BVwG L532 2196780-2

BVwGL532 2196780-22.11.2023

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:L532.2196780.2.00

 

Spruch:

 

L532 2196780-2/16E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg WILD-NAHODIL über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.08.2023 sowie am 23.10.2023 in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG 2005 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte II., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (i.d.F. „BF“) ist ein Staatsbürger Bangladeschs, der am 27.09.2022 seinen zweiten Asylantrag eingebracht hat. Diesen begründete er im Rahmen seiner polizeilichen Erstbefragung am selben Tag – erstmals – mit seiner Homosexualität und ihm deswegen drohender Verfolgung im Herkunftsstaat.

2. Am 20.05.2023 wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (i.d.F. „bB“ oder „Bundesamt“) persönlich einvernommen, wobei er sein Fluchtvorbringen wiederholte und näher ausführte.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.05.2023 wies das Bundesamt den Antrag vollinhaltlich ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der BF sei im Hinblick auf seine Homosexualität nicht glaubwürdig. Der Bescheid wurde mit 01.06.2023 zugestellt.

4. In weiterer Folge wurde rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben, welche sich gegen den gesamten Bescheid richtete.

5. Am 28.08.2023 sowie am 23.10.2023 wurden Beschwerdeverhandlungen durchgeführt. Der BF legte – wie schon im bisherigen Asylverfahren – seine Homosexualität sowie seine daraus resultierenden Rückkehrbefürchtungen dar. Die von ihm namhaft gemachten Zeugen wurden (mit Ausnahme des entschuldigt nicht erschienen XXXX ) angehört.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF steht nicht fest. Der BF behauptet, den Namen XXXX zu führen und am XXXX geboren worden zu sein. Der BF ist Angehöriger der bengalischen Volksgruppe, verfügt über die Staatsbürgerschaft Bangladeschs und bekennt sich zum Islam sunnitischer Prägung. Der BF ist ledig und kinderlos. Er lebte von seiner Geburt bis zu seiner Emigration in XXXX . Der BF besuchte in seinem Herkunftsstaat zwölf Jahre die Schule. Berufserfahrung erwarb der BF nicht.

1.2. Die Eltern und die Geschwister des BF leben in Bangladesch. Der Vater des BF bestreitet mit seiner Pension den Familienunterhalt.

1.3. Der BF leidet an keinen psychischen oder physischen Erkrankungen und bedarf keiner medikamentösen Behandlung.

1.4. Der BF ist homosexuell und befürchtet eine damit begründete Verfolgung in seinem Herkunftsstaat.

1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

Relevante Bevölkerungsgruppen

LGBTQ+

Letzte Änderung 2023-06-13 13:59

In der durch islamisch-patriarchalische Traditionen geprägten Gesellschaft Bangladeschs sind LGBTQ+ diskreditiert (AA 23.8.2022) und Homosexualität ein Tabuthema (AA 23.8.2022; vgl. DFAT 30.11.2022). Weibliche Homosexualität ist ein absolutes „Nicht-Thema“ (AA 23.8.2022; vgl. DFAT 30.11.2022). Homosexuelle Handlungen stehen gemäß § 377 Strafgesetzbuch unter Strafe (AA 23.8.2022; vgl. DFAT 30.11.2022, HRW 12.1.2023). Die Strafen dafür reichen von 10 Jahren bis lebenslänglich (HRW 12.1.2023; vgl. ILGA 12.2020). Die Anwendung des § 377 Strafgesetzbuch wird angedroht, um Homosexuelle zu erpressen, regierungskritische Meinungsäußerungen zu verhindern oder die Anpassung an heterosexuelle Normen zu erzwingen (AA 23.8.2022). So berichten Mitglieder der LGBTI+-Gemeinschaft, dass die Polizei das Gesetz benutzt, um sie - oder aber auch Personen, die unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung als LGBTQ+ wahrgenommen werden - zu schikanieren (USDOS 20.3.2023). Die strafrechtliche Durchsetzung des Verbots gelangt tatsächlich allerdings nur selten zur Anwendung (FH 10.3.2023; vgl. AA 23.8.2022, DFAT 30.11.2022). Vermutlich weil die LGBTQ+-Gemeinschaft verborgen agiert (DFAT 30.11.2022).

