BVwG W136 2012967-1

BVwGW136 2012967-125.11.2014

BDG 1979 §123 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1
BDG 1979 §123 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W136.2012967.1.00

 

Spruch:

W136 2012967-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten XXXX, vertreten durch Dr. Klaus PLÄTZER, Hellbrunnerstraße 5, 5020 Salzburg, gegen den Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, XXXX, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 123 Abs. 2 BDG 1979 iVm § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit dem im Spruch genannten Beschluss leitete die belangte Behörde gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1079 mit Spruchpunkt I. ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer (im Weiteren kurz BF) wegen des Verdachtes der schuldhaften Verletzung seiner Dienstpflichten nach § 91 BDG 1979 ein. Mit Spruchpunkt II. wurde ein Nicht-Einleitungsbeschluss gefasst. Spruchpunkt I. dieses Beschlusses lautet auszugsweise wörtlich (Anonymisierung durch das Bundesverwaltungsgericht):

"[ Der BF] ist verdächtig,

1. Er habe es als zuständiger Strafreferent von Mitte Februar bis 16. Mai 2014 unterlassen, die Verwaltungsstrafanzeige der PI Lehen, Geschäftszahl XXXX (XXXX - Verweigerung der Blutabnahme im LKH Salzburg, § 99 Abs. 1 lit. c StVO), eingelangt im Strafamt am 21. Jänner 2014,

a. zu protokollieren, bzw. die Protokollierung zu veranlassen

b. Verfolgungshandlungen gegen die angezeigte Lenkerin zu setzen, bzw. ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten.

2. Er habe anlässlich seiner Suspendierung am 16. Mai 2014 versucht, diesen Akt (XXXX) mit nach Hause zu nehmen und dadurch zu unterdrücken."

Der BF sei daher unbeschadet seiner strafgerichtlichen Verantwortung nach den §§ 302 und 229 bzw. 295 StGB verdächtig, seine Dienstpflichten gemäß §§ 43 Abs. 1 und 2 und § 44 Abs. 1 verletzt zu haben.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides lautet auszugsweise wie folgt (Schreibfehler im Original, Anonymisierung durch das Bundesverwaltungsgericht):

"......Strafverfahren und strafgerichtliche Maßnahmen:

• Mit Anlassbericht vom 20. Juni 2014, XXXX erstattete das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung zu dem in dieser Disziplinaranzeige abgehandelten Sachverhalt Strafanzeige wegen des Verdachtes des Missbrauchs der Amtsgewalt, der Urkundenunterdrückung, bzw. der Unterdrückung eines Beweismittels.

• Die Staatsanwaltschaft XXXX ordnete aufgrund des Anlassberichtes am 01. Juli 2014 die Durchsuchung der Behältnisse in der Kanzlei

XXXX an. Über das Ergebnis der Durchsuchung ist der Disziplinarkommission nichts bekannt.

Verdacht von Dienstpflichtverletzungen

Der Verdacht von Dienstpflichtverletzungen ergibt sich aus der Disziplinaranzeige GZ XXXX vom 18. Juni 2014 (bei der Disziplinarkommission am 23. Juni 2014 eingelangt), samt ergänzender Berichte der Dienstbehörde, zuletzt dem unaufgefordert vorgelegtem Nachtrag vom 26. August 2014 (dem Disziplinarbeschuldigten am 05. September 2014 zur Kenntnis gebracht - er legte dazu am gleichen Tag eine Stellungnahme vor). Daraus ergibt sich folgender, für das Disziplinarverfahren relevanter Sachverhalt:

Sachverhalt:

Am 16. Mai 2014 wurde dem Disziplinarbeschuldigten in seiner Dienststelle die von der Disziplinarkommission verfügte Suspendierung (§ 112 BDG) zur Kenntnis gebracht. Vom Dienstvorgesetzten XXXX wurde er daher im Beisein des Offiziers vom Dienst, XXXX, aufgefordert, verschiedene Dienstbehelfe, sowie die Büroschlüssel abzugeben. Während des Einschreitens räumte der Disziplinarbeschuldigte - laut Vorhalt in der Disziplinaranzeige - verschiedene Gegenstände, inklusive einiger Ordner und Schriftstücke in eine Schachtel. XXXX nahm dabei wahr, dass der Disziplinarbeschuldigte auch einen Akt der LPD XXXX in die Schachtel geben wollte. Es handelte sich dabei um den Akt "XXXX" - die Mitnahme wurde vom Vorgesetzten untersagt. In der Folge wurden die vom Disziplinarbeschuldigten eingepackten Dokumente nochmals gesichtet und dabei die Akten XXXX und XXXX in der Schachtel vorgefunden, wobei der Disziplinarbeschuldigte diese Schriftstücke durch Zerreißen vernichten wollte. Auch die Mitnahme (Vernichtung) dieser Akten wurde dem Disziplinarbeschuldigten untersagt.

