BVwG W122 2000856-2

BVwGW122 2000856-22.9.2016

AVG 1950 §56
B-VG Art.133 Abs4
GehG §13a
GehG §15
VwGVG §28 Abs2
AVG 1950 §56
B-VG Art.133 Abs4
GehG §13a
GehG §15
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W122.2000856.2.00

 

Spruch:

W122 2000856-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde des Gruppeninspektor XXXX, vertreten durch Dr. XXXX, Rechtsanwalt in XXXX, gegen den Bescheid der Bundesministerin (nunmehr: Bundesminister) für Inneres vom 13.01.2015, Zl. 255.612/26-I/1/b/15 betreffend Übergenuss gemäß § 13a GehG, zu Recht erkannt

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit § 13a GehG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF) steht als Gruppeninspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist seit 01.11.2007 dem Referat IV/8/c im Bereich des Bundesministeriums für Inneres zur Dienstleistung zugewiesen.

1.2. Mit Eingabe vom 12.04.2011 ersuchte der BF um Zuerkennung einer ADV-Zulage. Die belangte Behörde leitete daraufhin ein Verfahren zur Bewertung (unter anderem) des Arbeitsplatzes des BF beim Bundeskanzler ein, der einer Neubewertung jedoch nicht zustimmte.

In der Folge wurde in der zuständigen Abteilung der belangten Behörde eine mit 04.06.2012 datierte Erledigung konzipiert, die (unter anderem auch) dem BF - obwohl nicht genehmigt - "per E-Mail zugestellt" wurde:

"Wien, am 4. Juni 2012

Mit Zustimmung des Bundeskanzleramtes wird Ihnen ab 1. Juli 2011 eine ADV-Zulage in der Höhe von 10,68 % des Gehaltes eines Beamten der Gehaltsstufe 2 der Dienstklasse V flüssiggehalten.

Nach § 15 Abs. 5 des Gehaltsgesetzes 1956, in der geltenden Fassung, ruht bei einer länger als einen Monat dauernden Abwesenheit vom Dienst die pauschalierte Nebengebühr vom Beginn des letzten Tages dieser Frist an bis zum Ablauf des letzten Tages der Abwesenheit vom Dienst. Ausgenommen hievon sind die Fälle eines Urlaubes, bei dem der Anspruch auf Monatsbezug beibehalten wird oder einer Dienstverhinderung aufgrund eines Dienstunfalles einschließlich unmittelbar daran anschließender dienstfreier Tage.

Die Anweisung der Zulage wird über SAP veranlasst.

Für die Bundesministerin:

Mag. Sch."

Eine persönliche Ausfolgung der schriftlichen Erledigung an den BF erfolgte nicht.

1.3. Die genannte "ADV-Zulage" wurde dem BF im Juli 2012 (rückwirkend ab Juli 2011) faktisch angewiesen, in der Folge jedoch von der belangten Behörde unter Hinweis auf § 13a GehG rückgefordert und beginnend mit August 2012 in monatlichen Raten zurückgebucht.

1.4. Mit Eingabe vom 06.12.2012 begehrte der BF, es möge über die Zulässigkeit der Rückforderung der ihm im Juni 2012 gemäß Erledigung vom 04.06.2012 ausbezahlten ADV-Zulage als Übergenuss bescheidmäßig (feststellend) abgesprochen werden. Er habe die Leistung im guten Glauben empfangen.

1.5. Mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres als Dienstbehörde vom 13.01.2015 wurde wie folgt verfügt:

"Gemäß § 13a Gehaltsgesetz 1956 (in der geltenden Fassung) sind Sie verpflichtet, nachstehende, zu Unrecht empfangene Leistungen (Übergenüsse) dem Bund zu ersetzen, da der für den rechtmäßigen Empfang erforderliche Titel, sowie auch ein Empfang im guten Glauben nicht vorliegt:

sohin ein Gesamtübergenuss in Höhe von € 3.199,37."