Traditionell tendiert die Bevölkerung zu einer gemäßigten Ausübung des Islam, die Sexualmoral ist allerdings konservativ. Homosexualität ist absolut verpönt und wird von den Betroffenen nicht offen gelebt (ÖB‌ New Delhi 11.2022). Fast alle LGBTQ+-Personen in Bangladesch halten ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität geheim. Die sozialen und kulturellen Möglichkeiten für LGBTQ+-Personen in Bangladesch sind stark eingeschränkt, weshalb viele LGBTQ+-Personen ins Ausland fliehen. Diejenigen, die bleiben, verwenden aufgrund kultureller Tabus, die offene Diskussionen über LGBTQ+-Themen untersagen, eine eigene Slang-Sprache (DFAT 30.11.2022). Wo Homosexuelle als solche erkannt werden, haben sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zu Mord (insbesondere vor dem Hintergrund steigender Islamisierung) zu rechnen (ÖB New Delhi 11.2022). Schwule Männer und Lesben stehen unter starkem familiären und sozialen Druck, heterosexuelle Ehen einzugehen (DFAT 30.11.2022). Aktivisten berichten, dass sogenannte Konversionstherapien weit verbreitet sind. Laut Aussagen lesbischer Frauen und schwuler Männer wurden sie z.B. von ihren Eltern in Drogenrehabilitationszentren oder zu Beruhigungsmitteln gezwungen. Die Regierung verurteilt diese Praktiken nicht (USDOS 20.3.2023).

LGBTQ+-Personen werden regelmäßig angegriffen (FH 10.3.2023; vgl. AA 23.8.2022). Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen sowie ihre Fürsprecher sehen sich Gewalt und Drohungen ausgesetzt, ohne angemessenen Schutz durch die Polizei (HRW‌ 12.1.2023). Drohbotschaften erfolgen z.B. auch per Telefon, SMS und über soziale Medien (USDOS 20.3.2023). Derartige Drohungen gehen auch von religiöse Extremisten aus. Homophobe Hassreden sind in den sozialen Medien verbreitet (DFAT 30.11.2022). Druck und Einschüchterung durch islamistische Gruppen schränken auch Aktivitäten von NGOs zu einigen Themen wie LGBTI Rechte ein (FH 10.3.2023). Es gibt nur sehr wenige LGBTQI+-Organisationen, insbesondere für Lesben (USDOS 20.3.2023).

Eine besondere Rolle kommt dem „dritten Geschlecht“ zu, den sogenannten Hijras, nämlich Eunuchen, Transsexuellen und Intersexuellen (AA 23.8.2022). Mitglieder der Hirja Commuinity identifizieren sich weder als männlich noch als weiblich und sind als eigene Geschlechtsidentität in Bangladesch klassifiziert (FH 10.3.2023). Aus der Perspektive des indischen Subkontinents sind Hijras keine Transgender, sondern Cisgender (Syed, R. o.D.). Der Begriff "Hijra" ist somit nicht gleichbedeutend mit dem Begriff "Transgender". Es ist möglich, eine Transgender-Frau zu sein, die nicht Teil der Hijra-Kultur oder Gemeinschaft ist (DFAT 30.11.2022). Einige Transgender-Frauen im Land identifizieren sich als Hijra, weil sie sich der Hijra-Subkultur verbunden fühlen oder mehr sozialen Schutz wünschen. Einige konservative Geistliche verurteilen die Transgender-Gemeinschaft, aber unterscheiden sie deutlich von der Hijra-Identität, wobei letztere für sie tolerierbar ist, während ersteres inakzeptabel bleibt (USDOS 20.3.2023).

