jahren seine Macht weiter gesichert und die Opposition im Inland völlig ausgeschaltet, Oppositionsgruppen können nur aus dem Ausland operieren. Politische Kräfte außerhalb der Partei des Präsidenten sind in den letzten Jahren gezielt kriminalisiert, verhaftet oder ins Ausland getrieben worden. Im Lande selbst gibt es keine Opposition mehr (AA 14.2.2022). Vier exilierte Oppositionsgruppen haben sich im Herbst 2018 am Rande des Warschauer Human Dimension Meeting (HDIM) der OSZE zu einer „Nationalen Allianz Tadschikistans“ (NAT) unter der Führung des Vorsitzenden der Partei PIWT, Muhiddin Kabiri, zusammengeschlossen (AA 14.3.2022; vgl. BS 23.2.2022). Die Gruppierung ist allerdings auch international nicht sehr aktiv (AA 14.3.2022) und aufgrund gegensätzlicher politischer Ansichten und des persönlichen Misstrauens zwischen den Mitgliedern ist der Einfluss dieses Bündnisses auf die Politik Tadschikistans begrenzt (BS 23.2.2022). Die tadschikische Regierung versucht, Aktivitäten der Opposition auch im Ausland zu unterbinden oder zu behindern. Rückkehrende müssen mit Verhaftungen und langen Haftstrafen rechnen. Deutschland wird vorgeworfen, Rückzugsräume für Oppositionelle zu bieten und ihnen Asyl zu gewähren (AA 14.3.2022).
Die Islamische Renaissance-Partei Tadschikistans (IRPT), die die wichtigste Oppositionsgruppe des Landes war, verlor ihre rechtliche Registrierung und wurde 2015 zu einer terroristischen Organisation erklärt (FH 28.2.2022; vgl. BS 23.2.2022). Mit den Verfassungsänderungen von 2016 wurden glaubensbasierte Parteien verboten, was die IRPT effektiv daran hinderte, sich zu reformieren. Die Nationale Allianz Tadschikistans, eine in Europa ansässige Flüchtlingsoppositionskoalition, wurde 2019 zu einer terroristischen Organisation erklärt (FH 28.2.2022).
In politisch heiklen Fällen werden die Gerichtsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt und die Richter entscheiden auf Anweisung mächtiger Beamter der Präsidialverwaltung. Angeklagte in politischen Fällen haben keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Unabhängige Verteidiger wurden wurden aufgrund politisch motivierter Anklagen verhaftet, nachdem sie Oppositionspolitiker oder regimekritische Intellektuelle verteidigt hatten (BS 23.2.2022).
Die Behörden haben auch im Jahr 2021 aktuelle und ehemalige IRPT-Mitglieder, ihre Familien und andere Gegner schikaniert und verhaftet. Im Januar wurde der SDPT-Funktionär Mahmurod Odinaev wegen Rowdytums und Extremismus zu einer 14-jährigen Haftstrafe verurteilt. Sein Sohn, Shaikhmuslihiddin Rizoev, wurde im Februar wegen Rowdytums und versuchter Vergewaltigung zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt. Im Juni wurde das ehemalige IRPT-Mitglied Mirzo Hojimuhammad wegen seiner Mitgliedschaft zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, obwohl seine Familie erklärte, er habe seine politischen Aktivitäten schon vor Jahren aufgegeben (FH 28.2.2022).
Wie die PIWT ist auch die 2012 gegründete außerparlamentarische Oppositionsbewegung „Gruppe 24“, welche im Exil tätig ist, als terroristische Organisation verboten (AA 14.3.2022). Im Exil, und zwar innerhalb der Europäischen Union sowie in den USA scheint sie nicht in der Liste von Personen, Vereinigungen und Körperschaften auf, gegen die zum Zweck der Terrorismusbekämpfung besondere Maßnahmen angewendet werden (REU 19.7.2022; vgl. USDOS o. D.). „Gruppe 24“ ist von unabhängigen Beobachtern als nicht-gewalttätig eingestuft worden. Exilpolitisch aktive Mitglieder der PIWT und Gruppe 24 und prominente Kritiker müssten bei Rückkehr nach Tadschikistan mit massiven staatlichen Repressionen rechnen (AA 14.3.2022; vgl. FN 7.2019). Es hat eine Reihe von Fällen gegeben, in welchen tadschikische Personen, vermeintlich politische Gegner, insbesondere u. a. Mitglieder der „Gruppe 24“, die sich im Ausland aufhielten, nach Tadschikistan zwangsrückgeführt wurden. In einigen Fällen waren diese Personen für kurze Zeit spurlos verschwunden und tauchten danach in Haft in Tadschikistan wieder auf. In einigen Fällen ist ihr Verbleib weiterhin unbekannt (UNHRC 6.8.2020). Nach Einstufung als extremistische Organisation wurden Dutzende Mitglieder und Anhänger der „Gruppe 24“ auf Ersuchen der tadschikischen Strafverfolgungsbehörden in Tadschikistan, Russland und einer Reihe anderer Länder festgenommen (Bomdod 13.10.2021). Viele von ihnen wurden zu langen Haftstrafen verurteilt (RFE/RL 24.11.2021). Der Gründer der „Gruppe 24“ Umarali Quvvatov kam im März 2015 unter ungeklärten Umständen im türkischen Exil gewaltsam ums Leben (AA 14.3.2022). Im Herbst 2018 haben diese und andere Exilgruppen sich zur „Nationalen Allianz Tadschikistans“ (NAT) zusammengeschlossen (AA 14.3.2022).
Die Sozialdemokratische Partei Tadschikistan (SDPT), zweite Oppositionspartei, ist weitgehend bedeutungslos. Staatlich tolerierte politischer Dissens – zumeist in Form von öffentlichen Hinweisen auf gesellschaftliche Missstände – ist nur noch in Ansätzen in den äußerst vorsichtig agierenden Organisationen der Zivilgesellschaft existent. Lokal agierende Wohltätigkeitsorganisationen, während der COVID-19 Pandemie gegründet, verbinden ihre Arbeit nicht mit politischen Forderungen (AA 14.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 21.7.2022
- Bomdod (13.10.2021): Один из лидеров ʺГруппы 24ʺ получил в Таджикистане 20 лет колонии [Einer der Anführer der „Gruppe 24“ wurde in Tadschikistan zu 20 Jahren Haft verurteilt], https://www.bomdod.com/ru/2021/10/13/odin-iz-liderov-gruppy-24-poluchil-v-tadzhikistane-20-let-kolonii/ , Zugriff 21.7.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 14.7.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Tajikistan, https://freedomhouse.org/country/tajikistan/freedom-world/2022 , Zugriff 14.7.2022
- FN – Freedom Now (7.2019): Submission to the United Nations Human Rights Committee, Information on State Parties to be Examined – Tajikistan, https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CCPR/Shared%20Documents/TJK/INT_CCPR_CSS_TJK_35098_E.pdf , Zugriff 21.7.2022
- REU – Rat der Europäischen Union (19.7.2022): Amtsblatt der Europäischen Union L190, BESCHLUSS (GASP) 2022/1241 DES RATES vom 18. Juli 2022 zur Aktualisierung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, für die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus gelten, und zur Aufhebung des Beschlusses (GASP) 2022/152, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32022D1241 , Zugriff 21.7.2022
- RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (24.11.2021): Prosecutors Seek Additional Seven Years In Prison For Jailed Tajik Lawyer, https://www.ecoi.net/de/dokument/2064406.html , Zugriff 21.7.2022
- UNHRC – UN Human Rights Council (6.8.2020): Visit to Tajikistan; Report of the Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036526/A_HRC_45_13_Add.1_E.pdf , Zugriff 12.01.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
- USDOS – US Department of State [USA] (o. D): Foreign Terrorist Organizations, https://www.state.gov/foreign-terrorist-organizations/ , Zugriff 21.7.2022
Haftbedingungen
Die Bedingungen in den Gefängnissen waren hart und lebensbedrohlich, da es an Nahrungsmitteln mangelte, die Gefängnisse stark überfüllt waren, körperliche Misshandlungen stattfanden und die sanitären Anlagen unzureichend waren (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 14.4.2022, BS 23.2.2022, HRW 13.1.2022). Im Oktober 2021 befanden sich 40 Insassen eines neu errichteten Gefängnisses in der Nähe von Duschanbe in kritischem Zustand, nachdem sie verunreinigtes Wasser aus einer Zisterne getrunken hatten. Die Behörden hielten oft Jugendliche mit erwachsenen Männern zusammen (USDOS 12.4.2022). Körperliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen durch Polizeibeamte in Haftanstalten ist ebenfalls weit verbreitet (HRW 13.1.2022).
Im August belief sich die offizielle Gesamtzahl der Gefangenen auf etwa 8.000, doch ist die Zahl mit Sicherheit viel höher. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes im September kündigte die Regierung eine "Goldene Amnestie" an, bei der Berichten zufolge 16.000 Gefangene freigelassen wurden (USDOS 12.4.2022).