Nach den Ausführungen der belangten Behörde sei Gutgläubigkeit beim Empfang von Übergenüssen dann nicht anzunehmen, wenn der Leistungsempfänger - nicht nach seinem subjektiven Wissen, sondern objektiv beurteilt - bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßes an Sorgfalt an der Rechtmäßigkeit der ihm ausbezahlten Leistungen auch nur Zweifel hätte haben müssen. Erfolge die Leistung deshalb, weil die Anwendung der Norm, auf Grund derer die Leistung erfolgt sei, auf einem Irrtum der auszahlenden Stelle beruhe, den der Leistungsempfänger weder erkennt noch veranlasst habe, so sei dieser Irrtum nur dann im genannten Sinn objektiv erkennbar (und damit eine Rückersatzverpflichtung schon deshalb zu bejahen), wenn der Irrtum in der offensichtlich falschen Anwendung einer Norm, deren Auslegung keine Schwierigkeiten bereitete, bestehe.

Im gegenständlichen Verfahren sei der unterlaufene Irrtum in dieser Sachverhaltskonstellation im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung objektiv erkennbar: die Auszahlung der ADV-Zulage habe auf der (irrtümlichen) Anwendung einer Norm beruht, deren Auslegung nicht nur keine Schwierigkeiten bereitet, sondern durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 2009, G 80/09, V 22/09, mit Ablauf des 31. Oktober 2010 gänzlich behoben worden sei. Demnach habe es bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung an einer rechtlichen Grundlage für die vom Beschwerdeführer begehrte ADV-Zulage gemangelt, nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. September 2009 (G 80/09-8, V 22/09-8) Art XII des Bundesgesetzes vom 26. Mai 1988 mit 31. Oktober 2010, also mehrere Monate vor Antragstellung, als verfassungswidrig aufgehoben habe.

Wenn nun der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgehe, dass ein gutgläubiger Erwerb vor dem Hintergrund der Theorie der objektiven Erkennbarkeit bereits dann zu verneinen sei, wenn der Irrtum in der offensichtlich falschen Anwendung einer (unstrittigen) Norm bestehe, habe dies (im Sinne des argumentum a minori ad maius) umso mehr zu gelten, wenn irrtümlicherweise eine Norm angewendet worden sei, deren Auslegung nicht nur keine Schwierigkeiten bereite, sondern die bereits mehrere Monate vor der Antragstellung gänzlich behoben worden sei.

Somit sei das Vorliegen eines gutgläubigen Empfanges im Sinne des § 13a GehG zu verneinen.

Darüber hinausgehend seien zum Zeitpunkt der irrtümlichen Überweisung der im Spruch genannten Beträge genügend Gründe gegeben gewesen, die eine objektive Erkennbarkeit des Irrtums der auszahlenden Stelle iSd §13a GehG rechtfertigen würden. Soweit der Beschwerdeführer ausführe, er sei der Meinung gewesen, dass das Schreiben vom 4. Juni 2012 einen Bescheid darstellen würde, so sei ihm zu entgegnen, dass dieses Schreiben weder als Bescheid bezeichnet gewesen sei, noch habe es die für einen Bescheid erforderlichen Voraussetzungen wie Spruch, Begründung oder Rechtsmittelbelehrung enthalten. Auch entspreche es doch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Bescheide mittels RSa-Zustellung, oder zumindest, sofern sie das Dienstverhältnis betreffen, durch nachweisliche Ausfolgung durch den Dienstvorgesetzten zugestellt würden. Eine solche nachweisliche Zustellung durch den Dienstvorgesetzten könne nur dadurch erfolgen, dass der Bescheidadressat vor dem Dienstvorgesetzten erscheine und den Erhalt des Bescheides durch eigenhändige Unterschrift auf dem Aktenbogen beurkunde. Hierfür sei allerdings eine Verfügung der Dienstbehörde durch eine Aktenvorschreibung an den zuständigen Dienstvorgesetzen mit dem Hinweis erforderlich, dass dieser den Bescheid an den Bediensteten auszufolgen habe. Eine solche Verfügung sei auf dem Aktenbogen nicht enthalten. Das Schreiben sei nicht persönlich ausgefolgt, sondern via E-Mail übermittelt worden. Somit sei weder eine RSa-Zustellung noch eine (von der Dienstbehörde aufgetragene) Ausfolgung durch den Dienstvorgesetzten erfolgt, sodass der Beschwerdeführer bei gehöriger Aufmerksamkeit zumindest Zweifel an der Bescheidqualität dieses Schreibens hätten haben müssen.