zum Einleitungsbeschluss - Akt XXXX

Diesem Aktenvorgang liegt eine Verwaltungsstrafanzeige der PI Lehen (SPK Salzburg) zugrunde. Danach wurde XXXX - nachdem sie auf der A 1 im Bereich der API Haid (Oberösterreich) einen Verkehrsunfall (Geisterfahrer) verursacht hatte und ins LKH Salzburg eingeliefert worden war - am XXXX, im LKH Salzburg aufgefordert, sich einer Blutabnahme zur Feststellung des Alkoholgehaltes zu unterziehen. Dies wurde von Frau XXXX verweigert. Die PI Lehen legte daraufhin am 17. Jänner 2014 eine, an die LPD XXXX, Strafamt, adressierte Anzeige nach § 99 Abs. 1 lit c StVO vor. Diese Anzeige langte am 20. Jänner in der LPD XXXX und am 21. Jänner 2014 im Strafamt dieser Behörde ein. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Disziplinarbeschuldigte auf Urlaub; am 16. Mai 2014 befand sich der Akt "XXXX" aber jedenfalls in seinem Gewahrsam.

Der Akt wurde bis 16. Mai 2014 nicht protokolliert. Vom Disziplinarbeschuldigten wurden keinerlei Verfolgungshandlungen gesetzt; weder wurde ein Straferkenntnis erlassen, noch erfolgte eine Aufforderung zur Rechtfertigung, oder eine Einstellung des Strafverfahrens. Es erfolgte keinerlei dokumentierte, oder sonst nachvollziehbare Bearbeitung dieses Falles.

Mit Straferkenntnis vom 28. Juli 2014, GZ VStV/914300331628/2014 verhängte das Strafamt der LPD XXXX eine Geldstrafe in der Höhe von € 2.200,- wegen Übertretung des § 99 Abs. 1 lit c i.V.m. § 5 Abs. 6 StVO. Das Verwaltungsstrafverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.

Angaben von Zeugen:

Mit Schreiben vom 26. August 2014 legte die Dienstbehörde der Disziplinarkommission ua. unaufgefordert eine Niederschrift mit der Schreibkraft XXXX vor (dem Diszipli-narbeschuldigten am 05. September 2014 zur Kenntnis gebracht).

[Die Schreibkraft] führt zusammenfassend im Wesentlichen aus, dass sie seit 2007 Schreib-kraft beim [DB] sei und die Akten von ihr protokolliert würden. Der beim [DB] am 16. Mai vorgefundene und mit Eingangsstempel des Strafamtes versehene Akt, sei ihr offensichtlich nicht zum Protokollieren vorgelegt worden. Vom bezughabenden Sachverhalt (Geisterfahrerunfall) selbst habe sie Kenntnis, weil ihr [der DB] damals gesagt habe, dass es sich um einen Vorfall während seines Journaldienstes gehandelt habe und das Schriftstück ihm gehöre.

..........

Angaben des Disziplinarbeschuldigten:

zum Akt N.:

Im örtlichen und sachlichen Wirkungsbereich der LPD XXXX sei kein Delikt gesetzt worden, zumal es sich beim Wortlaut des Polizeibeamten um keine Aufforderung zur Durchführung der Blutabnahme gehandelt habe. Die Anzeige sei nur deshalb bei ihm ge-wesen, weil er Journaldienst gehabt habe und ihm der Vorfall nachträglich geschildert worden sei. Er habe ab 18. Jänner einen dreiwöchigen Urlaub konsumiert. Soweit die Frau nunmehr tatsächlich bestraft worden sei, werde dies den Gegenstand eines strafgerichtli-chen Verfahrens (§§ 297, 302 StGB) gegen XXXX, XXXX und Referent XXXX bilden.

.............

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

Auf dieses Disziplinarverfahren ist die Geschäftsordnung der Disziplinarkommission für das Jahr 2014 anzuwenden.

[Wiedergabe §§ 43 Abs. 1 und 2, 44 Abs. 1 bis 3 BDG 1979]

Erlass vom 17.12.2007, BMI-OA1300/0162-II/1/2/b/2007

5.3.1. Protokollierungsverpflichtung

Zu protokollieren sind alle Einlaufstücke, die einer dokumentierten Erledigung oder raschen und verlässlichen Wiederauffindbarkeit bedürfen.

Zum Vorliegen des Verdachtes von Dienstpflichtverletzungen

.........