Ein Problem ist die starke Überbelegung (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022, HRW 13.1.2022), da in fast allen Gefängnissen die Höchstzahl der Insassen überschritten wurde. Der Zugang zu Nahrungsmitteln, Trinkwasser, sanitären Einrichtungen, Heizung, Belüftung, Beleuchtung und medizinischer Versorgung sowie deren Qualität sind unzureichend (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 14.4.2022, BS 23.2.2022), und fast alle Gefangenen sind zum Überleben auf zusätzliche Nahrungsmittel angewiesen, die von Verwandten und Freunden mitgebracht werden. Männer und Frauen sind in getrennten Einrichtungen untergebracht, wobei keine Unterschiede in den Haftbedingungen bekannt sind. Am 13.7.2021 berichtete das Justizministerium, dass in der ersten Jahreshälfte 41 Gefangene an verschiedenen Krankheiten gestorben sind (USDOS 12.4.2022). Es gibt eine hohe Zahl an HIV/AIDS Erkrankten (BS 23.2.2022; vgl. FH 28.2.2022). Das Ministerium teilte mit, dass es innerhalb der Gefängnispopulation 213 HIV-positive Insassen, 85 Insassen mit Tuberkulose und 244 drogenabhängige Insassen gibt. Am 8.9.2022 meldete die Gesundheitsabteilung des Strafvollzugs, dass 7.959 Gefangene eine Dosis des COVID-19-Impfstoffs erhalten hatten und 2.700 beide Dosen erhalten hatten (USDOS 12.4.2022).
Es besteht kein Zugang zu Haftanstalten, auch nicht für das Internationale Komitee des Roten Kreuz IKRK (AA 14.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 14.7.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Tajikistan, https://freedomhouse.org/country/tajikistan/freedom-world/2022 , Zugriff 14.7.2022
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/2066565.html , Zugriff 14.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
Todesstrafe
Tadschikistan hat 2004 ein Moratorium für Hinrichtungen und Todesurteile eingeführt (AA 14.3.2022; vgl. AI 5.2022). Für Frauen ist die Todesstrafe gänzlich abgeschafft (AA 14.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- AI - Amnesty International (5.2022): Death Sentences and Executions 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073393/ACT5054182022ENGLISH.pdf , Zugriff 28.7.2022
Religionsfreiheit
Die tadschikische Verfassung gewährt weltanschauliche Neutralität und Religionsfreiheit (AA 14.3.2022); wozu das individuelle Recht zählt, einzeln oder gemeinsam mit anderen einer beliebigen Religion anzugehören oder keiner Religion anzugehören, sowie an religiösen Bräuchen und Zeremonien teilzunehmen (USDOS 2.6.2022). Mehr als 90 % der Bevölkerung ist muslimisch, wobei der Großteil der Muslime der Hanafi-Schule des sunnitischen Islam folgt. Etwa 3 bis 4 % der Muslime sind ismailitische Schiiten, die größtenteils in der Autonomen Region Berg-Badachschan (Kuhistoni Badachschon) leben. Die größte christliche Gruppe ist die russisch-orthodoxe. Es gibt kleinere Gemeinschaften von evangelischen Christen, Baptisten, römischen Katholiken, Siebenten-Tags-Adventisten, Zeugen Jehovas, Lutheranern und konfessionslosen Protestanten. Außerdem gibt es kleinere Gemeinschaften von Juden, Bahais und Mitgliedern der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (USDOS 2.6.2022).
In der Praxis schränkt die Regierung die Religionsfreiheit im Namen der nationalen Sicherheit stark ein (AA 14.3.2022), indem sie religiöse Aktivitäten teilweise auf staatlich zugelassene Orte und registrierte Organisationen beschränkt (FH 28.2.2022). Sie kontrolliert alle Glaubensgemeinschaften und verfolgt rigoros vor allem tatsächliche oder angebliche salafistische Aktivitäten. Der Staat versucht öffentliche Religionsausübung auf ein Mindestmaß zu beschränken: Diese gilt als Bedrohung des Status quo,der Sicherheit und des Regimes (AA 14.3.2022). Der formale Säkularismus der Regierung und ihre Feststellung, dass nur eine sehr enge Auslegung des hanafitischen sunnitischen Islams wirklich tadschikisch ist, ist eine Form von Dogma, die sich sehr negativ auf die Religionsfreiheit ausgewirkt hat. Dies trägt zur politischen Polarisierung im Lande sowie zur Marginalisierung religiöser Minderheiten bei. Insbesondere Ismaili-Muslime und Anhänger anderer Interpretationen der islamischen Tradition, meist gewaltlose Muslime, sind Zielscheibe der repressiven offiziellen Politik (BS 23.2.2022). Auch protestantische Freikirchen und Zeugen Jehovas werden in ihrer Glaubensausübung stark eingeschränkt, einzelne Mitglieder verfolgt (AA 14.3.2022).
Die Behörden verfolgen weiterhin Einzelpersonen, einschließlich christlicher und muslimischer Gruppen, die als „religiöse Extremisten“ eingeschätzt werden oder wegen angeblicher Mitgliedschaft in verbotenen religiösen Organisationen, auch wenn sie keine Gewalttaten verübt haben (FH 28.2.2022; vgl. AA 14.3.2022). Diese Gruppe dürfte zahlenmäßig größer sein als jene der im engeren Sinne politisch Verfolgten. Verurteilungen werden oft nicht mit politischen Verfehlungen begründet, sondern z. B. mit Drogenhandel, sexuellen oder Wirtschafts-Straftaten (AA 14.3.2022).
Minderjährigen ist der Besuch von Gottesdiensten in Moscheen generell untersagt, ebenso wie Frauen in den meisten Fällen. Gesetze, die von religiöser Kleidung (wie dem Hidschab) abraten, sowie ein inoffizielles Verbot von Bärten für Männer werden willkürlich durchgesetzt (FH 28.2.2022; vgl. HRW 13.1.2022). In einem von der Regierung herausgegebenen „Leitfaden“ werden Kleidungsempfehlungen für Frauen aufgeführt, die den Hidschab und ähnliche Kleidungsstücke zugunsten von "traditionellen" oder „nationalen“ Alternativen ausschließen. Die Regierung übt Druck auf die Schülerinnen und Schüler aus, sich an diese Kleiderordnung zu halten, und hat in einigen Gebieten Straßensperren errichtet, um nach Zuwiderhandelnden zu suchen (FH 28.2.2022).
Moscheen und Imame unterliegen einer immer enger werdenden Kontrolle (Videoüberwachung, Vorgaben für Inhalte und Abhören von Predigten). Aus wahltaktischen Gründen wurden einige Moscheen zu Beginn des Ramadan 2019 wiedereröffnet, im Kontext der COVID-19 Pandemie wurden dann aber zahlreiche Moscheen bis auf weiteres geschlossen. Religiöse Islam-Studien im Ausland lösen bei den Behörden Verdacht aus: Zu Jahresbeginn 2018 wurde verfügt, dass Geistliche, die ihre religiöse Ausbildung ganz oder teilweise im Ausland erhalten haben, nicht mehr tätig sein dürfen, nachdem schon 2012 das Religionsstudium im Ausland verboten worden war. In jüngster Zeit reglementiert der Staat bestimmte Lebenstraditionen stärker und schränkt z.B. Trauerbekundungen und Hochzeitsfeiern ein, teils mit empfindlichen Strafen (AA 14.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 14.7.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Tajikistan, https://freedomhouse.org/country/tajikistan/freedom-world/2022 , Zugriff 14.7.2022
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/2066565.html , Zugriff 14.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on on International Religious Freedom: Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2074046.html , Zugriff 3.8.2022
Ethnische Minderheiten
Die Bewohner Tadschikistans setzen sich nach einer Schätzung aus dem Jahr 2014 folgend zusammen: 84,3 % ethnische Tadschiken (darunter auch Pamiri und Jaghnobi) und 13,8 % Usbeken. Die restlichen zwei Prozent bildeten vor allem Kirgisen, Russen, Turkmenen, Tataren und Araber (CIA 18.7.2022).
Das Verhältnis zu den zahlenmäßig größten nationalen Minderheiten (Usbeken 14 %, Kirgisen 0.8 %, Pamiris 3 %) – letztere als Ismailiten auch eine religiöse Minderheit (deren Nationalität aber anders als in der ehemaligen UdSSR in ihren Personenstandsdokumenten nicht mehr als solche ausgewiesen wird) ist weitgehend frei von staatlicher Diskriminierung, wenngleich sie sicherlich nicht in allen Bereichen die gleichen Chancen haben wie ethnische Tadschiken, so z.B. beim Zugang zu einflussreichen und lukrativen Positionen im öffentlichen Dienst. Dieser steht aber auch ethnischen Tadschiken zumeist nur gegen Bestechung oder mittels guter persönlicher Beziehungen offen (AA 14.3.2022). Auch werden Vertreter ethnischer Minderheiten werden oft mit der Begründung abgelehnt, dass sie über keine wegen unzureichender Kenntnisse der tadschikischen Sprache verfügen (BS 23.2.2022). Einflussreiche Positionen sind vorwiegend Angehörigen der Clans aus Kulob/Dangara, der Heimat des Präsidenten, vorbehalten. Ferner findet ein vornehmlich, aber nicht ausschließlich zu Lasten der früheren usbekischen städtischen Eliten gerichteter Verdrängungsprozess in staatlichen Behörden als auch – oft staatlich geführten – Unternehmen zugunsten dieser Clans statt. Ethnische Russen und andere europäische Minderheiten (Ukrainer, Weissrussen, Deutsche) sind zu einem großen Teil während des Bürgerkrieges ausgewandert (AA 14.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 14.7.2022
- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (18.7.2022): The World Factbook – Tajikistan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/tajikistan/ , Zugriff 28.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Die Verfassung stipuliert die Gleichheit der Geschlechter (AA 14.3.2022). Frauen sind jedoch auf allen Ebenen der politischen Entscheidungsfindung unterrepräsentiert (USDOS 12.4.2022). Tadschikistan ist eine konservative Gesellschaft mit hoher sozialer Kontrolle, in der traditionelle Rollenmuster vorherrschen. Seit der Unabhängigkeit 1991 verstärkt sich dieser Trend, vor allem in ländlichen Gebieten, und beschränkt Rechte und Freiheiten der Frauen in zunehmendem Maße (AA 14.3.2022).
