BVwG W108 2209285-1

BVwGW108 2209285-110.3.2020

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W108.2209285.1.00

 

Spruch:

W108 2209285-1/21E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Syrien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2018, Zl. 1205577508-180851030/BMI-BFA_WIEN_AST_04, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

 

A)

 

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:

 

1. Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige und Zugehörige der Volksgruppe der Araber, stellte am 07.09.2018 den Antrag, ihr internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 (AsylG) zu gewähren (in der Folge auch Asylantrag).

 

Die Beschwerdeführerin gab im Zuge der Erstbefragung an, im August 2018 illegal aus Syrien ausgereist zu sein. Ihre Familie habe den Ort XXXX in Ostsyrien (in der Folge Ort A.) vor ca. 4 Monaten verlassen, weil sie dort vom IS bedroht worden sei. Zunächst sei sie mit ihrer Familie nach XXXX in Nordsyrien (in der Folge Ort B.) gegangen, dort hätten unbekannte Milizen gewollt, dass die Familie die Beschwerdeführerin aushändigt, ansonsten hätten sie die Beschwerdeführerin entführen wollen. Ihr Vater sei sogar mit dem Umbringen bedroht worden.

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) schilderte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes:

 

Sie sei syrische Staatsangehörige, Zugehörige der Volksgruppe der Araber, muslimisch-sunnitischen Glaubens und stamme aus dem Ort A.. Den derzeitigen Aufenthaltsort ihrer Eltern kenne sie nicht. Sie sei ledig, habe keine Kinder und lebe mit ihrem Cousin XXXX , geb. XXXX , der in Österreich als Flüchtling anerkannt worden sei, in einer Partnerschaft. Sie habe zwei Schwestern und einen Bruder, wobei eine Schwester noch in Syrien in der Stadt XXXX lebe. Die anderen beiden Geschwister seien mit den Eltern aus Syrien ausgereist und befänden sich auf der Flucht. Befragt nach den Fluchtgründen brachte die Beschwerdeführerin vor, dass in A. Krieg zwischen dem IS und der Regierung herrsche. Jede Gruppe wolle sich die Frauen nehmen und ihre Familie sei infolgedessen von A. in den Ort B. gereist. Dort seien jedoch auch Milizen gewesen, welche die Beschwerdeführerin hätten mitnehmen wollen. Sie hätten ihrem Vater gedroht. Sie hätte mit ihren Eltern und ihrer Schwester von B. in die Türkei flüchten wollen, aber an der Grenze habe die syrische Armee auf sie geschossen und ihre Schwester dabei getroffen. Die Beschwerdeführerin habe zurückgehen wollen, aber ihr Vater hätte ihr gesagt, sie solle weiter in Richtung Türkei gehen. Der IS und die Milizen würden die Mädchen vergewaltigen und das hätte für sie den Tod bedeutet. Weder sie noch ihre Familienangehörigen seien in Syrien persönlich bedroht worden oder politisch bzw. religiös tätig gewesen.

 

2. Mit dem nunmehr vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) ab, erkannte der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 13.10.2019 (Spruchpunkt III.).

 

Die belangte Behörde führte begründend aus, die Beschwerdeführerin habe mit ihrem Vorbringen, Syrien wegen des Krieges verlassen zu haben, keine Fluchtgründe gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) geltend gemacht. Sie habe nicht glaubhaft machen können, dass sie in Syrien asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. sie eine solche Verfolgung zukünftig zu befürchten hätte. Konkret dazu befragt, ob jemals eine persönliche Bedrohung stattgefunden hätte, habe die Beschwerdeführerin dies ausdrücklich verneint. Sie sei auch keiner staatlichen Verfolgung gegenübergestanden und auch nie in Haft gewesen. Daraus sei zu schließen, dass es sich um bloße Rückkehrbefürchtungen, jedoch um keine konkrete Verfolgung handle.

 

3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides (Versagung des Asylstatus) richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.

 

Die Beschwerdeführerin sei syrische Staatsangehörige und habe ihre Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch den IS und unbekannte bewaffnete Gruppen, sowie mangels der Fähigkeit des syrischen Regimes, sie vor Übergriffen - sowohl von privater als auch von staatlicher Seite - zu schützen, verlassen, weshalb sie Flüchtling im Sinne der GFK sei. Die Gründe für das Verlassen Syriens habe sie ausführlich dargelegt, die belangte Behörde habe ihr jedoch die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Die Art und Weise, in welcher die Behörde das getan habe, entspreche nicht den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht. Die Beschwerdeführerin habe mit ihrer Familie A. Richtung B. verlassen, weil sie vom IS mit Entführung und Vergewaltigung bedroht worden sei. Der IS habe durch Bekannte den Vater der Beschwerdeführerin aufgefordert, ihm seine Töchter zur Verfügung zu stellen, und habe ihm im Falle der Verweigerung auch mit dem Tod bedroht. Die Familie sei noch am selben Tag der Bedrohung ohne Hab und Gut von A. in Richtung B. geflüchtet, weil die Angst zu groß gewesen sei, dass die Töchter wie die drei Freundinnen der Beschwerdeführerin jederzeit vom IS entführt und vergewaltigt werden könnten. Die belangte Behörde habe in ihrer Entscheidung die persönliche Verfolgung der Beschwerdeführerin als Frau durch den IS in A. sowie durch die bewaffnete Gruppierung in B. nicht gewürdigt. Die Beschwerdeführerin habe sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme angegeben, Syrien aufgrund der direkten und persönlichen Bedrohung ihrer Person als auch ihrer Familie durch den IS und andere bewaffnete Gruppierung verlassen zu haben. In der Einvernahme habe die Beschwerdeführerin die ihr gestellte Frage, ob sie in Syrien persönlich verfolgt und bedroht worden sei, verneint. Dazu wolle die Beschwerdeführerin anmerken, dass der Dolmetscher die Frage anders formuliert und gefragt habe, ob die Beschwerdeführerin jemals persönlich vom Regime verfolgt und bedroht worden sei. Auf die Frage, was sie im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien befürchten würde, habe sie auch angegeben, dass sie Angst vor Entführung und Vergewaltigung habe, sowohl durch den IS als auch durch die bewaffnete Gruppierung, sowie durch das Regime. Die Beschwerdeführerin habe in der Einvernahme auch angegeben, dass die Familie keine Möglichkeit gehabt habe, innerhalb Syriens zum Beispiel nach Damaskus oder in andere Regimegebiete zu flüchten, da das Regime die Kontrolle habe und die Familie unter einem pauschalen Verdacht stehen würde, Anhänger des IS zu sein, weil sie aus dem Gebiet XXXX , Dorf A., stammen würden. Diese Angaben seien nicht protokolliert worden. Weiters brachte die Beschwerdeführerin vor, dass Frauen in Syrien ständiger Gewalt, Diskriminierung und starken Einschränkungen ihrer Rechte ausgesetzt seien. Vergewaltigungen seien weit verbreitet und würden sowohl von der Regierung und deren Verbündeten als Bestrafung oder Terrorisierung gegen Oppositionelle als auch vom IS eingesetzt werden. Sowohl an Checkpoints, die durch verschiedene bewaffnete Gruppierungen kontrolliert würden, als auch bei Hausdurchsuchungen durch Sicherheitskräfte komme es zu Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen. Frauen seien somit in Syrien schweren geschlechterspezifischen Verfolgungs- und Unterdrückungsmaßnahmen ausgesetzt, die der Verfolgung einer sozialen Gruppe gleichkomme.

 

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

 

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache der Beschwerdeführerin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich die Beschwerdeführerin und Vertreter der belangten Behörde beteiligten.

 

Die Beschwerdeführerin sagte in der Beschwerdeverhandlung u.a. aus, dass ihre Familie nach der Flucht aus A. die syrisch-türkische Grenze zu Fuß habe überqueren wollen. Sie seien zu Fuß unterwegs gewesen, als auf sie geschossen worden sei, wobei die Schwester der Beschwerdeführerin getroffen worden sei. Die Eltern der Beschwerdeführerin seien ihr zu Hilfe geeilt, die Beschwerdeführerin sei jedoch weitergegangen. Seitdem habe sie nichts mehr von ihrer Familie gehört. Ob sich dieser Vorfall bereits auf türkischem Staatsgebiet ereignet habe, wisse sie nicht. Sie sei in Syrien einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt, weil ihre Familie während der Revolution an Demonstrationen gegen die syrische Regierung teilgenommen habe. Deshalb habe die syrische Regierung auch ihre Namen. Außerdem habe die Beschwerdeführerin mit ihrer Familie in A. gelebt, wo sich der IS befunden habe und daher hätte die syrische Regierung behauptet, sie seien Angehörige des IS. Die Beschwerdeführerin könne sich nicht ganz genau erinnern, wann sie an Demonstrationen teilgenommen hätte, die Demonstrationsteilnahmen hätten aber jedenfalls zu einem Zeitpunkt stattgefunden, zu dem die syrische Regierung noch dort gewesen sei. Die ganze Familie, außer die ältere Schwester der Beschwerdeführerin, habe mitgemacht. Die Beschwerdeführerin habe bei der Behörde nicht angegeben, dass sie an Demonstrationen gegen die syrische Regierung teilgenommen habe, weil ihr niemand die Frage gestellt habe. Bei der Einvernahme vor der belangten Behörde habe sie angegeben, dass sie verfolgt sei. Allerdings hätte sie verstanden, die Frage würde sich auf Umstände vor der Revolution und auf den Militärdienst beziehen. Zudem hätte sie damals das Wort "politisch" nicht verstanden und daher angegeben, dass sie bzw. die Familie sich in Syrien nicht politisch oder religiös betätigt habe. Sie habe viele Male, etwa fünf bis sechs Mal jede Woche, bei den Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen. Sie sei damals ca. 12 oder 13 Jahre alt gewesen, aber an das genaue Alter könne sie sich nicht erinnern. Sie sei sich sicher, dass die syrische Regierung ihre Namen habe und deshalb sei ihre Familie nicht zu den Orten gegangen, wo die syrische Regierung gewesen sei. Ihr Bruder XXXX hätte den Ort A. bereits vor der Flucht der Beschwerdeführerin verlassen, das sei zu jenem Zeitpunkt gewesen, als der IS in den Ort A. gekommen sei.

 

6. Am 25.09.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben der Beschwerdeführerin ein, dem der Bescheid der belangten Behörde vom 24.09.2019, Zl. 1205577508-180851030/BMI-BFA_WIEN_AST_01, mit dem Inhalt, dass die befristete Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 13.10.2021 erteilt wurde, beigefügt war.

 

7. Mit dem Schreiben vom 07.01.2020 gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie nun mit XXXX verheiratet und ihr gemeinsames Kind am XXXX in XXXX zur Welt gekommen sei. Zum Beweis dafür legte sie dem Schreiben ihre Heiratsurkunde und die Geburtsurkunde ihrer Tochter XXXX bei.

 

8. Mit dem Schreiben vom 17.01.2020 wiederum wurde bekannt gegeben, dass der Tochter der Beschwerdeführerin mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.01.2020, Zl. 1256253309-191309818/BMI-BFA_WIEN_AST_01, der Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG zuerkannt wurde.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Hinsichtlich der Lage in Syrien:

 

1.1.1. Sicherheitslage

 

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention des Iran in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden. Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt.

 

Am Beginn des Jahres 2019 sind noch drei größere Gebiete außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung: die Provinz Idlib und angrenzende Gebiete im Westen der Provinz Aleppo und Norden der Provinz Hama; die Gebiete im Norden und Osten Syriens, die unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) stehen; außerdem die Konfliktschutzzone (de-confliction zone) bei Tanf in Homs bzw. in der Nähe des Rukban Flüchtlingslagers.

 

Trotz weitreichender militärischer Erfolge des syrischen Regimes und seiner Unterstützer sind Teile Syriens noch immer von Kampfhandlungen betroffen, allen voran die Provinzen Idlib, Teile Aleppos, Raqqas und Deir ez-Zours.

 

Laut UNMAS (United Nations Mine Action Service) sind 43% der besiedelten Gebiete Syriens mit Mienen und Fundmunition kontaminiert. Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen mit derartigen Hinterlassenschaften des bewaffneten Konfliktes zum Beispiel im Osten der Stadt Aleppo, Ost-Ghouta und im Osten Hamas.

 

Der sogenannte Islamische Staat (IS) kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghuz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen "Syrian Democratic Forces" erobert. Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten. Schläferzellen des IS sind sowohl im Irak als auch in Syrien weiterhin aktiv. Gegenwärtig sollen im Untergrund mehr als 20.000 IS-Kämpfer auf eine Gelegenheit zur Rückkehr warten.

 

US-Präsident Donald Trump kündigte im Dezember 2018 an, alle 2.000 US-Soldaten aus Syrien abziehen zu wollen. Nachdem Trump Anfang Oktober 2019 erneut ankündigte, die US-amerikanischen Truppen aus der syrisch-türkischen Grenzregion abzuziehen, startete die Türkei am 9. Oktober 2019 eine Luft- und Bodenoffensive im Nordosten Syriens. Durch den Abzug der US-Streitkräfte aus Nordsyrien und die türkische Offensive und damit einhergehende Schwächung der kurdischen Sicherheitskräfte wird ein Wiedererstarken des IS befürchtet.

 

Die NGO Syrian Network for Human Rights (SNHR) versucht die Zahlen ziviler Todesopfer zu erfassen, für die einzelnen Monate des Jahres 2018 finden sich deren Daten in der unten befindlichen Grafik. Getötete Kämpfer werden in dem Bericht nicht berücksichtigt. Betont wird außerdem, dass die Organisation in vielen Fällen Vorkommnisse nicht dokumentieren konnte, besonders im Fall von "Massakern", bei denen Städte und Dörfer komplett abgeriegelt wurden. Die hohe Zahl solcher Berichte lässt darauf schließen, dass die eigentlichen Zahlen ziviler Opfer weit höher als die unten angegebenen sind.

