VwGH 2013/12/0241

VwGH2013/12/024127.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kupec, über die Revision des LH in W, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 22. November 2013, Zl. 255.614/19-I/1/b/13, betreffend Rückersatz von Übergenuss, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
GehG 1956 §13a Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
AVG §56;
GehG 1956 §13a Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber steht als Abteilungsinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er wird auf einem Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe E 2a, eingestuft in die Funktionsgruppe 4, im Bereich der belangten Behörde verwendet.

Zur Vorgeschichte dieses Verfahrens wird auf das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2013, Zl. 2013/12/0079, verwiesen. Daraus ist hervorzuheben, dass der Revisionswerber mit Eingabe vom 20. Juni 2011 unter Hinweis auf einen näher bezeichneten Erlass des Bundesministers für Finanzen "um Zuerkennung der ADV-Zulage" entsprechend seiner - im Einzelnen dargestellten - Tätigkeit ersuchte, welche die Betreuung des Netzwerkes in bestimmten Bereichen des Bundesministeriums für Inneres (der belangten Behörde) umfasste.

Die belangte Behörde leitete daraufhin ein Verfahren zur Bewertung (unter anderem) des Arbeitsplatzes des Revisionswerbers beim Bundeskanzler ein, der einer Neubewertung jedoch nicht zustimmte.

In der Folge wurde in der zuständigen Abteilung der belangten Behörde eine mit 4. Juni 2012 datierte Erledigung konzipiert, die (unter anderem) dem Revisionswerber - obwohl nicht genehmigt - "per E-Mail zugestellt" wurde:

"Wien, am 4. Juni 2012

Mit Zustimmung des Bundeskanzleramtes wird Ihnen ab 1. Juli 2011 eine ADV-Zulage in der Höhe von 12,01 % des Gehaltes eines Beamten der Gehaltsstufe 2 der Dienstklasse V flüssiggehalten.

Nach § 15 Abs. 5 des Gehaltsgesetzes 1956, in der geltenden Fassung, ruht bei einer länger als einen Monat dauernden Abwesenheit vom Dienst die pauschalierte Nebengebühr vom Beginn des letzten Tages dieser Frist an bis zum Ablauf des letzten Tages der Abwesenheit vom Dienst. Ausgenommen hievon sind die Fälle eines Urlaubes, bei dem der Anspruch auf Monatsbezug beibehalten wird oder einer Dienstverhinderung aufgrund eines Dienstunfalles einschließlich unmittelbar daran anschließender dienstfreier Tage.

Die Anweisung der Zulage wird über SAP veranlasst.

Für die Bundesministerin:

Mag. Sch."

Die genannte "ADV-Zulage" wurde dem Revisionswerber im Juli 2012 faktisch angewiesen, in der Folge jedoch von der belangten Behörde unter Hinweis auf § 13a GehG rückgefordert und zurückgebucht.

Mit Eingabe vom 29. August 2012 stellte der Revisionswerber daraufhin folgenden Antrag:

"Gemäß den Bestimmungen des § 13a, Abs. 3, GG 1956 ersuche ich um Ausfertigung eines Feststellungsbescheides, auf welche rechtliche Grundlage die Verpflichtung zum Ersatz, der bescheidmäßig (GZ ... vom 4. Juni 2012) zuerkannten und daher im guten Glauben empfangenen finanziellen Leistung (ADV-Zulage) gestützt wird."

Über Verbesserungsauftrag der belangten Behörde stellte der Revisionswerber - mittlerweile anwaltlich vertreten - am 6. Dezember 2012 unter anderem den - das genannte Anbringen modifizierenden - Antrag, über das Bestehen oder Nichtbestehen der Verpflichtung zur Rückerstattung von Beträgen als Übergenuss, die ihm unter dem Titel der ADV-Zulage (mit der Bezeichnung als Erschwerniszulage) ausbezahlt worden seien und bezüglich welcher gemäß der Monatsabrechnung August 2012 Übergenuss-Rückverrechnungen vorgenommen worden seien, mit Bescheid abzusprechen.