Hijras sind aufgrund einer langen Tradition auf dem indischen Subkontinent im Bewusstsein der Gesellschaft präsent und quasi etabliert. Dieser Umstand schützt sie jedoch nicht vor Übergriffen und gesellschaftlicher Diskriminierung (AA 23.8.2022). Für Transgender-Personen sind einige rechtliche Anerkennungen vorhanden, jedoch werden sie in der Praxis stark diskriminiert (FH 10.3.2023). So anerkennt die Regierung Hijras als drittes Geschlecht, allerdings bleibt es in der Praxis für diese schwierig, Zugang zu medizinischer Versorgung und anderen staatlichen Dienstleistungen zu erhalten, ein Problem, das sich während der Covid-19-Pandemie weiter verschärfte (ÖB New Delhi 11.2022). Laut Transgender Aktivisten führt die Regierung in einigen Fällen Genitaluntersuchungen bei Hijra durch, bevor sie ihnen Zugang zu Dienstleistungen gewährt (USDOS 20.3.2023). Auch wenn sie eine akzeptierte Rolle in der Gesellschaft Bangladeschs innehaben und viele Hijras in organisierten Gemeinschaften leben, die sich seit Generationen erhalten haben, bleiben sie trotzdem marginalisiert (DFAT 30.11.2022). Die Akzeptanz von Hijras innerhalb der Familie ist im Allgemeinen gering, und sie haben keine Erbrechte gemäß den Bestimmungen der Scharia (DFAT‌ 30.11.2022).

Pässe und Ausweisdokumente, einschließlich Wählerregistrierungsformularen, enthalten die Möglichkeit, "X" oder "Hijra" als drittes Geschlecht auszuwählen. Die nationale Volkszählung, die im Laufe des Jahres durchgeführt wurde, enthielt eine Kategorie für das "dritte Geschlecht". Obwohl die Regierung einige Fortschritte bei der Förderung der sozialen Akzeptanz von Hijra-Personen gemacht hat, unternimmt sie nur begrenzte Anstrengungen, um die Rechte anderer in der LGBTQI+-Gemeinschaft zu fördern, und bietet für diese keine rechtliche Anerkennung an (USDOS 20.3.2023).

Die gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen, wie auch von LGBTQ+-Personen, schränkt die Beteiligung an der Politik in der Praxis ein (FH 10.3.2023). 2019 wurde erstmals eine Vertreterin der Hijras ins Parlament gewählt (AA 23.8.2022). Die Stadt Trilochanpur wählte Ende 2021 einen Bürgermeister aus der Hijra-Community (FH 10.3.2023).

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf , Zugriff 12.5.2023

 DFAT - Australian Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (30.11.2022): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2086697/country-information-report-bangladesh.pdf , Zugriff 12.5.2023

 FH – Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/document/2088488.html , Zugriff 12.5.2023

 HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085390.html , Zugriff 12.5.2023

 ILGA – International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association(12.2020): State-Sponsored Homophobia; Global Legislation Overview Update 2020 (Autor: Mendos, Lucas Ramon) https://www.ecoi.net/en/file/local/2044751/ILGA_World_State_Sponsored_Homophobia_report_global_legislation_overview_update_December_2020.pdf , Zugriff 22.5.2023

 ÖB New Delhi – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/document/2090012.html , Zugriff 12.5.2023

 Syed, Renate (o.D.): „Nicht Mann, nicht Frau“ Hijras: Indiens drittes Geschlecht, https://www.renate-syed.de/nicht-mann-nicht-frau , Zugriff am 22.5.2023

 USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/document/2089131.html , Zugriff 12.5.2023