 

Versöhnungsabkommen

 

Die sogenannten Versöhnungsabkommen sind Vereinbarungen, die ein Gebiet, das zuvor unter der Kontrolle einer oppositionellen Gruppierung stand, offiziell wieder unter die Kontrolle des Regimes bringen. Der Abschluss der sogenannten "Reconciliation Agreements" folgt in der Regel einem Muster, das mit realer Versöhnung wenig gemeinsam hat. Die Regierung bietet, meist nach schwerem Beschuss oder Belagerung, ein Versöhnungsabkommen an, das an verschiedene Bedingungen geknüpft ist. Diese Bedingungen unterscheiden sich von Abkommen zu Abkommen. Zivilisten bzw. Kämpfer können in den Gebieten bleiben oder jene, die sich nicht den Bedingungen der Vereinbarung unterwerfen wollen, können mit ihren Familien nach Idlib oder in andere von der Opposition kontrollierte Gebiete evakuiert werden. Die übrigen Personen können 6 Monate lang eine Amnestie nutzen und können sich in dieser Zeit stellen, um den Militärdienst abzuleisten. Die Wehrpflicht war bisher meist ein zentraler Bestandteil der Versöhnungsabkommen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt werden, sondern stattdessen bei der örtlichen Polizei eingesetzt werden, oder dass sich Personen verpflichten müssen, der Regierung z.B. für Spionage zur Verfügung zu stehen.

 

Im Rahmen von Versöhnungsvereinbarungen gemachte Garantien der Regierung, gegenüber Individuen oder Gemeinschaften, werden jedoch nicht eingehalten. Glaubhafte Berichte von Organisationen aus zuletzt zurückeroberten Gebieten wie Dara'a im südlichen Syrien und Ost-Ghouta nahe Damaskus sprechen von Verhaftungen sowie Zwangsrekrutierungen ehemaliger Oppositionskämpfer binnen kurzer Zeit. Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien oft zurückhaltend über die Situation in diesen Gebieten zu berichten.

 

Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien

 

Seit Mai 2018 hat sich die allgemeine Sicherheitslage in den von der Regierung kontrollierten Gebieten Syriens, darunter finden sich auch die wichtigsten Städte wie Lattakia, Homs, Hama, Tartous und Damaskus, deutlich verbessert. Im Allgemeinen kam es im Vergleich mit den Zahlen vor Juli 2018 zu einem signifikanten Rückgang der militärischen Auseinandersetzungen und der sicherheitsrelevanten Vorfälle in von der Regierung kontrollierten Gebieten. Die Situation bleibt in einigen Gegenden jedoch angespannt, wie im Osten der Provinz Lattakia, im Westen der Provinz Aleppo und im Norden der Provinz Hama. In Bezug auf die Art der sicherheitsrelevanten Vorfälle gibt es Berichte von Beschuss, bewaffneten Zusammenstößen, Entführungen sowie Explosionen von Kampfmittelresten.

 

Die Küstenregion wurde im Großen und Ganzen vom militärischen Konflikt verschont. Der Norden sieht sich gleichwohl mit einem gelegentlichen "Spillover" von Idlib aus konfrontiert. So gibt es aktuell im ländlichen Lattakia Auseinandersetzungen zwischen syrischer Armee und Rebellen. In den größeren Städten und deren Einzugsgebieten wie Damaskus und Homs stellt sich die Sicherheitslage als relativ stabil dar, auch wenn es immer wieder zu gezielten Anschlägen zumeist auf regierungsnahe Personen kommt.

 

Die Regierung besitzt nicht die nötigen Kapazitäten, um alle von ihr gehaltenen Gebiete auch tatsächlich zu kontrollieren. Daher greift die Regierung auf unterschiedliche Milizen zurück, um manche Gegenden und Checkpoints in Aleppo, Lattakia, Tartous, Hama, Homs und Deir ez-Zour zu kontrollieren. Es gibt auch Berichte, wonach es in einigen Gebieten zu Zusammenstößen sowohl zwischen den unterschiedlichen Pro-Regierungs-Milizen als auch zwischen diesen und Regierungstruppen gekommen ist.

 

In den ersten Monaten des Jahres 2018 erlebte Ost-Ghouta, nahe der Hauptstadt Damaskus, die heftigste Angriffswelle der Regierung seit Beginn des Bürgerkrieges. Mitte April 2018 wurde die Militäroffensive der syrischen Armee auf die Rebellenenklave von Seiten der russischen Behörden und der syrischen Streitkräfte für beendet erklärt. Ende Mai 2018 zogen sich die letzten Rebellen aus dem Großraum Damaskus zurück, wodurch die Hauptstadt und ihre Umgebung erstmals wieder in ihrer Gesamtheit unter der Kontrolle der Regierung standen. Seitdem hat sich die Sicherheitslage in Damaskus und Damaskus-Umland (Rif Dimashq) deutlich verbessert. Im Januar kam es zu zwei Bombenanschlägen in Damaskus Stadt. Einem in der Nähe eines Büros des Militärischen Nachrichtendienstes im Süden mit mehreren Todesopfern, und einem mittels einer Autobombe in der Nähe der russischen Botschaft mit Verletzten. Einer internationalen humanitären Organisation zufolge ist es weniger wahrscheinlich, dass Angriffe dieser Art in Damaskus (im Gegensatz zu anderen großen Städten) passieren, weil die Hauptstadt durch Sicherheitskräfte schwer bewacht ist.

 

Seit 2012 führte Israel dutzende Luftschläge auf syrischem Staatsgebiet durch, hauptsächlich auf Orte oder Konvois in der Nähe der libanesischen Grenze, die mit Waffenlieferungen an die Hizbollah in Verbindung stehen, bzw. generell auf iranische Ziele und Ziele mit dem Iran verbündeter Milizen. Es soll etwa ein bis zweimal im Monat zu Angriffen der israelischen Luftwaffe auf Ziele in der Provinz Damaskus kommen. Bis Ende Januar 2019 äußerte sich die israelische Armee nicht oder nur selten und erst nach einiger Zeit über Spekulationen zu Luftangriffen auf syrischem Staatsgebiet, für die die israelische Armee verantwortlich sein soll. Ende Januar berichteten die israelischen Streitkräfte beinahe zeitgleich über einen Angriff auf iranische Ziele in Syrien. Laut dem pensionierten Generalstabsschef der israelischen Streitkräfte Gadi Eisenkot hätte Israel sogar tausende Luftangriffe durchgeführt. Seit 2017 soll es nahezu täglich zu israelischen Angriffen kommen. Im Jahr 2018 wurden demnach 2.000 Bomben abgeworfen. Syrischen Staatsmedien zufolge wurden Anfang Juli 2019, bei israelischen Luftangriffen nahe der Hauptstadt Damaskus und in der Provinz Homs, vier Zivilisten getötet und 21 Personen verletzt.

 

Provinz Deir ez-Zour / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet

 

Zuletzt hielt der sogenannte Islamische Staat (IS) eine letzte Enklave entlang des Euphrat nahe der syrisch-irakischen Grenze. Die Kämpfer haben sich in die Wüstengebiete im südlichen (Provinz Suweida) und östlichen Syrien zurückgezogen. Es operieren weiterhin Schläferzellen auf syrischem Staatsgebiet. Ende September wurde z.B. in Raqqa eine dieser Zellen entdeckt, die eine Reihe von größeren Anschlägen in der Stadt plante.

 

Im September starteten die Syrian Democratic Forces (SDF) in der nahe an der syrisch-irakischen Grenze gelegenen Ortschaft Hajin eine Offensive gegen den IS. Mitte Oktober 2018 nutzte der IS schlechte Witterungsverhältnisse für einen Gegenangriff. Er konnte dabei größere Gebiete im Osten Syriens zwischenzeitlich wieder zurückerobern. Dies galt als schwerster Angriff der Islamisten seit Monaten. Auch Ende November 2018 führte der IS im Osten Syriens größere Angriffe durch. Einheiten der SDF unter kurdischer Führung begannen Anfang März des Jahres 2019 erneut den Angriff auf den Ort Baghuz, die letzte Bastion des IS. Sie hatten zuletzt die Angriffe auf den Ort eingestellt, damit Zivilisten diesen verlassen konnten.

 

Nach wochenlangen Kämpfen erklärten die SDF die Stadt Baghuz als vom IS befreit. Mit Baghuz ist die letzte Bastion der Terrormiliz gefallen. In den Wochen davor hatten bereits Tausende IS-Kämpfer aufgegeben und sich den SDF-Truppen gestellt. Gleichzeitig sind mehr als 70.000 Flüchtlinge aus dem IS-Gebiet in dem von Kurden kontrollierten Lager Al-Hol untergekommen, wo Hilfsorganisationen von einer dramatischen humanitären Lage berichten.

 

Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten und von denen nach wie vor eine Gefahr ausgeht.

 

Opposition/Zuschreibung einer oppositionellen Gesinnung

 

Bestimmte Personen werden aufgrund ihrer politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen oder ihnen wird auf andere Weise Schaden zugefügt. Aber die Konfliktparteien wenden Berichten zufolge breitere Auslegungen an, wen sie als der gegnerischen Seite zugehörig betrachten. Diese basieren z.B. auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt.

 

Eine sich verstärkende Besonderheit des Konflikts in Syrien ist der Umstand, dass - auch - die syrische Regierung als Konfliktpartei oftmals größeren Personengruppen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen bzw. ethnischen Gruppen sowie ganzen Städten, Dörfern und Wohngebieten, eine politische Meinung unterstellt. Die Annahme, dass eine Person eine bestimmte politische Meinung hat, oder eine bestimmte Konfliktpartei unterstützt, basiert oft nur auf wenig mehr als der physischen Anwesenheit dieser Person in einem bestimmten Gebiet oder ihrer Abstammung aus diesem Gebiet oder auf ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund oder ihrer Stammeszugehörigkeit.

 

a. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich regierungsfeindliche Ansichten haben

 

Personen, die tatsächlich oder vermeintlich regierungsfeindliche Ansichten haben

 

Einwohner Syriens, die tatsächlich oder vermeintlich regierungskritische politische Ansichten im weitesten Sinne haben, sind als Personen anzusehen, die gefährdet sind durch die Regierung verfolgt zu werden. Es liegen schon seit längerem Berichte darüber vor, dass die syrische Regierung politischen Dissens durch Einschüchterung, Überwachung und Inhaftierung von politischen Aktivisten, Journalisten, Schriftstellern und Intellektuellen unterdrückt. Auf die im März 2011 aufkommenden Protestbewegungen und die sich anschließenden bewaffneten Aufstände, reagierten die Regierung und regierungsfreundliche Kräfte, wie aus Berichten hervorgeht, mit massiver Unterdrückung und Gewalt. Die Regierung wendet, wie berichtet wird, bei der Beurteilung von politischem Dissens sehr breite Kriterien an: jegliche Kritik, Opposition oder sogar unzureichende Loyalität der Regierung gegenüber, wie auch immer ausgedrückt - friedlich oder gewalttätig, organisiert oder spontan, im Rahmen einer politischen Partei, bewaffneten Gruppe oder individuell, virtuell im Internet oder im bewaffneten Konflikt - führte Berichten zufolge zu schweren Vergeltungsmaßnahmen für die betreffenden Personen. Es wurde berichtet, dass zahlreiche Protestteilnehmer, Aktivisten, Wehrdienstentzieher, Deserteure, Laienjournalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, willkürlich verhaftet, in incommunicado Haft genommen, gefoltert oder anderen Misshandlungen ausgesetzt, oder Opfer von extralegalen oder Massenhinrichtungen wurden. Gegen zahlreiche Personen wurden Berichten zufolge Strafverfahren gemäß dem Terrorbekämpfungsgesetz (Gesetz Nr. 19 vom 2. Juli 2012) durchgeführt. Das Gesetz sieht schwere Strafen - von langjährigen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe - für Personen vor, bei denen festgestellt wird, dass sie "terroristische" Handlungen begangen haben. "Terrorismus" ist vage und mit sehr weiten Begriffen in den Gesetzen definiert, die viel Raum für Strafverfolgung wegen zahlreicher unterschiedlicher Aktivitäten bieten, einschließlich Teilnahme an Protesten, Äußerungen in sozialen Medien, Bereitstellung humanitärer Hilfsdienste, Schmuggeln von Arzneimitteln und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Berichten ist zu entnehmen, dass die meisten Häftlinge nie förmlich angeklagt werden. Gegen tausende Zivilisten wurden Berichten zufolge von Strafgerichten, dem Antiterrorismus-Gericht in Damaskus und militärischen Feldgerichten Strafverfahren durchgeführt, die gegen die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren verstoßen. In der Regel gingen den Verfahren monatelange Untersuchungshaft in Einrichtungen der Sicherheitsdienste und erzwungene Geständnisse voraus. Es wird berichtet, dass die Strafen für jene Personen, die vor Gericht gestellt und verurteilt wurden, auch dann hart sind, wenn die fraglichen Aktivitäten selbst friedlich waren. Wie aus Berichten hervorgeht, überwacht die Regierung Korrespondenz, Online-Aktivitäten und politische Zusammenkünfte. Die Regierung hört Berichten zufolge mit Hilfe von entsprechender Ausrüstung Gespräche ab, installiert Spysoftware auf den Computern von Aktivisten, blockiert Textnachrichten und ortet Mobil- und Satellitentelefone. Aus Berichten geht hervor, dass die Online-Überwachung zu willkürlichen Verhaftungen, incommunicado Haft, Folter und Tötungen von zahlreichen politischen Dissidenten, Aktivisten, Laienjournalisten und anderen Personen geführt hat. Zahllose Personen wurden Berichten zufolge inhaftiert, nachdem sie über soziale Medien Fotos oder Videos, die regierungskritische Proteste oder Aufstände unterstützen, weitergeleitet, positiv bewertet oder kommentiert hatten. Wie berichtet wird, hackt die seit April 2011 bestehende so genannte Syrische Elektronische Armee mit stillschweigender Zustimmung der Regierung Websites und Seiten sozialer Medien von oppositionellen Gruppen, von bestimmten westlichen Medien und Menschenrechtsorganisationen und blockiert sie oder überflutet sie mit regierungsfreundlichen Inhalten. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden nach Ausbruch der regierungskritischen Proteste im März 2011 Syrer, die im Ausland an solchen Protesten teilnahmen, durch Mitarbeiter syrischer Botschaften und durch andere Personen, die mutmaßlich im Auftrag der syrischen Regierung handelten, kontrolliert, eingeschüchtert und teilweise körperlich angegriffen. Berichten zufolge wurden die in Syrien gebliebenen Angehörigen von syrischen Staatsangehörigen, die sich an Protesten oder damit verbundenen Aktivitäten im Ausland beteiligt hatten, Befragungen unterzogen, durch telefonische Anrufe, E-Mails und Facebook-Nachrichten bedroht, sie wurden verhaftet, misshandelt oder sogar getötet. In Deutschland wurden vier Mitarbeiter der syrischen Botschaft, die mutmaßlich Aktivitäten syrischer Oppositionsmitglieder überwachten, ausgewiesen. Wie berichtet wird, befürchten im Exil lebende Syrer von Landsleuten, die aus eigener Initiative oder als Informanten im Auftrag der syrischen Regierung handeln, überwacht, bedroht oder in sozialen Medien als "regierungsfeindlich" dargestellt zu werden.