Da somit die Leistung einerseits mangels gesetzlicher Grundlage bzw. mangels Bescheid ohne gültigen Titel und andererseits auch nicht in gutem Glauben empfangen worden sei, erfolge die Rückforderung des Überschusses zu Recht.

1.6. Gegen diesen Bescheid erhob der rechtlich vertretene BF rechtzeitig Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Hiezu wird im Wesentlichen ausgeführt:

In Anbetracht dessen, dass dem BF mit Schreiben vom 04.06.2012 die "Zulage gewährt" worden wäre, habe er zum Zeitpunkt der Zustellung dieses Schreibens davon ausgehen können, dass es sich dabei um eine bescheidmäßige Erledigung handle, auch wenn der VwGH zwischenzeitlich in gleichgelagerten Fällen von Kollegen ausgesprochen habe, dass es sich bei diesem Schreiben um keinen Bescheid handle (VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079). Die Annahme einer bescheidmäßigen Erledigung sei zum Zeitpunkt der Leistung dadurch verstärkt worden, dass sämtliche Kollegen die ADV-Zulage bereits jahrelang bezogen haben, sowie dass anderen Kollegen zum selben Zeitpunkt (also mit Schreiben vom 04.06.2012) diese Zulage "zugesprochen" erhalten haben. Außerdem sei dies durch die Beglückwünschung durch seinen Vorgesetzten zur gewährten ADV-Zulage bekräftigt worden. Überdies würden gewöhnlich Zulagen und Gebühren ohne bescheidmäßige Erledigung gewährt. In Zusammenschau dieser Tatsachen sei die unrechte Auszahlung objektiv keinesfalls erkennbar gewesen.

Abgesehen davon habe selbst der Dienstgeber nicht erkannt, dass die Rechtsgrundlage für die Gewährung der ADV-Zulage weggefallen sei, sonst wäre das Schreiben am 04.06.2012 nicht ausgestellt worden. Eine Unkenntnis über den Wegfall der Rechtsgrundlage und einen daraus ableitenden mangelnden Bescheidcharakter könne daher einem Dienstnehmer auf einem Arbeitsplatz, für welchen eine juristische Ausbildung nicht erforderlich sei, nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Der VwGH habe im bereits zitierten Erkenntnis (Zl. 2013/0079/0079) ausgesprochen, dass objektiv betrachtet, das Fehlen der Bescheidnatur der Erledigung vom 04.06.2012 nicht zwangsläufig erkennbar war, weshalb eine Gutgläubigkeit im Sinne des § 13a GehG in Betracht komme. In einem weiteren vergleichbaren Fall habe der VwGH judiziert, dass wenn zwar die Erledigung keinen Bescheid darstellt, dies dem BF wegen ihrer Gestaltung nicht erkennbar sein musste, er jedenfalls die Leistung im guten Glauben empfangen hat (VwGH 14.12.2005, 2002/12/0183).

Der Behauptung der Behörde, dass der BF unter Zusammenschau aller Gesamtumstände - keine Bezeichnung als Bescheid, kein Spruch, kein Kanzleikürzel, inoffizielle Zustellung durch den Dienstvorgesetzten ohne RSa-Zustellung oder offizielle Ausfolgung - Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Leistung hätte haben müssen, werde vom BF aus näher dargelegten Gründen entschieden entgegen getreten.

Da objektiv die mangelnde Bescheidqualität des Schreibens vom 04.06.2012 nicht erkennbar gewesen wäre, habe der BF die Zulage gutgläubig empfangen und die Rückerstattungspflicht wäre zu verneinen gewesen.

Es werde beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Rück-forderung zu Unrecht erfolgt ist und der Übergenuss im guten Glauben empfangen wurde; in eventu den Bescheid als rechtswidrig aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entschei-dung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

1.7. Der gegenständliche Verfahrensakt wurde mit Schreiben der Dienstbehörde vom 27.02.2015 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Es wird von dem unter I. dargelegten Verfahrensgang und Sachverhalt ausgegangen.

2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

Der festgestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem von der belangten vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt mangels anders lautender Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (1.) der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

(2.) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Letzteres ist hier der Fall. Ebenso liegen im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Entfall einer mündlichen Verhandlung allenfalls Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder Art. 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen könnten. Es konnte daher von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu A)

3.2. Nach § 13a Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956 (GehG), eingefügt durch die 15. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 109/1966, sind zu Unrecht empfangene Leistungen (Übergenüsse), soweit sie nicht im guten Glauben empfangen worden sind, dem Bund zu ersetzen.