Das Gesetz verbietet Vergewaltigung, auf welche eine Freiheitsstrafe von bis zu 20 Jahren steht. Es gibt kein gesondertes Gesetz für die Vergewaltigung in der Ehe (USDOS 12.4.2022). Für die Betroffenen von häuslicher Gewalt gab es weiterhin viele Probleme beim Zugang zu Unterstützung, Schutz und Gerechtigkeit. Das Gesetz über häusliche Gewalt aus dem Jahr 2013 sieht vor, dass Betroffene Missbrauch bei den Strafverfolgungsbehörden melden können, verpflichtet die zuständigen Behörden jedoch nicht dazu, geeignete Schritte zu unternehmen, um Beschwerden zu untersuchen, Schutzanordnungen zu erlassen und ein Strafverfahren einzuleiten (AI 29.3.2022). Ein staatlicher Schutz vor sexueller Gewalt innerhalb der Ehe ist demnach kaum gegeben (AA 14.3.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Häusliche Gewalt wird kaum zur Anzeige gebracht, was für die Täter praktisch Straffreiheit garantiert. Behörden weigern sich oft, häusliche Gewalt zu verfolgen und bezeichnen diese als Familienangelegenheit (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022).
Die Behörden gingen gemeldeten Fällen von häuslicher Gewalt nur selten nach und verfolgten nur wenige mutmaßliche Täter. Das Innenministerium ist befugt, verwaltungsrechtliche Unterlassungsanordnungen zu erlassen, aber die Polizei verhängte in Fällen häuslicher Gewalt häufig nur Verwarnungen, kurzfristige Festnahmen oder Geldstrafen für die Begehung von „Ordnungswidrigkeiten“ (USDOS 12.4.2022). Den Dienstleistern fehlt es an spezialisierten, auf die Opfer ausgerichteten Schulungen, und sie haben regelmäßig mit Finanzierungsproblemen zu kämpfen. Die Polizei versäumt es, Ermittlungen durchzuführen, Schutzanordnungen durchzusetzen oder Personen, die häusliche Gewalt ausüben, zu verhaften (HRW 13.1.2022).
Die Zunahme von gesetzlich verbotener, aber weitgehend tolerierter Polygamie (Heirat mit Zweitfrau vor Imam) bringt diese Frauen und ihre Kinder in eine rechtlich prekäre Situation (u. a. Entzug des Sorgerechts, keine Eigentumsansprüche an Wohneigentum, etc.). Zwangsheiraten kommen vor (AA 14.3.2022; vgl. FH 28.2.2022). In den meisten Fällen liegt die Entscheidung über den Ehepartner eher bei den Eltern als bei den Betroffenen. Töchter haben kaum eine Chance, sich diesen Zwängen nicht zu unterwerfen. Söhnen droht der – zumindest temporäre – Bruch mit den Eltern. Insbesondere für junge Männer gibt es die Ausweichmöglichkeit der Arbeitsmigration nach Russland (AA 14.3.2022).
Verhütung ist verpönt. Junge Ehefrauen werden in entwürdigender Weise dazu gezwungen, ihre Jungfräulichkeit nachzuweisen. In Ehekonflikten kommt es mitunter zu Selbstmorden von Ehefrauen oder zur Ermordung des Ehemanns durch seine Frau. Von „Ehrenmorden“ oder Genitalverstümmelung ist nichts bekannt (AA 14.3.2022). Berichten zufolge stehen Frauen unter gesellschaftlichem Druck, ein Kopftuch zu tragen. Neben dem Verbot des Hidschabs für Frauen und des Barts für Männer greift die Regierung inzwischen auch allgemeiner in Fragen des persönlichen Erscheinungsbilds ein. In einem Leitfaden aus dem Jahr 2018 werden akzeptable und inakzeptable Kleidungsstile für Frauen beschrieben, wobei Kleidung, die als unanständig oder „ausländischer“ Herkunft angesehen werden könnte, verboten wird (FH 28.2.2022).
Sexuelle Ausbeutung und/oder Zwangsprostitution kommen vor allem aus wirtschaftlicher Not vor, sind aber kein leicht auszumachendes Alltagsphänomen. Darüber hinaus existiert ein internationaler Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung vor allem in die Golfstaaten (AA 14.3.2022).
Tadschikistan hat Fortschritte bei der Verbesserung der Geschlechtergleichstellung gemacht. Dennoch bestehen nach wie vor große geschlechtsspezifische Unterschiede, u. a. bei der Einschreibung in den tertiären Bildungsbereich, bei der Erwerbsbeteiligung und der Entlohnung, bei haushaltsinternen Entscheidungen und bei der Kontrolle über Vermögenswerte. Etwa 69 % der weiblichen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Tadschikistan arbeiteten nicht gegen Entgelt, und der Anteil der erwerbstätigen Frauen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen ging stetig zurück. Den Aufzeichnungen zufolge verdienten Frauen im Jahr 2017 in der gesamten Wirtschaft 60 % dessen, was Männer verdienten. Geschlechtsspezifische Ungleichheiten beim Zugang zu Wasserversorgungs-, Sanitär- und Hygienediensten (WASH) in Tadschikistan wirken sich negativ auf die Bildung und Gesundheit von Frauen und Mädchen aus. Die Verantwortung für das Sammeln von Wasser aus Flüssen, Kanälen und Brunnen liegt in der Regel bei Frauen und Kindern (World Bank 3.12.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 20.7.2022
- AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Tajikistan 2021, https://www.amnesty.org/en/location/europe-and-central-asia/tajikistan/report-tajikistan/ , Zugriff 20.7.2022
- FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Tajikistan, https://freedomhouse.org/country/tajikistan/freedom-world/2022 , Zugriff 20.7.2022
- HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2021 – Tajikistan, https://www.hrw.org/world-report/2022/country-chapters/tajikistan , Zugriff 20.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 20.7.2022
- World Bank (3.12.2021): Tajikistan Country Gender Assessment, https://documents1.worldbank.org/curated/en/874641637562869105/pdf/Tajikistan-Country-Gender-Assessment.pdf , Zugriff 20.7.2022
Kinder
Bis zum Alter von sechzehn oder des Abschlusses der neunten Schulstufe besteht Schulpflicht. UNICEF berichtet, dass der Schulbesuch in der Grundstufe generell gut ist, Mädchen jedoch Nachteilen ausgesetzt sind (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 14.3.2022). Frühe Heiraten z. T. noch vor Erreichen der Volljährigkeit und frühe Mutterschaft haben zugenommen (AA 14.3.2022). Zwar sind Zwangsehen unter 18 unter Androhung von Gefängnisstrafen (bis fünf Jahre Haft) verboten, doch wird dies mitunter umgangen, indem Ehen ohne zivilen Trauschein von lokalen Religionsvertretern geschlossen werden. Ohne offiziellen Trauschein haben Frauen allerdings kaum Rechtsansprüche. Nach Angaben des Amtes des Beauftragten für Menschenrechte wurden 2018, dem letzten Jahr, für das Daten vorliegen, 30 Fälle illegaler Eheschließungen von Minderjährigen im Land registriert, wobei Armut als Hauptgrund für frühe Eheschließungen angegeben wird (USDOS 12.4.2022).
Das Mindestalter für Kinder, um arbeiten zu dürfen, beträgt 16, mit Zustimmung der lokalen Gewerkschaft 15 Jahre. Ausnahmen gibt es für die Arbeit im Familienhaushalt und der Landwirtschaft, wo es auch die meisten Fälle von Kinderarbeit gibt. Kinderarbeit findet aus Not oder im familiären Umfeld vor allem in ländlichen Gebieten statt (AA 14.3.2022). Die Regierung arbeitete mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zusammen, um den Einsatz von Kinderzwangsarbeit zu verhindern (USDOS 12.4.2022).
Es gab nur wenige Berichte über Verstöße, da die meisten Kinder im Rahmen der Ausnahmeregelung für Familienhilfe arbeiteten. Es gab Berichte darüber, dass die für die Rekrutierung von Soldaten zuständigen Behörden Kinder unter 18 Jahren von öffentlichen Plätzen verschleppten und zum Wehrdienst verpflichteten, um lokale Rekrutierungsquoten zu erfüllen. Ohne umfassende Daten war es nicht möglich, das Ausmaß der Kinderarbeit im Baumwollsektor des Landes zu beurteilen (USDOS 12.4.2022).
Der Ausschuss für Frauen- und Familienangelegenheiten und die regionalen Abteilungen für den Schutz der Kinderrechte sind für die Behandlung von Problemen der Gewalt gegen Kinder zuständig. Obwohl das Gesetz Kindern das Recht einräumt, frei von Gewalt zu leben, wird Kindesmissbrauch nicht per se kriminalisiert (USDOS 12.4.2022). In Tadschikistan wird das Ausmaß der Gewalt gegen Kinder erheblich unterschätzt, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass die Prävalenzschätzungen aus Verwaltungsdaten stammen, die vom Gesundheits- oder Justizsystem verwendet werden (UNICEF o.D.) und darauf, dass die meisten Täter Familienmitglieder sind und die Opfer Angst haben, sich zu melden (USDOS 12.4.2022). Eine auffallend große Zahl von Kindern ist Opfer oder Zeuge verschiedener Formen von Gewalt in unterschiedlichen Umgebungen, wie z. B. zu Hause, in alternativen Betreuungseinrichtungen oder Schulen. Gewalt ist eine weit verbreitete Form der disziplinarischen Bestrafung in den Gemeinden des Landes. Es gibt Berichte über schwere Bestrafungen von Kindern, die oft mit schwerer körperlicher Gewalt gegen Kinder einhergehen (UNICEF o.D.)