 

b. (Arabische) Sunniten

 

(Arabische) Sunniten werden im Allgemeinen und insbesondere, wenn sie aus Gebieten stammen, die bekanntermaßen mit der Opposition sympathisieren oder unter der de facto Kontrolle bewaffneter oppositioneller Gruppen stehen, als regierungsfeindlich wahrgenommen. Aus diesem Grund waren ihre Wohngebiete von Beschießungen, Artilleriefeuer und Militärangriffen betroffen und von der Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Grundbedarfsgütern abgeschnitten. Darüber hinaus wurden Sunniten von Streitkräften der Regierung aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Verbindung mit sunnitischen Islamisten oder Salafisten bzw. ganz allgemein bewaffneten oppositionellen Gruppen willkürlich verhaftet, in Isolationshaft genommen, gefoltert und auf andere Weisen misshandelt sowie extralegal und standrechtlich hingerichtet. Der unabhängigen UN-Untersuchungskommission zufolge besteht "in von der Regierung kontrollierten Gebieten für sunnitische Männer aus Unruhegebieten das größte Risiko, an Kontrollstellen oder bei Hausdurchsuchungen inhaftiert zu werden, da sie als wahrscheinliche Sympathisanten oder Unterstützer von oppositionellen bewaffneten Gruppen gelten. Diese Gemeinschaft ist insbesondere in Hinblick auf Zwangsverschleppung, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen während Inhaftierungen gefährdet.

 

c. "regierungsfeindliche Gebiete"

 

Berichten ist zu entnehmen, dass die Regierung davon ausgeht, dass Zivilpersonen, die aus Gebieten stammen oder in Gebieten wohnen, in denen es zu Protesten der Bevölkerung kam und/oder in denen bewaffnete oppositionelle Gruppen in Erscheinung treten oder (zeitweise) die Kontrolle übernommen haben, generell Verbindungen zur bewaffneten Opposition haben. Diese Zivilpersonen werden daher von der Regierung als regierungsfeindlich angesehen. Dies gehört Berichten zufolge zu einer umfassenden Politik, Zivilisten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, ihrer Anwesenheit in einem Gebiet oder ihrer Herkunft aus einem Gebiet anzugreifen, das als regierungsfeindlich betrachtet wird und/oder von dem vermutet wird, dass es oppositionelle bewaffnete Gruppen unterstützt. Es wird berichtet, dass die Regierung versucht, die breite Unterstützung von oppositionellen bewaffneten Gruppen auszuhöhlen, indem sie Zivilisten für die tatsächliche oder vermeintliche Opposition zur Regierung bestraft und das Leben in Gebieten unter deren Kontrolle für Zivilisten unerträglich macht. Zivilisten in diesen Gebieten sind Berichten zufolge im Rahmen von Bodenoffensiven, Hausdurchsuchungen und an Kontrollstellen von unterschiedlichen Strafmaßnahmen durch Regierungskräfte und regierungsnahe Kräfte betroffen, darunter Inhaftierung, Folter, sexuelle Gewalt und extralegale Hinrichtungen. Darüber hinaus wurden, wie berichtet wird, Häuser und Geschäfte von Personen, die als gegnerisch gelten, bei militärischen Überfällen durch Regierungskräfte und regierungsnahe Kräfte geplündert und zerstört. Nachdem die Regierung über einige Teile des Landes die Kontrolle verloren hat, ist sie Berichten zufolge nun dazu übergegangen, die Zivilbevölkerung in diesen Gebieten unter ausgedehnten Artilleriebeschuss zu nehmen und mit Bombardierung aus der Luft zu überziehen. Diese gezielten Angriffe, darunter auf Krankenhäuser, Beerdigungsprozessionen, öffentliche Märkte, Brottransporte und Bäckereien, wurden als eine Taktik beschrieben, mit der die in Gebieten unter der Kontrolle regierungsfeindlicher bewaffneter Gruppen oder ISIS lebende Zivilbevölkerung bestraft und terrorisiert werden soll und ihre Lebensbedingungen unerträglich gemacht werden sollen. Es wurde berichtet, dass die Regierung zahlreiche Gebiete, die unter der Kontrolle der Opposition stehen, belagert hat und auf diese Weise systematisch Zivilpersonen von der Grundversorgung - z. B. mit Lebensmitteln und medizinischer Versorgung - abgeschnitten hat. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden Personen, die versuchten belagerte Gebiete zu verlassen um medizinische Hilfe aufzusuchen, verhaftet, von Heckenschützen ins Visier genommen oder am Verlassen gehindert. Personen, die Nahrungsmittel oder andere Grundversorgungsgüter in belagerte Gebiete transportierten oder versuchten, aus einem belagerten Gebiet zu fliehen, wurden Berichten zufolge drangsaliert, festgenommen, inhaftiert, gefoltert und getötet. Die gegen Gebiete unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen gerichtete Belagerungstaktik der Regierung zielt Berichten zufolge darauf ab, die Zivilbevölkerung in diesen Gebieten zu bestrafen, die Unterstützung der bewaffneten Regierungsgegner in der Bevölkerung zu unterbinden und Zivilisten und Kämpfer zum Aufgeben zu zwingen.

 

Es wird berichtet, dass Regierungskräfte im Rahmen von lokalen Waffenstillständen zunehmend auf die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus Gebieten zurückgreift, die zuvor unter der Kontrolle regierungsfeindlicher bewaffneter Gruppen gestanden haben, häufig nach langen Phasen der Belagerung und Bombardierungen der betroffenen Gemeinschaften. Die Vereinten Nationen und unabhängige Beobachter haben ihre Besorgnis darüber ausgedrückt, dass diese Maßnahmen Zwangsvertreibung von Zivilisten darstellen. Außerdem weisen regierungskritische Quellen und unabhängige Beobachter auf die konfessionelle Dimension derartiger erzwungener Umsiedlungen von (sunnitischen) Bevölkerungsteilen aus ehemals von der Opposition kontrollierten Gebieten hin, da es Berichten zufolge in mehreren Fällen Mitgliedern religiöser Minderheiten, die als loyal der Regierung gegenüber galten, gestattet wurde, sich in den frei gewordenen Gebieten niederzulassen. Die Regierung wies dies zurück. In den Gebieten, in denen die Regierung die Kontrolle wiedererlangt hat, nimmt sie Berichten zufolge zahlreiche Personen aufgrund der ihnen zugeschriebenen Unterstützung oder Sympathie für regierungsfeindliche bewaffnete Gruppen fest, insbesondere Männer sowie Jungen, die älter als zwölf Jahre alt sind.

 

d. Angehörige

 

Die tatsächlich oder vermeintlich oppositionellen Ansichten einer Person werden häufig auch Personen in ihrem Umfeld, wie Familienmitgliedern, Nachbarn und Kollegen zugeschrieben. Die Familienangehörigen (beispielsweise Ehegatten, Kinder, Geschwister, Eltern und auch entferntere Verwandt) von (tatsächlichen oder vermeintlichen) Protestteilnehmern, Aktivisten, Mitgliedern von Oppositionsparteien oder bewaffneten oppositionellen Gruppen, Überläufern und Wehrdienstentziehern und anderen Personen wurden Berichten zufolge willkürlich verhaftet, in incommunicado Haft genommen, gefoltert und in sonstiger Weise - einschließlich unter Anwendung sexueller Gewalt - misshandelt sowie auch willkürlich hingerichtet. Verläuft die Fahndung nach einem Regierungsgegner bzw. einer Person, die für einen Regierungsgegner gehalten wird, erfolglos, gehen die Sicherheitskräfte Berichten zufolge dazu über, die Familienangehörigen der betreffenden Person festzunehmen oder zu misshandeln. Dies geschieht entweder, um Vergeltung zu üben für die Aktivitäten bzw. den Loyalitätsbruch der gesuchten Person oder um Informationen über ihren Aufenthaltsort zu gewinnen und/oder mit der Absicht, die betreffende Person dazu zu bewegen, sich zu stellen bzw. die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu gestehen. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden weibliche Verwandte verhaftet und als "Tauschobjekte" für Gefangenenaustausch mit regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen verwendet. Darüber hinaus liegen Berichte vor, dass sogar Nachbarn, Kollegen und Freunde verfolgt wurden.

 

Aus Angst, selbst inhaftiert und misshandelt zu werden, sehen Familienmitglieder, wie Berichten zu entnehmen ist, häufig davon ab, nach dem Aufenthaltsort von verhafteten Familienmitgliedern zu forschen oder sich über die Verhaftung zu beklagen. Wie aus Berichten hervorgeht, sehen sie sich stattdessen gezwungen, korrupten Staatsbediensteten Schmiergelder zu bezahlen, um Informationen über den Aufenthaltsort eines inhaftierten Angehörigen zu erhalten, seine Verlagerung von einer Haftanstalt des Sicherheitsdienstes in die zentrale Haftanstalt zu veranlassen oder für seine Freilassung zu sorgen - dabei besteht für sie keine Erfolgsgarantie. Amnestien durch den Präsidenten haben, wie berichtet wird, auch Richtern die Möglichkeit eröffnet, Bestechungsgelder von Familien entgegen zu nehmen, die die Freilassung eines inhaftierten Familienmitglieds erreichen möchten. In besonders schwerwiegenden Fällen wurden Berichten zufolge ganze Familien von Oppositionsmitgliedern oder Überläufern verhaftet oder extralegal hingerichtet, beispielsweise bei Hausdurchsuchungen.

 

Aufgrund verfügbarer Herkunftslandinformationen reicht allein der Verdacht, dass eine Person regierungskritische Ansichten hat oder mit einer Person in Verbindung steht, die solche Ansichten hat, für die Verfolgung aus.

 

e. Personen, die im Ausland auf bestimmte Weise aktiv sind

 

Wie aus Berichten hervorgeht, betrachtet die Regierung bestimmte Aktivitäten von im Ausland lebenden Syrern als Ausdruck einer oppositionellen Einstellung, darunter Anträge auf Asyl, Teilnahme an regierungskritischen Protesten, Kontakte zu Oppositionsgruppen oder andere Ausdrucksformen der Kritik an der Regierung, einschließlich über soziale Medien.

 

Frauen

 

Die Situation von Frauen verschlechterte sich durch den andauernden Konflikt dramatisch. Da Frauen immer wieder Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden, zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben. Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt. Vor dem Konflikt nahmen 13% der Frauen am Arbeitsmarkt teil, verglichen mit 73% der Männer. Die Teilhabe sowohl von Männern als auch Frauen am Arbeitsmarkt hat durch Gewalt und Unsicherheit abgenommen. Zuletzt ist in einigen Gebieten, wie in Damaskus, Raqqa und Dara'a, die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt gezwungenermaßen wieder gestiegen, da viele Männer ihre Familien derzeit nicht unterstützen können.

 

Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Sie reichen von sexueller Versklavung und erdrückenden Kleidungsvorschriften in Gebieten unter Kontrolle von Extremisten einerseits, bis hin zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter Kontrolle der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind. In jenen oppositionellen Gebieten, welche von radikal-islamistischen Gruppen kontrolliert werden, sind Frauen besonders eingeschränkt. Es ist schwer für sie, für einfache Erledigungen das Haus zu verlassen. Die Situation hängt jedoch von der Region ab.

 

Extremistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) oder Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z.B. strikte Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt. Generell wird die Lage junger unverheirateter Frauen in Syrien allgemein, im Speziellen jedoch in den von radikal-islamistischen Gruppierungen kontrollierten Gebieten, als prekär bezeichnet.

 

Alleinstehende Frauen

 

Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt oder Schikane ausgesetzt, jedoch hängt dies von der sozialen Schicht und der Position der Frau bzw. ihrer Familie ab. Man kann die gesellschaftliche Akzeptanz von alleinstehenden Frauen aber in keinem Fall mit europäischen Standards vergleichen, und Frauen sind potentiell Belästigungen ausgesetzt. In Syrien ist es fast undenkbar als Frau alleine zu leben, da eine Frau ohne Familie keine gesellschaftlichen und sozialen Schutzmechanismen besitzt. Beispielsweise würde nach einer Scheidung eine Frau in den meisten Fällen wieder zurück zu ihrer Familie ziehen. Vor dem Konflikt war es für Frauen unter bestimmten Umständen möglich alleine zu leben, z.B. für berufstätige Frauen in urbanen Gebieten.

 

Der Zugang von alleinstehenden Frauen zu Dokumenten hängt von deren Bildungsgrad, individueller Situation und bisherigen Erfahrungen ab. Beispielsweise werden ältere Frauen, die immer zu Hause waren, mangels vorhandener Begleitperson und behördlicher Erfahrung nur schwer Zugang zu Dokumenten bekommen können. Die Wahrnehmung von alleinstehenden Frauen durch die Gesellschaft unterscheidet sich von Gebiet zu Gebiet. Damaskus-Stadt ist weniger konservativ als andere Gebiete und es wird von Frauen berichtet, die dort in der Vergangenheit alleine lebten. In konservativen Gegenden bekommen allein lebende Frauen jedoch "einen gewissen Ruf".