3.3. Im Beschwerdefall ist - wie der VwGH in einem gleichgelagerten - einen Kollegen des BF betreffenden - Fall in seinen Entscheidungen vom 14.03.2013, 2013/12/0079, und vom 27.02.2014, 2013/12/0241 ausgesprochen hat - maßgeblich die Frage zu beantworten, ob der BF - objektiv betrachtet - das Fehlen der Bescheidnatur der ihm von der Dienstbehörde übermittelten formlosen Erledigung vom 4. Juni 2012 erkennen konnte. Entsprechende Feststellungen vorausgesetzt, käme grundsätzlich Gutgläubigkeit im Sinne des § 13a GehG in Betracht.

3.4. Für die Lösung der Frage der Gutgläubigkeit nach § 13a Abs. 1 GehG ist im Sinn der vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Theorie der objektiven Erkennbarkeit (beginnend mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30.06.1965, 1278/63 = VwSlg. 6.736/A; weiters etwa VwGH 20.04.1989, 87/12/0169 = VwSlg. 12.904/A, mwN) nicht entscheidend, ob der Beamte in Besoldungsfragen gebildet ist oder nicht, sondern ob es ihm auf Grund der gegebenen Rechtslage in Verbindung mit dem vorliegenden Sachverhalt möglich und zumutbar gewesen wäre, den Umstand des Vorliegens eines Übergenusses zu erkennen (vgl. etwa VwGH 21.10.1991, 90/12/0324, u.a.).

Demnach ist Gutgläubigkeit beim Empfang von Übergenüssen dann nicht anzunehmen, wenn der Leistungsempfänger - nicht nach seinem subjektiven Wissen, sondern objektiv beurteilt - bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßes an Sorgfalt an der Rechtmäßigkeit der ihm ausbezahlten Leistungen auch nur Zweifel hätte haben müssen (vgl. etwa VwGH 22.03.1995, 94/12/0220). Erfolgt die Leistung deshalb, weil die Anwendung der Norm, auf Grund derer die Leistung erfolgt, auf einem Irrtum der auszahlenden Stelle beruht, den der Leistungsempfänger weder erkennt noch veranlasst hat, so ist dieser Irrtum nur dann im genannten Sinn objektiv erkennbar (und damit eine Rückersatzverpflichtung schon deshalb zu bejahen), wenn der Irrtum in der offensichtlich falschen Anwendung einer Norm, deren Auslegung keine Schwierigkeiten bereitet, besteht (vgl. etwa die zur Auslegung von besoldungsrechtlichen Ansprüchen regelnden Normen ergangenen Entscheidungen VwGH 15.12.1999, 97/12/0301; 19. 12.2000, 99/12/0273; 22.12.2004, 2004/12/0143, jeweils mwN der Vorjudikatur).

Die Grundsätze dieser Rechtsprechung finden sinngemäß auf den Fall Anwendung, in dem der Beamte das Fehlen der Bescheidnatur einer formlosen Erledigung seiner Dienstbehörde, die nach ihrem Inhalt eine besoldungsrechtliche Angelegenheit betrifft, die seine Ansprüche berührt, nicht erkennen musste.

3.5. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) betreffend die Formerfordernisse behördlicher Erledigungen, welche gemäß § 1 Abs. 1 DVG auch im Dienstrechtsverfahren anzuwenden sind, lauten wie folgt:

"Erledigungen

§ 18. (1) ...

(2) ...

(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) treten.

(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

(5) ...

Inhalt und Form der Bescheide

§ 58. (1) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.

(2) Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

(3) Im übrigen gilt auch für Bescheide § 18 Abs. 4.

(...)

§ 62. (1) Wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, können Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.

§ 11 Abs. 1 Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren in Dienstrechtsangelegenheiten (Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 - DVG)

StF: BGBl. Nr. 29/1984 idgF lautet:

"Bescheide in Dienstrechtsangelegenheiten sind, abgesehen von den Fällen des § 9, schriftlich zu erlassen und, wenn sie an Beamte des Dienststandes gerichtet sind, jedenfalls zu eigenen Handen zuzustellen."

