Horizontale GAP-Verordnung §21 Abs1
MOG 2007 §6
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W113.2255256.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Katharina DAVID über die Beschwerde des XXXX , Betriebsnummer XXXX , gegen den Bescheid des Vorstandes des Geschäftsbereichs II der Agrarmarkt Austria vom 10.01.2022, Zahl II/4-DZ/21-19103382010, betreffend Direktzahlungen 2021, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei stellte am 10.06.2021 für das Antragsjahr 2021 einen Mehrfachantrag-Flächen (MFA), beantragte die Gewährung von Direktzahlungen und spezifizierte zu diesem Zweck in der Internet-Applikation INVEKOS-GIS eine Reihe von landwirtschaftlichen Nutzflächen.
2. Mit angefochtenem Bescheid des Vorstandes des Geschäftsbereichs II der Agrarmarkt Austria (in der Folge: belangte Behörde oder AMA) wurde der MFA als verspätet zurückgewiesen.
3. In der dagegen binnen offener Frist erhobenen Bescheidbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag aus familiären Gründen einen Tag verspätet eingebracht worden sei.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und führte im Zuge der Vorlage zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass die Nachfrist zur Einreichung von MFA am 09.06.2021 geendet habe, weiters habe die beschwerdeführende Partei keine Hinweise auf einen außergewöhnlichen Umstand oder einen Härtefall vorgebracht.
5. Dieses Vorlageschreiben wurde der beschwerdeführenden Partei mit hg. Schriftsatz vom 25.05.2022 zur Kenntnis gebracht und wurde eine Stellungnahmefrist von 2 Wochen eingeräumt. Der Schriftsatz wurde der beschwerdeführenden Partei am 13.06.2022 höchstpersönlich übergeben, eine Stellungnahme ist in der Folge nicht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die beschwerdeführende Partei hat den MFA für das Antragsjahr 2021 am 10.06.2021 bei der belangten Behörde eingereicht.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zum Datum der Einreichung ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und der Beschwerdeschrift.
Nähere Feststellungen zu den in der Beschwerdeschrift vorgebrachten „familiären Gründen“ konnten nicht getroffen werden, da die beschwerdeführende Partei die Möglichkeit, diese Gründe näher auszuführen, ungenutzt verstreichen ließ.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß § 1 AMA-Gesetz 1992, BGBl. I 1992/376 i.V.m. § 6 Marktordnungsgesetz 2021 (MOG 2021), BGBl. I 2007/55 erfolgt die Abwicklung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen durch die Agrarmarkt Austria (AMA) im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung.
Zu A)
3.2. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das Antragsjahr maßgeblichen Fassung:
Die Durchführungsverordnung (EU) 809/2014 der Kommission vom 17.07.2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Cross-Compliance, Abl. L 2014/227, 69 (im Folgenden VO (EU) 809/2014 ) lautet auszugsweise:
„Artikel 13
Termin für die Einreichung des Sammelantrags sowie der Beihilfe- und Zahlungsanträge
(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Termine für die Einreichung des Sammelantrags sowie der Beihilfe- und Zahlungsanträge fest. Dieser Termin darf nicht nach dem 15. Mai eines jeden Jahres liegen. Estland, Lettland, Litauen, Finnland und Schweden können einen späteren Termin festlegen, der aber nicht nach dem 15. Juni liegen darf.
Bei der Festsetzung dieser Termine ziehen die Mitgliedstaaten den für die Vorlage aller notwendigen Angaben zur ordnungsgemäßen Bearbeitung und Zahlung der Beihilfen und/oder Förderung benötigten Zeitraum in Betracht und stellen sicher, dass wirksame Kontrollen geplant werden.