 

Der Wegfall des Ernährers im Zuge des Konflikts stellt viele Frauen vor das Problem ihre Familien versorgen zu müssen. So stieg die Anzahl der Haushalte mit weiblichen Vorständen im Zuge des Konflikts. Im Dezember 2017 hat das von Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) gestützte Syrian Salvation Government (SSG) in der Provinz Idlib eine Entscheidung verkündet, laut welcher alle Witwen in ihrem Kontrollgebiet mit einem Scharia-konformen männlichen Familienangehörigen wohnen müssen. Die Meldung warnt auch vor Bestrafung für "jeden, der sich nicht nach dieser Regelung richtet", es ist jedoch unklar wie die Entscheidung umgesetzt wurde.

 

Frauen in kurdisch kontrollierten Gebieten

 

Die Situation von kurdischen Frauen in den kurdischen Gebieten im Nordosten Syriens ist in Bezug auf Unabhängigkeit, Bewegungsfreiheit und die Vormundschaftsgesetze der selbsternannten Autonomieregierung besser. Frauen und Männer sind in der Regierung zu gleichen Teilen repräsentiert. Per Gesetz werden alle Regierungseinrichtugen von einem Mann und einer Frau gleichzeitig geleitet und die meisten staatlichen Behörden und Gremien müssen zwischen Männern und Frauen gleich besetzt sein, abgesehen von Einrichtungen, die nur für Frauen sind.

 

Frauen sind im politischen Leben der kurdischen Gebiete gut repräsentiert. Außerhalb der PYD geführten Strukturen haben sie allerdings nur eingeschränkte Autonomie.

 

Im November 2014 beschloss die Autonomieregierung ein Dekret, das die "Gleichheit zwischen Männern und Frauen in allen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens" vorsieht. Demnach haben Frauen in den Augen des Gesetzes den gleichen Status wie Männer, auch zum Beispiel bezüglich Scheidung und Erbrecht. Polygamie, Ehrenmorde, Zwangsehen, Ehen von Minderjährigen und andere Formen von Gewalt gegen Frauen wurden verboten. Frauenkomitees, Frauenhäuser und Frauenzentren wurden eingerichtet, um Frauen zu schützen und zu vertreten, in den Themen Politik, Wirtschaft, Kultur und Recht weiterzubilden, und ihnen die Möglichkeit zu geben über familiäre und soziale Probleme zu sprechen und Lösungen zu finden. Auch arabische und christliche Frauen nutzen die Zentren.

 

Die Emanzipation der Frauen in Nordsyrien ist ein laufender Prozess. Patriarchale Traditionen sind dort tief eingebettet und mit Religion verbunden. In Gebieten mit arabischer Mehrheitsbevölkerung, die konservativer sind und in denen tribale Strukturen noch stark verwurzelt sind, ist es schwerer für die kurdischen Behörden Gleichberechtigungsmaßnahmen ohne Widerstand durchzusetzen. So wurde beispielsweise in Kobane Polygamie verboten, von der lokalen Bevölkerung in Manbij gab es jedoch Widerstand durch lokale Stammesführer, was zu einer Ausnahme für Manbij von dieser Regelung führte.

 

Die zivile Verwaltung der kurdisch kontrollierten Provinzen im Norden des Landes, der sogenannten "Demokratischen Föderation Nordsyrien" (kurdisch Rojava) hat die Institution der Zivilehe eingeführt, die unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit der Nupturienten vor den zuständigen Behörden geschlossen werden kann. Ob eine in den kurdischen Gebieten geschlossene zivile Ehe vom syrischen Staat anerkannt wird, ist jedoch schwer zu beurteilen. Das syrische Familienrecht erkennt eine solche Ehe insbesondere dann nicht an, wenn sie einen Verstoß gegen das Ehehindernis aufgrund von unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten der Ehepartner darstellt.

 

Menschenrechtsverletzungen

 

Die syrische Regierung, ihre Streitkräfte und regierungsfreundliche Kräfte begehen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, wie Mord, Vernichtung, Folter, Vergewaltigung, Zwangsverschleppungen, Angriffe auf die Zivilbevölkerung und andere unmenschliche Akte. Im Zuge mehrerer großer Militäroperationen von Regierungs- und regierungsfreundlichen Truppen verübten diese Massenmorde, auch an Frauen und Kindern. Der fortgesetzte Konflikt führte zu einigen der abscheulichsten Bedingungen für Menschenrechte und humanitäre Lage weltweit, darunter Ermordungen, Folter, willkürliche Haft, Verschwindenlassen, Verweigerung des Zugangs zu Justiz, schwere Einschränkungen der Meinungsfreiheit und die Verfolgung von Frauen und Minderheiten. Kinder wurden ermordet, gefoltert und der Gewalt durch alle Parteien ausgesetzt. Es kommt auch zu frühen Zwangsheiraten von Mädchen. Die meisten Menschenrechtsverletzungen und Brüche des humanitären Gesetzes wurden systematisch von syrischen Regierungskräften und ihren verbündeten Gruppen begangen.

 

Der bewaffnete Konflikt in Syrien ist Berichten zufolge weiterhin von weit verbreiteten und systematischen Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts gekennzeichnet, die in einem Klima der Straflosigkeit stattfinden. Die Unabhängige UN-Untersuchungskommission zu Syrien und Menschenrechtsorganisationen haben syrische Regierungskräfte der Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt. Willkürliche und direkte Angriffe auf Zivilisten, Belagerungen und Verwehrung des Zugangs von humanitärer Hilfe sowie Angriffe auf medizinische Einrichtungen und Mitarbeiter haben sich Berichten zufolge als typisches Schema von Menschenrechtsverletzungen auf Seiten der syrischen Regierungskräfte erwiesen. Wie aus Berichten hervorgeht, haben syrische Regierungskräfte Waffen auf willkürliche Weise eingesetzt, darunter Artillerie, Luftangriffe, Fassbomben, Brandwaffen, Streumunition und chemische Waffen.

 

Aus den Berichten der unabhängigen UN-Untersuchungskommission und von Menschenrechtsorganisationen geht hervor, dass bewaffnete oppositionelle Gruppen Kriegsverbrechen in Form von Mord, Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren, Folter, Geiselnahme, Rekrutierung von Kindern und deren Einsatz für Kampfhandlungen und für andere Zwecke sowie Angriffe auf Mitarbeiter medizinischer und religiöser Einrichtungen, Journalisten und geschützte Objekte begehen. Von der Regierung kontrollierte Ortschaften, einschließlich solcher Gebiete, die von religiösen Minderheiten bewohnt werden, sind Berichten zufolge häufig Ziel willkürlicher Mörser-, Raketen- und USBV-Angriffe durch bewaffnete oppositionelle Gruppen. Diese bewaffneten oppositionellen Gruppen haben Berichten zufolge Zivilgebiete, die als regierungsnah angesehen werden, belagert oder zeitweise von der Wasser- und/oder Stromversorgung abgeschnitten.

 

Behandlung bei Rückkehr nach Syrien aus dem Ausland

 

Es liegen kaum konkrete Informationen über die Behandlung von Rückkehrern nach Syrien vor. Quellen zufolge werden Personen an der Grenzübergangsstelle (Landgrenze, Flughafen) bei ihrer Einreise untersucht, um festzustellen, ob sie im Zusammenhang mit sicherheitsbezogenen Vorfällen (wie Straftaten, tatsächliche oder vermeintliche regierungsfeindliche Aktivitäten oder Ansichten, Kontakte zu politischen Oppositionellen im Ausland, Einberufung etc.) gesucht werden. Personen, deren Profil irgendeinen Verdacht erregt, insbesondere aus den unter den Risikoprofilen unten beschriebenen Gründen, sind Berichten zufolge dem Risiko einer längeren incommunicado Haft und Folter ausgesetzt. Es wird berichtet, dass für Rückkehrer außerdem das Risiko besteht, inhaftiert zu werden, weil Familienmitglieder von den Behörden gesucht werden, weil sie ihren Militärdienst nicht geleistet haben, weil sie aus einem Gebiet stammen, das sich unter der Kontrolle der Opposition befindet, oder weil sie aufgrund ihrer konservativen Kleidung als religiös wahrgenommen werden. Andere werden, wie berichtet wird, ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und des Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt.

 

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) haben mehrere Fälle dokumentiert, in denen Syrer am Flughafen Damaskus oder an Landgrenzübergängen bei Ein- oder Ausreisen durch Sicherheitsdienste verhaftet und später gefoltert wurden und/oder gewaltsam verschwanden. Auch nach der ersten Einreise nach Syrien kann das Inhaftierungsrisiko weiterhin bestehen. Berichten der Unabhängigen UN-Untersuchungskommission zu Syrien zufolge wurde ein Syrer, der zwangsweise aus Jordanien nach Syrien zurückgewiesen wurde, an einer Kontrollstelle in einem ländlichen Gebiet des Gouvernements Homs verhaftet.

 

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen. Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar. Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert. Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen. Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird. Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden.

 

Den Berichten des UK Home Office ist zu entnehmen, dass die Asylantragstellung im Ausland als illoyaler Akt und als Zeichen oppositioneller Gesinnung gilt und dass bei (nach negativem Asylverfahren) nach Syrien zurückgeführten Personen die Gefahr der Inhaftierung/Misshandlung aufgrund einer ihnen unterstellten missliebigen politischen Gesinnung droht, sofern sie nicht (nach wie vor) als Unterstützer des Assad-Regimes betrachtet werden.

 

Quellen zufolge beinhaltet die Sicherheitsprüfung durch die Grenzbehörden am Flughafen Damaskus und an anderen Grenzübergangsstellen die Prüfung, ob ein Rückkehrer Syrien gesetzeswidrig verlassen hat.

 

Das syrische Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Asyl zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden.

 

Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland, auch deshalb, um oppositionelle Alternativen zum gegenwärtigen Regime zu unterbinden. Die Regierung überwacht Aktivitäten dieser Art im Ausland, auch in Österreich. Dass die syrische Regierung Kenntnis von solchen Aktivitäten hat, ist wahrscheinlich, und sie hat die Möglichkeit, ihr diesbezügliches Wissen zu nützen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergibt. Eine Überwachung von exilpolitischen Aktivitäten passiert hauptsächlich an Orten mit einer größeren syrischen Gemeinde, weil sich dort eher Informanten der Regierung befinden können. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen.

 

Die nach Syrien einreisenden Personen werden vom syrischen Militärgeheimdienst überprüft.

 

Neben dem Flughafen Damaskus gibt es auch einen internationalen Flughafen in Lattakiah.

 

Derzeit sind die syrischen Grenzübergänge zum Libanon offen, wobei laut Schweizer Flüchtlingshilfe der Libanon mit mutmaßlichem Auftrag von Syrien nur bestimmte syrische BürgerInnen und palästinensische Flüchtlinge über den Internationalen Flughafen Beirut in den Libanon für ihre Weiterreise nach Syrien einreisen lässt. Die libanesische Botschaft in Berlin erwähnt, dass syrische StaatsbürgerInnen bei Vorweisen eines gültigen Reisepasses kein Visum benötigen, verweist aber auf die Notwendigkeit je nach Reisezweck Unterlagen vorzulegen:

Es gibt eine Liste mit detaillierten Einreisebedingungen für den Libanon, welche die Frage offen lässt, ob/wie durchreisende Rückkehrer nach Syrien vom libanesischen Staat in dem Kategoriensystem eingeordnet würden - insbesondere in den Fällen, wo diese nie über den Libanon aus Syrien ausgereist waren, bzw. wo es keine legale Ausreise aus Syrien gab [Anm.: Das müsste im Einzelfall im Rahmen der Heimreisezertifikate geklärt werden.].

 

Der Grenzübergang Kessab an der türkischen Grenze wird nur fallweise von der Türkei geöffnet.

 

Alle anderen Grenzübergänge befinden sich nicht unter Regierungskontrolle.

 

Prinzipiell muss davon ausgegangen werden, dass jede Person, die nach Syrien zurückkehrt, verhaftet und misshandelt werden kann. In Istanbul kontaktierte syrische Aktivisten wiesen darauf hin, dass alles möglich ist. Die Willkür zeige sich auch darin, dass sich einzelne mit Bestechung freikaufen können. Ein syrischer Direktor einer NGO in Istanbul weist zudem darauf hin, dass abgewiesene Asylsuchende bei einer Einreise nach Syrien verhaftet und misshandelt werden. Seiner Meinung nach sind Aktivisten, Oppositionelle, Familienangehörige von Aktivisten und Männer, die aus der syrischen Armee desertiert sind, besonders gefährdet, bei ihrer Rückkehr verhaftet und misshandelt zu werden. Ein syrischer Journalist geht davon aus, dass syrische Männer unter 45, Sunniten und Personen, die aus Regionen kommen, die von der Opposition besetzt sind, am meisten gefährdet sind, verhaftet, erpresst oder getötet zu werden.

 

Das kanadische COI-Büro IRB hat eine ausführliche Beschreibung erstellt, wie die Einreise nach Syrien über den Flughafen von Damaskus erfolgt, und wie freiwillige und unfreiwillige Rückkehrer behandelt werden. In der Beschreibung des Prozederes befindet sich auch der Hinweis auf die Entscheidungsfreiheiten der dortigen Kontrolleure, wen sie aus welchen Gründen verhaften. Das Maß an Willkür sei groß und gleichzeitig gäbe es seit 2011 wenige Informationen über das Schicksal von Gefangenen.

 

Im Fall der Verhaftung und Folter eines von Australien unter Druck gesetzten Mannes, nach Syrien zurückzukehren, wird sein Herkunftsort sowie die Rückkehrhilfe als Hintergrund angesehen.

 

Neben Risikofaktoren wie beispielsweise eine Asylantragstellung (oder deren Vermutung durch die syrischen Behörden), Verwandtschaftsverbindungen oder Wehr- und Reservedienst kann auch die Herkunft eine Rolle spielen. Je mehr eine Gegend für aufständische Aktivitäten bekannt ist, desto größer sei das Risiko.

