AVG §69 Abs1 Z2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W147.2208789.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Mag.a Dr.in Angelika TUPY und Mag. Alexander TUPY, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 108, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26. September 2018, Zahl: 1128539804 - 161209048/BMI-BFA_BGLD_RD, betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens
A.I) zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme wird gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. I Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, als unbegründet abgewiesen.
A.II) beschlossen:
Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 13 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 164/2013, nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste gemeinsam mit ihrer Mutter (Beschwerdeführerin W147 2208787-1) und ihrer Nichte (Beschwerdeführerin W147 2208790-1), wobei der Beschwerdeführerin die Obsorge über die Minderjährige zukommt, am 3. September 2016 mittels italienischem Visum in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. Februar 2017, Zahl: 1128539804 - 161209048, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages wurde gemäß § Artikel 12 (2) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Italien für zuständig erklärt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG wurde gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung angeordnet und gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Italien für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.).
Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen, dass der Antrag zurückzuweisen gewesen sei, da Italien gemäß Artikel 12 (2) Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Außergewöhnliche Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführerin ernstlich für möglich erscheinen ließe, seien nicht vorgebracht worden. Die belangte Behörde stellte fest, dass die Beschwerdeführerin in Italien nicht systematischer Misshandlung bzw. Verfolgung ausgesetzt wäre und aus medizinischer Sicht nichts gegen eine Rücküberstellung der Person der Beschwerdeführerin nach Italien spreche.
3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 15. März 2017 fristgerecht Beschwerde und ficht die erstinstanzliche Erledigung in vollem Umfang an.
4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. März 2017, Zahl: W233 2150809-1/2E, wurde der Beschwerde gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 BFA-VG stattgegeben, die Verfahren über internationalen Schutz zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.
5. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18. Mai 2018, Zahl: 1128540206 - 161209056/BMI-BFA_BGLD_RD, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt VI).
In der Entscheidungsbegründung wurde seitens der belangten Behörde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin eine ihr im Herkunftsstaat drohende asylrelevante Gefährdung nicht darzustellen vermochte. Es gäbe auch keine Anhaltspunkte auf das Vorliegen von Gefahren, welche die Erteilung subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.
6. Mit am 24. Juli 2018 bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz vom selben Tag beantragte die Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme des behördlichen Verfahrens betreffend den Antrag auf internationalen Schutz. Die begehrte Wiederaufnahme gründe sich auf neue Tatsachen und Beweismittel, da im Entlassungsbericht des XXXX -Krankenhauses vom 11. Juli 2018 der Mutter der Beschwerdeführerin erstmals ein "Rezidiv" des bereits bekannten persistierenden Vorhofflimmerns attestiert worden sei.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Wiederaufnahme des Verfahrens, in eventu werde für den Fall, dass es sich bei den neu hervorgekommenen Beweismitteln um nova producta handeln sollte, aufgrund der geänderten Sachlage ein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der Beschwerde wurde ein Entlassungsbericht des XXXX -Krankenhauses vom 11. Juli 2018 der Mutter der Beschwerdeführerin sowie ein ärztliches Attest vom 17. Juli 2018 über die ärztlich eingeschätzte Fluguntauglichkeit der Mutter der Beschwerdeführerin beigeschlossen.
7. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag auf Wiederaufnahme als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass nach Durchsicht der beigefügten Beweismittel, vor allem des Entlassungsberichtes der Mutter der Beschwerdeführerin, feststehe, dass die zweiwöchige Einbringungsfrist für den Antrag auf Wiederaufnahme (spätestens) am 9. Juli 2018 zu laufen begonnen habe. Der Eingriff (Elektrokardioversion) bei der Mutter der Beschwerdeführerin sei erst am 10. Juli 2018 erfolgt und werde als Grund für die Aufnahme im Krankenhaus die geplante Elektrokardioversion angeführt. Dies inzidiere, dass der Mutter der Beschwerdeführerin bereits im Vorfeld bekannt gewesen sei, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand vorübergehend verschlechtert habe. Der Eingriff der zu diesem Zeitpunkt vertreten Mutter der Beschwerdeführerin sei erst am 10. Juli 2018 erfolgt, sodass diese ab 9. Juli 2018 ihren Rechtsvertreter über den geplanten Eingriff informieren hätte können. Der am 24. Juli 2018 eingelangte Antrag auf Wiederaufnahme sei daher verspätet eingebracht worden.
