BVwG W117 2265770-2

BVwGW117 2265770-220.4.2023

BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §22a Abs1 Z2
BFA-VG §34
BFA-VG §34 Abs3 Z3
BFA-VG §40 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §35 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W117.2265770.2.00

 

Spruch:

 

 

W117 2265770-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Fatma ISLEKOGLU, Landstraße 13, 6971 Hard, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Festnahme am 08.04.2023 und die Anhaltung am 08.04.2023 wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 34 Abs. 3 Z 3 und § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde in Bezug auf die Anhaltung vom 09.04.2023 bis zum 10.04.2023 wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 2, § 34 Abs. 6 BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung vom 09.04.2023 bis zum 10.04.2023 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG werden die Anträge auf Kostenersatz abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der von Seiten der Verwaltungsbehörde, des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA EAST West), am 28.03.2023 gegen die Beschwerdeführerin (BF) ergangene Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Ziffer 3 FPG wurde mit ihrer am 08.04.2023 erfolgten Festnahme an ihrem polizeilich gemeldeten Wohnsitz durch Beamte der LPD Vorarlberg gemäß § 40 Abs. 1 Ziffer 1 BFA-VG in Vollzug gesetzt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde; im Wesentlichen begründete sie dieselbe wie folgt:

„(…)

1.

Am 18.01.2023 wurde beim VfGH eine Beschwerde gemäß 144 Abs 1 B-VG iVm § 82 ff VfGG samt einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie einem Eventualantrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH gemäß § 144 Abs 3 B-VG und § 87 Abs 3 VfGG eingebracht. Mit Beschluss des VfGH vom 19.01.2023, E 187/2023, wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zuerkannt.

 

Mit Beschluss des VfGH vom 27.02.2023, E 187/2023, der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin am 09.03.2023 zugestellt, hat der VfGH die Behandlung der Beschwerde abgelehnt sowie die Beschwerde – in Stattgebung des in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde gestellten Eventualantrages – an den VwGH zur Entscheidung über die Beschwerde abgetreten. Eine Entscheidung des VwGH über die Revision der Beschwerdeführerin ist noch offen.

 

Der erfolgreiche Aufschiebungsantrag (=Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung) entfaltet seine Wirkungen ab Zuerkennung für die gesamte Dauer des Beschwerdeverfahrens. Es ist mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung also ein totaler Aufschub aller Wirkungen eines Bescheides verbunden. Mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werden alle mit dem angefochtenen Bescheid verbundenen Wirkungen aufgeschoben, somit auch seine Gestaltungs-, Bindungs- und Tatbestandswirkung.

 

Im Hinblick darauf, dass der VwGH über die Revision der Beschwerdeführerin noch nicht entschieden hat, die vom VfGH zuerkannte aufschiebende Wirkung gesamthaft auf das Beschwerdeverfahren erstreckt, ist der nunmehrige Festnahmeauftrag der belangten Behörde rechtswidrig ergangen. Die Beschwerdeführerin hat einen Anspruch, sich im Bundesgebiet der Republik Österreich aufzuhalten, solange der Instanzenzug in Österreich noch nicht ausgeschöpft ist und sohin eine endgültige, rechtkräftige Entscheidung noch nicht vorliegt. Die Festnahme, Anhaltung sowie die der Anhaltung folgende Überstellung der Beschwerdeführerin sind sohin unzulässig.

2.

Die am 08.04.2023 erfolgte konkrete Festnahme der Beschwerdeführerin ist zudem zu Unrecht erfolgt. Die Rechtsvertreterin hat mit dem Journaldienst der belangten Behörde am 08.04.2023, um 07:40 Uhr, telefoniert und die Vertretung der Beschwerdeführerin offengelegt. Weiters wurde mitgeteilt, dass der Rechtsvertreterin der Festnahmeauftrag nicht übermittelt wurde. Der belangten Behörde ist bekannt, dass die Beschwerdeführerin anwaltlich vertreten ist, zumal die Festnahme der Beschwerdeführerin vom 18.01.2023 erfolgreich bekämpft wurde und die Beschwerdeführerin in diesem (Vor-)verfahren durch die ausgewiesene Rechtsanwältin vertreten war. Mit Schreiben vom 08.04.2023 wurde die belangte Behörde von der ausgewiesenen Rechtsvertreterin zudem um Übermittlung des Festnahmeauftrages ersucht. Der Festnahmeauftrag liegt nach wie vor nicht vor, weshalb gegenständliche Beschwerde unter erschwerten – einem Rechtsstaat unwürdigen – Umständen verfasst werden musste. Über Nachfrage teilte der Mitarbeiter vom Journaldienst der belangten Behörde weiters mit, dass die Beschwerdeführerin am Montag, dem 10.04.2023, um ca. 14:00 Uhr beim Flughafen Schwechat sein werde und anschließend mit einem Flugzeug in die Türkei verbracht werden würde.

Die Schwägerin der Beschwerdeführerin, (…), hat ebenso Auskünfte hinsichtlich der Abflugzeit der Beschwerdeführerin eingeholt und erhielt die Auskunft, dass die Beschwerdeführerin am Montag, dem 11.04.2023, mit der 10:40 Uhr Maschine in die Türkei verbracht werde. Die belangte Behörde hat sohin falsche Informationen erteilt, ob diese bewusst oder unbewusst gewesen sind, bleibt dahingestellt. Die Beschwerdeführerin hat ein Recht auf richtige und vollständige Informationserteilung, insbesondere, wenn eine Ausnahmesituation vorliegt und es um lebenswichtige Informationen geht.

