VwGH 95/09/0243

VwGH95/09/02439.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde

1) des J in Wien, 2) des A in Ernstbrunn und 3) des R in Sierndorf, alle vertreten durch Dr. Hermann Heller, Rechtsanwalt in Wien III, Marokkanergasse 21/11, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für Beamte und Lehrer beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 31. Juli 1995, Zl. 10 DKfBuL/95, betreffend Einleitung und Unterbrechung eines Disziplinarverfahrens nach dem BDG 1979, beschlossen und zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §114;
BDG 1979 §123 Abs2;
BDG 1979 §114;
BDG 1979 §123 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Einleitung des Disziplinarverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen - soweit mit dem angefochtenen Bescheid die Unterbrechung des Disziplinarverfahrens verfügt wurde - wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer (der Erstbeschwerdeführer als Amtsdirektor, die beiden übrigen Beschwerdeführer jeweils als Kontrollor) stehen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststellen sind jeweils das Heeres-Feldzeuglager bzw. Heeres-Sanitätslager Wien (im Planstellenbereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung, Militärpersonen und Heeresverwaltung).

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. Juli 1995 faßte die belangte Behörde den Beschluß, gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren gegen die Beschwerdeführer einzuleiten und gemäß § 114 Abs. 2 BDG 1979 dieses Disziplinarverfahren zu unterbrechen. Der Spruch dieses, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides hat folgenden Wortlaut:

"Die Disziplinarkommission für Beamte und Lehrer beim Bundesministerium für Landesverteidigung hat am 25. Juli 1995 durch OR Mag. Dr. Georg Hartl als Senatsvorsitzenden sowie ADir RgR Horst Wenhardt und ADir RgR Alfred Dichtl als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates beschlossen, gegen ADir RgR J

Kntlr A und Kntlr R

wegen des Verdachtes, bei Abverkäufen von Überschußgütern, Waffen und ausgeschiedenem Feldzeuggerät sowie bei der Entsorgung bzw. dem Abverkauf von Abfällen und überwachungsbedürftigen Sonderabfällen nicht die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinien über die Vergabe von Leistungen (RVL), VBl. Nr. 117/92 und der Richtlinien betreffend Verfügungen über bewegliches Bundesvermögen und Verwertung von nicht mehr verwendbaren Sachgütern (Altmaterial und Überschußgüter) des Bundesheeres (RVS), VBl. Nr. 160/1979, eingehalten zu haben,

gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren einzuleiten und gemäß § 114 Abs. 2 BDG 1979 das Disziplinarverfahren zu unterbrechen."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, der Erstbeschwerdeführer übe seit Juni 1981 die Funktion des Kommandanten des Heeresfeldzeuglagers Wien aus, er sei seit November 1992 stellvertretender Kommandant dieses Heeresfeldzeuglagers. Zum Aufgabenbereich der Feldzeuglagerabteilung gehöre unter anderem der Verkauf von Überschußgütern, Waffen und ausgeschiedenem Feldzeuggerät sowie die Entsorgung von Abfällen. Der Zweitbeschwerdeführer (als Feldzeugunteroffizier) und der Drittbeschwerdeführer (als Lagermeister) seien zur Mitwirkung bei der Durchführung dieser Agenden eingeteilt worden. Auf Grund der von der Dienstbehörde durchgeführten Erhebungen und Überprüfungen ergebe sich der Verdacht, daß bei der Entsorgung von Abfällen bzw. überwachungsbedürftigen Sonderabfällen nicht die Bestimmungen der RVL eingehalten worden seien. Insbesondere bestehe der Verdacht, daß bei Abfallentsorgungen entgegen der RVL entweder gar keine Ausschreibungen stattgefunden hätten oder, wenn Ausschreibungen durchgeführt worden seien, Zeitpunkt und Ort der Anboteröffnung nicht in den Ausschreibungen angeführt worden seien, sodaß Bieter daran nicht teilnehmen hätten können. Weiters bestehe der Verdacht, daß in mehreren Fällen Anbote der Firma Vogelstätter nachträglich durch den Erstbeschwerdeführer bzw. auf dessen Weisung nachgebessert worden seien, sodaß diese Firma als letztlich günstigster Bieter den Zuschlag erhalten habe. Da in zahlreichen Fällen keine Lieferscheine sowie Übergabe- und Übernahmescheine der entsorgten Abfälle vorhanden seien und überdies bei den Wiegevorgängen des zu entsorgenden Materials entgegen der RVL keine Bediensteten des Heeresfeldzeuglagers Wien anwesend gewesen seien, bestehe der begründete Verdacht, daß tatsächlich keine oder nur geringere Mengen an Abfällen entsorgt worden seien bzw. Käufe von Firmen dem Bundesheer als Entsorgung verrechnet worden seien. Weiters bestehe der Verdacht, daß entgegen der RVL Aufträge zur Abfallentsorgung an Firmen vergeben worden seien, die nicht berechtigt gewesen seien, derartige Abfälle zu entsorgen. Betreffend den Verkauf von Verfallswaffen und ausgeschiedenen Fahrzeugen bestehe der begründete Verdacht, daß die Bestimmungen der RVS nicht eingehalten worden seien. Insbesondere bestehe der Verdacht, daß beim Verkauf von Verfallswaffen Abverkäufe ohne entsprechende Genehmigung des Heeresmaterialamtes vorgenommen worden seien. Da im Feldzeuglager Wien Kaufanträge mit Blankounterschriften vorgefunden worden seien, bestehe überdies der Verdacht, daß bestimmte Käufer bevorzugt behandelt worden seien. Betreffend den Verkauf von ausgeschiedenen Fahrzeugen bestehe der Verdacht, daß diese nicht an die als Käufer auftretenden gemeinnützigen Organisationen und Institutionen veräußert, sondern tatsächlich unter Umgehung der dafür vorgesehenen Versteigerungen an Privatpersonen abgegeben worden seien. Unter Bedachtnahme auf die bisherigen Ermittlungsergebnisse stünden die Beschwerdeführer in Verdacht, gegen die Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979, insbesondere gegen die Dienstpflicht, die dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch zu besorgen, verstoßen zu haben. Es sei daher gemäß § 123 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Da auf Grund des "o.a. Sachverhaltes" Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien erstattet worden sei, sei das Disziplinarverfahren gemäß § 114 Abs. 2 BDG 1979 zu unterbrechen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführer erklären, den Bescheid "in seinem ganzen Inhalt" anzufechten. Sie beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des (gesamten) angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführer erstatteten zur Gegenschrift der

belangten Behörde eine Gegenäußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß gegen sie kein Disziplinarverfahren eingeleitet werde. Sie bringen dazu unter anderem vor, im Spruch des angefochtenen Bescheides sei das zur Last gelegte Verhalten nur abstrakt und "nicht einmal in groben Umrissen" umschrieben. Eine zweifelsfreie Auslegung des Spruches werde selbst durch die Bescheidbegründung nicht ermöglicht. Aus dem angefochtenen Bescheid gehe nicht hervor, bei welchen Abverkäufen und durch welchen Beschwerdeführer (als Beschuldigten) welche der einschlägigen Bestimmungen der RVL und RVS nicht eingehalten worden seien. Demnach stehe nicht nachprüfbar fest, welche konkreten Handlungen oder Unterlassungen den einzelnen Beschwerdeführern als Beschuldigte im Disziplinarverfahren zum Vorwurf gemacht würden. Nach den in der RVL und RVS festgelegten Verfahrensabläufen seien dem Vorgesetzten und den Mitarbeitern jeweils andere Pflichten auferlegt. Selbst dann, wenn die belangte Behörde wenigstens auf die Disziplinaranzeige vom 28. Juni 1995 hingewiesen hätte, fehle eine eindeutige Zuordnung zu den im Spruch des angefochtenen Bescheides enthaltenen Vorwürfen. Dem angefochtenen Bescheid würden daher die Mindestvoraussetzungen für einen Einleitungsbeschluß fehlen.

Schon mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Recht.

Gemäß § 123 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979 in der Fassung vor der ersten BDG-Novelle 1997) hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.

Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist nach Abs. 2 leg. cit. dieser Beschluß dem beschuldigten Beamten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist die dem Einleitungsbeschluß in einem Disziplinarverfahren (hier: nach § 123 Abs. 1 BDG 1979) zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozeßvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluß begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluß in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0121, und Zlen. 91/09/0138, 0139).

Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muß das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluß derart beschrieben werden, daß unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muß daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, daß keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verhalten auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozeßgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muß sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen (vgl. in dieser Hinsicht die hg. Erkenntnisse vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0094, jeweils vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0121 und Zlen. 91/09/0138, 0139, sowie vom 26. November 1992, Zl. 92/09/0101).

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht.

Im Spruch des angefochtenen Bescheides werden den Beschwerdeführern ohne Angabe von Tatzeiten und näheren Umständen der einzelnen Fakten nur ganz allgemein Tathandlungen bei "Abverkäufen von Überschußgütern, Waffen und ausgeschiedenen Feldzeuggerät sowie bei der Entsorgung bzw. dem Abverkauf von Abfällen und überwachungsbedürftigen Sonderabfällen" vorgeworfen. Das den jeweiligen Beschwerdeführern damit zur Last gelegte Verhalten wird aber im Spruch des angefochtenen Bescheides überhaupt nicht beschrieben. Dieser Mangel der fehlenden Tatumschreibung wiederholt sich zudem in der - somit den §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG in Verbindung mit § 105 Z. 1 BDG 1979 nicht genügenden - Begründung des angefochtenen Bescheides. Auch eine in Verbindung mit der Bescheidbegründung angestellte Beurteilung des Bescheidspruches führt demnach im Beschwerdefall nicht dazu, daß sich aus dem gesamten Inhalt des angefochtenen Bescheides irgendeine Sachverhaltsdarstellung, die als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung diente, ergibt (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 18. Februar 1993, Zl. 92/09/0309 und vom 17. November 1994, Zlen. 93/09/0367, u. a.).

Ob die gegen die Beschwerdeführer erstattete Disziplinaranzeige nach ihrem Inhalt geeignet gewesen wäre, die (dem angefochtenen Einleitungsbeschluß fehlende) Umgrenzungsfunktion zu übernehmen, muß schon deshalb ungeprüft bleiben (und vermag daher die dem angefochtenen Bescheid anhaftende inhaltliche Rechtswidrigkeit nicht zu sanieren), weil dem Inhalt des angefochtenen Bescheides zweifelsfrei zu entnehmen ist, daß die Disziplinaranzeige nicht als inhaltlich übernommene Sachverhaltsdarstellung (als Bescheidinhalt) zu betrachten ist (vgl. in dieser Hinsicht das hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, Zlen. 94/09/0230, 0244).

Da der angefochtene Einleitungsbeschluß seiner Umgrenzungsfunktion somit nicht gerecht wird, war der angefochtene Bescheid demnach in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. November 1991, Zl. 91/09/0029, mit weiteren Judikaturnachweisen) ist die Verfügung über die Unterbrechung des Disziplinarverfahrens (hier: nach § 114 Abs. 2 BDG 1979) in der Form eines im verwaltungsbehördlichen Instanzenzug anfechtbaren verfahrensrechtlichen Bescheides zu treffen.

Das im Art. 131 Abs. 1 B-VG aufgestellte Erfordernis der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges hat zur Folge, daß immer nur der Bescheid, der von der nach der gesetzlichen Ordnung des Instanzenzuges im Einzelfall in Betracht kommenden Behörde der höchsten Organisationsstufe erlassen worden ist, nicht aber ein in der Angelegenheit ergangener Bescheid einer Verwaltungsbehörde niederer Instanz, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann.

Die Beschwerde richtet sich gegen den gesamten Inhalt des angefochtenen Bescheides, somit auch gegen den Unterbrechungsbeschluß. Sie war in diesem Umfang mangels Erschöpfung des Instanzenzuges gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff insbesondere auch § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Stempelgebührenaufwand für die nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde.

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