8. Gegen diesen Bescheid wendet sich das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin. Diese moniert im Wesentlichen, dass zur Behandlung des bereits bekannten persistierenden Vorhofflimmerns ihrer Mutter am 10. Juli 2018 eine Elektrokardioversion durchgeführt worden sei, wobei im Entlassungsgericht vom 11. Juli 2018 erstmals ein Rezidiv des persistierenden Vorhofflimmerns attestiert worden sei. Da die Mutter der Beschwerdeführerin sich laufend in medizinischer Behandlung befinde, sei sie am 9. Juli 2018 nicht von einem Wiederaufnahmegrund ausgegangen. Die Beschwerdeführerin beantragte den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Zulässigkeit des Antrages auf Wiederaufnahme angenommen werde, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Sache zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen. In Einem beantragte die Beschwerdeführerin der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
9. Am 16. Januar 2019 langte ein fachärztlicher Befundbericht der Mutter der Beschwerdeführerin über die diagnostische Behandlung ihrer posttraumatischen Belastungsstörung ICD F 43.1 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu den vorliegenden Anträgen wie folgt erwogen:
1. Feststellungen:
Nachstehender Sachverhalt wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt und wird auch diesem Beschwerdeverfahren zugrunde gelegt:
"Der Bescheid vom 18.05.2018 wurde von Ihrem gewillkürten Vertreter [...] am 22.05.2018 übernommen. Mangels Einbringung einer Beschwerde innerhalb offener Rechtsmittelfrist erwuchs der Bescheid vom 18.05.2018 am 20.06.2018 in Rechtskraft.
Am 24.07.2018 langte bei der belangten Behörde gegenständlicher Antrag ein. Darin wurde angeführt, dass dieser Antrag auch für Sie aufgrund der familienrechtlichen Beziehung gilt.
Ihre Mutter erlangte vom vorgebrachten Sachverhalt des gegenständlichen Verfahrens spätestens am 09.07.2018 Kenntnis und wandte sie sich daraufhin an Ihren [sic!] Anwalt."
Festgestellt wird, dass der Antrag auf Wiederaufnahme am 24. Juli 2018 bei der belangten Behörde einlangte.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Einsichtnahme in die vorgelegten Akten der belangten Behörde - insbesondere in den angefochtenen Bescheid und die dagegen erhobene Beschwerde - sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichts.
Wie die belangte Behörde bereits beweiswürdigend ausgeführt hat, ist dem Entlassungsbericht der medizinischen Abteilung mit interventioneller Kardiologie und Herzüberwachung mit Ambulanzen des XXXX -Krankenhauses vom 11. Juli 2018 eindeutig zu entnehmen, dass die Mutter der Beschwerdeführerin am 9. Juli 2018 stationär aufgenommen wurde. Als Aufnahmegrund wird dezidiert angeführt: "Die Aufnahme erfolgt geplant zur Elektrokardioversion" (Seite 1 des Entlassungsberichtes). Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde nach der stationären Aufnahme am 9. Juli 2018 an das EKG angeschlossen und erfolgte der Eingriff am 10. Juli 2018 (Seite 3 des Entlassungsberichtes).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder einzustellen ist.
3.2. Zur Sache des Beschwerdeverfahrens:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf eine Berufungsbehörde auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Berufung nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides (VwGH 3.3.2011, Zl 2009/22/0080), nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden (VwGH 16.12.1996, Zl 93/10/0165; 27.1.2010, Zl 2008/03/0129; 29.4.2010, Zl 2008/21/0302).