Laut derzeit vorliegender Akten- und Beweislage, insbesondere auch dem anhängigen Strafverfahren bestehen insgesamt hinreichende Anhaltspunkte, aus denen nach der Le-benserfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen schwerwiegender Dienst-pflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG geschlossen werden kann. Die Amtsführung des Disziplinarbeschuldigten, im Hinblick auf die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren, begründet derzeit den Verdacht des Verbrechens des Amtsmissbrauchs na § 302 StGB, sowie des versuchten Vergehens nach §§ 229 bzw. 295 StGB und daraus folgend schwerer Dienstpflichtverletzungen nach dem BDG. Ob der Tatbestand der Begehung von Verbrechen und Vergehen tatsächlich vorliegt, oder ob der rechtlichen Beurteilung des Disziplinarbeschuldigten im Hinblick auf den Akt N. zu folgen sein wird, wird im strafgerichtlichen Verfahren zu beurteilen sein, an dessen Ausgang die Dis-ziplinarkommission gem. § 95 Abs. 2 BDG gebunden ist; davon wird auch die Fortführung des Disziplinarverfahrens abhängig sein. Es ist zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens nicht die Aufgabe der Disziplinarkommission, den ihr vorgelegten Sachverhalt einer umfassenden strafrechtlichen Würdigung zu unterziehen. Der Disziplinarkommission ist es im Zu-sammenhang mit § 114 BDG auch verwehrt, eigenständige, in die Kompetenz der Straf-verfolgungsbehörden eingreifende Ermittlungen durchzuführen, dies ist ausschließlich Sache der dazu berufenen Behörden, das sind die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte. Die Disziplinarkommission hat die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, ein Ermittlungsverfahren zu führen zur Kenntnis zu nehmen und auf Basis dieser staatsanwaltlichen Entscheidung lediglich zu prüfen, ob sich ausreichende dienst- bzw. disziplinarrechtliche Tatbestände ergeben, welche den Verdacht einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung begründen. Ein solches strafrechtliches Ermittlungsverfahren wird eben - wie sich aus der Begründung der Anordnung der Durchsuchung ergibt - geführt. Insoweit dem Disziplinarbeschuldigten nach derzeitiger Verdachtslage im Spruchteil I Unterlassungen vorgeworfen werden, ergeben sich derzeit strafrechtlich relevante Verdachtsmomente. Unbeschadet seiner - allenfalls richtigen - Rechtsansicht im Hinblick auf das Fehlen eines verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestandes (wegen evt. nicht korrekter Aufforderung zur Blutabnahme), steht nach derzeitiger Verdachtslage jedenfalls fest, dass die Polizeiinspektion eine Anzeige wegen einer Übertretung nach § 99 StVO erstattet hatte; diese Anzeige war an die LPD XXXX adressiert und langte am 21.01.2014 auch dort ein. Diese Anzeige befand sich am 16. Mai 2014 beim Disziplinarbeschuldigten und wurde weder protokolliert, noch sonst irgendwie bearbeitet; weder wurden Verfolgungshandlungen aufgenommen, noch das Verfahren eingestellt.

Das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten ist nach derzeitiger Verdachtslage disziplinär wie folgt zu würdigen:

Verdacht der Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 BDG

Gemäß § 43 Abs. 1 BDG hat der Beamte seine dienstlichen Aufgaben treu, gewissenhaft und engagiert aus eigenem zu erfüllen. Er darf also während der Ausübung seines Dienstes keine strafbaren Handlungen (Beachtung der geltenden Rechtsordnung) begehen (VwGH 4.9.1990, 88/09/0013) und muss die ihm übertragenen Aufgaben ordentlich erledigen (treu und gewissenhaft, engagiert). Konkret versteht man darunter, dass die zugewiesenen Verwaltungsstrafakten ordnungsgemäß zu administrieren und die entsprechenden Verfügungen gesetzeskonform zu treffen sind, was auch eine Auseinandersetzung mit der für den Arbeitsbereich relevanten Rechtslage und Judikatur bedeutet.

Der Disziplinarbeschuldigte ist verdächtig die Verwaltungsstrafanzeige der PI Lehen (Akt N.) bis 16. Mai 2014 nicht protokolliert (Veranlassung der Protokollierung) und keine Entscheidungen/Verfügungen getroffen zu haben, obwohl er über diesen Akt verfügte. Er ist somit verdächtig, bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Handlungen betreffend der Führung dieses Verwaltungsstrafverfahrens - sei es eine Verfolgungshandlung, oder auch eine Einstellung - durchgeführt zu haben. Zur vermutlichen Verschleierung seiner Unterlassung soll er anlässlich seiner Suspendierung versucht haben, diesen Akt mit-zunehmen, was nur aufgrund der Aufmerksamkeit des Vorgesetzten verhindert werden konnte. Ein derartiges Vorgehen stellt aber nicht nur ein bloß geringfügiges versehentliches Fehlverhalten dar, sondern begründet derzeit den Verdacht eines umfassenden An-griffs auf die Rechtsordnung. Der Disziplinarbeschuldigte ist ja nicht bloß verdächtig, den Akt etwa aus Überlastung oder Schlamperei quasi vergessen zu haben, sondern - wie sich aus seiner eigenen Stellungnahme ergibt - wissentlich jede nachvollziehbare Bearbeitung unterlassen zu haben. Ob seiner Rechtsansicht zur Frage des tatsächlichen Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Verwaltungsübertretung zu folgen sein wird oder nicht, wird allenfalls im strafgerichtlichen Verfahren, oder in einem allfälligen Beschwerdeverfahren gegen das inzwischen ergangene Straferkenntnis zu beurteilen sein. Tatsache ist, dass selbst dann eine Protokollierung und eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hätte erfolgen müssen. Weiter ist festzustellen, dass die LPD XXXX nunmehr das Straferkenntnis wegen Verweigerung der Blutabnahme (§ 99 Abs. 1 lit c StVO) erlassen hat. Im konkreten Fall musste ihm schon kraft seiner Ausbildung bewusst sein, dass sein Verhalten gegen Strafgesetze, insbesondere § 302 StGB, verstoßen könnte. Beim Disziplinarbeschuldigten handelt es sich schließlich auch um eine Führungskraft, der seine Aufgaben weitestgehend selbständig wahrzunehmen hat und gegenüber Mitarbeitern weisungsberechtigt ist.