Die ausgewiesene Rechtsvertreterin hat am 08.04.2023 mit dem Polizeianhaltezentrum Wien – Rossauer Lände um 08:31 Uhr telefoniert, in welches die Beschwerdeführerin überstellt wurde. Dort erhielt die ausgewiesene Rechtsvertreterin die Auskunft, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Familienangehörigen nur über das im Anhaltezentrum vorhandene Wertkartentelefon telefonieren kann. Das Geschäft im Anhaltezentrum habe allerdings über das Wochenende geschlossen, weshalb ein Kauf einer Wertkarte der Beschwerdeführerin sohin nicht möglich sei und diese ihre Familienangehörige sohin nicht anrufen könne. Über Frage wie das Recht der Beschwerdeführerin während der Haft mit ihren Familienangehörigen zu telefonieren nun gewährleistet wird, erhielt die Rechtsvertreterin die Antwort „gar nicht. Der Beamte könne die Türe des Shops im Anhaltezentrum ja nicht eintreten“. Der Kontakt mit Familienangehörigen in und während der Anhaltung ist ein Grundrecht der Beschwerdeführerin, welches von der belangten Behörde massiv verletzt und beschnitten wird.

(…)“

 

Die Beschwerdeführerin stellte schließlich die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge

 

„1. den nunmehrigen Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, (…) der (…) vermutlich im Verfahren zur IFA-Zahl: 1028789102/20025990 ergangen ist sowie aufgrund dieses Festnahmeauftrages die Festnahme (…), die am 08.04.2023 erfolgt ist – für rechtswidrig erklären und aufheben;

 

2. die am 08.04.2023 erfolgte Festnahme der Beschwerdeführerin für rechtswidrig erklären und aufheben;

 

3. jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchführen,

 

4. dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde die Kosten des Verfahrens auferlegen,

 

5. und die beabsichtigte Abschiebung am 08.04.2023 unterbrechen.“

Die Verwaltungsbehörde legte den Verwaltungsakt vor, gab eine Stellungnahme ab, in welcher sie ihre Vorgangsweise verteidigte; der Beschwerde entgegnete sie wie folgt:

 

„In Bezugnahme auf den in der Beschwerdeschrift unter Punkt 1. ins Treffen gebrachten Vorhalt, dass die mit Beschluss des VfGH vom 19.01.2023 für die Dauer des anhängigen höchstgerichtlichen Beschwerdeverfahrens vor dem VfGH erfolgte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch über den Zeitpunkt der mit Beschluss des VfGH vom 27.02.2023 erfolgten Ablehnung der Behandlung dieser Beschwerde Wirksamkeit entfaltet und zwar konkret auch für die Dauer des höchstgerichtlichen Beschwerdeverfahrens vor dem VwGH, wird festgehalten, dass die BF offenbar verkennt, dass von Seiten des Verwaltungsgerichtshofes eine aufschiebende Wirkung der Beschwerde weder zum Zeitpunkt der erfolgten Festnahme v. Frau (…) am 08.04.2023 noch bis zum Zeitpunkt der behördlichen Abchiebung am 10.04.2023 zuerkannt wurde. Die Vorhaltung, dass die bekämpfte Festnahme der BF aus diesem Grunde rechtswidrig ergangen sei, geht somit nach Ansicht der belangten Behörde vollständig ins Leere.

 

Die in der Beschwerdeschrift unter Punkt 2. festgehaltene Behauptung, dass bereits die Festnahme der Beschwerdeführerin vom 18.01.2023 erfolgreich bekämpft wurde ist unrichtig, da die damalig eingebrachte Maßnahmenbeschwerde mit Erkenntnis des BVwG vom 16.02.2023 als unbegründet abgewiesen wurde.

 

Die weitere Vorhaltung unter Punkt 2. in der Beschwerdeschrift, dass die BF in Bezug auf ihre behördlich geplante Abschiebung ein Recht auf richtige und vollständige Informationserteilung habe und diese von Seiten der belangten Behörde verabsäumt worden sei, geht ebenso ins Leere. Wie bereits festgehalten, wurde die BF bereits unmittelbar bei Ihrer Festnahme nachweislich davon in Kenntnis gesetzt, dass ihre Abschiebung in die Türkei für den 10.04.2023 terminisiert ist. Mit dieser schriftlichen Verständigung – verfasst auch in der Sprache Türkisch – wurde die BF zudem vom Zeitpunkt ihrer planmäßigen Ankunft in der Türkei (Anmerkung: 14:00 Uhr) informiert.

 

Zu der weiters unter Punkt 2. in der gegenständlichen Beschwerdeschrift beinhalteten Vorhaltung, dass der BF während der Dauer ihrer Anhaltung im Stande der Festnahme im PAZ WIEN eine telefonische Kontaktaufnahme mit ihren Verwandten verwehrt worden sei, wird von Seiten der belangten Behörde festgehalten, dass der BF am 09.04.2023 um 11:10 Uhr ein Telefongespräch mit ihrem Ehegatten sowie am 09.04.2023, um 13:28 Uhr, ein Telefongespräch mit ihrer Rechtsanwältin, jeweils mittels eines Diensttelefones des PAZ WIEN ermöglicht wurde. Vergleiche dazu die Einträge in der Anhaltedatei- Vollzugsverwaltung.“

Die Verwaltungsbehörde stellte schließlich die Anträge, die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

 

Mit Bescheid der Verwaltungsbehörde vom 05.03.2020 wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin (BF) vom 05.02.2020 bzgl. der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Zi. 2 iVm. § 2 Zi. 13 und § 6 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Zi. 13 AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise in der Dauer von 14 Tagen ab Rechtskaft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG wurde aufgetragen ab 05.02.2020 bis 05.03.2020 im folgenden Quartier Unterkunft zu nehmen: AIBE BS west 4880 Thalham 80. (Spruchpunkt VII.) (Bescheid des BFA EAST-West, ZI.: 1028789102/200138684, vom 05.03.2020).

 

Die von der BF gegen diesen Bescheid des BFA EAST-West vom 05.03.2020 eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.12.2022 in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde im elektronischen Rechtsverkehr am 16.02.2023 zugestellt (BVwG-Erkenntnis, ZI.: L510 2229986-1/21E, vom 06.12.2022; Protokoll ELAK ID: COO.3000.124.7.5368597).