 

Das öffentliche australische Fernsehen berichtete im Oktober 2015 über den Fall eines Syrers aus einem besonders umkämpften Ort in Deraa, der unter australischer Begleitung bis zum Flughafen Amman nach Syrien zurückkehrte. Nach Ankunft in Damaskus sei er wegen seines Herkunftsortes und des Rückkehrgeldes gefoltert und 20 Tage lang festgehalten worden.

 

Im Juli 2018 zählte die syrische Bevölkerung geschätzte 19,5 Millionen Menschen.

 

Die Zahl der Binnenvertriebenen belief sich im September 2018 auf insgesamt 6,2 Millionen Menschen. 2018 sind insgesamt etwa 1,2 bis 1,4 Millionen IDPs in Syrien zurückgekehrt.

 

Mit März 2019 waren 5.681.093 Personen in den Nachbarländern Syriens und Nordafrika als syrische Flüchtlinge registriert. 2018 sind laut UNHCR insgesamt etwa 56.000 Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt.

 

Weder IDPs noch Flüchtlinge sind notwendigerweise in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt.

 

Wenn eine Person in ihre Heimat zurückkehren möchte, können viele unterschiedliche Faktoren die Rückkehrmöglichkeiten beeinflussen. Ethno-religiöse, wirtschaftliche und politische Aspekte spielen ebenso eine Rolle, wie Fragen des Wiederaufbaus und die Haltung der Regierung gegenüber Gemeinden, die der Opposition zugeneigt sind. Über die Zustände, in welche die Flüchtlinge zurückkehren und die Mechanismen des Rückkehrprozesses ist wenig bekannt. Da Präsident Assad die Kontrolle über große Gebiete wiedererlangt, sind immer weniger Informationen verfügbar und es herrschen weiterhin Zugangsbeschränkungen und Beschränkungen bei der Datenerhebung für UNHCR. Die Behandlung von Einreisenden ist stark vom Einzelfall abhängig, und über den genauen Kenntnisstand der syrischen Behörden gibt es keine gesicherten Kenntnisse.

 

Das Fehlen von vorhersehbarer und nachhaltiger physischer Sicherheit in Syrien ist der Hauptfaktor, der die Rückkehrvorhaben von Flüchtlingen negativ beeinflusst. Weiters werden das Fehlen einer adäquaten Unterkunft oder Wohnung oder fehlende Möglichkeiten den Lebensunterhalt zu sichern als wesentliche Hindernisse für die Rückkehr genannt. Als wichtiger Grund für eine Rückkehr wird der Wunsch nach Familienzusammenführung genannt. Rückkehrüberlegungen von syrischen Männern werden auch von ihrem Wehrdienststatus beeinflusst.

 

Bereits im Jahr 2017 haben die libanesischen Behörden trotz des Konfliktes und begründeter Furcht vor Verfolgung vermehrt die Rückkehr syrischer Flüchtlinge gefordert. Eine kleine Anzahl von Flüchtlingen ist im Rahmen lokaler Abkommen nach Syrien zurückgekehrt. Diese Rückkehrbewegungen werden nicht von UNHCR überwacht. Einige Flüchtlinge kehren aufgrund der harschen Politik der Regierung ihnen gegenüber und sich verschlechternden Bedingungen im Libanon nach Syrien zurück, und nicht weil sie der Meinung sind, dass Syrien sicher sei. Gemeinden im Libanon haben Tausende von Flüchtlingen in Massenausweisungen/Massenvertreibungen ohne Rechtsgrundlage oder ordnungsgemäßes Verfahren vertrieben. Zehntausende sind weiterhin der Gefahr einer Vertreibung ausgesetzt. Viele syrische Flüchtlinge kehren aufgrund der schlechten Bedingungen im Libanon und Jordanien nach Syrien zurück, und weil sie außerhalb Syriens keine Zukunft für sich sehen. UNHCR hat nur vereinzelt und für kurze Zeit Zugang zu Personen, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren, und kann auch keine ungestörten Interviews mit ihnen führen.

 

Flüchtlinge, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren möchten, müssen dies bei den lokalen Sicherheitsbehörden melden und diese leiten den Antrag an die syrischen Behörden weiter. Die syrischen Behörden überprüfen die Antragsteller. Anträge auf Rückkehr können von der Regierung auch abgelehnt werden. Der Anteil der Personen, denen die Rückkehr nicht gestattet wird, wird von den verschiedenen Quellen mit 5% , 10%, bis hin zu 30% angegeben. In vielen Fällen wird auch Binnenvertriebenen die Rückkehr in ihre Heimatgebiete nicht erlaubt.

 

Gründe für eine Ablehnung können (wahrgenommene) politische Aktivitäten gegen die Regierung bzw. Verbindungen zur Opposition oder die Nicht-Ableistung der Wehrpflicht sein. Personen, die von der syrischen Regierung gesucht werden, und darum die Genehmigung zur Rückkehr nicht erhalten, sind aufgefordert ihren Status zu "regularisieren", bevor sie zurückkehren können. In Jordanien gibt es für diese Regularisierung jedoch bisher keine Abläufe. Im Januar 2019 fanden erstmals organisierte Rückkehrbewegungen einer geringen Anzahl von syrischen Flüchtlingen aus Jordanien am syrisch-jordanischen Jaber-Nassib-Grenzübergang statt. Organisiert wurde die Rückkehr von einem zivilen Komitee, ohne Beteiligung der jordanischen Behörden und auch hier wurden die Namen der Antragsteller den syrischen Behörden zur Rückkehrgenehmigung übermittelt.

 

Der Sicherheitssektor kontrolliert den Rückkehrprozess in Syrien. Die Sicherheitsdienste institutionalisieren ein System der Selbstbeschuldigung und Informationsweitergabe über Dritte, um große Datenbanken mit Informationen über reale und wahrgenommene Bedrohungen aus der syrischen Bevölkerung aufzubauen. Um intern oder aus dem Ausland zurückzukehren, müssen Geflüchtete umfangreiche Formulare ausfüllen.

 

Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten Personen, die illegal ausgereist sind, "bei der Einreise gut zu behandeln". Einem syrischen General zufolge müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren möchten, in der entsprechenden syrischen Auslandsvertretung "Versöhnung" beantragen und unter anderem angeben wie und warum sie das Land verlassen haben und Angaben über Tätigkeiten in der Zeit des Auslandsaufenthaltes etc. machen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen dem General zufolge dort ein "Versöhnungsformular" ausfüllen.

 

Syrer benötigen in unterschiedlichen Lebensbereichen eine Sicherheitsfreigabe von den Behörden, so z.B. auch für die Eröffnung eines Geschäftes, eine Eheschließung und Organisation einer Hochzeitsfeier, um den Wohnsitz zu wechseln, für Wiederaufbautätigkeiten oder auch um eine Immobilie zu kaufen. Die Sicherheitsfreigabe kann auch Informationen enthalten, z.B. wo eine Person seit dem Verlassen des konkreten Gebietes aufhältig war. Der Genehmigungsprozess könnte sich einfacher gestalten für eine Person, die in Damaskus aufhältig war, wohingegen der Aufenthalt einer Person in Orten wie Deir ez-Zour zusätzliche Überprüfungen nach sich ziehen kann. Eine Person wird für die Sicherheitserklärung nach Familienmitgliedern, die von der Regierung gesucht werden, befragt, wobei nicht nur Mitglieder der Kern- sondern auch der Großfamilie eine Rolle spielen.

 

Für Personen aus bestimmten Gebieten Syriens erlaubt die Regierung die Wohnsitzänderung aktuell nicht. Wenn es darum geht, wer in seinen Heimatort zurückkehren kann, können einem Experten zufolge ethnisch-konfessionelle aber auch praktische Motive eine Rolle spielen. Genannt werden zum Beispiel Sayyida Zeinab - eine schiitisch dominierte Gegend, in welcher der Sayyida Zeinab Schrein gelegen ist - oder die christliche Stadt Ma'lula in Damaskus-Umland, in die Muslime nicht zurückkehren können. Ehemalige Bewohner von Homs müssen auch vier Jahre nach der Wiedereroberung durch die Regierung noch immer eine Sicherheitsüberprüfung bestehen, um in ihre Wohngebiete zurückkehren und ihre Häuser wieder aufbauen zu können. Syrer, die nach Syrien zurückkehren, können sich nicht an jedem Ort, der unter Regierungskontrolle steht, niederlassen. Die Begründung eines Wohnsitzes ist nur mit Bewilligung der Behörden möglich. Das syrische Innenministerium kündigte Anfang 2019 an, keine Sicherheitserklärung mehr als Voraussetzung für die Registrierung eines Mietvertrages bei Gemeinden zu verlangen, sondern Mieten werden dort registriert und die Daten an die Sicherheitsbehörden weitergeleitet, sodass die Sicherheitsbehörden nur im Nachhinein Einspruch erheben können. Abgesehen von Damaskus wurde dies bisher nicht umgesetzt. Außerhalb von Damaskus muss die Genehmigung nach wie vor eingeholt werden. Auch hinsichtlich Damaskus wurde berichtet, dass Syrer aus anderen Gebieten nicht erlaubt wurde, sich in Damaskus niederzulassen.

 

Eine Reihe von Vierteln in Damaskus bleiben teilweise oder vollständig geschlossen, selbst für Zivilisten, die die Wohnviertel nur kurz aufsuchen wollen, um nach ihren ehemaligen Häusern zu sehen.

 

Es ist wichtig, dass Rückkehrer in ihren Herkunftsort zurückkehren, weil sie dann auf ein soziales Netzwerk und/ oder ihren Stamm zurückgreifen können. Jenen, die aus dem Ausland in ein Gebiet ziehen, aus dem sie nicht stammen, fehlt ein solches Sicherheitsnetz.

 

Es ist schwierig Informationen über die Lage von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude der Rückkehrer, oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von Rückkehrern. Zudem wollen viele Flüchtlinge aus Angst vor Repressionen der Regierung nicht mehr mit Journalisten oder sogar mit Verwandten sprechen, nachdem sie nach Syrien zurückgekehrt sind. Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es wohl auch aufgrund deren geringen Zahl keine Angaben.

 

Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle wie einem Checkpoint von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Checkpoint-Personals oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter, riskieren. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt.

 

Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Checkpoint beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. In einem Ort, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, zu wohnen oder von dort zu stammen kann den Verdacht des Kontrollpersonals wecken.

 

Es wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Diese Berichte erscheinen laut deutschem Auswärtigem Amt glaubwürdig, können im Einzelfall aber nicht verifiziert werden.

 

Es muss davon ausgegangen werden, dass syrische Sicherheitsdienste in der Lage sind, exilpolitische Tätigkeiten auszuspähen und darüber zu berichten. Es gibt Berichte, dass syrische Sicherheitsdienste mit Drohungen gegenüber noch in Syrien lebenden Familienmitgliedern Druck auf in Deutschland lebende Verwandte ausüben. Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen. Der Sicherheitssektor nützt den Rückkehr- und Versöhnungsprozess, um, wie in der Vergangenheit, lokale Informanten zur Informationsgewinnung und Kontrolle der Bevölkerung zu institutionalisieren. Die Regierung weitet ihre Informationssammlung über alle Personen, die nach Syrien zurückkehren oder die dort verblieben sind, aus. Historisch wurden Informationen dieser Art benutzt, um Personen, die aus jedwedem Grund als Bedrohung für die Regierung gesehen werden, zu erpressen oder zu verhaften.

 

Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren. Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört - inklusive Geflüchteten, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrten, IDPs aus Gebieten, die von der Opposition kontrolliert wurden, und Personen, die in durch die Regierung wiedereroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung geschlossen haben. Sie wurden gezwungen Aussagen über Familienmitglieder zu machen und in manchen Fällen wurden sie gefoltert.

 

Daten der Vereinten Nationen weisen darauf hin, dass 14% von mehr als 17.000 befragten IDP- und Flüchtlingshaushalten, die im Jahr 2018 zurückgekehrt sind, während ihrer Rückkehr angehalten oder verhaftet wurden, 4% davon für über 24 Stunden. In der Gruppe der (ins Ausland) Geflüchteten wurden 19% verhaftet. Diese Zahlen beziehen sich spezifisch auf den Heimweg und nicht auf die Zeit nach der Rückkehr.

 

Syrische Flüchtlinge benötigen für die Heimreise üblicherweise die Zustimmung der Regierung und die Bereitschaft vollständige Angaben über ihr Verhältnis zur Opposition zu machen. In vielen Fällen hält die Regierung die im Rahmen der "Versöhnungsabkommen" vereinbarten Garantien nicht ein, und Rückkehrer sind Belästigungen oder Erpressungen durch die Sicherheitsbehörden oder auch Inhaftierung und Folter ausgesetzt, mit dem Ziel Informationen über die Aktivitäten der Flüchtlinge im Ausland zu erhalten. Laut UNHCR ist unter den in Syrien herrschenden Bedingungen eine freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde derzeit nicht möglich und UNHCR fördert oder unterstützt die Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien weiterhin nicht.

 

Laut UNHCR bestehen nachstehende Risikoprofile, die gegebenenfalls auch für Familienangehörige und sonstige Personen gelten, die Menschen mit diesen Risikoprofilen nahestehen:

 

1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, insbesondere, jedoch nicht ausschließlich Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Demonstranten, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; hochrangige Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Zivilpersonen, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Bezirken, Dörfern und Gemeinden leben.

 

2. Wehrdienstentzieher und Deserteure der Streitkräfte.

 

3. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich die Regierung unterstützen, insbesondere, jedoch nicht ausschließlich Regierungsbeamte und Mitglieder von Parteien, die der Regierung verbunden sind; tatsächliche und vermeintliche Mitglieder von Streitkräften der Regierung und Zivilbürger, von denen angenommen wird, dass sie mit Streitkräften der Regierung zusammenarbeiten; Zivilpersonen, die in vermeintlich regierungsnahen städtischen Bezirken, Dörfern und Gemeinden leben.