Diese seine bisherige - zum Administrativverfahren bestandene - Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof auch eingehend für das neue, ab 1. Jänner 2014 geltende System der Verwaltungsgerichtsbarkeit bestätigt. So führt er in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 2014, Ra 2014/07/0002, aus: Wenngleich § 66 Abs. 4 AVG einerseits und § 28 Abs. 2 und Abs. 3 VwGVG 2014 andererseits unter jeweils verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen eine Pflicht zur Entscheidung "in der Sache selbst" normieren, ist das Verständnis dessen, was unter "Sache des Verfahrens" zu verstehen ist, unverändert geblieben. Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist "Sache" sowohl eines Berufungsverfahrens vor einer im administrativen Instanzenzug übergeordneten Berufungsbehörde als auch eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die "Rechtmäßigkeit der Zurückweisung".
Sache dieses Beschwerdeverfahrens ist somit alleine die Frage, ob die erfolgte Zurückweisung des Antrages wegen Fristablaufs zu Recht erfolgt ist, nicht jedoch der zugrunde liegende Antrag.
Nachstehend ist zur Rechtmäßigkeit der erfolgten Zurückweisung zu erwägen:
Zu Spruchteil A.I)
3.3. Antrag auf Wiederaufnahme:
Bei einem Antrag auf Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 AVG ist zwischen absoluten Wiederaufnahmegründen nach Z 1 leg cit (Fälschung eine Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung) und relativen Wiederaufnahmegründen nach Z 2 leg cit (neue Tatsachen oder Beweismittel) zu unterscheiden.
Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen, das heißt Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. VwGH 15.12.1994, 93/09/0434; 04.09.2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, das heißt Mittel zur Herbeiführung eines Urteiles über Tatsachen (vgl. VwGH 16.11.2004, 2000/17/0022; 24.04.2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.
Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens").
3.3.1. Zu den relativen Wiederaufnahmegründen (Z 2 leg cit)
Gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
§ 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat (subjektive Frist), wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren (objektive Frist) nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus denen sich die Einhaltung der Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
Sowohl die subjektive als auch objektive Frist sind verfahrensrechtlicher Natur und als solche nach § 33 Abs. 4 AVG nicht erstreckbar und in diese nach § 33 Abs. 3 AVG des Postlaufs nicht einzurechnen.
3.3.2. Wie dargestellt, wurde die Mutter der Beschwerdeführerin am 9. Juli 2018 stationär aufgenommen und wurde bei dieser am 10. Juli 2018 eine geplante Elektrokardioversion durchgeführt. Die Frist zur Stellung des Wiederaufnahmeantrages begann sohin am 9. Juli 2018 zu laufen und endete am 23. Juli 2018, sodass der am 24. Juli 2018 bei der belangten Behörde eingelangte Antrag auf Wiederaufnahme verspätet eingebracht wurde.
Somit war die Beschwerde gegen die erfolgte Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme nach § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 17 VwGVG iVm § 69 AVG als unbegründet abzuweisen.
3.3.3. Absehen von einer mündlichen Verhandlung
Bei diesem Ergebnis konnte von einer mündlichen Verhandlung nach § 24 Abs. 1 und Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage zweifelsfrei fest und lässt eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung des Sachstandes nicht erwarten und stehen dem Entfall der Verhandlung auch nicht Art 6 Abs. 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegen.
Zu Spruchteil A.II)
3.4. Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit aufschiebende Wirkung. Auch kommt einem rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Vorlageantrag aufschiebende Wirkung zu, wenn die Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat. Dem gegenständlichen Rechtsmittel kommt daher bereits ex lege aufschiebende Wirkung zu und wurde diese auch seitens der belangten Behörde nicht aberkannt.
Das Begehren der Beschwerdeführerin war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
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