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 19.01.2023, zugestellt am selben Tag, wurde der Bechwerde gegen die negative Asylentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.12.2022; ZI.: L510 2229986-1/21E, die aufschiebende Wirkung zuerkannt (VfGH, ZL: E 187/2023-5, vom 19.01.2023).

 

Infolgedessen wurde die am 18.01.2023 zum Zwecke der Abschiebung festgenommene Beschwerdeführerin am 19.01.2023 aus der damaligen Anhaltung entlassen (Anhaltedatei).

 

Mit Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, ZI. E 187/2023-12, v. 27.02.2023 wurde die Behandlung der gegen das (Asyl)Erkenntnis des BVwG vom 06.12.2022; ZI.: L510 2229986-1/21E; eingebrachten höchstgerichtlichen Beschwerde abgelehnt (Spruchpunkt I.). Die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten (Spruchpunkt II.)(VfGH-Beschluss; ZI. E 187/2023-12; v. 27.02.2023, zugestellt am 07.03.2023).

 

Nach neuerlicher Terminisierung der Abschiebung für den 10.04.2023 erließ die Verwaltungsbehörde am 28.03.2023 gem. § 34 Abs. 3 Ziffer 3 FPG einen weiteren Festnahmeauftrag. Begründend führte die Verwaltungsbehörde aus:

 

„Die im Betreff genannte Person ist gemäß § 34 Abs. 3 Ziffer 3 BFA-VG i.V.m. § 40Abs. 1 Ziffer 1 BFA-VG-zum Zwecke der Abschiebung festzunehmen.

(…)

Für die Erlassung des Festnahmeauftrags war maßgebend, dass das Asylverfahren rechtskräftig ist. Die Übersteilung (begleitete Abschiebung am Luftweg in die Türkei) ist für den 10.04.2023 geplant und es ist die Sicherung dieser Maßnahme zu gewährleisten“ (Festnahmeauftrag v. 28.03.2023).

 

Auf der Grundlage dieses Festnahmeauftrages wurde die Beschwerdeführerin am 08.04.2023, um 06:33 Uhr gemäß § 40 Abs. 1 Ziffer 1 BFA-VG festgenommen (Festnahmeauftrag v. 28.03.2023; Vollzugsbericht der LPD Vorarlberg, GZ: PAD/23/00671338/001/FW v. 08.04.2023; Anhaltedatei).

 

Die Beschwerdeführerin durfte ihre persönlichen Gegenstände und Medikamente mitnehmen und wurde danach ab 07:03 Uhr zur PI Bregenz überstellt. Um 07:10 Uhr wurde die Poolärztin Frau Dr. (…) verständigt, welche daraufhin auf der PI Bregenz die Haftfähigkeits- u. Transportfähigkeitsuntersuchung – beide positiv – durchführte (Vollzugsbericht der LPD Vorarlberg, GZ: PAD/23/00671338/001/FW v. 08.04.2023).

 

Der BF wurde von den einschreitenden Beamten der PI Bregenz unmittelbar mit dem Zeitpunkt der Festnahme nachweislich eine schriftliche Information (auch in Türkisch) des BFA EAST-West, datiert vom 28.03.2023, über die bevorstehende und für den 10.04.2023 terminisierte Abschiebung ausgefolgt (Vollzugsbericht der LPD Vorarlberg, GZ: PAD/23/00671338/001/FW v. 08.04.2023; von der Beschwerdeführerin eigenhändig unterfertigte Übernahmebestätigung).

 

Bei der Verwaltungsbehörde, Erstaufnahmestelle West (EAST West), ist ein „rund um die Uhr“ kontaktierbarer Journaldienst für Angelegenheiten „außerhalb der Amtsstunden“ eingerichtet (Festnahmeauftrag v. 28.03.2023 mit entsprechendem ausdrücklichen Hinweis).

 

Am Karsamstag, dem 08.04.2023, nahm die Rechtsvertretung mit eben diesem Journaldienst telefonischen Kontakt auf – das Gespräch nahm folgenden Verlauf – Hervorhebung durch den Einzelrichter:

 

„Am 08.04.2023 um ca. 07:40 wurde der Journaldienst der EASt-West von der PI Bregenz über die erflogreiche Festnahme bezüglich Abschiebung für den 10.04.2023 informiert. Um 07:50 wurde von der rechtsfreunldichen Vertretung Frau Mag. ISLEKOGLU Fatma die Behörde informiert, dass oa. Person gerne freiwillig ausreisen würde und diese Absicht bereits bei der BBU Rückkehrberatung hinterlegt wurde. Mag. ISLEKOGLU ersucht daraufhin um Auskunft, ob oa. Person selbständig heute ausreise kann um das Abschiebeprozedere zu umgehen? Auch würde die RA als Vertrauensperson fungieren und die Außerlandesbringung gewährleisten.

Sachverhalt wurde in weiterer Folge mit Leitung der EASt-West, Mag. (…) besprochen. Frau Mag. ISLEKOGLU wurde draufhin durch den Journaldienst in Kenntnis gesetzt, dass die Abschiebung nicht storniert wird, da bis dato keine Mitteilung bezüglich freiw. Ausreise seitens der BBU bei der Behörde eingelangt ist. Ebenso wurde der RA mitgeteilt, dass eine Vielzahl von Akteur*innen in diesen Prozess involviert sind und sich die Reisedokumente ebenfalls nicht im Besitz der EASt-West befinden“ (amtssignierter Aktenvermerk des diensthabenden Journaldienstbeamten v. 08.04.2023).

 

Um 8.25 Uhr übermittelte der am 08.04.2023 Dienst verrichtende Journaldienstbeamte diesen amtssignierten Aktenvermerk an das BFA EASt-West Fremdenteam, an (…) die BFA-EASt-West und an den BFA Journal EASt-West mit der Bemerkung „Liebe Kollegen, AV darf zur Info übermittelt werden (wurde im DEF Verfahren hochgeladen)“ (Email v. 08.04.2023, 8.25 Uhr).