Das Unterhaus des tadschikischen Parlaments (Majlisi Namoyandagon) hat am 17. November die Strafen für Gewalt gegen Kinder verschärft und die Änderungen des tadschikischen Verwaltungsgesetzes gebilligt. Die Änderungen sehen eine Erhöhung der Geldstrafe für Gewalt gegen Kinder von 180-300 Somonis auf 420 Somonis vor (A+ 22.11.2021). Tadschikistan hat ein Pilotprojekt zur Umwandlung von Kinderheimen in Familienunterstützungszentren durchgeführt, die sich auf die Ausbildung von Eltern, den Zusammenhalt von Familien und die Unterbringung von Kindern in Familien konzentrieren. Tausende von Kindern befinden sich in der Obhut von Verwandten oder anderen informellen Pflegeverhältnissen (WWO 14.1.2022).
Quellen:
- A+ - Media Group Asia-Plus Tajikistan (22.11.2021): Tajikistan toughens punishment for violence against children, https://www.asiaplustj.info/en/news/tajikistan/society/20211122/tajikistan-toughen-punishment-for-violence-against-children , Zugriff 20.7.2022
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 20.7.2022
- UNICEF (o.D.): Ending violence against children, https://www.unicef.org/tajikistan/ending-violence-against-children , Zugriff 20.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 20.7.2022
- WWO – World without Orphans (14.1.2022): The situation of children in Central Asia, https://worldwithoutorphans.org/about/regional-teams/central-asia , Zugriff 20.7.2022
Sexuelle Minderheiten
Eine Strafverfolgung von LGBTI-Personen [Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersex] ist gesetzlich nicht vorgesehen (AA 14.3.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Es gibt aber auch kein Gesetz, dass vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Genderidentität schützt (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). LGBTI-Personen sind weitreichender Diskriminierung und gesellschaftlicher Antipathie ausgesetzt (HRW 13.1.2022). Aus dem ganzen Land wurde berichtet, dass LGBTI-Personen körperlichen und psychischen Misshandlungen, Schikanen, Erpressungen und Ausbeutung ausgesetzt waren, weil sie ihren Familien ihren LGBTI-Status offenbart hatten oder weil sie verdächtigt wurden, LGBTI zu sein (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022, HRC 5.5.2022).
LGBTI-Personen sind erheblicher sozialer Diskriminierung ausgesetzt und riskieren den Verlust ihres Arbeitsplatzes und öffentliche soziale Ächtung, wenn ihre Identität öffentlich bekannt wird (USDOS 12.4.2022). Es kommt zu homophober und transphober Rhetorik durch Beamte (ILGA 27.4.2022). LGBTI-Personen wurden Opfer polizeilicher Schikanen. Viele Polizisten drohten, LGBTI-Gemeinschaftsmitglieder zu verhaften, weil sie gegen die „soziale Ordnung“ verstoßen würden - ein Verbrechen, das es eigentlich gar nicht gibt -, und drohten mit öffentlichen Schlägen durch Gemeinschaftsmitglieder (USDOS 12.4.2022). Hassverbrechen gegen Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft wurden Berichten zufolge nicht aufgeklärt. LGBTI-Vertreter behaupteten, dass Gesundheitsdienstleister LGBTI-Personen diskriminierten und belästigten. LGBTI-Interessenvertretungs- und Gesundheitsgruppen berichteten von Schikanen durch Regierungsbeamte und Geistliche, einschließlich gewalttätiger Drohungen und Behinderung ihrer Aktivitäten durch das Gesundheitsministerium (USDOS 12.4.2022).
In einigen Fällen waren LGBTI-Personen Opfer von Sexhandel (USDOS 12.4.2022; vgl. HRC 5.5.2022). Es besteht die Gefahr, dass die Diskriminierung und die soziale Stigmatisierung auch den Zugang zu Gesundheitsdiensten und wesentlichen Hilfsmaßnahmen für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und geschlechtsspezifische Opfer des Menschenhandels einschränken (HRC 5.5.2022).
Das Leben der tadschikischen LGBTI-Personen ist nach wie vor unsicher, selbst in den Fällen, in denen sie das Land verlassen haben (ILGA 27.4.2022). Die Regierungsbehörden führten Berichten zufolge ein Register mit Hunderten von Personen aus der LGBTI-Gemeinschaft, um angeblich moralisches Verhalten zu fördern und gefährdete Gruppen in der Gesellschaft zu schützen (USDOS 12.4.2022).
Für Transgender-Personen ist es schwierig, von der Regierung neue offizielle Dokumente zu erhalten. Das Gesetz erlaubt die Änderung des Geschlechts in den Ausweispapieren nur, wenn eine medizinische Organisation ein entsprechendes Dokument ausstellt. Viele Ärzte weigern sich, ein solches Dokument auszustellen, weil sie Repressalien seitens der Regierung fürchten oder aufgrund ihrer eigenen Überzeugungen (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 19.7.2022
- FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tajikistan https://www.ecoi.net/de/dokument/2074701.html , Zugriff 19.7.2022
- HRC – UN Human Rights Council (5.5.2022): Visit to Tajikistan; Report of the Special Rapporteur on trafficking in persons, especially women and children, Siobhán Mullally [A/HRC/50/33/Add.1], https://www.ecoi.net/en/file/local/2074160/G2233545.pdf , Zugriff 19.7.2022
- HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2021 – Tajikistan, https://www.hrw.org/world-report/2022/country-chapters/tajikistan , Zugriff 19.7.2022
- ILGA - International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (27.4.2022): Annual Review Of The Human Rights Situation Of Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, And Intersex People Covering The Period Of January To December 2021, https://ilga-europe.org/files/uploads/2022/04/annual-review-2022.pdf , Zugriff 19.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 19.7.2022
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz sieht Reisefreiheit, Auswanderung und Rückführung ins Ausland vor, aber die Regierung hat einige Einschränkungen vorgenommen. Aufgrund willkürlicher und uneinheitlicher Beschränkungen haben Einzelpersonen in einigen Fällen nicht das Recht, das Land zu verlassen (USDOS 12.4.2022). In einigen Gebieten, vor allem in Gorno-Badachschan und anderen Gebieten an der Grenze zu Afghanistan, sind die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt, was das Reisen erschwert und Möglichkeiten für Erpressung und andere Übergriffe bietet. Die meisten Bürger können im Inland reisen, müssen aber ihren ständigen Wohnsitz bei den örtlichen Behörden anmelden (FH 28.2.2022). Flüchtlingen aus Afghanistan ist eine Wohnsitznahme in größeren Städten untersagt (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 14.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 19.7.2022
- FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tajikistan https://www.ecoi.net/de/dokument/2074701.html , Zugriff 19.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 19.7.2022
IDPs und Flüchtlinge
Aufgrund ihrer großen Bedeutung für die Wirtschaft wird die Arbeitsmigration von der tadschikischen Regierung unterstützt. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt die Zahl der tadschikischen Staatsangehörigen, die vorübergehend oder dauerhaft im Ausland arbeiten, auf rund 800.000. Gemessen an der Gesamtbevölkerung hat Tadschikistan damit den höchsten Anteil an Arbeitsmigration weltweit (GIZ 27.6.2020). Die russischen Behörden geben noch wesentlich höhere Zahlen an (eurasianet 2.11.2021). Russland ist mit einigem Abstand der wichtigste Arbeitsmarkt für das Land (GIZ 27.6.2020). Zwischen Januar und September 2021 registrierte das russische Innenministerium 2.025.712 tadschikische Staatsbürger bei der Einreise. 1,6 Millionen von ihnen, d.h. etwa ein Viertel der tadschikischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, gaben an mit dem offiziellen Ziel der Arbeitsaufnahme ins Land zu kommen (eurasianet 2.11.2021). In den letzten Jahren schiebt Russland jedoch immer mehr Arbeitsmigranten ab und hindert sie an der Wiedereinreise in das Land (GIZ 27.6.2020). Im Jahr 2020 hat sich diese Situation durch die COVID-19-Pandemie noch erheblich verschärft. Die Anfang 2020 verhängten weltweiten Reisebeschränkungen hatten zur Folge, dass viele Saisonarbeiter Tadschikistan nicht verlassen konnten, was zu einer raschen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Landes führte (GIZ 27.6.2020). Die Arbeitsmigration hat starke Abhängigkeiten geschaffen, wobei ganze Familien vollständig auf das im Ausland verdiente Einkommen der zugewanderten Familienmitglieder angewiesen sind. Aufgrund der schwachen tadschikischen Wirtschaft ist die saisonale Arbeitsmigration für tadschikische Männer die attraktivste Beschäftigungsmöglichkeit geworden. Inzwischen halten sich viele tadschikische Migranten in Russland auf und arbeiten dort ohne ordnungsgemäße Papiere. Als eine Maßnahme zur Kontrolle und Begrenzung der irregulären Migration verschärfen die russischen Behörden die Strafverfolgung im Bereich der Migration, indem sie unter anderem die Gründe für die Verhängung von Wiedereinreiseverboten gegen Ausländer, die wiederholt gegen russische Gesetze und Verwaltungsvorschriften verstoßen haben, ausweiten: Mittlerweile soll eine Einreise nach Russland einer begrenzten Anzahl von tadschikischen Arbeitsmigranten wieder erlaubt sein(A+ 28.12.2021).