3.6. Nach dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt zur Erledigung vom 04.06.2012, GZ 250.065/11-I/1/b/12, handelt es sich dabei um keine elektronisch erstellte Erledigung, sondern um eine konventionelle Papierausfertigung. Es kommt daher hinsichtlich des Erfordernisses der Fertigung die Bestimmung des § 18 Abs. 4 dritter Satz AVG zur Anwendung, wonach solche sonstigen Ausfertigungen die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten haben; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Fehlen der Unterschrift des Genehmigenden bewirkt die absolute Nichtigkeit der Ausfertigung der Erledigung (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, zu § 18 AVG, S 254, RZ 23 zitierte Judikatur des VwGH). Tritt also bei den "sonstigen Ausfertigungen" an die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden die Beglaubigung der Kanzlei, bedeutet dies, dass die Ausfertigung mit der Erledigung (der Urschrift) übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist (VwGH 21.04.2004, 2003/12/0109).

Als Norm rechtlich existent wird ein intendierter Bescheid aber nur und erst dann, wenn das Erzeugungsverfahren abgeschlossen, das heißt, wenn das zeitlich letzte Erzeugungstatbestandsmerkmal - das ist in der Regel die Mitteilung des behördlichen Willensaktes nach außen - verwirklicht worden ist. Ein (schriftlicher) Bescheid ist erst mit der Zustellung bzw. Ausfolgung seiner schriftlichen Ausfertigung an eine Partei als erlassen anzusehen; nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen (VwGH 18.02.1988, 88/09/0002, und 20.03.2001, 2000/11/0336). Auch in Ansehung von Bescheiden kollegial eingerichteter Verwaltungsbehörden kommt es nicht auf den Zeitpunkt der inneren Willensbildung des Verwaltungsorgans, sondern auf den der Erlassung des Bescheides - bei schriftlichen Bescheiden also auf den der Zustellung an die Partei - an (VwGH 26.06.2013, 2011/05/0121; 25.09.2012, 2008/04/0045, mwN, sowie VfSlg. 9428/1982 und 13111/1992).

Die Zustellung eines schriftlichen Bescheides bedeutet, dass dem Empfänger die für ihn bestimmte Ausfertigung - nach den Vorschriften des Zustellgesetzes - übermittelt (ausgefolgt) wird. Die Erlassung eines schriftlichen Bescheides iSd § 62 Abs. 1 AVG kann daher weder durch die bloße Einsichtnahme in ein bei der Behörde aufliegendes Schriftstück, noch dadurch bewirkt werden, dass die Partei anlässlich der Akteneinsicht oder sonst in den Besitz einer Kopie gelangt (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, zu § 62 AVG, S 785, RZ 19 zitierte Judikatur).

Nach dem vorliegenden Verwaltungsakt gestaltete sich der Prozesslauf zur Erledigung vom 04.06.2012 wie folgt:

Die Erledigung wurde auf dem Referatsbogen von Mag. XXXX handschriftlich am 4. Juni 2012 genehmigt und zur Einsicht vor Abfertigung der Abteilung IV/8, welcher der BF angehört, vorgeschrieben. ADir. XXXX als Referatsleiter und unmittelbarer Dienstvorgesetzter des BF nahm die Erledigung mit seiner Unterschrift am 11. Juni 2012 entgegen. Weiter trägt der Referatsbogen bei "Reing:" eine unleserliche Paraphe mit Datum 01.06. und bei "Begl:" eine unleserliche Pararaphe sowie bei "Abgef:" das Datum 14. Juni 2012. Die tatsächliche Abfertigung bzw. Ausfolgung an den BF wurde jedoch noch am 14.06.2014 "gestoppt" und der Akt mit dem Vermerk "CESSAT" versehen.

Aus dem dargestellten Prozesslauf ist daher festzustellen, dass die (nicht beglaubigte) Erledigung vom 4. Juni 2012 zwar an den BF von seinem Dienstvorgesetzten am 11. Juni 2012 per Mail weiter geleitet wurde, eine nach den vorgesehenen Zustellvorschriften zu ergehende Zustellung durch die zuständige Personalabteilung mittels RSa oder durch offizielle Ausfolgung gegen Übernahmebestätigung jedoch nicht erfolgt ist.