 

Am Karsamstag, dem 08.04.2023, 16.05 Uhr, also außerhalb der Amtsstunden, übermittelte die Rechtsvertretung mit ausdrücklicher namentlicher Nennung der Beschwerdeführerin unter dem Betreff: „WG: EILT SEHR! BITTE GLEICH VORLEGEN. (…)/ Asylsache“ und mit der „Priorität Hoch“ der LPD Wien einen Schriftsatz, in welchem sie unter anderem um Übermittlung des Festnahmeauftrages ersuchte (Email v. 08.04.2023, 16.05 Uhr an LPD W AFA 1 PAZ Dienstführung RL LPD-W-AFA-l-PAZ-Dienstfuehrung-RL@polizei.gv.at ; Schriftsatz v. 08.04.2023).

 

Dieses Email der Rechtsvertretung (mitsamt des Schriftsatzes) leitete die Landespolizeidierektion Wien noch am selben Tag um 18.25 Uhr ebenfalls mit der „Priorität Hoch“ unter Anführung der Anlagen des Schriftsatzes der Rechtsvertretung und beider Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes – siehe oben – an die Verwaltungsbehörde, konkret an die EASt West, weiter (Email v. 08.04.2023, 16.05 Uhr an BFA EASt-West Einlaufstelle; *BFA EASt-West Fremdenteam).

 

Der im Akt aufliegende Schriftsatz der Rechtsvertretung enthält aber das behördliche Einlangensdatum 11.04.2023 (Eingangsstempel des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl EAST West v. 11.04.2023). Er enthält aber keinerlei Faxzeile über dieses Einlangungsdatum; auch ist der gesamten Aktenlage kein Briefkuvert zu entnehmen, welches einen entsprechenden Poststempel aufweist (Schriftsatz v. 08.04.2023).

 

Ebenso mit Schriftsatz vom 08.04.2023 wurde von der Beschwerdeführerin gegen die Festnahme und die darauf aufbauende Anhaltung Maßnahmenbeschwerde erhoben; diese Beschwerde wurde am 08.04.2023 beim Bundesverwaltungsgericht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht (Maßnahmenbeschwerde v. 08.04.2023; Deckblatt für ERV-Eingabe v. 08.04.2023).

 

In der Folge wurde die BF auch noch am 09.04.2023, um 12:00 Uhr, im PAZ WIEN Roßauer Lände, einer polizeiärztlichen Untersuchung unterzogen, und Haft- sowie vollkommene Flugtauglichkeit für den 10.04.2023 festgestellt (Polizeiamtsärztliches Gutachten v. 09.04.2023; Amtsbescheinigung des PAZ Rossauer Lände v. 09.04.2023).

 

Die Beschwerdeführerin hatte während der Anhaltung aufgrund der Festnahme die Möglichkeit, Kontakt mit Verwandten und der rechtsfreundlichen Vertretung zu halten.

 

So wurden der Beschwerdeführerin am 09.04.2023 am späten Vormittag und zur Mittagszeit Telefonate (vom Diensttelefon des PAZ aus) mit dem Ehemann und der Rechtsvertretung ermöglicht (Anhaltedatei – Eintragungen v. 09.04.2023, 11.10 Uhr und 13.28 Uhr)

 

Mit Schriftsatz vom Ostersonntag, dem 09.04.2023, eingebracht am selben Tag im elektronischen Rechtsverkehr, erhob die Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, stellte auch die Anträge, das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.12.2022, L510 2229986-1/21E wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 40 Abs 2 Z 1 VwGG, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG aufzuheben; einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stellte sie nicht (Revissionsschriftsatz v. 09.04.2023; Deckblatt für ERV-Eingabe v. 09.04.2023).

 

Die behördliche Abschiebung der BF erfolgte am Ostermontag, dem 10.04.2023, um 10:45 Uhr (Abflugzeitpunkt) via Wien-Schwechat am Luftweg, in Begleitung von drei Polizeibeamten der Einsatzgruppe für Sonderdienste, in den HKS Türkei, Zielflughafen Istanbul (Abschiebebericht der LPD Niederösterreich, GZ: 23/595465, vom 10.04.2023).

 

Am 11.04.2023, also einen Tag nach der Abschiebung, wurde der Rechtsvertretung sowohl der Festnahmeauftrag als auch die Information über die bevorstehende (!) Abschiebung übermittelt (Email v. 11.04.2023, 08.25 Uhr)

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus den angeführten Entscheidungsgrundlagen, im Besonderen aus den in Klammer einzeln aufgelisteten Dokumenten.

Zum Beschwerdeschriftsatz und zur Stellungnahme der Behörde im Einzelnen:

ad Übermittlung des Festnahmeauftrages:

Jedenfalls zutreffend und auch entscheidungsrelevant ist der Hinweis in der Beschwerde, mit Schriftsatz vom 08.04.2023 an die Verwaltungsbehörde um Übermittlung des Festnahmeauftrages herangetreten zu sein – der dargestellte Emailverkehr belegt dies eindeutig – und am Tage der Einbringung der Maßnahmenbescherde beim Bundesverwaltungsgericht noch keinen Festnahmeauftrag erhalten zu haben.

Die Verwaltungsbehörde geht in ihrer Stellungnahme auf diese Problematik mit keinem Wort ein.

Die Verwaltungsbehörde hatte auch offensichtlich ab dem 08.04.2023 Kenntnis von diesem Schriftsatz (mit dem Ersuchen um Übermittlung des Festnahmeauftrages), wie das von der LPD Wien an die BFA-EASt-West-Einlaufstelle und das BFA-EASt-West-Fremdenteam weitergeleitete Email am 08.04.2023 unzweifelhaft zeigt – zur rechtlichen Problematik von Anbringen außerhalb der Amtsstunden siehe rechtliche Beurteilung.