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der bB und die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks des BF sowie der Anhörung der Zeugen XXXX , XXXX und XXXX im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung(en), Einholung aktueller Auszüge aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister und dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich und im Wege der Einsichtnahme in die vom BVwG in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquelle betreffend die Lage im Herkunftsstaat des BF, nämlich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch vom 14.06.2023. Weiters wurden jene Beweismittel, die der BF im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorlegte bzw. die von dritter Seite einlangten, berücksichtigt, nämlich ein Schreiben der XXXX , datiert mit 20.10.2023, samt beigeschlossener Vereinbarung über eine freiwillige Tätigkeit, ein Schreiben des XXXX , datiert mit 26.09.2023, Beweisanträge des BF, datiert mit 28.08.2023, ein Schreiben von Queer Base, datiert mit 23.08.2023, ein Schreiben des XXXX , undatiert, ein Schreiben der XXXX , datiert mit 20.08.2023, ein Schreiben des XXXX , datiert mit August 2023, ein ÖSD-Zertifikat A2, datiert mit 01.10.2020, sowie zwei Lichtbildkonvolute.

Der BF stellte im Verfahren vor dem BVwG keine über die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinausgehenden Beweisanträge.

2.2. Die bB vermochte die Identität des BF mangels entsprechender herkunftsstaatlicher Urkunden nicht festzustellen und kann eine Feststellung der Person des BF auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aus gleichlautenden Gründen nicht stattfinden.

Die Feststellungen zur Abstammung des BF und seinen persönlichen und familiären Lebensumständen im Herkunftsstaat bis zur Ausreise sowie seinen Familienverhältnissen unter Punkt 1.1. und 1.2. beruhen auf den insoweit stringenten Angaben des BF vor dem BVwG. Substantielle Zweifel an seinen diesbezüglichen Angaben bestehen nicht.

2.3. Der unter Punkt 1.3. festgestellte Sachverhalt wurde aufgrund der Angaben des BF selbst festgestellt, welcher ausdrücklich anführte, gesund zu sein und keine Medikation zu benötigen. Gegenteilige Hinweise liegen dem BVwG nicht vor und konnten die Angaben des BF folglich zur Feststellung erhoben werden.

2.4.1. Die bB führte ein einwandfreies Asylverfahren, räumte dem BF hinreichend Gelegenheiten und Zeit zur Erstattung seines Fluchtvorbringens ein, setzte sich mit dem Tatsachenvorbringen umfassend auseinander und legte ihre Erwägungen im bekämpften Bescheid übersichtlich und nachvollziehbar dar. Verfahrensmängel sind dem Bundesamt nicht vorzuwerfen.

2.4.2. Das BVwG tritt der bB vollinhaltlich bei, wenn sie – diverse zutreffende Argumente als Untermauerung der eigenen Erwägungen ins Treffen führend - die Darstellungen des BF bezüglich seiner angeblichen Rückreise in den Herkunftsstaat nach vorangegangener negativer Asylentscheidung als unglaubhaft kritisiert und zum Schluss kommt, der BF habe seiner Ausreisepflicht nicht entsprochen. Dass auch das Verfahrensverhalten des BF im Asylverfahren erster Instanz seiner persönlichen Glaubwürdigkeit nicht zuträglich war, ist für das erkennende Gericht ebenfalls nachvollziehbar.

Ergänzend ist diesbezüglich anzumerken, dass auch die gegenüber dem BVwG gemachten Angaben des BF zu seiner Rückkehr nach Österreich außerordentlich unwahrscheinlich anmuten, zumal er behauptete, mittels eines gefälschten Reisepasses über einen Flughafen ausgereist zu sein, was angesichts dessen, dass Flughäfen behördlich engmaschig kontrolliert werden und die Legitimation unter Vorlage gefälschter Dokumente daher auffallen muss, lebensfremd ist.

2.4.3. Der erkennende Richter kam nach Durchführung eines verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens, der wiederholten Einvernahme des BF sowie mehrer Zeugen und Inaugenscheinnahme der vorliegenden Beweismittel jedoch dennoch – abweichend von der Beurteilung des Bundesamtes – im Rahmen der freien Beweiswürdigung zum Schluss, dass es dem BF gelungen ist, seine homosexuelle Orientierung glaubhaft zu machen.