Die wirtschaftlichen Bedingungen zwingen die Bürger in großer Zahl im Ausland Arbeit zu suchen. Dabei laufen Arbeitsmigranten Gefahr, von Menschenhändlern ausgebeutet zu werden. Die Schutzmaßnahmen gegen Formen der Arbeitsausbeutung und gefährliche Arbeitsbedingungen werden nur unzureichend durchgesetzt (FH 28.2.2022). Um die erfolgreiche Wiedereingliederung von Rückkehrern zu erleichtern, hat das Ministerium für Arbeit, Migration und Beschäftigung der Bevölkerung verschiedene Unterstützungsmaßnahmen und Beratungsstrukturen entwickelt. Diese Maßnahmen erreichen jedoch oft nicht die Zielgruppe, sind ineffektiv oder entsprechen nicht dem Bedarf (GIZ 27.6.2020).
Bei den etwa 6.000 registrierten Flüchtlingen in Tadschikistan handelt es sich fast ausschließlich um Personen aus Afghanistan. Beobachter schätzten die tatsächliche Zahl Asylsuchender im Land auf doppelt so hoch (USDOS 12.4.2022). Mitte Oktober 2021 berichtete ein Regierungsbeamter, dass sich 15.000 Flüchtlinge in Tadschikistan aufhielten. Nach dem Sturz der gewählten afghanischen Regierung im August 2021 wurde seitens der Hauptstadt Duschanbe versucht die tadschikisch-afghanische Grenze abzuriegeln, obwohl Frauen und Kinder in geringer Zahl einreisten (FH 28.2.2022). Die soziale und wirtschaftliche Lage der Geflüchteten ist prekär (Verbot der Wohnsitznahme in der Hauptstadt, Probleme bei der Arbeitsaufnahme, polizeiliche Schikanen etc.). Tadschikistan ist allen relevanten UN-Flüchtlingskonventionen beigetreten und organisiert mithilfe des UNHCR und lokaler NGOs Schutz und Integration, wenn auch in sehr rudimentärer Form. Auch anerkannte Flüchtlinge sind jedoch zunehmend nicht mehr sicher vor widerrechtlicher Abschiebung nach Afghanistan, wenn sie z. B. gegen das Verbot der Wohnsitznahme verstoßen haben (AA 14.3.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Im August 2021 wurde berichtet, dass mehreren Asylbewerbern die Einreise nach Tadschikistan verweigert wurde, obwohl sie Verfolgung in Afghanistan befürchteten (USDOS 12.4.2022).
Das Gesetz sieht die Gewährung von Asyl und Flüchtlingsstatus vor, und die Regierung hat ein System zum Schutz von Flüchtlingen eingerichtet. Das Verfahren zur Feststellung des Flüchtlingsstatus sowie die Gerichtsverfahren entsprechen nicht den internationalen Standards. Das Strafgesetzbuch stellt Asylbewerber, die illegal eingereist sind, unter Strafe, während das Flüchtlingsgesetz besagt, dass die illegale Einreise keine Straftat darstellt. Aufgrund dieser widersprüchlichen gesetzlichen Bestimmungen laufen Asylbewerber Gefahr, verhaftet und abgeschoben zu werden, ohne Zugang zu einem Asylverfahren zu haben (USDOS 12.4.2022).
Flüchtlinge und Asylwerber haben das gleiche gesetzliche Recht auf Bildung und medizinische Versorgung wie die örtliche Bevölkerung. Partnerorganisationen von UNHCR stellen Bücher, Schuluniformen und Sprachkurse zur Verfügung. Vulnerable Familien erhalten Unterstützung bei den Gesundheitsausgaben. Die Regierung legte Asylbewerbern und registrierten Flüchtlingen allerdings weiterhin erhebliche Beschränkungen auf, und die Behörden untersagten ihnen weiterhin den Aufenthalt in der Hauptstadt und allen größeren Städten des Landes. Sicherheitsbeamte überwachten regelmäßig die Flüchtlingsbevölkerung. Zahlreiche Quellen berichten, dass Beamte, die Flüchtlinge registrieren, für die Ausstellung von befristeten und unbefristeten Flüchtlingsausweisen Bestechungsgelder verlangen, die in einigen Fällen 2.000 Dollar übersteigen (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 19.7.2022
- eurosianet (2.11.2021): Tajik labor migration to Russia hits historic high, officially, https://eurasianet.org/tajik-labor-migration-to-russia-hits-historic-high-officially , Zugriff 19.7.2022
- FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tajikistan https://www.ecoi.net/de/dokument/2074701.html , Zugriff 19.7.2022
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (27.6.2020): Improving employment and income for Tajik migrant workers, https://www.giz.de/en/worldwide/86656.html , Zugriff 19.7.2022
- USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 19.7.2022
Grundversorgung und Wirtschaft
Die wirtschaftlichen Bedingungen in Tadschikistan zwingen die Bürger in großer Zahl im Ausland Arbeit zu suchen (FH 28.2.2022). Migration und Rücküberweisungen sind grundlegende Pfeiler der tadschikischen Wirtschaft (World Bank 13.8.2021). Die Rücküberweisungen machen c.a. 30 % des BIP aus (oder 3 Mrd. USD) (BS 3.2.2022; vgl. migrationdataportal 16.6.2022), was die Volatilität der Arbeitsmigration und die Anfälligkeit der Wirtschaft für externe Schocks verdeutlicht (BS 3.2.2022). Das Geld, das die meist mehr als eine Million tadschikischen Arbeitsmigranten, die überwiegend in Russland arbeiten, nach Hause schicken, hat in den letzten Jahren mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit dem Nötigsten versorgt (BS 3.2.2022). Die Covid-19-Pandemie hatte starken Einfluss auf die Möglichkeit der tadschikischen Bevölkerung ihrer Arbeit im Ausland nachzugehen, und somit auch Geld zurück nach Hause zu senden. Dementsprechend hat sich das soziale und wirtschaftliche Wohlergehen der Bevölkerung nach dem Ausbruch von COVID-19 stark verschlechtert (World Bank 13.8.2021).
Etwa 62 % der Empfängerhaushalte meldeten einen Rückgang an Rücküberweisungen im April 2020. Es ist davon auszugehen, dass eine längere Periode geringerer Überweisungen und der Rückgang der Reallöhne um 3,9 % einen Einfluss auf die Armutsquote in Tadschiksitan haben wird. Arme Haushalte im Land sind viel stärker von Rücküberweisungen abhängig als Wohlhabendere. Mehr als 80 % der Haushalte, die Rücküberweisungen erhalten, gaben an, dass sie diese hauptsächlich für Lebensmittel und andere lebensnotwendige Dinge ausgebe (World Bank 13.8.2021). Da die Rücküberweisungen aus der Arbeitsmigration stark rückläufig sind und gleichzeitig die Inflation steigt, hatten im Sommer 2020 mehr als 40 % der Bevölkerung Schwierigkeiten, sich Lebensmittel und lebensnotwendige Güter zu leisten. Die wirtschaftliche Krise und der schwerwiegende Rückgang der Rücküberweisungen, während der COVID-19-Pandemie haben die Ungleichheiten weiter verschärft und die Aussichten auf Armutsbekämpfung untergraben (BS 3.2.2022).
Armut und soziale Ausgrenzung sind quantitativ und qualitativ weit verbreitet und gesellschaftlich tief verwurzelt. Am größten ist die Armut in den ländlichen Gebieten, wo etwa zwei Drittel der Bevölkerung arm sind, und die Subsistenzwirtschaft vorherrscht. Das Welternährungsprogramm schätzt, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung Tadschikistans unterernährt ist und dass aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ein hohes Risiko der Ernährungsunsicherheit besteht. Die Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten stellen für etwa zwei Drittel der Bevölkerung ein wichtiges alternatives soziales Sicherheitsnetz dar. Informelle Selbsthilfenetzwerke, die sich auf Großfamilien und Dörfer stützen, dienen ebenfalls als wichtige soziale Sicherheitsnetze, insbesondere in ländlichen Gebieten (BS 3.2.2022).
Eine unbedeutende Zahl von arbeitslosen Bürgern erhält Arbeitslosengeld. Offiziell lag die Arbeitslosenquote im Jahr 2020 bei 11 %; Beobachter schätzen die tatsächliche Arbeitslosigkeit jedoch auf 40-50 % (BS 3.2.2022). Der informelle Sektor macht 60 % der Wirtschaft aus. Es gab kein System zur Überwachung oder Regulierung der Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft und im informellen Sektor. Für informelle Arbeitnehmer galten keine Gesetze über Löhne, Arbeitszeiten sowie Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (USDOS 12.4.2022).
Laut Schätzungen des Welternährungsprogramms lebten 2020 rund 47 % der tadschikischen Bevölkerung von weniger als 1,33 USD pro Tag, wobei ein Drittel der Bevölkerung an Unterernährung leidet. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19-Pandemie, der Afghanistan-Krise und des Klimawandels bedrohen die bescheidenen Fortschritte bei der Armutsreduktion der vorangegangenen Jahre. Lebensmittelpreise steigen, staatliche Beihilfen erhalten nur 5 % der Haushalte. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist im Großen und Ganzen gewährleistet (AA 14.3.2022).