 

4. Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von ISIS sind und sich in Gebieten aufhalten, die de facto unter der Kontrolle oder dem Einfluss von ISIS stehen.

 

5. Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner bewaffneter oppositioneller Gruppen sind und sich in Gebieten aufhalten, die de facto unter der Kontrolle oder dem Einfluss dieser Gruppen stehen.

 

6. Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von PYD/YPG sind und sich in Gebieten aufhalten, in denen PYD/YPG de facto die Kontrolle ausüben.

 

7. Bestimmte Berufsgruppen, insbesondere Journalisten und andere in der Medienbranche tätige Personen sowie Bürgerjournalisten; Dozenten und Lehrer; Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige Personen; Menschenrechtsaktivisten; Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen; Künstler.

 

8. Mitglieder religiöser und ethnischer Minderheiten.

 

9. Personen, denen Verstöße gegen die Scharia vorgeworfen werden und die in Gebieten leben, die unter der Kontrolle oder dem Einfluss extremistisch-islamistischer bewaffneter Gruppen stehen.

 

10. Frauen und Mädchen mit bestimmten Profilen oder in besonderen Situationen, insbesondere Frauen ohne männlichen Schutz; Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt, Kinder- und Zwangsheirat, häuslicher Gewalt, Verbrechen zur Verteidigung der Familienehre ("Ehrendelikt") und Menschenhandel wurden oder bei denen ein entsprechendes Risiko besteht.

 

11. Kinder mit bestimmten Profilen oder in besonderen Situationen, insbesondere Kinder, die Zwangsrekrutierung als Kindersoldaten, sexueller und häuslicher Gewalt, Kinderarbeit, Menschenhandel und systematischer Verweigerung des Zugangs zu Bildungsangeboten zum Opfer fielen oder bei denen ein entsprechendes Risiko besteht.

 

12. Personen mit sexueller Orientierung und/oder geschlechtlicher Identität, die nicht den traditionellen Vorstellungen entsprechen.

 

13. Palästinensische Flüchtlinge.

 

1.1.2. Der von der Beschwerdeführerin vor der Ausreise bewohnte Ort A. (in der syrischen Provinz XXXX im Osten Syriens) wurde - wie auch das den Ort umgebende Gebiet - Schauplatz der Aufstandsbewegung, von Protesten und Demonstrationen gegen die syrische Regierung und wies eine starke Präsenz bewaffneter oppositioneller Gruppierungen bzw. Gegnern des Assad-Regimes auf. Auch die Terrormiliz IS eroberte den Ort. Das stark umkämpfte Gebiet war eine der Rebellenhochburgen und eine der letzten Bastionen des IS, weshalb es Ziel von massiven Angriffen und Vergeltungsaktionen der syrischen Armee (Regierung) wurde. Es ist davon auszugehen, dass der Ort A. und auch der gleichnamige Distrikt von der syrischen Regierung als "regimefeindlich" angesehen und der Opposition zugerechnet wird. Der Ort A. steht nun wieder unter der Kontrolle der syrischen Regierung bzw. werden Gebiete im Distrikt A. auch von kurdischen Milizen kontrolliert.

 

1.2. Hinsichtlich der Beschwerdeführerin

 

1.2.1. Die Beschwerdeführerin ist eine Staatsangehörige Syriens, Zugehörige der Volksgruppe der Araber und muslimisch-sunnitischen Glaubens. Sie ist im Entscheidungszeitpunkt 20 Jahre alt und stammt aus A., wo sie mit ihren Eltern und Geschwistern (zwei Schwestern und ein im Entscheidungszeitpunkte etwa 22 Jahre alter Bruder) lebte. Ihre ältere Schwester ist verheiratet und lebt schon lange in XXXX .

 

Bei der gesamten im Ort A. gelebt habenden Familie der Beschwerdeführerin handelt es sich um Gegner der syrischen Regierung, die sich während der Revolution als Familie geschlossen auch an den zahlreichen Demonstrationen gegen die syrische Regierung im Gebiet des Ortes A. beteiligt hat. Auch die Beschwerdeführerin ist eine Regimegegnerin und hat als Kind oft mit ihrer Familie an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen. Der syrischen Regierung ist bekannt, dass sich die Familie der Beschwerdeführerin an regimekritischen Demonstrationen beteiligt hat. Der Ort A. stand in der Folge nicht mehr unter der Kontrolle der syrischen Regierung, sondern wurde von Regierungsgegnern (der Freien Syrischen Armee) kontrolliert. Als der IS den Ort A. eroberte, flüchtete zunächst der Bruder der Beschwerdeführerin. In der Folge flüchteten auch die Beschwerdeführerin und ihre Eltern und ihrer Schwester wegen der Bedrohung durch den IS, insbesondere für Frauen, aus A. in den Ort B. in Nordsyrien. Im Ort B. blieb die Beschwerdeführerin mit ihrer Familie drei Monate lang. Da auch im Ort B. bewaffnete Gruppierungen präsent waren, die (Familien mit) Frauen bedrohten und Frauen mitnehmen wollten, wollte die Familie schlepperunterstützt in die Türkei flüchten. Beim Versuch, illegal zu Fuß die syrisch-türkische Grenze zu überqueren, wurde die Schwester der Beschwerdeführerin angeschossen und verletzt. Daraufhin blieben die Eltern der Beschwerdeführerin bei der Verletzten und die Beschwerdeführerin setzte als Einzige aus der flüchtenden Familie die Reise fort und folgte dem Schlepper. In der Folge gelangte die Beschwerdeführerin nach Österreich, wo sie den Antrag auf internationalen Schutz am 07.09.2018 stellte. Ihr wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig zuerkannt. Sie ist nicht straffällig geworden. Mittlerweile ist sie mit XXXX , dem in Österreich der Asylstatus zuerkannt wurde, verheiratet und hat mit diesem eine Tochter, geb. XXXX , der ebenfalls der Asylstatus zuerkannt wurde. Die Beschwerdeführer wäre in Syrien eine alleinstehende Frau ohne männlichen Schutz.

 

1.2.2. Die Beschwerdeführerin ist bedroht, in Syrien Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen und einer existenzbedrohenden Verfolgung zu werden, weil ihr von der syrischen Regierung eine politische Gegnerschaft (eine ablehnende/abweichende Haltung) zugeschrieben werden wird, sie wegen ihrer Familie im Wege der Sippenhaft in Anspruch genommen werden wird, sie als in Syrien alleinstehende Frau ohne (männliche) Familienangehörige schutzlos und in ihrer Lebensführung gravierend beeinträchtigt sein wird und weil sie Gefahr läuft, nicht mehr in ihren Herkunftsort A. zurückkehren zu dürfen.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, das bereits von der belangten Behörde zur Sachverhaltsfeststellung herangezogen wurde, sowie auch auf der Position des UNHCR "Erwägungen zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (Aktualisierung V)" vom November 2017, die laut Mitteilung des UNHCR vom Februar 2020 ("UNHCR-Empfehlungen zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien:

Fortgesetzte Anwendbarkeit der UNHCR-Position aus 2017") weiterhin gültig ist, auf der Information des UNHCR "illegale Ausreise" aus Syrien und verwandte Themen" vom Februar 2017 (deutsche Version April 2017), auf der Herkunftsländerinformationen des UK Home Office "Operational Guidance Note Syria; Country Information and Guidance", auf dem Bericht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl "Fact Finding Mission Report Syrien", auf dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe "Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion", auf dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die Lage in der Arabischen Republik Syrien sowie auf dem "Fact Sheet Syrien Nr. 72" des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement, die u. a. auch dem Länderinformationsblatt als Quellen zu Grunde liegen. Es handelt sich um Berichte anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der entscheidungswesentlichen Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit und der Aktualität der Angaben bzw. der Situationsdarstellung, insbesondere in Bezug auf die Situation der Frauen und die Verfolgung von als oppositionell angesehenen Personen durch die syrische Regierung, zu zweifeln. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes geht das syrische Regime seit 2012 in einer präzedenzlosen Verhaftungswelle gegen Oppositionelle und Gegner vor, hält diese Verhaftungswelle an und gefährdet auch Syrer außerhalb des Landes, unterliegen Personen, die unter dem Verdacht stehen, sich oppositionell zu engagieren, einem hohen Folterrisiko, ist die Gefahr körperlicher und seelischer Misshandlung, inklusive sexueller Gewalt, in den Verhöreinrichtungen der Sicherheitsdienste, besonders hoch und macht Folter in Syrien auch vor Kindern nicht halt. Die Parteien des Verfahrens traten diesen Quellen, welche in der Beschwerdeverhandlung erörtert wurden, nicht entgegen. Zudem stehen diese Sachverhaltsanahmen auch in Einklang mit den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

 

Die Feststellungen zum Ort A. ergeben sich aus den angeführten Länderberichten und den sich damit deckenden Angaben der Parteien in der Beschwerdeverhandlung. Daraus folgt, dass es in A. zu Protesten und Demonstrationen gegen die syrische Regierung kam und A. zeitweise von zur syrischen Regierung oppositionellen Gruppierungen, etwa von der Freien Syrischen Armee, und auch vom IS kontrolliert wurde. Das wurde auch von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung glaubwürdig dargetan. Im Lichte dieser Ausführungen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung der Beschwerdeführerin, dass ihr Herkunftsort A. und auch das umliegende Gebiet von der syrischen Regierung als "regimefeindlich" angesehenen werden, zu zweifeln. Auch aus den Feststellungen der belangten Behörde ergibt sich, dass ganze Städte, Dörfer oder Stadtteile dahingehend wahrgenommen werden, dass sie eine bestimmte politische Meinung oder Verbindung hätten, weswegen sie zum Ziel der Verfolgung/Vergeltung (durch die syrische Regierung) wurden/werden.

 

Hinsichtlich der aktuellen Machtverhältnisse in A. ist davon auszugehen, dass A. schließlich von der syrischen Armee Regierung (Ende des Jahres 2017) zurückerobert wurde. Dies führte auch die Beschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung glaubwürdig aus. Auch die im angefochtenen Bescheid eingefügte Karte über die Gebietskontrolle deutet darauf hin, dass der Ort A., der (zumindest überwiegend) südlich des Flusses Euphrat liegt, unter der Kontrolle der syrischen Regierung bzw. mit dieser kooperierender Milizen steht (dem entspricht auch die Darstellung der Gebietskontrolle im "Fact Sheet Syrien Nr. 72" des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement des Bundesheeres). Soweit der Behördenvertreter in der Beschwerdeverhandlung ausführte, A. stehe unter der Kontrolle kurdischer Milizen, ist dem insoweit zu folgen, als der im Distrikt A. gelegene und mit einer Brücke mit dem Ort A. verbundene Ort XXXX (Ort C.) nördlich des Flusses Euphrat von kurdischen Milizen vom IS zurückerobert wurde. Es kann jedenfalls nicht gesagt werden, dass die syrische Regierung auf dieses Gebiet aktuell keinen Zugriff hat oder nicht in der Lage wäre, dort aufhältige Oppositionelle - in Kooperation mit den kurdischen Machthabern - zu verfolgen. Denn die syrische Regierung erkennt die kurdische Enklave oder Wahlen, die in diesem Gebiet durchgeführt werden, nicht an. Im Zuge einer türkischen Militäroffensive, die im Oktober 2019 gestartet wurde, kam es zu einer Einigung zwischen der syrischen Regierung und den Kurden, da die kurdischen Sicherheitskräfte die syrische Zentralregierung um Unterstützung in der Verteidigung der kurdisch kontrollierten Gebiete baten. Die syrische Regierung ist daraufhin in mehrere Grenzstädte eingerückt (vgl. das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien).

 

Den Feststellungen zufolge können nach Syrien zurückkehrende Syrer sich nicht an jedem Ort unter Regierungskontrolle niederlassen und erlaubt die syrische Regierung (auch "bloß" vom IS) Vertriebenen die Rückkehr in ihre Heimatgebiete bzw. Herkunftsorte in vielen Fällen, etwa bei (wahrgenommenen) politischen Aktivitäten gegen die Regierung bzw. Verbindungen zur Opposition oder Nichtableistung der Wehrpflicht, nicht oder nur nach Sicherheitsprüfung und "Versöhnung" mit dem syrischen Regime. Dabei scheint für das syrische Regime die Herkunft aus einem bestimmten Gebiet bzw. der frühere Aufenthalt in einem bestimmen Gebiet (und die damit verbundene Zuschreibung einer politischen Gesinnung) von Bedeutung zu sein, zumal sich der Genehmigungsprozess für eine Person aus Damaskus einfacher gestaltet als für eine Person, die - wie die Beschwerdeführerin - aus der XXXX stammt. Überdies greift die syrische Regierung zunehmend auf die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus Gebieten zurück, die zuvor unter der Kontrolle regierungsfeindlicher bewaffneter Gruppen gestanden haben, häufig nach langen Phasen der Belagerung und Bombardierungen der betroffenen Gemeinschaften, und wird die ursprüngliche Bevölkerung aus solchen Gebieten auch nicht mehr in ihre Herkunftsgebiete zurückgelassen. Dies offenkundig deshalb, weil die syrische Regierung die ursprüngliche (sunnitische) Bevölkerung dem politischen Gegner zurechnet und eine "loyale Bevölkerung" wünscht. UNHCR bezeichnet dies als Zwangsvertreibung. Dies ist auch im Herkunftsort der Beschwerdeführerin A. der Fall: So ist Berichten zufolge auch früheren Bewohnern von A. die Rückkehr verboten. Die Bewohner, die während der Kämpfe gegen den IS fliehen mussten, leben in der Wüste und werden nicht zu ihren Häusern zurückgelassen (s. etwa XXXX ). Es ist daher nicht davon auszugehen, dass ein früherer (sunnitischer) Bewohner von A. aktuell wieder nach A. zurückkehren könnte, wenn er kein erklärter (bzw. "versöhnter") Anhänger des syrischen Regimes ist.