2.4.4. Im Einzelnen ist auszuführen, dass der BF gegenüber dem BVwG zwar partiell ebenfalls einen unglaubwürdigen Eindruck erweckte - insbesondere ist seine Behauptung, er habe am Tag seiner Ausreise aus Bangladesch im Wald zwei junge Personen männlichen Geschlechts angetroffen, die einen „Gang Bang Porno“ konsumiert hätten, woraufhin es zu homosexuellen Handlungen gekommen sei, selbst bei (von obigen Ausführungen abweichender) Annahme, der BF sei tatsächlich nach negativer Erledigung seines ersten Asylverfahrens in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt, als schlichtweg lebensfremd zu qualifizieren -, er jedoch im Hinblick auf sein Kernvorbringen, nämlich seine sexuelle Orientierung, stringent aussagte und persönlich authentisch wirkte.

Aufgrund des vom BF gewonnenen Eindrucks, im Konkreten aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur und seiner intellektuellen Fähigkeiten (womit ausdrücklich nicht eine generelle Unfähigkeit, sich der Unwahrheit zu bedienen, gemeint ist, und vermag diese Einschätzung des erkennenden Richters auch nicht durch die Behauptung des Erwerbs höherer schulischer Bildung relativiert zu werden), erachtet es das BVwG auch für außerordentlich unwahrscheinlich, dass der BF seine Homosexualität aus verfahrenstaktischen Gründen lediglich vorgespielt haben könnte, was im gegenständlichen Fall schließlich vorausgesetzt hätte, dass er in dieser Hinsicht sein teilweise sehr gebildetes und homosexuell orientiertes österreichisches Umfeld (zu den Zeugenaussagen des XXXX sowie des XXXX siehe unten mehr) über einen nicht unerheblichen – und nach wie vor andauernden – Zeitraum erfolgreich hinters Licht hätte führen müssen, was im Allgemeinen zwar nicht ausgeschlossen werden kann, dem BF im Besonderen aus oben angeführten Gründen aber weder unterstellt noch zugetraut wird.

In diesem Zusammenhang ist daher auf die Aussagen der – unter Wahrheitspflicht stehenden und einen authentischen sowie zur Wahrheit beitragen wollenden Eindruck erweckenden - Zeugen XXXX und XXXX zu verweisen, die im Hinblick auf die Gestaltung des Privat- und insbesondere Sexuallebens des BF gleichlautend mit diesem und detailliert aussagten sowie scheinbar unwichtige Nebenaspekte ins Treffen führten, wobei der erstgenannte Zeuge mit dem BF, der ihn über Queer Base kennenlernte und dessen sog. „Buddy“ bei der genannten Organisation er ist, gut befreundet ist und regelmäßig – auf platonischer Ebene – Freizeitaktivitäten unternimmt, während der zweite Zeuge, mit dem der BF im Zeitraum von 2019 (nach Kennenlernen im Jahr 2018) bis zu seinem Umzug nach Wien eine „Freundschaft plus“ pflegte und mit dem er die ersten homosexuellen Erfahrungen sammelte, insbesondere zur Gestaltung des gemeinsamen Beziehungslebens, insbesondere auch im Hinblick auf nichtsexuelle Aktivitäten, Auskunft geben konnte. Keine der genannten Personen erweckte sohin einen unauthentischen Eindruck, vielmehr kommt der erkennende Richter zum Ergebnis, dass die Genannten ausführlich deren persönliche Erlebnisse und Eindrücke mit und vom BF umfassend zu schildern beabsichtigten, was ihnen auch gelang. Die Ausführungen beider Zeugen erwiesen sich als lebensnah und sieht das BVwG keinen Anlass, den Zeugen keinen Glauben zu schenken.