Dass aber auch während der Osterfeiertage an die Verwaltungsbehörde herangetreten werden kann, zeigt die Installierung des Journaldienstes der EAST West, mit welchem die Rechtsvertretung offensichtlich auch telefoniert hatte, wie unzweifelhaft der entsprechende im Akt aufliegende amtssignierte Aktenvermerk des diensthabenden Journaldienstbeamten v. 08.04.2023 belegt. Im Festnahmeauftrag wird ebenfalls auf einen „rund um die Uhr“ im Einsatz befindlichen Journaldienst für Angelegenheiten „außerhalb der Amtsstunden“ hingewiesen. Und offensichtlich funktioniert auch die allenfalls notwendige Kontaktaufnahme zwischen Journaldienstbeamten und Vorgesetztem, wie gleichfalls dem Aktenvermerk v. 08.04.2023 zu entnehmen ist.

Jedenfalls weist das gesamte von der Verwaltungsbehörde übermittelte, durchnummerierte Aktenkonvolut keinerlei Hinweise auf eine nach dem 08.04.2023 erfolgte Einbringung im Faxwege oder solche per Post auf.

Und dennoch: „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, wenn die Verwaltungsbehörde einen bei ihr am 08.04.2023 einlangenden Schriftsatz (mit dem Ersuchen um Übermittlung des Festnahmeauftrages) mit dem Eingangsstempel des 11.04.2023 versieht. Wahrscheinlich aber einfach nur ein Versehen oder das Ergebnis eines unrichtigen Rechtsverständnisses von § 13 Abs. 5 AVG in Relation zu § 34 Abs. 6 BFA-VG, welche Überlegungen in Richtung § 311 StGB obsolet erscheinen lassen; zu § 13 Abs. 5 AVG und § 34 Abs. 6 BFA-VG siehe auch noch rechtliche Beurteilung.

Sollte aber ein unbefangener redlicher Dritter die weitere Vorgangsweise der Behörde, am 11.04.2023, also am Tag nach (!) der Abschiebung, den Festnahmeauftrag zusammen mit der Information über die bevorstehende(!) Abschiebung zu übermitteln, gar als Schildbürgerstreich empfinden, wird man dieser Ansicht argumentativ nur schwer entgegentreten können.

ad Information über die bevorstehende Abschiebung:

Dem Beschwerdevorbringen, man habe die Schwägerin der Beschwerdeführerin falsch über den Abschiebetermin informiert, in dem man ihr die Auskunft gegeben habe, dass die Beschwerdeführerin am 11.04.2023 abgeschoben würde, ist irrelevant und weist die Rechtsvertretung zutreffend selbst in der Beschwerde auf folgenden rechtlich maßgeblichen Umstand hinweist:

„Die Beschwerdeführerin hat ein Recht auf richtige und vollständige Informationserteilung, insbesondere, wenn eine Ausnahmesituation vorliegt und es um lebenswichtige Informationen geht.“

Dieser Forderung trug die Verwaltungsbehörde auch insofern Rechnung, als die Beschwerdeführerin selbst anlässlich ihrer Festnahme am 08.04.2023 die Information über die am 10.04.2023 bevorstehende Abschiebung ausdrücklich in türkischer Sprache ausgehändigt erhielt und dies auch mit ihrer eigenhändigen Unterschrift bestätigte.

Insofern ist den zutreffenden Einwendungen der Verwaltungsbehörde nichts hinzuzufügen.

ad Vorwurf der Verletzung von Kontaktrechten:

Dieses Beschwerdevorbringen ist aktenwidrig, denn wurde der Beschwerdeführerin – wie unzweifelhaft der Anhaltedatei zu entnehmen ist – die Möglichkeit zu Telefonaten mittels Diensttelefonen (des PAZ) mit der Rechtsvertretung und der Verwandtschaft eingeräumt.

Für die Forderung, der Beschwerdeführerin darüber hinaus auch noch Telefonate mit einer erst noch zu erwerbenden Wertkarte zu ermöglichen, findet sich im Gesetz keine Grundlage. Die entsprechend weitwendigen Beschwerdeausführungen verfehlen daher das Thema.

Auch diesbezüglich bestätigt die Aktenlage vollends die Ansicht der Verwaltungsbehörde.

Der Vollständigkeit halber sei auch darauf hinzuweisen, dass sich auch das Beschwerdevorbringen in Richttung Reussieren gegen die erste im Jänner vorgenommene Festnahme als aktenwidrig darstellt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Beschwerde vollumfänglich abgewiesen – für den vorliegenden Fall kommt dieser Beschwerdeausführung aber ohnehin keine Bedeutung zu.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde als geklärt anzusehen war. In der Beschwerde finden sich auch keine Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Es waren daher keine Beweise aufzunehmen und konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Rechtliche Beurteilung:

Allgemein:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u. a. über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG (dazu gehören der Festnahmeauftrag gemäß § 34 BFA-VG und die Festnahme gemäß § 40 BFA-VG) und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (dazu gehört die Abschiebung nach § 46 FPG).

Nach § 3 Abs. 1 Z 1 und 3 BFA-G obliegt dem Bundesamt – und damit einer Bundesbehörde – die Vollziehung des BFA-VG sowie die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG). Diese Angelegenheiten werden demnach in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen. Die Durchführung einzelner vom BFA angeordneter bzw. diesem zuzurechnender Maßnahmen - etwa dem Festnahmeauftrag, aber auch der Anhaltungen nach § 40 BFA-VG - obliegt gemäß § 5 BFA-VG den Landespolizeidirektionen, in deren Sprengel sich der Fremde aufhält. Auch dabei handelt es sich um eine Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung.

Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

Nach § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).

Im gegenständlichen fall bildet daher § 22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 BFA-VG die formelle Grundlage.