 

2.2. Zu den Feststellungen unter Punkt 1.2.:

 

2.2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und zu ihren Angehörigen, zu ihrem Fluchtgrund, zu Ereignissen vor der Ausreise sowie zu ihrer Bedrohungssituation im Falle einer Rückkehr ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus dem beigeschafften Strafregisterauszug, insbesondere jedoch aus den glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde und in der Beschwerdeverhandlung, gestützt vom glaubwürdigen persönlichen Eindruck, der im Zuge der durchgeführten Beschwerdeverhandlung von der Beschwerdeführerin gewonnen werden konnte.

 

Nach der Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichtes machte die Beschwerdeführerin im Verfahren jedenfalls im Umfang der Feststellungen glaubwürdige Angaben. Ihre Aussagen sind im wesentlichen Kern gleichbleibend, substantiiert und in sich stimmig. So legte die Beschwerdeführerin den ihre Familie betreffenden Sachverhalt, die Gründe für die Ausreise aus Syrien, die Geschehnisse in Syrien, etwa auch die Demonstrationsteilnahmen, und die ihr im Falle der Rückkehr drohenden Gefahren in der Beschwerdeverhandlung substantiiert und sehr anschaulich dar. Die Angaben der Beschwerdeführerin sind plausibel und werden in weiten Teilen durch die Herkunftsländerinformationen gestützt.

 

Es ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes glaubwürdig, dass, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, ihre gesamte Familie und die Beschwerdeführerin selbst gegen das syrische Regime eingestellt sind, was sie im Rahmen von Demonstrationen, zu denen die Beschwerdeführerin als Kind von ihrer Familie mitgenommen wurde, zum Ausdruck gebracht haben. Diesem Sachverhalt kann nicht zuletzt angesichts des ethnischen/religiösen Hintergrundes der Beschwerdeführerin und ihrer Familie (arabische Sunniten) und der Herkunft aus dem Ort A. bzw. aus dem Gebiet XXXX , wo im Zuge der Revolution in Syrien die arabisch-sunnitisch geprägte Zivilbevölkerung dieses Ortes bzw. Gebietes gegen das Regime aufbegehrte und demonstrierte (weshalb der Ort bzw. das Gebiet von der syrischen Regierung auch als "regimefeindlich" angesehen wird), nicht entgegengetreten werden. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren eine Haltung dargelegt, die Kritik am syrischen Regime und am syrischen Staatspräsidenten nimmt sowie auf die Einhaltung von Bürger- und Menschenrechten in Syrien abstellt, und es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine derartige - unter den Verhältnissen in Syrien als "politisch" bzw. (in Bezug auf die syrische Regierung) als "oppositionell" zu qualifizierende - "regimekritische" Anschauung bei ihr nicht tatsächlich bestehen sollte. Dass die Beschwerdeführerin bzw. ihre Familie eine Anhängerin/Unterstützerin der syrischen Regierung wäre, hat die belangte Behörde auch nicht festgestellt.

 

Glaubwürdig erscheint in diesem Zusammenhang auch die Angabe der Beschwerdeführerin, dass der syrischen Regierung die Familie der Beschwerdeführerin wegen ihrer Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen bekannt ist. Nach den Länderberichten/Feststellungen überwachte (bzw. überwacht) die syrische Regierung derartige Demonstrationen (selbst im Ausland) und ist es wahrscheinlich, dass die syrische Regierung Kenntnis von den Demonstrationsteilnehmern hat. Überdies hat die Beschwerdeführerin glaubhaft geschildert, ein Freund habe ihrem Vater erzählt, dass die "Namen [der Familie] bei der Regierung" seien.

 

Einzelne Unklarheiten und Abweichungen in den Aussagen beziehen sich auf Nebenbereiche und sind sichtlich auf Missverständnisse und auch auf das Alter der Beschwerdeführerin bzw. auf den Umstand zurückzuführen, dass die Beschwerdeführerin zu Vorgängen (so etwa ihre die Demonstrationsteilnahmen betreffend) aussagte, die sie als Kind im Alter von ca. 12 Jahren erlebt hat; dies wurde in der Beschwerdeverhandlung überzeugend dargetan bzw. ersichtlich. Es erscheint im Fall der Beschwerdeführerin auch glaubwürdig, dass sie ihre eigenen Demonstrationsteilnahmen und die ihrer Familie und auch den Umstand, dass es sich bei der gesamten Familie um Regimegegner handelt, im verwaltungsbehördlichen Verfahren deshalb nicht erwähnte, weil sie nicht konkret danach gefragt wurde, diesen Sachverhalt auch nicht unter "politische Betätigung", die die belangte Behörde in ihrer Einvernahme thematisierte, subsumierte und auch die asylrechtliche Relevanz dieses Sachverhaltes nicht erkannte. Die Beschwerdeführerin nahm in der Erstbefragung und in der Einvernahme sichtlich nur auf jene (letzten) Ereignisse in A. sowie in B. Bezug, die sie zur Flucht aus diesen Orten veranlassten (nämlich die Bedrohung durch den IS im Ort A. und jene durch andere bewaffnete Gruppierungen im Ort B.), sodass aus der Unvollständigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin im verwaltungsbehördlichen Verfahren im konkreten Fall nicht schlüssig auf die Unglaubwürdigkeit des später - substantiiert und stimmig - erstatteten Vorbringens geschlossen werden kann.

 

Es kann daher auch nicht erkannt werden, dass die Beschwerdeführerin in rechtsmissbräuchlicher Weise einen dem Neuerungsverbot unterliegenden Sachverhalt (etwa in Bezug auf die erst in der Beschwerdeverhandlung geschilderten Demonstrationsteilnahmen) vorgebracht hat.

 

In Bezug auf die Unklarheiten und Abweichungen im Vorbringen hinsichtlich der Ausreise der Beschwerdeführerin und jene ihres Bruders (in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab die Beschwerdeführerin zunächst an, ihr Bruder hätte mit ihren Eltern Syrien verlassen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erzählte sie, dass ihr Bruder vor den Eltern aus dem Heimatort A. geflohen wäre; in Bezug auf den illegalen Grenzübertritt an der syrisch-türkischen Grenze erzählte die Beschwerdeführerin in der Erstbefragung, ihre Schwester wäre von der türkischen Armee angeschossen worden, hingegen sagte sie bei der Einvernahme vor der belangten Behörde, dass die syrische Armee geschossen hätte) geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass es sich bloß um Missverständnisse handelt; diesbezüglich wird die (richtiggestellte) Darstellung der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung zu Grunde gelegt.

 

Vor diesem Hintergrund sind die aufgetretenen Divergenzen zu erklären und lassen im konkreten Fall nicht den Schluss zu, dass die Beschwerdeführerin unwahre Angaben gemacht hat. Es besteht sohin kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin zu zweifeln, wobei festzuhalten ist, dass auch die belangte Behörde von den eigenen - glaubwürdigen - Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer Person, zu ihren Familienverhältnissen und zu ihren Lebensumständen ausgegangen ist. Dass die Beschwerdeführerin aus dem Ort A. stammt, wurde von der belangten Behörde festgestellt. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihrer illegalen Ausreise aus Syrien trat die belangte Behörde nicht entgegen. Konkrete Umstände, die gegen die persönliche Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin, die vom Gericht in der Beschwerdeverhandlung vernommen wurde, und gegen die Richtigkeit ihrer Angaben ins Treffen geführt werden können, sind nicht ersichtlich.

 

2.2.2. Es ist davon auszugehen, dass die syrische Regierung der Beschwerdeführerin eine oppositionelle Gesinnung unterstellen wird:

Für die Zuschreibung einer oppositionellen Gesinnung durch die syrische Regierung spricht im Fall der Beschwerdeführerin bereits ihre sunnitische Glaubensrichtung und ihre Herkunft aus einem von der syrischen Regierung als "regimefeindlich" angesehenen Gebiet. Die Beschwerdeführerin lebte im Ort A., in dem die überwiegend arabisch-sunnitische Bevölkerung im Rahmen von Protesten gegen das Assad-Regime aufbegehrte und der zeitweise von oppositionellen bewaffneten Gruppierungen/Rebellen bzw. Gegnern des Assad-Regimes und auch vom IS kontrolliert wurde. A. galt aus Sicht der syrischen Regierung als Ort der Gegner und es ist daher davon auszugehen, dass die syrische Regierung die sunnitische Bevölkerung von A. insgesamt als der politischen Gegnerschaft zugehörig betrachtete bzw. betrachtet. Die Länderberichte/Feststellungen bestätigen diese Sichtweise, zumal danach (arabische) Sunniten im Allgemeinen und insbesondere, wenn sie aus Gebieten stammen, die bekanntermaßen mit der Opposition sympathisieren oder unter der de facto Kontrolle bewaffneter oppositioneller Gruppen stehen oder in denen es zu Protesten der Bevölkerung kam und/oder in denen bewaffnete oppositionelle Gruppierungen in Erscheinung traten oder (zeitweise) die Kontrolle übernommen haben, von der syrischen Regierung mit der Opposition in Verbindung gebracht werden. Weiters erfolgen (nach wie vor) massive Verfolgungshandlungen der syrischen Regierung gegen die sunnitische Zivilbevölkerung von als regimefeindlich angesehenen Orten, (allein) wegen der der sunnitischen Zivilbevölkerung des Ortes zugeschriebenen oppositionellen politischen Gesinnung (auf Grund der unterstellten Verbindung zu sunnitischen oppositionellen Gruppierungen). Es bestehen daher konkrete Anhaltspunkte, dass die Beschwerdeführerin als ehemalige sunnitische Bewohnerin eines (früheren) "regimefeindlichen" Ortes von der Regierung (weiterhin) als oppositionell betrachtet wird (zu einer unterstellten politischen Gesinnung wegen Herkunft aus einem bestimmten Gebiet s. etwa VwGH 08.04.2003, 2001/01/0435) und sie (schon) deshalb der Verfolgung durch die syrische Regierung ausgesetzt ist (in diesem Sinn auch die Einschätzung von UNHCR; zur Indizwirkung einer derartigen Einschätzung vgl. etwa VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103-0106, und 22.09.2017, Ra 2017/18/0166, jeweils mit weiteren Nachweisen). Überdies hat die syrische Regierung die regimekritische Betätigung (auch) der Beschwerdeführerin und ihrer Familie in A. wahrgenommen, was die dargestellte Verfolgungsgefahr für die Beschwerdeführerin noch verschärft.

 

Selbst wenn man annehmen wollte, dass die syrische Regierung die Beschwerdeführerin wegen ihrer eigenen Demonstrationsteilnahmen nicht als oppositionell ansehen würde, weil sie damals noch ein Kind war, ist es sehr wahrscheinlich, dass ihr eine oppositionelle Gesinnung wegen ihrer Familie zugeschrieben wird. Aufgrund des - der syrischen Regierung bekannten - oppositionellen Verhaltens (Demonstrationsteilnahme) der Familie der Beschwerdeführerin in A. wird sich für die syrische Regierung das Bild ergeben, dass es sich bei der gesamten geflüchteten Familie um Gegner der Regierung handelt. Diese Einschätzung findet eine Stütze in den Länderberichten/Feststellungen, wonach die tatsächlich oder vermeintlich oppositionellen Ansichten einer Person häufig auch Personen in ihrem Umfeld, wie Familienmitgliedern, Nachbarn und Kollegen, zugeschrieben werden und der Vorwurf der oppositionellen Gesinnung (durch die syrische Regierung) bloß auf familiären Verbindungen beruhen kann.

 

Hinzu tritt (den Eindruck der oppositionellen Gesinnung verstärkend), dass die Beschwerdeführerin illegal aus Syrien ausgereist ist und einen Asylantrag gestellt hat. Dies wird die syrische Regierung im Fall der Beschwerdeführerin, deren oppositionelle Haltung sich wie dargelegt bereits aus anderen Umständen ergibt, als weitere Indizen ihrer politischen Gegnerschaft und ihrer mangelnden Loyalität mit dem syrischen Regime betrachten. Hierzu ist auf die Verhältnisse in Syrien hinzuweisen, wonach der Vorwurf der oppositionellen Gesinnung etwa (bloß) auf bestimmten Aktivitäten/Verhaltensweisen (wie Asylantragstellung) beruhen kann (so betrachtet Berichten zufolge die syrische Regierung bestimmte Aktivitäten [von im Ausland lebenden] Syrern, darunter Anträge auf Asyl, Teilnahme an regierungskritischen Protesten, Kontakte zu Oppositionsgruppen oder andere Ausdrucksformen der Kritik an der Regierung, einschließlich über soziale Medien, als Ausdruck einer oppositionellen Einstellung und legt die Regierung bei der Beurteilung von politischem Dissens sehr breite Kriterien an und subsumiert darunter jegliche Kritik, Opposition oder sogar unzureichende Loyalität der Regierung gegenüber; nach Berichten gilt es als illoyaler Akt und als Zeichen oppositioneller Gesinnung, im Ausland Asyl zu beantragen).

 

All diese Umstände lassen bei Bedachtnahme darauf, dass die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als "oppositionell" betrachtet zu werden, niedrig ist und allein der Verdacht, dass eine Person regierungskritische Ansichten hat oder mit einer Person in Verbindung steht, die solche Ansichten hat, für die Verfolgung ausreicht, nur die Beurteilung zu, dass die Beschwerdeführerin erheblich gefährdet ist, von der syrischen Regierung wegen der ihr zugeschriebenen oppositionellen Haltung ins Visier genommen und als Gegnerin verfolgt zu werden. Es sind ferner keine substantiellen Hinweise zu erkennen, dass die Beschwerdeführerin ungeachtet dieser Umstände als Anhängerin des Regimes angesehen werden könnte und sie in einem rechtsstaatlichen Verfahren die Gelegenheit haben würde, den Eindruck (Vorwurf) einer regimefeindlichen Gesinnung zu entkräften, wobei festzuhalten ist, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine tatsächliche Regimegegnerin handelt.