Dazu vertrat er die Ansicht, dass die Erledigung der belangten Behörde vom 4. Juni 2012 einen Bescheid darstelle. Er gehe von der Rechtskraftwirkung eines solchen Bescheides aus, sodass eine "Verpflichtung zur Rückerstattung als Übergenuss" ausgeschlossen sei.

Nach Einräumung des rechtlichen Gehörs durch die belangte Behörde hielt der Revisionswerber in Stellungnahmen vom 9. Jänner und 25. Februar 2013 an seinem Standpunkt fest. Selbst wenn man - ungeachtet des Vermerks "DVR 0000051" im Briefkopf - die Bescheidqualität der Erledigung vom 4. Juni 2012 verneinen sollte, sei - so der Revisionswerber ergänzend - durch sie eine Situation geschaffen worden, nach der er auch bei Anlegung eines objektiven Maßstabes als gutgläubig beim Empfang der betreffenden Beträge anzusehen sei. Dazu komme der Umstand, dass (im Wesentlichen) gleich verwendete Bedienstete diese Zulage ebenfalls erhalten hätten. Überdies würden gewöhnlich Zulagen und Gebühren gewährt, ohne dass "eigens ein Bescheid hierfür" ergehe.

Mit Bescheid vom 2. April 2013 wies die belangte Behörde den "Antrag vom 20. Juni 2011 auf Zuerkennung der ADV-Zulage" ab. Den "Antrag vom 29. August 2012, auf welche rechtliche Grundlage die

Verpflichtung zum Ersatz der bescheidmäßig ... zuerkannten und

daher im guten Glauben empfangenen finanziellen Leistung (ADV-Zulage) gestützt werde", wies sie zurück.

Begründend führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage zum behaupteten Anspruch auf "ADV-Zulage" aus, das übermittelte Schreiben vom 4. Juni 2012 sei weder gemäß § 18 Abs. 3 AVG genehmigt noch ordnungsgemäß abgefertigt worden. Die angegebene DVR-Nummer weise nur auf die Erstellung des Schreibens mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hin. Auch werde der Personalakt - ebenso wie alle anderen Personalakten - als Papierakt und nicht als elektronischer Akt geführt. Insgesamt fehle es der Erledigung somit am Bescheidcharakter. Da sie auch nicht in Papierform in einem geschlossenen Kuvert versendet worden sei, könne von einem gutgläubigen Empfang durch den Revisionswerber nicht ausgegangen werden. Dem Antrag "auf Zuerkennung der ADV-Zulage" mangle es an der gesetzlichen Grundlage, nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. September 2009, G 80/09 und V 22/09, Art. XII des Bundesgesetzes vom 26. Mai 1988 mit 31. Oktober 2010 als verfassungswidrig aufgehoben habe. Damit sei die Rechtsgrundlage für Nebengebühren nach Art. XII der 47. GehG-Novelle per 31. Oktober 2010 ersatzlos weggefallen. Im Umfang des auf § 13a Abs. 3 GehG gestützten Antrages auf Ausfertigung eines Feststellungsbescheides (die Pflicht zum Rückersatz des Übergenusses betreffend) sei ein Verbesserungsauftrag ergangen, dem nicht Folge geleistet worden sei. Das Anbringen sei daher gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückzuweisen gewesen.

Mit dem zitierten Erkenntnis vom 14. Oktober 2013, Zl. 2013/12/0079, behob der Verwaltungsgerichthof den angefochtenen Bescheid vom 2. April 2013 im Umfang der Entscheidung nach § 13a Abs. 3 GehG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wies die Beschwerde im Übrigen als unbegründet ab. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte sowohl die Gebührlichkeit der begehrten "ADV-Zulage" als auch den Bescheidcharakter der Erledigung vom 4. Juni 2012. Er verwies jedoch darauf, dass die von der belangten Behörde im Verfahren geäußerte Rechtsansicht, allein aus dem Fehlen des Bescheidcharakters folge jedenfalls die Verpflichtung des Revisionswerbers zum Rückersatz nach § 13a Abs. 3 GehG, - entsprechend den Ausführungen des Revisionswerbers in seiner Eingabe vom 25. Februar 2013 - der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche. Musste der Revisionswerber - objektiv betrachtet - das Fehlen der Bescheidnatur der ihm von der Dienstbehörde übermittelten formlosen Erledigung vom 4. Juni 2012 nicht erkennen, wozu ausreichende Feststellungen im angefochtenen Bescheid fehlten, käme vielmehr grundsätzlich Gutgläubigkeit im Sinne des § 13a Abs. 1 GehG in Betracht (dazu wurde auf die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 2005, Zl. 2002/12/0183, und vom 10. September 2009, Zl. 2008/12/0175, verwiesen).