Die Regierung verlässt sich weiterhin in erster Linie auf ausländische, staatlich gelenkte Kredite und Investitionen aus China und Russland, anstatt günstige Bedingungen für private Investoren zu schaffen (BS 3.2.2022). Die Auslandsverschuldung (v.a. ggü China) beträgt über 90 % des BIP. Neue und alternative Finanzierungsquellen sind, aufgrund der hohen Verschuldung und auch aus politischen Gründen, nur begrenzt verfügbar (WKO 6.2022).
Ausufernde Korruption, intransparente Praktiken, Probleme mit der Stromversorgung, schlechte Infrastruktur und ein schwerfälliger Regulierungsprozess schrecken private Investitionen im Land weiterhin ab, so dass sie sehr gering sind. Nach Angaben der Weltbank beliefen sich die FDI-Zuflüsse nach Tadschikistan im Jahr 2019 auf 2,6 % des BIP (BS 3.2.2022). Die Inflationsrate Tadschikistans betrug im letzten Jahr 8,9 % - ein mindestens ähnlich hoher Wert ist auch heuer zu erwarten. Hohe Rohstoffpreise, Währungskursschwankungen und beeinträchtigte Logistikwege führen im importabhängigen Tadschikistan zu höheren Preisen und belasten die Kaufkraft der Bevölkerung (WKO 6.2022).
Der Mindestlohn beträgt 400 Somoni pro Monat (etwa 38 Euro) (Stand 2017). Der Mindestlohn in Tadschikistan wurde in den Jahren 2016-2017 um 60 % angehoben, muss aber noch weiter erhöht werden (das Existenzminimum für die erwerbsfähige Bevölkerung wird für 2017 auf 657,57 Somoni pro Monat geschätzt) (ILO 9.2020).
Nach Angaben des Zwischenstaatlichen Statistischen Komitee der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten lag das Durchschnittsgehalt in Tadschikistan im Dezember 2019 bei 1.503 Somoni (etwa 143 Euro). Das Ministerium für Arbeit, Migration und Beschäftigung der Bevölkerung Tadschikistans gab zudem an, dass es enorme Lohnrückstände von 51.270.400 Somoni (über 4,9 Mio. Euro) gibt. In Anbetracht dieser Daten kann davon ausgegangen werden, dass das Problem der Lohnrückstände Zehntausende von Menschen betrifft (CABAR 3.6.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 18.7.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report — Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 18.7.2022
- CABAR - Central Asian Bureau for Analytical Reporting (3.6.2020): Tajikistan: Tens of Thousands of Citizens Do Not Receive Salaries, https://cabar.asia/en/tajikistan-tens-of-thousands-of-citizens-do-not-receive-salaries , Zugriff 18.7.2022
- FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tajikistan https://www.ecoi.net/de/dokument/2074701.html , Zugriff 18.7.2022
- ILO – International Labour Organization (9.2020): Decent Work Country Programme of the Republic of Tajikistan 2020-2024, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_mas/---program/documents/genericdocument/wcms_774558.pdf , Zugriff 18.7.2022
- migrationdataportal (16.6.2022): Grenzüberschreitende Geldtransfers, https://www.migrationdataportal.org/de/themes/grenzueberschreitende-geldtransfers , Zugriff 18.7.2022
- USDOS – US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 15.7.2022
- WKO – Wirtschaftskammer Österreich (6.2022): Aussenwirtschaft – Aussenwirtschaftsbericht Tadschikistan, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/tadschikistan-wirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 18.7.2022
- World Bank (13.8.2021): Tajikistan. Country Economic Update, Summer 2021, https://documents1.worldbank.org/curated/en/532641628870881778/pdf/Tajikistan-Rebounding-Economy-Challenges-Remain.pdf , Zugriff 18.7.2022
Sozialbeihilfen
Das Sozialschutzsystem in Tadschikistan kombiniert die obligatorische staatliche Sozialversicherung für verschiedene Kategorien von Erwerbstätigen, die Einkommen als formeller Arbeit beziehen, mit einer gezielten Sozialhilfe für Arme, sowie sozialen Dienstleistungen für Bürger in schwierigen Lebenssituationen (ILO 9.2020). Das System besteht aus i) Sozialversicherungssystemen, die Arbeitnehmer im Falle von Schwangerschaft und Geburt, Krankheit, Invalidität und Alter sowie beim Verlust des Ernährers schützen; ii) staatlichen Renten für Militärangehörige; iii) Sozialhilfe für Arme und Bedürftige sowie für Personen, die keinen Anspruch auf Sozialversicherung haben; iv) sozialen Diensten und v) medizinischen Diensten (ILO 9.2020).
Das System basiert auf einer Kombination aus beitragsabhängigen und beitragsunabhängigen Leistungen (ILO 9.2020). In der nationalen Gesetzgebung sind Geld- und Subventionsregelungen für Renten, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Arbeitslosigkeit, Invalidität und Mutterschaft sind in der nationalen Gesetzgebung verankert, und das Recht auf sie wird im Allgemeinen respektiert. Die Entschädigungen sind jedoch in den meisten Fällen so niedrig, dass viele schutzbedürftige Gruppen wie ältere oder behinderte Bürger ohne zusätzliche, nicht-staatliche Unterstützung nicht überleben könnten (BS 3.2.2022)
Der Anteil der Bevölkerung in Tadschikistan mit mindestens einer Sozialschutzleistung (außer Gesundheit) beträgt 26,6 % (ILO 1.9.2021; vgl. UNESCAP 28.12.2021). Der Anteil an bedürftigen Personen, die von der Sozialhilfe unterstützt werden, ist mit 7,5 % noch geringer (ILO 1.9.2021). Mit öffentlichen Ausgaben für den Sozialschutz von 4,0 % vom BIP ist das Niveau der Sozialschutzausgaben in Tadschikistan ist zu niedrig, um wirksam zu sein (UNESCAP 28.12.2021).
Im August 2020, vor den Präsidentschaftswahlen, erließ der tadschikische Präsident Emomalij Rahmon ein Dekret zur Erhöhung die Renten und Löhne im öffentlichen Dienst um 15 %, aber die Mindestrenten und Löhne gelten als unsicher (CABAR 13.1.2021; vgl. BS 3.2.2022). Vor dem Hintergrund der gestiegenen Lebensmittelpreise und der Inflation auf dem Lebensmittelmarkt hat die Bevölkerung diese Erhöhung jedoch praktisch nicht gespürt (CABAR 13.1.2021).
C.a. 90 % der Menschen in Tadschikistan sind in irgendeiner Form durch eine Altersrente abgesichert, allerdings ist das Niveau der beitragsunabhänigen Altersrente eines der niedrigsten im Nord- und Zentralasiatischen Raum (UNESCAP 28.12.2021). Die durchschnittliche Altersrente in Tadschikistan beträgt 303 Somoni (CABAR 13.1.2021). Damit liegt das Niveau der Altersrenten unter der internationalen Armutsgrenze von 1,90 USD pro Tag (UNESCAP 28.12.2021).
Im Einklang mit den übergeordneten nationalen Entwicklungszielen begann die Regierung 2021 mit dem Entwurf einer nationalen Strategie für den Sozialschutz für den Zeitraum bis 2030. Es wird erwartet, dass die Strategie bis Ende 2022 verabschiedet wird. Der Strategieentwurf schlägt Maßnahmen vor, die einen umfassenden Ansatz für die Garantien der sozialen Sicherheit fördern und versucht, sie mit der Beschäftigungspolitik in Einklang zu bringen. Er sieht auch die Entwicklung oder Überarbeitung der Rechtsgrundlage des Sozialschutzes vor (ILO o.D.).
Quellen:
- BS – Bertelsmann Stiftung (3.2.2022): BTI 2022 Country Report - Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069661/country_report_2022_TJK.pdf , Zugriff 18.7.2022
- CABAR - Zentralasiatisches Büro für analytische Berichterstattung (13.1.2021): The great discrepancy of Tajikistan: the rhetoric of poverty and the practice of state festivities, https://cabar.asia/en/the-great-discrepancy-of-tajikistan-the-rhetoric-of-poverty-and-the-practice-of-state-festivities , Zugriff 18.7.2022
- ILO – International Labour Organization (9.2020): Decent Work Country Programme of the Republic of Tajikistan 2020-2024, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_mas/---program/documents/genericdocument/wcms_774558.pdf , Zugriff 18.7.2022
- ILO – International Labour Organization (1.9.2021): World Social Protection Report 2020–22: Social protection at the crossroads – in pursuit of a better future,https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/ @dgreports/@dcomm/@publ/documents/publication/wcms_817572.pdf, Zugriff 18.7.2022
- ILO – International Labour Organization (o.D.): Social Protection: Tajikistan, https://www.social-protection.org/gimi/ShowCountryProfile.action?iso=TJ , Zugriff 18.7.202
- UNESCAP – United Nations Economic and Social Commission for Asia and the Pacific (28.12.2021): The Protection We Want: Social Outlook For Asia And The Pacific, https://www.unescap.org/sites/default/d8files/knowledge-products/Social_Outlook_Report_v10.pdf , Zugriff 18.7.2022
Medizinische Versorgung
Die ärztliche Versorgung in ganz Tadschikistan ist schlecht (AA 15.7.2022 vgl. BMEIA 15.7.2022). Tadschikistan hat eines der niedrigsten Niveaus der Gesundheitsausgaben in Zentralasien (Borgen Magazine 3.9.2021). Krankenhäuser entsprechen nicht dem europäischen Standard (BMEIA 15.7.2022). Selbst in der Hauptstadt Duschanbe ist die Notfallversorgung eingeschränkt (AA 15.7.2022). Es gibt Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen unter Mangelbedingungen und mit veralteter oder nicht funktionierender Ausstattung überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt und/oder chronische Krankheiten auf niedrigem medizinischem Niveau behandelt werden (AA 14.3.2022). Die medizinischen Einrichtungen in ländlichen Gebieten sind in einem schlechteren Zustand als die in städtischen Gebieten (FPC 17.5.2021). Viele ländliche Krankenhäuser sind bei den Stromversorgern verschuldet und müssen im Winter schließen, weil der Betrieb der Heizungsanlagen zu teuer ist. Der schlechte Zustand kleinerer Krankenhäuser führt häufig dazu, dass die regionalen Einrichtungen mit Menschen überfüllt sind, die eine bessere medizinische Versorgung suchen (Borgen Magazine 3.9.2021).