 

2.2.3. Im Zusammenhang mit der Familie der Beschwerdeführerin sind auch die Feststellungen/Länderberichte - zur Sippenhaft - relevant:

Danach sind Familienangehörige (die Beispiele beziehen sich auf Ehegatten, Kinder, Geschwister, Eltern und entferntere Verwandte) von z.B. (tatsächlich oder vermeintlich) Protestierenden, Aktivisten, Mitgliedern von Oppositionsparteien oder bewaffneten oppositionellen Gruppen, Überläufern und Wehrdienstentziehern ebenfalls verfolgt, wobei Angehörige von "hochrangigen" Gesuchten/Wehrdienstverweigerern/Deserteuren bzw. solchen, die sich politisch gegen die Regierung betätigen, einem besonders hohen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind. Familienangehörige werden gezielt verhört, verhaftet, unter Druck gesetzt, ausgegrenzt, schikaniert, gefoltert oder in sonstiger Weise - auch durch sexuelle Gewalt - misshandelt sowie summarisch hingerichtet oder auch ersatzweise zur Armee rekrutiert. Dies geschieht etwa deshalb, um Gesuchte dazu zu bringen, sich der syrischen Regierung zu stellen, oder um Militärdienstpflichtige dazu zu bewegen, in den Militärdienst zu treten, oder um wegen der Aktivitäten solcher Personen bzw. wegen ihres Loyalitätsbruches Vergeltung zu üben oder um Informationen über ihren Aufenthaltsort zu gewinnen. Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen einzelne Familienmitglieder, nicht selten Frauen oder Kinder, für vom Regime als feindlich angesehene Aktivitäten anderer Familienmitglieder inhaftiert und gefoltert werden. Solche Sippenhaft wird in einigen Fällen auch angewendet, wenn vom Regime als feindlich angesehene Personen Zuflucht im Ausland gesucht haben. Ferner sind Fälle bekannt, bei denen diese Sippenhaft bereits bei bloßem Verdacht auf mögliche Annäherung an die Opposition angewandt wird. Für die Beschwerdeführerin ergibt sich daraus, dass sie von dieser Bandbreite behördlichen Verhaltens gegenüber Familienangehörigen sehr wahrscheinlich betroffen ist und sie, zumal sie als Frau (ohne männlichen Schutz) einem erhöhten Missbrauchs- und Ausbeutungsrisiko unterliegt, besonders gefährdet ist.

 

2.2.4. Vor dem Hintergrund der Ausführungen zum Ort A., dessen (frühere) Bewohner von der syrischen Regierung dem Gegner zugerechnet werden, und zur Rückkehr, wonach nur "loyale" Rückkehrer von der Regierung gewünscht und zugelassen werden, ist bei Bedachtnahme darauf, dass die Beschwerdeführerin auch aufgrund persönlicher/familiärer Umstände als oppositionell gilt, davon auszugehen, dass ihr die syrische Regierung nicht erlauben würde, in ihren Heimatort, wo sie früher ihre Existenzgrundlage hatte, zurückzukehren. Es ist aus diesen Gründen auch nicht anzunehmen, dass ihr der Zuzug nach XXXX zu ihrer Schwester von der syrischen Regierung ermöglicht würde.

 

2.2.5. Die Beschwerdeführerin ist aber auch als in Syrien alleinstehende Frau gefährdet. Die Beschwerdeführerin hat glaubwürdig ausgesagt, dass sie keine Informationen hinsichtlich des weiteren Schicksals und des Aufenthaltsortes ihrer Eltern, ihrer mitgeflüchteten Schwester sowie ihres Bruders hat und dass ihr auch nicht bekannt ist, ob sich noch Angehörige von ihr in A. befinden. Die Beschwerdeführerin hat in Syrien somit keine Familienangehörigen, insbesondere keine männlichen, und auch keine anderen Bindungen mehr, die sie in der Lebensführung unterstützen und sie schützen könnten. Es ist nicht anzunehmen, dass die Schwester der Beschwerdeführerin in XXXX , so die Beschwerdeführerin überhaupt unbeschadet zu ihr gelangen würde, in der Lage wäre, der Beschwerdeführerin effektiv Schutz und Hilfe zukommen zu lassen. Die Beschwerdeführer ist daher als eine in Syrien alleinstehende Frau ohne (männlichen) Schutz zu betrachten.

 

Nach der Berichtslage ist die Lage für Frauen und Kinder (ohne Schutz durch Männer) in Syrien besonders prekär. Es ist fast undenkbar, als Frau alleine zu leben, da eine Frau ohne Familie keine gesellschaftlichen und sozialen Schutzmechanismen besitzt. Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt oder Schikane ausgesetzt, sind besonders im Kontext von Hausdurchsuchungen, an Checkpoints, in Haftanstalten, an Grenzübergängen und nach einer Entführung durch regierungstreue Einheiten von sexueller Gewalt betroffen. In oppositionellen Gebieten, welche von radikalislamistischen Gruppen kontrolliert werden, werden Frauen besonders diskriminiert.

 

Für die Beschwerdeführerin bedeutet dies, sie bei einer Rückkehr nach Syrien als alleinstehende Frau ohne männliche Begleitung damit zu rechnen hat, die Aufmerksamkeit der syrischen Regierung auf sich zu ziehen. Die Beschwerdeführerin ist als in Syrien alleinstehende Frau besonders vulnerabel und einem besonderen Risiko ausgesetzt, Opfer - auch sexueller, geschlechtsspezifischer - Gewalt und Ausbeutung (etwa durch syrische Behördenorgane bei der Einreise/Kontrolle) und ihrer Existenzgrundlage entzogen zu werden. Da die Beschwerdeführerin aus einem (ehemals) umkämpften Gebiet der Rebellen/des IS stammt, droht ihr insbesondere auch, als "Tauschobjekt" für einen Gefangenenaustausch verwendet zu werden. Die Beschwerdeführerin unterliegt daher als alleinstehende Frau ohne männlichen Schutz einem besonderen Verfolgungsrisiko (dies entspricht der Position des UNHCR hinsichtlich des Verfolgungsgefahr für Frauen und Kinder, der Indizwirkung zukommt).

 

2.2.6. Im Ergebnis ist die Beschwerdeführerin gefährdet, in Syrien asylrelevant in das Blickfeld insbesondere der syrischen Regierung zu geraten und Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen zu werden.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

3.2. Die Beschwerde wurde fristwahrend erhoben und es liegen auch die anderen Prozessvoraussetzungen vor.

 

3.3. In der Sache:

 

3.3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Eine "Verfolgungsgefahr" im Sinne der GFK ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

Der Asylentscheidung ist eine Prognose immanent, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Diese Prognose beinhaltet die Klärung der Frage, welche Situation den Asylwerber bei einer (im Falle eines gewährten subsidiären Schutzes hypothetisch anzunehmenden) nunmehrigen Rückkehr in den Herkunftsstaat voraussichtlich erwartet hätte (VwGH 21.12.2006, 2005/20/0027). Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. etwa VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212, VwGH 24.06.2014, Ra 2014/19/0046, mwN, 30.09.2015, Ra 2015/19/0066, VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH 15.05.2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Antragsteller bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Entscheidend ist, dass der Antragsteller im Entscheidungszeitpunkt (der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts) mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212 unter Hinweis Hathaway/Foster, The Law of Refugee Status² [2014], etwa 123, 162 und 165, wonach das Kriterium der wohlbegründeten Furcht vorausschauender Natur sei; vgl. auch Goodwin-Gill/McAdam, The Refugee in International Law³ [2007], 54).

 

3.3.2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es angesichts der Ausführungen zum Sachverhalt und zur Beweiswürdigung (im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG) glaubhaft, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat Syrien Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht, die insbesondere von der syrischen Regierung ausgeht.

 

3.3.2.1. Vorauszuschicken ist, dass, da die Beschwerdeführerin aus ihrem Herkunftsort A. in den Ort B. (Zufluchtsort) geflüchtet ist, der letzte Aufenthalt der Beschwerdeführerin in B. als Zustand interner Vertreibung zu bewerten ist. Kommt es in einem solchen Fall schließlich zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat, weil die Lebensbedingungen am Zufluchtsort als unerträglich empfunden werden, so sind für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft - bei weiterhin aufrechter Verfolgungsgefahr im Herkunftsort - die Kriterien für die Zumutbarkeit des bisherigen oder eines anderen konkret in Betracht kommenden Zufluchtsortes innerhalb des Herkunftsstaates ausschlaggebend. Dass dort allenfalls keine asylrelevante Verfolgungsgefahr (mehr) droht, reicht für die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft nicht aus (vgl. VwGH 28. 06.2005, 2002/01/0414).

 

3.3.2.2. Die Verfolgungsgefahr ergibt sich im Fall der Beschwerdeführerin evident aus der ihr von der syrischen Regierung zugeschriebenen oppositionellen Gesinnung. Da politische Gegner von der syrischen Regierung mit allen Mitteln unterdrückt und bekämpft werden, hat die Beschwerdeführerin, da ihr maßgeblich wahrscheinlich eine Gegnerschaft zur Regierung zugeschrieben wird, in Syrien eine unverhältnismäßige "Behandlung" durch die syrische Regierung zu gewärtigen. Auch eine (unverhältnismäßige) Bestrafung wegen strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen stellt im konkreten Fall keine legitime Bestrafung wegen strafrechtlich zu verfolgender Handlungen, sondern eine Verfolgung im Sinn der GFK dar, die an die tatsächliche oder unterstellte politische Gesinnung der Beschwerdeführerin anknüpft, die in ihrem als rechtswidrig und/oder illoyal angesehenen Verhalten gesehen wird. Es liegt daher eine Verfolgung jedenfalls wesentlich wegen der der Beschwerdeführerin zugeschriebenen oppositionellen Einstellung und damit anknüpfend an den Konventionsgrund der politischen Gesinnung vor.

 

3.3.2.3. Auch bei den der Beschwerdeführerin drohenden Maßnahmen zur Verhinderung ihrer Rückkehr bzw. Wiederansiedlung in ihren Herkunftsort A. handelt es sich um eine Maßnahme der syrischen Regierung, die auf die existenzbedrohende Verfolgung der Beschwerdeführerin als frühere Bewohnerin des Ortes A. aus asylrechtlich relevanten - politischen -- Gründen abzielt (vgl. VwGH 08.06.2000, 99/20/0597).

 

3.3.2.4. Die drohende (stellvertretende oder zusätzliche) Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin durch die syrische Regierung "bloß" wegen ihrer Familienangehörigen (im Wege der "Sippenhaft") - etwa durch "ersatzweise" Bestrafung - knüpft an den Konventionsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, nämlich jener der Familie an; im Übrigen auch unabhängig davon, ob der Familienangehörige selbst aus Konventionsgründen verfolgt wird (zur Asylrelevanz einer Verfolgung wegen der "bloßen" Angehörigeneigenschaft und zur Anerkennung des Familienverbandes als "soziale Gruppe" im Sinne der GFK siehe VwGH 14.01.2003, 2001/01/0508; vgl. auch VwGH 16.12.2010, 2007/20/0939).

 

3.3.2.5. Die Situation und die Bedrohung, denen die Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau in Syrien ausgesetzt ist, sind unter dem Gesichtspunkt einer geschlechtsspezifischen Verfolgung als Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK asylrelevant (vgl. etwa VwGH 09.01.2020, Ra 2019/18/0195, mwN).

 

3.3.2.6. Dass bei den der Beschwerdeführerin drohenden gravierenden Menschenrechtsverletzungen (etwa "Verschwindenlassen" bis hin zu Folter/Tötung, aber auch Entzug/Vereitelung einer Existenzgrundlage) die Intensität der Verfolgungshandlung zu bejahen ist, bedarf keiner weiteren Erörterung.

 

3.3.2.7. Die für die Asylanerkennung geforderte "maßgebliche Wahrscheinlichkeit" der Verfolgung im Sinn der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt vor:

 

Ausgehend vom anzuwendenden Beurteilungsmaßstab der "Glaubhaftmachung", die das Ziel hat, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln, somit eine Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, wofür ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt, genügt (vgl. VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252), ist das glaubwürdige Vorbringen der Beschwerdeführerin angesichts der aktuellen Verhältnisse im Herkunftsstaat zur Dartuung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung bzw. der Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat jedenfalls geeignet, da sich daraus konkrete, überzeugende Hinweise ergeben, dass sie (nicht nur möglicherweise, sondern) mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit aus den dargelegten Gründen von Verfolgungshandlungen im Herkunftsstaat betroffen ist. Die im Entscheidungszeitpunkt zu erstellende Prognose über die Situation der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat ergibt, dass sie gegenwärtig mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen erheblicher Intensität seitens der syrischen Regierung rechnen muss.

 

3.3.2.8. Im Beschwerdefall liegen somit substantielle, stichhaltige Gründe für das Vorliegen einer individuellen Gefahr der Verfolgung nach § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK (und nicht bloß alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Unbilligkeiten aufgrund des Bürgerkrieges/der allgemein schlechten Lage im Herkunftsstaat bzw. nicht "bloße Rückkehrbefürchtungen") vor. Die Furcht der Beschwerdeführerin vor einer Verfolgung im Herkunftsstaat ist daher als "wohlbegründet" im Sinn der GFK anzusehen.

 

3.3.3. Eine "innerstaatliche Fluchtalternative" (§ 3 Abs. 3 Z 1 AsylG und § 11 AsylG) ist im Beschwerdefall schon deshalb nicht zu bejahen, weil dies im Widerspruch zu der erfolgten Gewährung von subsidiärem Schutz stünde. § 11 AsylG erlaubt die Annahme der innerstaatlichen Fluchtalternative nur, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054 unter Hinweis auf VwGH 15.10.2015, Ra 2015/20/0181 und 29.06.2015, Ra 2014/18/0070 bis 0074, jeweils mwN).

 

3.4. Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Artikel 1 Abschnitt D, F der GFK und § 6 AsylG) oder eines Endigungsgrundes (Artikel 1 Abschnitt C der GFK) ist nicht hervorgekommen.

 

3.5. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Im Übrigen gelangen die Bestimmungen der §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 AsylG in der Fassung BGBl. I 24/2016 (betreffend das zunächst befristete Aufenthaltsrecht des Asylberechtigten) gemäß § 75 Abs. 24 AsylG im Fall der Beschwerdeführerin zur Anwendung, da der Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde.

 

Zu B)

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon kann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden. Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

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