Ob tatsächlich eine Verantwortlichkeit nach § 43 Abs. 1 BDG besteht wird erst nach Ab-schluss des strafgerichtlichen Verfahrens beurteilt werden können. Zumal es sich bei § 302 StGB um ein echtes Beamtendelikt handelt, wird im Falle einer Verurteilung eine weitere disziplinäre Bestrafung nach § 43 Abs. 1 BDG ausscheiden.

Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG ist der Beamte verpflichtet in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit, aber auch des Dienstgebers in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Diese Pflicht verletzt der Beamte immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten bei Dritten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung immer rechtmäßig vorgehen werde und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 24.11.1997, 95/09/0348; 15.12.1999, 98/09/0212; 18.4.2002, 2000/09/0176); insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (VwGH 28.7.2000, 97/09/0324; 16.10.2001, 2000/09/0012) und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29.6.1989, Zl. 86/09/0164, sowie vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200 = Slg. N.F. Nr. 13.213/A). Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen (vgl. dazu z. B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu § 43 BDG, Seite 7 f). Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Ob das dienstliche oder außerdienstliche Verhalten des Disziplinarbeschuldigten an die Öffentlichkeit gedrungen ist oder nicht, spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle.

Der Disziplinarbeschuldigte ist - wie oben ausgeführt - im Zusammenhang mit seiner un-terlassenen Bearbeitung/Erledigung des Aktes N. und dem Versuch diesen Akt an sich zu nehmen und damit der Behörde zu entziehen, derzeit des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nach § 302 StGB und des Vergehens der versuchten Unterdrückung eines Beweismittels, verdächtig. Der Strafrahmen für dieses vor den Landesgerichten zu verhandelnde Delikt beträgt immerhin bis zu fünf Jahre. Sollte er strafgerichtlich verurteilt werden, wird zusätzlich eine Sanktion nach § 43 Abs. 2 BDG zu verfügen sein. Der spezifisch dienstrechtliche Aspekt wird nämlich vom strafrechtlichen Tatbestand (§§ 229, 295, 302 StGB) nicht wahrgenommen. Das Dienstrecht hat eine völlig andere Zielrichtung und soll gewährleisten, dass sich Beamte, die die Gesetze zu vollziehen haben, ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind und sicherstellen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in den Beamtenapparat und die staatliche Vollziehung, somit das Ansehen des Amtes bzw. der Beamtenschaft an sich, erhalten bleibt. In der öffentlichen Wahrnehmung sind nämlich gerade die Polizeibehörden besonderer Beobachtung und Kritik ausgesetzt. Gerade ihrem ordnungs- und gesetzmäßigen Vollzug kommt besondere Bedeutung zu. Daran orientieren sich auch die Anforderungen an die einzelnen Mitarbeiter solcher Behörden. Das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten, der zudem eine wichtige Führungskraft ist, ist nach der-zeitiger Verdachtslage vom Gegenteil gezeichnet.

Konkret wird dem Disziplinarbeschuldigten - wie schon ausgeführt - vorgeworfen, er habe es unterlassen eine, in seiner Obhut befindliche und nicht protokollierte Verwaltungsstraf-anzeige zu bearbeiten und wäre der Staat dadurch in seinem Strafanspruch verletzt worden. Anlässlich seiner Suspendierung soll er weiters versucht haben, diese Unterlassung zu verschleiern, indem er den Akt mit anderen privaten Gegenständen an sich nehmen wollte. In der Öffentlichkeit entsteht dadurch geradezu zwangsläufig der Eindruck eines Beamten, der keine ausreichende Verbindung zu den rechtlich geschützten Werten hat. Dies ist nicht nur geeignet in der Öffentlichkeit schwerste Bedenken über die Integrität und das Amtsverständnis des Disziplinarbeschuldigten auszulösen, sondern kann das Ansehen der Sicherheitsbehörden schädigen. Letztlich besteht die Gefahr, dass durch ein der-artiges Verhalten das Vertrauen des Bürgers in eine funktionsfähige, nur dem Gesetz verpflichtete Verwaltung massiv beeinträchtigt wird. Es entsteht der Eindruck einer inkompetenten Polizei, deren Organe - teils unter Setzung schwerer Straftaten (Amtsmissbrauch) Entscheidungen nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien (Art 18 BVG), sondern willkürlich oder eben über Monate gar nicht treffen. Gerade Polizeibehörden sind mit wichtigsten staatlichen Aufgaben, nämlich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, betraut. Von Beamten der Sicherheitsbehörde muss daher eine besondere Sensibilität und rechts-treue erwartet werden. Sie haben sowohl im, als auch außer Dienst alles zu vermeiden, was das Vertrauen des Bürgers in die Polizei beeinträchtigen könnte. Gerade in Zeiten, in denen der öffentliche Dienst kritischen Augen der Öffentlichkeit gegenübersteht, muss von den Bediensteten ein einwandfreies Verhalten erwartet werden. Polizeibeamte, die im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben im Übrigen auch zum Schutz des gesamten Straf-rechts berufen sind, dürfen die von ihnen zu schützenden Rechtsgüter nicht selbst verletzen (zB: VwGH 24.2.1995, 93/09/0418;