Zu Spruchpunkt A) I. (Festnahme und Anhaltung am 08.04.2023):

Insofern im Beschwerdeschriftsatz zunächst beantragt wird, den Festnahmeauftrag des BFA vom 28.03.2023 für rechtswidrig zu erklären, ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof zu einer Festnahme (und Anhaltung), wecher ein Festnahmeauftrag nach § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG zu Grunde lag (vgl. § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG), ausgesprochen hat, dass die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten – die an den Festnahmeauftrag unmittelbar anschließende Anhaltung war mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar – nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025). Bei der Überprüfung der Festnahme ist allerdings zu prüfen, ob die Festnahme rechtswidrig war, weil der zugrundeliegende Festnahmeauftrag nicht hätte ergehen dürfen oder weil er jedenfalls vor seinem Vollzug zu widerrufen gewesen wäre (VwGH 25.10.2012, 2010/21/0378).

Da die Beschwerdeführerin die am 19.01.2023 vom Verfassungsgerichtshof erteilte aufschiebende Wirkung, welche auch zur Entlassung aus der ersten Anhaltung führte, als materielles Hindernis für die Erlassung des aktuellen Festnahmeauftrages und die darauf basierende Festnahme ins Treffen führte, stellt sich zunächst einmal § 85 Abs. 3 VfGG als erster relevanter Prüfstein dar:

§ 85 VfGG

(…)

(3) Beschlüsse gemäß Abs. 2 sind den Parteien zuzustellen. Wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt, ist der Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses aufzuschieben und sind die hiezu erforderlichen Anordnungen zu treffen; der durch das angefochtene Erkenntnis Berechtigte darf diese Berechtigung nicht ausüben.

Aus dem eindeutigen Wortlaut ohne die Notwendigkeit des Rückkgriffes auf weitere Interpretationshilfen ergibt sich bereits, dass sich die Wirkung nur auf das Beschwerdeverfahren (vor dem Verfassungsgerichtshof), nicht auf ein allfällig danach geführtes Revisionsverfahren (vor dem Verwaltungsgerichtshof) bezieht.

Der Verfassungsgerichtshof stellt dies auch auf seiner Homepage unter der Rubrik „service“, „FAQ (Häufige Fragen)“ im Rahmen der Beantwortung der Frage „Was bedeutet ‚Aufschiebende Wirkung bei einer Beschwerde?‘“ mit seinem letzten Antwortsatz klar – Hervorhebung durch den Einzelrichter:

Wird die „aufschiebende Wirkung“ zuerkannt, heißt das, dass die Entscheidung der Behörde (Bescheid), die Sie beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen, vorerst keine Wirkung hat.

Mit der Ablehnung und Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof endete somit die Wirkung des VfGH-Beschlusses, mit welchem der Verfassungsgerichtshofbeschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

Von einer Fortwirkung dieser Wirkung über das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hinaus kann also keine Rede sein.

Dieses eindeutig schon aus dem Wortlaut des § 85 Abs. 3 VfGG ableitbare Ergebnis findet auch in den damit korrespondierenden Bestimmungen des VwGG seine Bestätigung – Hervorhebungen durch den Einzelrichter:

§ 26 VwGG

(…)

 

4) Hat der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, so beginnt die Revisionsfrist mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes oder, wenn der Antrag auf Abtretung der Beschwerde erst nach dessen Zustellung gestellt wurde, mit der Zustellung des Beschlusses gemäß § 87 Abs. 3 VfGG.

 

§ 30 VwGG

(1) Die Revision hat keine aufschiebende Wirkung. Dasselbe gilt für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist.

(2) Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, (…)

 

Wie den angeführten Bestimmungen also unzweifelhaft zu entnehmen ist, prüft der Verwaltungsgerichtshof eine vom Verfassungsgerichtshof abgetretene Beschwerde nicht automatisch, sondern bedarf es einer eigenständigen Revisionserhebung innerhalb von sechs Wochen ab dem in § 26 Abs. 4 VwGG angeführten Zeitpunkt und kommt der so erhobenen Revision wiederum nicht automatisch aufschiebende Wirkung zu, sondern bedarf es hierfür einer eigenen Antragstellung – siehe § 30 Abs. 1 und Abs. 2 VwGG.

Zwar erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Revision an den Verwaltungsgerichtshof, stellte aber keinen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, sodass der Verwaltungsgerichtshof auch gar keine aufschiebende Wirkung zuerkennen konnte und eben auch nicht zuerkannte.

In diesem Zusammenhang möge nicht unerwähnt bleiben, dass der Verfassungsgerichtshof gerade im gegenständlichen Fall im Rahmen seines Abtretungsausspruches an den Verwaltungsgerichtshof (Spruchpunkt II. des VfGH-Beschluss; ZI. E 187/2023-12; v. 27.02.2023) ausdrücklich unter Bezugnahme auf seine eigene Judukatur, nämlich VfSIg. 19.867/20, auf die geänderte Rechtslage hinsichtlich der Systemänderung der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch den Verfassungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 hinwies:

 

VfGH v. 12.03.2014, E30/2014 (VfSIg. 19.867/20) – Hervorhebung durch den Einzelrichter:

„(…)

Durch die Zustellung des Abtretungsbeschlusses wird vielmehr lediglich der (erneute) Lauf der Frist zur Einbringung der Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ausgelöst (vgl §26 Abs4 VwGG), worin sich die Wirkung der Abtretung durch den VfGH nunmehr auch erschöpft.

(…)“

Also keine darüber hinausgehende Wirkung der vom Verfassungsgerichtshof erteilten aufschiebenden Wirkung!

In diesem Sinne geht also die diesbezügliche rechtliche Rüge der Fortwirkung der vom Verfassungsgerichtshof eingeräumten Wirkung über das verfassungsgerichthöfliche Verfahren hinaus ins Leere und vermag keine Rechtswidrigkeit des Festnahmeauftrages und der darauf gestützten Festnahme aufzuzeigen.

Sohin war die Beschwerde, was die Festnahme und Anhaltung bis zum Ablauf des 08.04.2023 berifft, spruchgemäß abzuweisen.