Entgegen gesetzlichen Bestimmungen ist eine Behandlung für viele Patienten in der Praxis meist nicht kostenlos. Medikamente werden aus Russland und anderen Ländern importiert. Nicht alle Medikamente, insbesondere gegen lebensgefährliche Erkrankungen (z. B. Krebs), sind erhältlich. Individueller Import von Medikamenten ist möglich, sofern finanzielle Mittel und die notwendigen Beziehungen zu Personen im Ausland vorhanden sind, die diese Medikamente beschaffen können (AA 14.3.2022). Es besteht ein hohes Infektionsrisiko bei ärztlicher Behandlung (besonders Hepatitis C, TBC). Unfallhilfe bei Notfällen ist nicht immer gewährleistet (BMEIA 15.7.2022).
Viele Tadschiken haben kaum Zugang zu medizinischer Versorgung und sind stark auf staatliche und ausländische Hilfe angewiesen. In Tadschikistan kommen auf 100.000 Einwohner nur 170 Ärzte, was nicht annähernd ausreicht, um den Bedarf zu decken. Darüber hinaus untergraben veraltete Vergütungsmechanismen für die Leistungserbringer die Qualität und Gerechtigkeit der Versorgung, was auch dazu beiträgt, dass es an der Ausbildung und den Richtlinien mangelt, die erforderlich sind, um eine sichere medizinische Versorgung zu gewährleisten. Aufgrund der niedrigen Löhne, die Ärzte und Krankenschwestern erhalten, sind sie auf zusätzliche Einnahmen angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, was die Korruption im Gesundheitswesen Tadschikistans noch verstärkt (Borgen Magazine 3.9.2021). Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 68,8 Jahren (WKO 4.2022). Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate in Tadschikistan ist die höchste in der Region Zentralasien (USAID 22.10.2021).
Die COVID-19-Pandemie hat die Schwierigkeiten, die die Bevölkerung aufgrund des unterentwickelten und überteuerten Pharmasektors sowie der Kontrolle des Pharmamarktes durch die Eliten und die Präsidentenfamilie ohnehin schon beim Zugang zu Medikamenten hatte, noch verschärft (FPC 17.5.2021). Die Behörden haben die Berichterstattung über die Covid-19-Pandemie streng kontrolliert und deren tatsächliche Auswirkungen heruntergespielt, was zu späten und wenig wirksamen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung und zum Schutz der öffentlichen Gesundheit führte. Am 26. Januar 2021 teilte der Präsident dem Parlament mit, dass es in Tadschikistan keine Covid-19-Fälle mehr gebe. Medienberichten zufolge wurde auf medizinisches Personal Druck ausgeübt, das Virus nicht zu diagnostizieren, und mindestens ein Arzt wurde Berichten zufolge entlassen, nachdem er einen positiven Test abgegeben hatte (AI 29.3.2022).
Trotz wiederholter offizieller Erklärungen, dass die medizinische Versorgung kostenlos sein würde, u. a. von Gesundheitsminister im Februar 2021, wurden den Patienten für die Behandlung leichter Krankheiten rund 200 USD und für die Behandlung schwerer Krankheiten, einschließlich COVID-19, 400-700 USD berechnet. Im Jahr 2020 wurden fast zwei Drittel der Gesundheitsausgaben von Patienten selbst getragen (FPC 17.5.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (15.7.2022): Tadschikistan: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/tadschikistansicherheit/206756#content_5 , Zugriff 15.7.2022
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 15.7.2022
- AI – Amnesty International (29.3.2021): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Tajikistan 2021, https://www.amnesty.org/en/location/europe-and-central-asia/tajikistan/report-tajikistan/ , Zugriff 15.7.2022
- Borgen Magazine (3.9.2021): A Closer Look at Healthcare in Tajikistan, https://www.borgenmagazine.com/healthcare-in-tajikistan/ , Zugriff 15.7.2022
- BMEIA - Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten der Republik Österreich [Österreich] (15.7.2022): Reiseinformation Tadschikistan – Gesundheit & Impfungen, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/tadschikistan/ , Zugriff 15.7.2022
- FPC – the foreign policy institute (17.5.2021): Stuck between underinvestment, government authoritarianism and corruption: The healthcare system in Tajikistan and the risks for the population, https://fpc.org.uk/stuck-between-underinvestment-government-authoritarianism-and-corruption-the-healthcare-system-in-tajikistan-and-the-risks-for-the-population/ , Zugriff 15.7.2022
- USAID – United States Agency for International Development [USA] (22.10.2021): Where We Work – Tajikistan – Global Health, https://www.usaid.gov/tajikistan/global-health , Zugriff 15.7.2022
- WKO – Wirtschaftskammer Österreich (4.2022): Länderprofil Tadschikistan, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-tadschikistan.pdf , Zugriff 15.7.2022
Rückkehr
Das Gesetz sieht Reisefreiheit, Auswanderung und Rückkehr ins Heimatland vor, aber die Regierung hat einige Einschränkungen vorgenommen. Laut Verfassung sind Einschränkungen der Rechte und Freiheiten einer Person und eines Bürgers nur zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, der öffentlichen Ordnung, zum Schutz der Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung, der Staatssicherheit, der Landesverteidigung, der öffentlichen Moral, der öffentlichen Gesundheit und der territorialen Integrität der Republik zulässig (USODS 12.4.2022).
Es ist davon auszugehen, dass rückgeführte Asylantragsteller von den Sicherheitsbehörden umfassend befragt werden. Es sind bisher keine Fälle bekannt, in denen eine Asylantragstellung bei der Rückkehr nach Tadschikistan zu staatlichen Maßnahmen geführt hat (AA 14.3.2022). Es gibt keine staatlichen oder sonstigen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer. Sie werden – soweit erforderlich – von ihren Familien aufgenommen (AA 14.3.2022).
Tadschikistan änderte 2015 seine Strafgesetze und ermöglichte es den Behörden, tadschikische „Foreign Terrorist Fighters“ (FTFs) zu begnadigen, die freiwillig aus dem Irak oder Syrien nach Hause zurückkehren, Reue für ihre Taten zeigen und sich von Verbindungen zu ausländischen militanten Gruppen lossagen (USDOS 16.12.2021). Tadschikistan unterstützt weiterhin die rund 84 Kinder von FTFs, die 2019 aus dem Irak rückgeführt wurden (USDOS 16.12.2021; vgl. UNODC 18.11.2021). Das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) hat in Zusammenarbeit mit der Gefängnisbehörde des Justizministeriums der Republik die Umsetzung des Programms zur Inhaftierung rückkehrender FTFs eingeleitet. Ein Teil des länderspezifischen Arbeitsplans ist die Umsetzung gezielter Rehabilitationsprogramme (UNODC 18.11.2021).
Die Änderungen in der Arbeitsgesetzgebung der Russischen Föderation, durch die Wiedereinreiseverbote für Migranten eingeführt wurden, die gegen russische Verwaltungsvorschriften verstoßen, hatten tiefgreifende Auswirkungen auf Arbeitsmigranten aus Tadschikistan. Folglich ist die soziale und wirtschaftliche Wiedereingliederung der aus Russland zurückkehrenden Migranten eines der wichtigsten Probleme, mit denen die tadschikische Regierung konfrontiert ist (ICMPD 9.9.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
- ICMPD – International Centre for Migration Policy Development, Budapest Process Secretariat (9.9.2021): Reintegration of Returning Migrants in Tajikistan, https://www.budapestprocess.org/silkroutesfacility/projects-in-central-asia/181-reintegration-of-returning , Zugriff 15.7.2022
- UNODC – United Nations Office on Drugs and Crime (18.11.2021): UNODC and Prison Service of Tajikistan co-operate to address Foreign Terrorist Fighters Threats in Prison, https://www.unodc.org/centralasia/en/news/unodc-and-prison-service-of-tajikistan-co-operate-to-address-foreign-terrorist-fighters-threats-in-prison.html , Zugriff 15.7.2021
- USDOS – US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/tajikistan/ , Zugriff 15.7.2022
- USDOS – US Department of State [USA] (16.12.2021): Country Reports on Terrorism 2020: Tajikistan, https://www.state.gov/reports/country-reports-on-terrorism-2020/tajikistan/ , Zugriff 14.7.2022
Dokumente
Gegen Bezahlung können in Tadschikistan oder in Drittländern echte Dokumente unwahren Inhalts beschafft werden. Es besteht in Tadschikistan Zugang zu gefälschten Dokumenten aller Art (AA 14.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (14.3.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2070032/Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan_%28Stand_November_2021%29%2C_14.03.2022.pdf , Zugriff 14.7.2022
Die Feststellungen zur Lage in Tadschikistan wurden dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Tadschikistan vom 08.08.2022 entnommen, das im Rahmen der Verhandlung vorgehalten wurde und dessen Inhalt ungerügt blieb.