23.2.2000, GZ: 99/09/0010; DOK 23.10.1990, GZ 58/5-DOK/90;

26.9.1988, GZ 47-DOK/88)

Verdacht von Dienstpflichtverletzungen nach § 44 Abs. 1 BDG

Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbarten Erlässe, sowie schriftliche Befehle der zuständigen Landespolizeidirektion und schriftliche oder mündliche

Befehle/Dienstaufträge/Diensteinteilungen seiner Vorgesetzten, zu befolgen hat. Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einem militärisch organisierten Wachkör-per wie der Exekutive Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren. Wie auch die Disziplinaroberkommission schon wiederholt entschieden hat, zählen Verletzungen der Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG zu den schwerwiegenden Verfehlungen gegen die grundlegendsten Pflichten im Rahmen eines jeden Beamtendienstverhältnisses und ist die Befolgung von dienstlichen Anordnungen für den ordnungsgemäßen sowie effizienten Ablauf des Dienstes von essentieller Bedeutung (57/8-DOK/08 vom 11.11.2008 ).

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass die Verwaltungsstrafanzeige gegen N. am 20. Jänner 2014 bei der Landespolizeidirektion und am 21. Jänner 2014 im Strafamt dieser Behörde eingelangt ist. Entsprechende Eingangsstempel finden sich auf der ersten Seite des Aktes. Bei dieser Anzeige handelte es sich um ein Einlaufstück, welches im Sinne von Punkt 5.3.1. der Kanzleiordnung jedenfalls hätte protokolliert (Vergabe einer Aktenzahl) werden müssen. Diese Protokollierung wurde ab Einlangen bis zum Auffinden des Aktes durch den Dienstvorgesetzten XXXX nicht durchgeführt. Der Akt N. befand sich zum Zeitpunkt seiner Sicherstellung in der Gewahrsame des Disziplinarbeschuldigten; wann er darüber Gewahrsame erlangt hatte, ist derzeit nicht bekannt. Der Beamte ist daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt verdächtig die Protokollierung unterlassen zu haben, bzw. es verabsäumt zu haben eine solche Protokollierung anzuordnen.

Dass der Disziplinarbeschuldigte zum Zeitpunkt des Einlangens dieses Aktes - zufolge seiner Angaben in den vorgelegten Stellungnahmen - im Urlaub war, vermag am Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG nichts zu ändern, weil eben nach den Angaben in der Disziplinaranzeige feststeht, dass er Gewahrsam über diesen nicht

protokollierten Akt hatte. .......

Ob der Disziplinarbeschuldigte tatsächlich Dienstpflichtverletzungen zu verantworten hat, wird im weiteren Verfahren zu klären sein. Dazu wird es notwendig sein auch Zeugen zu laden - die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens ist gemäß § 114 BDG erst nach Abschluss des Strafverfahrens möglich."

2. Gegen den verfahrensgegenständlichen Einleitungsbeschluss erhob der BF fristgerecht am 06.10.2014 Beschwerde und brachte Folgendes vor:

Er habe sich einen Vorfall aus dem Journaldienst von 26.12.2013 durch die amtshandelnden Polizeibeamten vorlegen lassen, wobei vom PI Lehen die Form einer Anzeige gewählt wurde. Aus der Tatsache, dass die Anzeige so spät gelegt wurde, ließe sich der Schluss ziehen, dass auch den Polizeibeamten bewusst war, dass keine Verweigerung der Blutabnahme vorgelegen sei. Weiter habe Frau N. keine Verwaltungsübertretung im Wirkungsbereich der LPD XXXX begangen, weshalb auch kein Verwaltungsstrafverfahren zu führen gewesen wäre. Aktenwidrig sei festgestellt worden, dass er von seinem Dienstvorgesetzten im Beisein des Obstlt H. ausgefordert worden sei, seinen Büroschlüssel abzugeben, was nicht den Tatsachen entspräche. Die im bekämpften Bescheid angeführte Kanzleiordnung vom 17.12.2007 sei im Strafamt nicht allgemein angewendet worden, weshalb er nicht habe dagegen verstoßen können. Es wäre weiters nicht seine Aufgabe gewesen, Akten zu protokollieren oder dies zu veranlassen, es bestehe auch keine Verwaltungspraxis bei jedem Akt nachzufragen, ob er protokolliert worden sei. Da er nach sorgfältiger Prüfung des Sachverhaltes zum Ergebnis gelangt sei, dass im Bereich der LPD XXXX keine anlastbare Verwaltungsübertretung vorgelegen sei, habe er die Anzeige vorerst in seinem Kasten abgelegt. Er habe niemals beabsichtigt, den Akt zu unterdrücken noch hätte er ein Motiv dazu gehabt, sondern sei dieser anlässlich seiner Suspendierung unter private Unterlagen geraten und wäre von ihm sofort zurückgestellt worden, sobald ihm dies aufgefallen wäre.