Im Hinblick auf diese klare Sach- und Rechtslage, wonach jede schriftliche Ausfertigung einer Behörde in Form von elektronischen Dokumenten mit einer Amtssignatur versehen sein muss - dieses Erfordernis war hier jedoch wegen Nichtvorliegens eines elektronisch erstellten Dokuments nicht gegeben -, sonstige Ausfertigungen die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten haben bzw. an die Stelle dieser Unterschrift der Beglaubigungsvermerk der Kanzlei zu treten hat, das dem BF formlos per Mail übermittelte Dokument vom 4. Juni 2012 jedoch keinen Beglaubigungsvermerk aufwies, bedurfte es keiner komplizierten bzw. aufwendigen Nachforschungen bzw. Interpretationshilfen, um objektiv zu erkennen, dass dem übermittelten Schriftstück ein wesentlicher Mangel anhaftet und ihm daher kein Bescheidcharakter zukommt. Aus dem weiteren Umstand, dass die Erledigung dem BF in der Folge nicht offiziell zugestellt bzw. persönlich ausgefolgt wurde, hätten dem BF jedenfalls Zweifel am rechtmäßigen Zustandekommen der Erledigung kommen müssen und hätte er bei der zuständigen Personalabteilung entsprechende Informationen einholen können.

Das Fehlen der Unterschrift, das Fehlen der Bezeichnung als Bescheid, die nicht erfolgte Eigenhandzustellung sowie die Aufhebung der Rechtsgrundlage für die "ADV-Zulage" (Mehrleistungsvergütung) waren objektiv erkennbar.

Es bedurfte daher nach objektiver Betrachtung keines Übermaßes an Sorgfalt, Zweifel am rechtmäßigen Zustandekommen der Erledigung vom 4. Juni 2012 und in der Folge an der Rechtmäßigkeit der ausbezahlten Leistungen zu haben. Die Übergangsbestimmung des § 82a AVG, welche für bis zum Ablauf des 31.12.2010 ergangene schriftliche Ausfertigungen von elektronisch erstellten Erledigungen das Erfordernis einer Unterschrift, Beglaubigung oder Amtssignatur nicht vorsah, findet auf den Beschwerdefall keine Anwendung.

Insoweit sich der Beschwerdeführer auf folgende Erwägung des Verwaltungsgerichtshofes bezieht, "Musste der Beschwerdeführer - objektiv betrachtet - das Fehlen der Bescheidnatur der ihm von der Dienstbehörde übermittelten formlosen Erledigung vom 4. Juni 2012 nicht erkennen, wozu ausreichende Feststellungen im angefochtenen Bescheid fehlen, käme vielmehr grundsätzlich Gutgläubigkeit im Sinne des § 13a Abs. 1 GehG in Betracht (vgl. dazu ausführlich die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 2005, Zl. 2002/12/0183, und vom 10. September 2009, Zl. 2008/12/0175)." (Verwaltungsgerichtshof 14.10.2013, 2013/12/0079) ist ihm entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof mit kassatorischer Entscheidungsbefugnis nicht das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren ersetzt und Sachverhaltsfeststellungen betreffend Gutgläubigkeit grundsätzlich der Behörde obliegen.

Insoweit der Beschwerdeführer anführt, es wäre gelebte Praxis, behördeninterne Bescheide an die dienstliche E-Mail Adresse zuzustellen, ist ihm entgegenzuhalten, dass Bescheide in Dienstrechtsangelegenheiten gem. § 11 Abs.1 DVG jedenfalls zu eigenen Handen zuzustellen sind. Dies hatte dem Beschwerdeführer bekannt zu sein.

Insoweit der Beschwerdeführer anführt, sein Dienstvorgesetzter hätte ihn über das strittige Schreiben informiert, ist ihm entgegenzuhalten, dass ihm bekannt sein muss, dass sein Dienstvorgesetzter nicht Angehöriger der Organisationseinheit mit Dienstbehördenfunktion war und somit unzuständiges Organ für die Erledigung eines dienstrechtlichen Bescheides wäre.

Der BF kann sich infolgedessen nicht auf Gutgläubigkeit im Verständnis des § 13a GehG berufen. Der Beschwerde war daher keine Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Gestützt auf die in Pkt. II.2. dargelegte einheitliche Rechtsprechung des VwGH konnte im Beschwerdefall die Gutgläubigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 13a GehG verneint werden. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage lagen nicht vor.

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