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz‑)Bescheid stellte die belangte Behörde ohne Durchführung eines weiteren Verfahrens über den "Antrag vom 2. August 2012" fest, "dass die Rückforderung der empfangenen finanziellen Leistungen (ADV-Zulage) auf Grundlage des § 13a GehG erfolgt ist".

Begründend verwies sie nach zusammenfassender Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage auf "die unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen" ihres (im ersten Rechtsgang aufgehobenen) Bescheides vom 2. April 2013. Rechtlich folgerte sie auf dieser Basis aus dem Fehlen einer den Anspruch auf eine ADV-Zulage begründenden generellen Norm, dass jedenfalls von einem objektiv erkennbaren Irrtum der Behörde bei der Veranlassung der Ausbezahlung auszugehen sei. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei "mangels Bescheidcharakters" auch kein gültiger Titel für den Empfang einer solchen Zulage vorgelegen. Dies müsse jedenfalls zur Bejahung des gegenüber dem Revisionswerber verfolgten Anspruchs nach § 13a GehG auf Ersatz der zu Unrecht empfangenen Leistungen führen.

Der angefochtene Bescheid wurde dem Revisionswerber am 25. November 2013 zugestellt. Die dagegen erhobene, am 20. Dezember 2013 zur Post gegebene Beschwerde gilt gemäß § 4 Abs. 1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, als rechtzeitig erhobene Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Revision als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten, den ersten Rechtsgang abschließenden Erkenntnis vom 14. Oktober 2013, Zl. 2013/12/0079, ausgesprochen, musste der Revisionswerber - objektiv betrachtet - das Fehlen der Bescheidnatur der ihm von der Dienstbehörde übermittelten formlosen Erledigung vom 4. Juni 2012 - also einer individuellen, ihm gegenüber ergangenen Norm - nicht erkennen, wozu ausreichende Feststellungen im angefochtenen Bescheid fehlten, käme grundsätzlich Gutgläubigkeit im Sinne des § 13a Abs. 1 GehG in Betracht.

Indem die belangte Behörde in ihrem (Ersatz‑)Bescheid das Fehlen der Erkennbarkeit eines Anspruches neuerlich nur am Maßstab genereller Normen geprüft und die ihr aufgetragenen Sachverhaltsfeststellungen zur Erkennbarkeit der Bescheidnatur der dem Revisionswerber von der Dienstbehörde übermittelten Erledigung vom 4. Juni 2012 nicht getroffen hat, hat sie das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verkannt. Demnach kam es nicht auf die Erkennbarkeit der Rechtmäßigkeit des Inhaltes der Erledigung vom 4. Juni 2012, sondern auf jene ihres mangelnden Bescheidcharakters an.

Im Übrigen ist Folgendes zu bemerken:

Wie ausgeführt, war der Antrag des Revisionswerbers auf Feststellung (über das Bestehen der Verpflichtung zur Rückerstattung näher bezeichneter Beträge als Übergenuss) gerichtet und zulässig. Die richtige Ausformulierung des Spruches ist in diesem Fall Sache der Behörde. In diesem Zusammenhang sind somit jene Beträge festzustellen, welche für jeden Abrechnungstermin (Monat) rückforderbar waren. Dem genügt die Spruchfassung des angefochtenen Bescheides überdies nicht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit den VwGH-Aufwandersatzverordnungen BGBl. II Nr. 518/2013, BGBl. II Nr. 8/2014 und BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. Februar 2014

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