Schließlich habe er den Vorsitzenden der belangten Behörde bereits zweimal wegen des Verdachtes des Missbrauches der Amtsgewalt angezeigt habe und behänge auch derzeit gegen den Vorsitzenden bei der Staatsanwaltschaft ein offenes Verfahren, was dem Senatsvorsitzenden auch bekannt sei, weil der BF diesem seinen Schriftsatz an die Staatsanwaltschaft über seinen Privatbeteiligtenanschluss übermittelt habe. Da der schwerwiegende Verdacht eines Verbrechens keinen Organwalter unbeeinflusst ließe, hätte sich dieser gemäß § 47 BDG 1979 bzw. § 7 AVG seines Amtes zu enthalten gehabt. Die Diktion des Vorsitzenden entbehre im Übrigen jeder sachlichen Grundlage.

Der BF stellte den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Vernehmung von Zeugen zum Beweis der Richtigkeit seines Vorbringens, beantragte die Einstellung des Verfahrens, allenfalls die Sache an die belangte Behörde zur Verfahrensergänzung zurückzustellen.

3. Mit Schreiben vom 09.10.2014, beim Bundesverwaltungsgericht am 13.10.2014 eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verfahrensakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt) und Beweiswürdigung

1.1. Die Beschwerde wurde rechtzeitig erhoben und ist zulässig.

1.2. Der oben unter I.1. (Verfahrensgang) dargestellte Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus der Aktenlage und konnte somit der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Der DB bestreitet nicht, kein Verwaltungsstrafverfahren gegen Frau N. wegen Verweigerung der Blutabnahme eingeleitet zu haben, vermeint jedoch, dass dies rechtskonform gewesen wäre, weshalb keine Dienstpflichtverletzung vorliege. Der BF bestreitet ausdrücklich die Ansichnahme oder Unterdrückung des Aktes anlässlich der Räumung seiner Kanzlei auf Grund seiner Suspendierung geplant oder derartiges versucht zu haben.

1.3. Bei der Staatsanwaltschaft XXXX behängt zu XXXX wegen des im Spruch des bekämpften Bescheides dargestellten Verdachtes einer Dienstpflichtverletzung ein Ermittlungsverfahren gegen den DB wegen des Verdachtes des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB sowie §§ 15, 295 StGB. Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) hat der Staatsanwaltschaft am 20.06.2014 diesbezüglich einen Anlassbericht vorgelegt. Die Staatsanwaltschaft hat aufgrund dieses Berichtes mit gerichtlicher Bewilligung die Durchsuchung von versperrten und versiegelten Behältnissen der Kanzlei des BF am 01.07.2014 angeordnet.

Gegenständliche Feststellungen konnten unmittelbar auf Grund der unbedenklichen Aktenlage getroffen werden.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Vom BF wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung samt Zeugeneinvernahme für den Fall der Nichtstattgebung seiner Beschwerde beantragt. Ungeachtet dieses Antrages wurde vom Bundesverwaltungsgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Gegenstand gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides notwendige Sachverhalt den Akten zu entnehmen war und einer weiteren Klärung in einer Verhandlung nicht bedurfte. Insbesondere war im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen, ob der BF tatsächlich Dienstpflichtverletzungen begangen hat, sondern ob hinreichende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorliegen. Art 6 Abs. 1 EMRK steht im derzeitigen Verfahrensstadium dem Entfall einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen, da nur die Frage der Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu klären war und zivile Rechte im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK mit der gegenständlichen Entscheidung nicht verändert oder gestaltet werden (VwGH vom 16.09.2010 Zl. 2007/09/0141). Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) kommt im gegenständlichen Fall mangels Vorliegens eines unionsrechtlichen Sachverhaltes nicht zur Anwendung (VwGH vom 09.09.2014, Zl. Ra 2014/09/0017).

Zu Spruchpunkt A):

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 i.d.F. BGBl. I Nr. 210/2013 (BDG 1979) maßgeblich:

§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

.....

§ 44. (1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

(2) Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

(3) Hält der Beamte eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.