Zu Spruchpunkt A) II. (Anhaltung vom 09.04.2023 – 10.04.2023)

 

Wie festgestellt, wurde dem bei der Verwaltungsbehörde eingerichteten Journaldienst am Karsamstag, dem 08.04.2023, der bei der LPD Wien (PAZ) eingebrachte Schriftsatz der Rechtsvertretung mit dem Ersuchen um Übermittlung des Festnahmeauftrages von der LPD Wien an die Verwaltungsbehörde (EAST West) weitergeleitet.

 

Damit stellt sich rechtlich die Frage, wie die Verwaltungsbehörde mit diesem Ansuchen weiter vorzugehen gehabt hätte:

 entweder Zuwartendürfen mit der Bearbeitung des Anbringens bis zum Beginn der offiziellen Amtsstunden am ersten Werktag nach Ostern, dem Dienstag, dem 11.04.2023 – § 13 Abs. 5 AVG;

 oder doch Verpflichtung zur Weiterleitung des festnahmeauftrages an die Rechtsvertretung außerhalb der offiziellen Amtsstunden, nämlich „sogleich oder binnen 24 Stunden“, also noch am Karsamstag, dem 08.04.2023 oder Karsonntag, dem 09.04.2023 – § 34 Abs. 6 BFA-VG.

 

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

 

§ 13 AVG

(1) AVG Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.

(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

(…)

(5) Die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

(…)

 

§ 1 BFA-VG

Dieses Bundesgesetz regelt die allgemeinen Bestimmungen, die für alle Fremden, die sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt), vor den Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, oder einem Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 vor dem Bundesverwaltungsgericht befinden, gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, und dem FPG bleiben davon unberührt.

 

§ 34. BFA-VG

( )

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,( )

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll

oder

( )

(6) In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen.

Es ist daher zunächst einmal das Verhältnis der Bestimmungen des AVG zu jenen des BFA-VG abzuklären.

Bereits der Wortlaut des § 1 BFA-VG mit der Regelung seines Anwendungsbereiches bringt klar zum Ausdruck, dass das BFA-VG mit seinen speziellen Verfahrensbestimmungen für Fremde, die sich in einem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde befinden Anwendungsvorrang vor den bloß allgemeinen Verfahrensregeln des AVG aufweist.

Noch deutlicher aber die Materialien dazu – 1803 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage - Vorblatt u. Erläuterungen – Hervorhebung durch den Einzelrichter:

„(…) Subsidiär soll naturgemäß auch für Verfahren vor dem Bundesamt das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) gelten.“

Unabhängig davon ist auch auf die parallel dazu zu Fristen im Schubhaftbereich entwickelte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen:

 

VfGH, E3843/2019, v. 08.06.2020:

„Aus der Anordnung in Art6 Abs1 letzter Satz PersFrSchG, dass die Entscheidung binnen einer Woche zu ergehen hat, erfließt auch die Verpflichtung des erkennenden Verwaltungsgerichtes, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, dass auch im Rahmen eines Verfahrens über die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid seine Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges gemäß §22a Abs3 BFA-VG möglichst bald, spätestens innerhalb einer Woche dem Beschwerdeführer (gegebenenfalls seinem Rechtsvertreter) und der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde zugeht.“

Mehr als deutlich brachte der Verfassungsgerichtshof damit zum Ausdrück, dass sich in Fragen des Freiheitsentzuges weder Behörden noch Gerichte auf die Anwendung der im AVG normierten Fristen-/Terminberechnungen zurückziehen können und für eine entsprechende interne Organisation zu sorgen haben.

Dieser letzteren Forderung des Verfassungsgerichtshofes entsprach und entspricht die Verwaltungsbehörde auch, indem sie einen Journaldienst einrichtete, mit dem auch gegenständlich offensichtlich Kontakt gehalten werden konnte, wie das von der Rechtsvertretung mit der Behörde am Karsamstag, dem 08.04.2023, geführte Telefonat zeigt.

Demnach bestand also die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, der Spezialnorm des § 34 Abs. 6 BFA-VG Rechnung tragend, der Rechtsvertretung den Festnahmeauftrag binnen längstens 24 Stunden (ab Ersuchen um Zustellung/Ausfolgung) zu übermitteln. Dass an dieser Verpflichtung – unabhängig von der Rechtsnatur des § 34 Abs. 6 BFA-VG als Spezialnorm – auch unter dem Aspekt des Rechtsschutzgedankens kein Zweifel besteht, bringen wiederum die Materialien (1803 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage - Vorblatt u. Erläuterungen) mehr als deutlich zum Ausdruck – Hervorhebung durch den Einzelrichter:

„Um dem Rechtsschutz dennoch in ausreichender Weise Genüge zu tun, ist der Festnahmeauftrag in diesen Fällen binnen 24 Stunden dem Fremden schriftlich zu bestätigen.“

 

Eine gerade ihrer Freiheit beraubte Person soll also möglichst bald, wenn nicht sofort, in die Lage versetzt werden, wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können.

 

Mit der Zusendung des Festnahmeauftrages erst einen Tag nach der Abschiebung, nämlich am 11.04.2023, wird gerade vor dem Hintergrund der organisatorischen Übermittlungsmöglichkeit während der Osterfeiertage dem gesetzlichen Auftrag in keinster Weise entsprochen.

 

Im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 34 Abs. 6 BFA-VG handelt es sich – wie zumeist in Haftangelegenheiten – um eine sogenannte Maximalfrist. Da die Verwaltungsbehörde keine organisatorischen Hindernisse wie plötzlich auftretenden übermäßigen Arbeitsanfall oder gar krankheitsbedingten Personalausfall etc. ins Treffen führte, welche sie daran gehindert hätte, den Festnahmeauftrag eher zu übermitteln, ist nicht ersichtlich, warum der Festnahmeauftrag nicht noch am selben Tag (08.04.2023) bis Mitternacht der Rechtsvertretung übermittelt werden hätte können.