Weiters wird fallspezifisch festgestellt:
Die Gruppe 24 gilt in Tadschikistan als eine terroristische Organisation. Sie entstand 2012 als eine außerparlamentarische Oppositionsbewegung. Die Gruppe 24 wurde im Jahr 2014 vom Obersten Gerichtshof als eine extremistische Organisation eingestuft und verboten. Eine NGO bezeichnet die Gruppe 24 als eine friedliche politische Gruppe, welche demokratische Reformen gefordert hat und daher als „extremistisch“ eingestuft wurde. Dutzende von Mitgliedern und Anhängern der Gruppe wurden verhaftet und viele von ihnen zu langen Haftstrafen verurteilt.
Der Rat der Europäischen Union (EU) führt eine Liste von Personen, Vereinigungen und Körperschaften, gegen die zum Zweck der Terrorismusbekämpfung besondere Maßnahmen angewendet werden. In der Fassung vom 8.2.2021 scheint die Gruppe 24 nicht auf.
Die Gruppe 24 ist im Exil tätig. Sie ist von unabhängigen Beobachtern als nicht-gewalttätig eingestuft worden. Eine NGO bezeichnet sie als eine friedliche politische Gruppierung. Die Gruppe 24 beschuldigt die tadschikische Regierung, dass sie politische Gegner, Journalisten und Aktivisten ins Visier nimmt. Einige Quellen führen Listen mit Gruppierungen, welche in Verbindung mit Terrorismus stehen. In diesen findet die Gruppe 24 keine Erwähnung.
Nach Einstufung der Gruppe 24 als extremistische Organisation im Jahr 2014 wurden Dutzende ihrer Mitglieder und Anhänger auf Ersuchen der tadschikischen Strafverfolgungsbehörden in Tadschikistan, Russland und einer Reihe anderer Länder festgenommen. Einige von ihnen wurden nach Duschanbe ausgeliefert, wo sie auf Basis von vagen und übermäßig weit gefassten Extremismusvorwürfen zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Den anderen wurde vor allem in europäischen Ländern politisches Asyl gewährt, wo sie ihre politischen Aktivitäten fortsetzen. Im Jahr 2015 wurde Umarali Kuvvatov, der Gründer der Bewegung, bei einem bewaffneten Attentat in Istanbul (Türkei) getötet, und zwar unter Umständen, die auf eine Beteiligung der tadschikischen Sicherheitsdienste schließen lassen. Familienangehörige sowie der Freundeskreis von Mitgliedern der Gruppe 24 sind Schikanen, körperlicher Gewalt und Druck ausgesetzt. Gesetze wie jenes über die Bekämpfung des Terrorismus (1999) in Tadschikistan dienen dazu, Oppositionsgruppen wie die Gruppe 24 zu verbieten und die Verbreitung von Zeitungen, Videos, Tonaufnahmen, Literatur und Flugblättern dieser und weiterer ähnlicher Gruppen zu untersagen. Anhänger der Gruppe 24 werden verfolgt, und exilpolitisch aktive Mitglieder der Gruppe 24 und prominente Kritiker müssen bei Rückkehr nach Tadschikistan mit massiven staatlichen Repressionen rechnen. Es hat Fälle gegeben, in welchen Mitglieder der Gruppe 24, die sich im Ausland aufhielten, nach Tadschikistan zwangsrückgeführt wurden. In einigen Fällen waren diese Personen für kurze Zeit spurlos verschwunden und tauchten danach in Haft in Tadschikistan wieder auf. In einigen Fällen ist ihr Verbleib weiterhin unbekannt.
Mitglieder, Aktivisten oder Anhänger der Gruppe 24 werden im Ausland, insbesondere in Russland, verfolgt, verhaftet und eventuell nach Tadschikistan verbracht oder auch wieder freigelassen.
Die tadschikische Verfassung, das Gesetz über den Zugang zu Informationen, das Fernseh- und Rundfunkgesetz und das Gesetz über periodische Druckerzeugnisse und andere Massenmedien garantieren die freie Meinungsäußerung und verbieten Zensur und staatliche Eingriffe in die Medien. Trotzdem schränkt die tadschikische Regierung die Redefreiheit ein. Die Meinungsfreiheit wird durch Verhaftungen, strafrechtliche Verfolgung, Androhung von hohen Geldstrafen, Verabschiedung strenger und weitreichender Verleumdungsgesetze und erzwungene Schließung von Medienunternehmen eingeschränkt. Beleidigung oder Verleumdung der Person des Präsidenten, einschließlich im Internet, wird bestraft. Unabhängige Medien werden von der Regierung wiederholt bedroht, und die meisten Journalisten üben Selbstzensur. Zwischen 2017 und 2019 gab es insgesamt mehr als 80 Angriffe aller Art, physisch und nicht-physisch, einschließlich Cyberangriffen und „Angriffen mit juristischen oder wirtschaftlichen Mitteln“, auf Journalisten. Bestimmte Medieninhalte erachten die tadschikischen Behörden für unerlaubt, beispielsweise Themen, welche die verbotene Gruppe 24 betreffen. Internetaktivitäten, inkl. E-Mail- Korrespondenz, werden überwacht. Bei kritischen Äußerungen im Internet über den Präsidenten, seine Familie oder die Regierung werden Mobilfunk- und Nachrichtendienste regelmäßig gesperrt. Gesetze werden von den Behörden dazu verwendet, die Internetnutzung und mobile Kommunikation zu blockieren sowie während Polizei- und Antiterroreinsätzen Zensur durchzusetzen. Im Namen der Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus werden häufig grundlegende Menschenrechte – wie das Recht auf freie Meinungsäußerung – und bürgerliche Freiheiten unterdrückt und eingeschränkt. Regierungskritiker werden strafrechtlich verfolgt und inhaftiert.
Die weiteren fallspezifischen Feststellungen wurden der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Tadschikistan/Gruppe 24 vom 17.01.2022, die bereits vom Bundesamt ins Verfahren eingeführt wurde, entnommen.
Schließlich wird fallspezifisch festgestellt:
Der derzeitige Führer der Gruppe 24 ist Suhrob Zafar, wobei sich das Hauptquartier in Istanbul (Türkei) befindet (Wikipedia).
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahmen in den Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, in das dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich Tadschikistan vorliegende Dokumentationsmaterial und durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.07.2023.
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinem insbesondere im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung erstatteten glaubwürdigen Vorbringen und seinen im Verfahren vorgelegten Urkunden, wobei insbesondere seine (auch im Original vorgelegte) tadschikische ID-Card, wobei eine am 06.12.2021 durch die LPD XXXX vorgenommene Überprüfung ergab, dass diese unbedenklich ist, seine Geburtsurkunde (einschließlich Übersetzung) und das am 17.12.2021 von der Gruppe 24 ausgestellte und vom Führer dieser Gruppe – Suhrob Zafar – unterfertigte Bestätigungsschreiben, woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer Mitglied und Unterstützer dieser Organisation ist, hervorzuheben sind.
Im Übrigen ging auch das Bundesamt davon aus, dass die Lage der Mitglieder der Gruppe 24 besorgniserregend und eine Asylrelevanz der objektivierten Mitgliedschaft indiziert ist. Durch die Vornahme einer mündlichen Verhandlung, in der keine wesentlichen Widersprüche auftraten, konnten die vom Bundesamt gehegten Zweifel hinsichtlich der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der Gruppe 24 beseitigt werden, wobei sich die belangte Behörde in erster Linie ohnedies auf bloße Vermutungen stützte. Somit war das Bestätigungsschreiben der Gruppe 24 vom 17.12.2021 auch nicht als (vermutete) Gefälligkeitsstellungnahme zu bewerten und vermag daher durchaus relevante Beweiskraft zu entfalten.
Die Feststellungen zur Lage in Tadschikistan und die weiteren fallspezifischen Feststellungen ergeben sich aus den oben genannten Quellen.
Die Gefährdung von Mitgliedern der Gruppe 24 ergibt sich aus den Feststellungen zur Lage in Tadschikistan und den weiteren fallspezifischen Feststellungen.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.
Gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 ist auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.November 2015 gestellt haben, § 3 Abs. 4 AsylG 2005 nicht anzuwenden.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, iVm Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich (infolge von vor dem 1. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen/diese Worte in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention sind gemäß Art. 1 Abs. 2 des oben genannten Protokolls als nicht enthalten anzusehen) aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich (infolge obiger Umstände/diese Worte in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention sind ebenfalls gemäß Art. 1 Abs. 2 des oben genannten Protokolls als nicht enthalten anzusehen) außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, ua).
Die Umstände, dass der aus Tadschikistan stammende Beschwerdeführer bereits als Sympathisant der Gruppe 24 ins Blickfeld der tadschikischen Sicherheitsbehörden geraten ist, auch inhaftiert wurde und im September 2019 in Russland auch Mitglied der Gruppe 24 wurde, lassen ihn in Tadschikistan vor dem Hintergrund der diesbezüglichen Feststellungen im gesamten Staatsgebiet von Tadschikistan im erheblichen Maße gefährdet erscheinen. In seinem Falle liegt daher wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung vor.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Aufgrund der am 21.09.2021 erfolgten Antragstellung kommt dem Beschwerdeführer daher gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu, die drei Jahre gilt.
Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 1985/10 idgF (VwGG), hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Hiebei wird einerseits auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und andererseits darauf verwiesen, dass der gegenständliche Fall ohnedies maßgeblich auf der Tatsachenebene zu beurteilen war.
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