(2) […]“
Die Delegierte Verordnung (EU) 640/2014 der Kommission vom 11.03.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem und die Bedingungen für die Ablehnung oder Rücknahme von Zahlungen sowie für Verwaltungssanktionen im Rahmen von Direktzahlungen, Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum und der Cross-Compliance, ABl L 2014/181, 48 (im Folgenden VO (EU) 640/2014 ) lautet auszugsweise:
„Artikel 12
Abweichung vom Einreichungstermin und vom Mitteilungstermin
Fällt einer der nachstehenden Termine auf einen Feiertag, einen Samstag oder einen Sonntag, so gilt abweichend von Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates, dass dieser Termin auf den ersten darauf folgenden Arbeitstag fällt:
a) der Endtermin für die Einreichung eines Beihilfe-, Stützungs- oder Zahlungsantrags oder sonstiger Erklärungen oder von Belegen oder Verträgen oder der Termin für Änderungen des Sammelantrags oder des Zahlungsantrags;
b) der letztmögliche Termin für eine verspätete Einreichung gemäß Artikel 13 Absatz 1 Unterabsatz 3 und der letztmögliche Termin für eine verspätete Einreichung der Anträge von Begünstigten auf Zuweisung oder Erhöhung von Zahlungsansprüchen gemäß Artikel 14 Absatz 2;
[…]
Artikel 13
Verspätete Einreichung
(1) Außer in Fällen höherer Gewalt und außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Artikel 4 wird bei Einreichung eines Beihilfe- oder Zahlungsantrags gemäß vorliegender Verordnung nach dem von der Kommission auf der Grundlage von Artikel 78 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 festgelegten Termin für solche Anträge der Betrag, auf den der Begünstigte bei fristgerechter Einreichung des Antrags Anspruch gehabt hätte, um 1 % je Arbeitstag gekürzt.
Unbeschadet der besonderen Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Notwendigkeit ergreifen, dass Belege rechtzeitig vorgelegt werden müssen, um wirksame Kontrollen planen und durchführen zu können, gilt Unterabsatz 1 auch für Stützungsanträge, Unterlagen, Verträge oder sonstige Erklärungen, die der zuständigen Behörde vorzulegen sind, sofern diese Stützungsanträge, Unterlagen, Verträge oder Erklärungen anspruchsbegründend für die Gewährung der betreffenden Beihilfe sind. In diesem Fall wird die Kürzung auf den betreffenden Beihilfe- oder Stützungsbetrag angewandt.
Beträgt die Fristüberschreitung mehr als 25 Kalendertage, so wird der Antrag als unzulässig angesehen und dem Begünstigten keine Beihilfe oder Stützung gewährt.
[…]“
Die Verordnung mit horizontalen Regeln für den Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik (Horizontale GAP-Verordnung), BGBl II 2015/100, lautet auszugsweise:
„3. Abschnitt
Antragstellung
Einreichung
§ 21. (1) Der Sammelantrag (Mehrfachantrag-Flächen) gemäß Art. 11 der delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 ist bis spätestens 15. Mai des jeweiligen Antragsjahres ausschließlich gemäß § 3 Abs. 1 einzureichen. Änderungen gemäß Art. 15 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 sind bis spätestens 31. Mai des jeweiligen Antragsjahres mitzuteilen.
[…]“
3.3. Rechtliche Würdigung:
Der MFA für das Antragsjahr 2021 wurde von der beschwerdeführenden Partei am 10.06.2021 eingereicht, nach Ansicht der belangten Behörde somit einen Tag nach Ende der Nachfrist.
Die Frist zur Einreichung des MFA 2021 endete gemäß § 21 Abs. 1 Horizontale GAP-Verordnung am Samstag, den 15.05.2021. Gemäß Art. 12 lit. a VO (EU) 640/2014 fällt der Endtermin für die Einreichung eines Beihilfenantrags somit auf den ersten darauf folgenden Arbeitstag, das war Montag, der 17.05.2021. Gemäß Art. 13 Abs. 1 leg.cit. wird bei verspäteten Einreichungen der Beihilfenbetrag um 1 % je Arbeitstag gekürzt. Gemäß Art. 13 UAbs. 3 leg.cit. wird der Antrag als unzulässig angesehen, wenn die Fristüberschreitung mehr als 25 Kalendertage beträgt. Der 25. Kalendertag nach dem 17.05.2021 war Freitag, der 11.06.2021.
Der am 10.06.2021 eingebrachte MFA stellt sich nach richtiger Berechnungsmethode somit als rechtzeitig eingebracht dar und wird sich die Behörde bei neuerlicher Behandlung des Antrags nicht auf den Zurückweisungsgrund der Verspätung berufen können.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand. Letztlich handelte es sich um die Beurteilung reiner Rechtsfragen, die auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofes keiner Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfen (VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117); vgl. dazu mwN auch Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014/6, 523.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es liegt auch dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
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