 

Dies auch im Hinblick darauf, das der Journaldienstbeamte allenfalls vor einem selbständigen Handeln noch Rücksprache mit Dienstvorgesetzten etc. zu führen hätte und auch konnte, wie der Aktenvermerk über das mit der Rechtsvertretung am 08.04.2023 geführte Telefonat augenscheinlich zeigt:

 

„ (….) Sachverhalt wurde in weiterer Folge mit Leitung der EASt-West, Mag. (…) besprochen.“

 

In diesem Sinne hätte daher die Beschwerdeführerin/ihre Rechtsvertretung jedenfalls Anspruch auf Übermittlung des Festnahmeauftrages bis um Mitternacht des 08.04.2023 gehabt. Die Beschwerdeführerin wurde damit also um eine wichtige schriftliche Informationsquelle ihrer Festnahme und nachfolgenden Anhaltung gebracht.

 

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art 5 Abs. 2 EMRK und Art 4 Abs. 6 PersFrBVG – siehe etwa bereits!! VfGH v. 10.10.1994, B46/94, B85/94 – (unter Berufung auf die Lehre)

„ist es Zweck des Informationsrechtes, den Festgenommenen in die Lage zu versetzen, die Rechtmäßigkeit der Festnahme zu beurteilen und gegebenenfalls von seinem Recht auf Haftkontrolle Gebrauch zu machen (Frowein/Peukert, RZ 102 zu Art5 Abs2 EMRK)“.

 

Unabhängig von dem in diesem Sinne durch die rechtswidrige Vorenthaltung des Festnahmeauftrages jedenfalls in die Verfassungssphäre reichenden Mangel der Unterlassung einer entsprechenden adäquaten Information wäre auch – bloß einfachgesetzlich beurteilt – für die Verwaltungsbehörde nichts aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu gewinnen:

 

So hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon in seinem Erkenntnis vom 12.04.2005, Zl. 2003/01/0490, zu einer Parallelnorm des Verwaltungsstrafverfahrens eine Verletzung der entsprechend normierten Informationspflicht angenommen, weil der diesbezüglichen Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Festnahme keine adäquate Information zuteilwurde.

Auch besteht Übereinstimmung zwischen den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts in Bezug auf die rechtlichen Konsequenzen einer derartigen Informationsverletzung, sieht doch beispielsweise der Verfassungsgerichtshof (gleichermaßen wie der Verwaltungsgerichtshof) in der Verletzung der Informationspflicht einen „Verstoß gegen die festgelegten Erfordernisse der Festnahme bzw. Anhaltung“ (VfGH v. 10.10.1994, B46/94, B85/94), sodass sich die gegenständliche Festnahme und damit verbunden die anschließende Anhaltung unter dem Aspekt einer adäquaten Informationsverpflichtung als nicht rechtmäßig darstellt.

 

Ausdrücklich verwarf der Verfassungsgerichtshof in diesem letztgenannten Erkenntnis die vonseiten der (damals) belangten Behörde (im Rahmen ihrer Gegenschrift) vertretene Rechtsansicht

 

„daß eine Verletzung des Art5 Abs2 EMRK nicht durch die angefochtenen Bescheide erfolgt sein konnte, weil die Anhaltung in Schubhaft ‚ungeachtet der Verletzung der Informationsrechte der Bf notwendig war“,

 

indem er ausführte:

 

„Abgesehen von einer grundsätzlichen Verkennung der Schutzfunktion eines Grundrechtes wird dabei übersehen, daß die angefochtenen Bescheide das bezogene verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht (auch) dann verletzen, wenn sie eine Verletzung desselben durch die im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangte Verwaltungsbehörde nicht aufgreifen, es hier also unterlassen, eine erfolgte Verfassungsverletzung für rechtswidrig zu erklären (vgl. VfGH 7.3.1994, B115/93, 23.6.1994, B2019/93, 2.7.1994, B2233/93)."

 

Dementsprechend ging dann auch die im hiergerichtlichen Verfahren W117 2259976-2 im Rahmen einer Stellungnahme vertretene Ansicht der Verwaltungsbehörde

 

„Bezüglich der Festnahme ist anzumerken, dass der BF sehr wohl wusste, warum gegen den BF Maßnahmen ergriffen wurden. Immerhin täuschte der BF eine falsche Identität und Nationalität vor und gab schließlich diesen Umstand durch die Angaben zu der derzeitigen Verfahrensidentität zu.“

 

ins Leere.

 

Damit würde eben einerseits nur die Verpflichtung der jeweiligen beschwerdeführenden Partei, sich selbst die Gründe für ihre Inhaftierung zusammenreimen zu müssen, und andererseits – infolgedessen – die Irrelevanz des verfassungs- und einfachgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Information zum Ausdruck gebracht werden.

Die Festnahmeanhaltung war daher ab dem 09.04.2023 bis zum Ende der Anhaltung am 10.04.2023 für rechtswidrig zu erklären.

Ein Eingehen auf den auch in der Beschwerde gestellten Antrag, die beabsichtigte Abschiebung am 08.04.2023 zu unterbrechen“ – gemeint wohl: der Maßnahmenbeschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen – erübrigte sich, da die Beschwerdeführerin am 10.04.2023 abgeschoben wurde.

Zu Spruchpunkt A) III. (Kosten):

 

In der Frage des Kostenanspruches ist § 35 Abs. 1 VwGVG die maßgebliche Norm:

(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(…)

Gegenständlich ist keine der beiden Verfahrensparteien als vollständig obsiegende Partei hervorgetreten – siehe Spruchpunkt I. und II. und steht diesbezüglich keiner der Parteien schon dem Grunde nach ein Ersatz ihrer jeweiligen Aufwendungen zu.

Zu Spruchpunkt B) (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen; abgesehen davon liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trotz entsprechenden „Fehlens einer Rechtsprechung des VwGH keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist“ (z.B. VwGH, Ra 2015/11/0008, v. 26.02.2015 u.a. unter Verweis auf VwGH, Ro 2014/07/0053, v. 28.05.2014).

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