§ 114. (1) Kommt die Disziplinarbehörde während des Disziplinarverfahrens zur Ansicht, daß eine von Amts wegen zu verfolgende gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, so hat sie gemäß § 78 StPO vorzugehen.

(2) Hat die Disziplinarbehörde Anzeige an die Staatsanwaltschaft, die Sicherheitsbehörde oder die Verwaltungsbehörde erstattet oder hat sie sonst Kenntnis von einem anhängigen Strafverfahren nach der StPO oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahren, so wird dadurch das Disziplinarverfahren unterbrochen. Die Parteien sind vom Eintritt der Unterbrechung zu verständigen. Ungeachtet der Unterbrechung des Disziplinarverfahrens ist ein Beschluß, ein Disziplinarverfahren durchzuführen (§ 123), zulässig.

.......

§ 123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.

(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Einleitungsbeschluss der oder dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben.

(3) Sind in anderen Rechtsvorschriften an die Einleitung des Disziplinarverfahrens Rechtsfolgen geknüpft, so treten diese nur im Falle des Beschlusses der Disziplinarkommission, ein Disziplinarverfahren durchzuführen, und im Falle der (vorläufigen) Suspendierung ein.

Zu A)

1. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Rechtslage des BDG 1979 und des LDG 1984 in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (Hinweis E 9.9.1997, 95/09/0243, sowie E 16.9.1998, 96/09/0320), ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verfahren auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen (VwGH vom 18.12.2012, Zl. 2011/09/0124).

2. Nur offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens gem. § 118 Abs. 1 BDG 1979 stehen der Einleitung des Disziplinarverfahrens entgegen (VwGH vom 25.06.1992, Zl. 92/09/0056).

3. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:

3.1. Wie sich aus der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 123 Abs. 2 BDG 1979 ergibt, hat die Disziplinarkommission im Rahmen zur Klärung der Einleitungsfrage lediglich zu prüfen, ob offenkundige Gründe für eine sofortige Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen und in diesem Fall die Einstellung des Verfahrens mit Bescheid verfügen. Sofern die Disziplinarkommission nicht zu diesem Schluss kommt, kann sie allenfalls erforderliche weitere Erhebungen durch die Dienstbehörde vornehmen lassen, oder aber, wenn ihr der Sachverhalt für die Fassung eines Einleitungsbeschlusses bereits aufgrund der Disziplinaranzeige ausreichend geklärt erscheint, einen derartigen Bescheid erlassen. Im Zuge dieses Verfahrens hat die Disziplinarkommission keinesfalls positiv durch eine Beweisverfahren zu prüfen ob eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung begangen wurde sondern lediglich, ob ein begründeter Verdacht derselben gegeben ist. Im gegenständlichen Verfahren ist zudem beachtlich, dass die dem BF im Verdachtsbereich zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung Gegenstand strafprozessualer Ermittlungen nach der StPO ist, sodass weitere Ermittlungen aufgrund der Unterbrechung des Disziplinarverfahrens ohnehin nicht anzustellen sind.

3.2. Mit seinem Beschwerdevorbringen er habe keine Dienstpflichtverletzungen begangen, weil seine Entscheidung, gegen Frau N. kein Strafverfahren einzuleiten, weil diese das Delikt der Verweigerung der Blutabnahme mangels rechtskonformer Aufforderung dazu nicht gesetzt habe, zeigt der BF keine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides auf, da im gegenständlichen Fall lediglich zu prüfen war, ob ein begründeter Verdacht einer Dienstpflichtverletzung gegeben ist. Nach der vorliegenden Aktenlage ist jedoch von einer begründeten Verdachtslage auch bei Bedachtnahme auf die vom DB zu dem erhobenen Vorwurf abgegebenen Stellungnahme - nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass dieser Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen wegen des Verdachtes des Amtsmissbrauches ist - auszugehen.

Die vom BF vertretene wie oben dargelegte Rechtsmeinung ist nach der derzeitigen Aktenlage schon deswegen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides hinsichtlich des Vorliegens einer Verdachtslage darzustellen, da im weiteren von der Dienststelle des BF gegen Frau N. geführten Verwaltungsstrafverfahren von dieser das Delikt der Verweigerung der Blutabnahme in objektiver Hinsicht zugestanden wurde und eine deswegen verhängte Verwaltungsstrafe beglichen wurde. Wenn der BF in diesem Zusammenhang vermeint, dass dies von Frau N. nur in Unkenntnis der Gesetzeslage sowie eingeschüchtert und in gutem Glauben akzeptiert wurde, ist darauf zu verweisen, dass Frau N. im Verwaltungsstrafverfahren rechtsanwaltlich vertreten war.

Wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat, wird die Frage, ob der BF tatsächlich eine Dienstpflichtverletzung zu vertreten hat, vom Ausgang des strafgerichtlichen Verfahrens abhängen und war es der belangten Behörde im Hinblick auf die Unterbrechung des Disziplinarverfahrens auch verwehrt, selbständig weitere Erhebungen zu treffen. Dasselbe gilt im Übrigen hinsichtlich des Vorwurfes der versuchten Unterdrückung einer Urkunde bzw. eines Beweismittels. Auch wenn die diesbezüglichen Ausführungen des BF insbesondere im Zusammenhalt mit den schriftlichen Angaben des Kollegen HR W. durchaus nachvollziehbar erscheinen, war es der belangten Behörde im Hinblick auf die laufenden strafgerichtlichen Erhebungen verwehrt, weitere Erhebungen zu treffen oder, wie vom BF gefordert eine Einstellung des Verfahrens zu beschließen.

Das sinngemäße Beschwerdevorbringen, wonach der BF nicht verpflichtet gewesen wäre, eine Protokollierung des Aktes N. vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen, weil es für das Strafamt keine Verpflichtung zur Protokollierung gäbe, zeigt eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides ebenfalls nicht auf. Die Hilfsreferentin des BF hat nämlich angegeben, dass sie grundsätzlich die Akten des BF protokolliert habe, wenn sie diese erhalten habe, gegenständlichen Akt hätte sie jedoch nicht zur Protokollierung erhalten. Im Hinblick auf die Tatsache, dass dieser Akt, der im Jänner 2014 während des Urlaubs des BF eingegangen ist, sich im Mai 2014 in der Gewahrsame des BF befunden hat, wird im weiteren Verfahren zu prüfen sein, ob eine Verpflichtung zur Protokollierung bestand und wer diese allenfalls pflichtwidrig unterlassen hat.

4. Dem Beschwerdevorbringen, wonach der bekämpfte Bescheid rechtswidrig sei, weil der Senatsvorsitzende der belangten Behörde parteilich und voreingenommen zugunsten der anzeigenden Dienstbehörde sei und somit befangen im Sinne des § 7AVG, ist nicht zu folgen. Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat konkrete Umstände aufzuzeigen, welche die Objektivität des Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (VwGH vom 31.01.2012, Zl. 2010/05/0212). Die vom BF in diesem Sinne aufgezeigten Umstände, welche die Voreingenommenheit des Vorsitzenden des Disziplinarsenates dartun soll, sind die Tatsache, dass der BF zu einem früheren Zeitpunkt gegen den Vorsitzenden der belangten Behörde bereits zwei Strafanzeigen wegen Missbrauchs der Amtsgewalt eingebrachte, zu denen das Verfahren jedoch eingestellt wurde. Das Einbringen von offenbar unberechtigten Strafanzeigen gegen den Vorsitzenden der belangten Behörde ist nicht per se geeignet eine Befangenheit desselben in den den BF betreffenden Disziplinarverfahren herbeizuführen.

So hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt, zuletzt am 24. 01.2014, Zl.2013/09/0171, ausgesprochen, das selbst die Erstattung einer Strafanzeige im Zusammenhang mit einem anderen Verfahren wegen §§ 297 Abs. 1 und 302 Abs. 1 StGB - ohne Hinzutreten weiterer begründeter Umstände - keinen Anlass [bietet], die Befangenheit des einschreitenden Organwalters anzunehmen, hätte es doch sonst jede Partei in der Hand, sich durch Einbringung derartiger Rechtsbehelfe dem gesetzlichen Richter zu entziehen (vgl. E 10. August 2006, 2006/02/0122).

Wenn der BF darauf verweist, dass er am 05.09.2014 den Vorsitzenden der belangten Behörde über eine neuerliche Strafanzeige gegen ihn informiert habe, weswegen dieser bei Verfassung des Einleitungsbeschlusses am 19.09.2014 angesichts "des schwerwiegenden und schwebenden Verdachts eines Verbrechens" nicht unbeeinflusst habe entscheiden können, ist dem entgegen zu halten, dass der verfahrensgegenständliche Beschluss durch die belangte Behörde nach nicht-öffentlicher Sitzung bereits am 04.09.2014 gefasst wurde. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde mit dem bekämpften Bescheid auch zu einem von der Dienstbehörde bzw. dem Dienstvorgesetzten des BF angezeigten Sachverhalt einen Nichteinleitungsbeschluss gefasst hat, was dem Beschwerdevorbringen, wonach der Vorsitzenden der belangten Behörde parteilich regelmäßig zu Ungunsten des BF entscheide, entgegenzuhalten ist.

5. Zusammenfassend ist festzustellen, dass entgegen der Ansicht des DB der bekämpfte Bescheid ausreichend substantiiert ist, um den Einleitungsbeschluss zu tragen. Die vom BF behauptete Befangenheit des Vorsitzenden der belangten Behörde konnte nicht erkannt werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die maßgebliche Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Fassung eines Einleitungsbeschlusses nach § 123 Abs. 2 BDG 1979 wurde in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH mehrfach behandelt. Die gegenständliche Entscheidung weicht von dieser nicht ab. Auf die unter Spruchpunkt A zitierte Judikatur wird verwiesen.

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