Die vorgelegten, mit dem Vorbringen im Einklang befindlichen, Chatprotokolle und Lichtbilder, verstärken den gewonnenen Eindruck, wenn auch keinesfalls übersehen werden darf, dass vergleichbare Beweismittel zum Zweck der Vorlage im Asylverfahren leicht produziert werden können. Dagegen spricht jedoch im gegenständlichen Fall das authentische Auftreten der Zeugen, denen – wie umfassend begründet wurde - eine falsche Beweisaussage keinesfalls unterstellt werden kann, sondern die nach Auffassung des erkennenden Richters ihre Wahrnehmungen, Erfahrungen und Einschätzungen authentisch und wahrheitsgemäß schilderten.

Zur Aussage des Zeugen XXXX , der der Vermieter des BF ist, ist auszuführen, dass dieser nach Überzeugung des erkennenden Richters gänzlich unglaubwürdig war. Der Genannte wich den Fragen des Richters sowie des Rechtsvertreters – insbesondere dann, wenn Fragegenstand das Privatleben des BF war - beharrlich aus, versuchte durch – aufgrund der einfachen Fragestellungen im Übrigen in keinster Weise nachvollziehbare – Rückfragen Zeit (vermutlich zur Konstruktion von Antworten) zu gewinnen, verantwortete sich auffällig einsilbig und steht dem ein nachvollziehbares und substantiiertes sowie im Ergebnis glaubhaftes (und von den weiteren Beweisergebnissen untermauertes) Vorbringen des BF gegenüber. Dem Zeugen war das Thema Sexualität ganz offensichtlich außerordentlich unangenehm, was im dargestellten (sich nicht an der Wahrheit orientierenden) Aussageverhalten resultierte, ihn jedoch keinesfalls von der Wahrheitspflicht entbunden hätte. Insofern nunmehr moniert werden sollte, der Zeuge könnte den vom BF behaupteten Umstand, dass dieser ihn vor erfolgtem Einzug von seiner Homosexualität unterrichtet hätte, schlichtweg vergessen haben, so wäre dies gänzlich lebensfremd, da einem mit den üblichen Begabungen ausgestatteten Menschen bei Zugrundelegung eines durchschnittlichen Maßstabs, und umso mehr, wenn er in einem im Hinblick auf die Sexualmoral konservativen Umfeld sozialisiert wurde, ein Gespräch über die nicht heteronormative Sexualpräferenz eines anderen Menschen, im Konkreten Fall des BF, jedenfalls erinnerlich sein muss.

2.4.5. Der Vollständikgeit halber ist (auch wenn die bB – offensichtlich in Kenntnis der einschlägigen Judikatur - darauf keinen Bezug nahm) festzuhalten, dass das Gericht nicht verkennt, dass der BF sein nunmehr erstattetes Fluchtvorbringen angesichts der Chronologie der Ereignisse auch im ersten Asylverfahren hätte geltend machen können, was im Allgemeinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Antragsstellern begründen kann.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (i.d.F. „EuGH“) legte jedoch bereits ausdrücklich dar, dass die Asylbehörden die Aussagen eines (behauptetermaßen homosexuellen) Asylwerbers nicht allein deshalb für nicht glaubhaft erachten dürfen, weil er seine behauptete sexuelle Ausrichtung nicht bei der ersten ihm gegebenen Gelegenheit zur Darlegung der Verfolgungsgründe geltend gemacht habe. Angesichts des sensiblen Charakters der Fragen, die die persönliche Sphäre einer Person, insbesondere seine Sexualität, betreffen, könne allein daraus, dass diese Person, weil sie zögerte, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren, ihre Homosexualität nicht sofort angegeben habe, nicht geschlossen werden, dass sie unglaubwürdig sei. (vgl. EuGH 2.12.2014, Rechtssache A., B., C., C-148/13, C-149/13, C-150/13; insbesondere Rn. 69 und 72; sowie u.a. VwGH vom 04.08.2021, Ra 2021/18/0024, und VfGH vom 27.09.2021, E1951/2021)

In diesem Zusammenhang ist abschließend anzumerken, dass auch das Vorbringen des BF, es sei im Jahr 2019 in Österreich mit dem Zeugen XXXX erstmals in seinem Leben zu homosexuellen Handlungen gekommen (bzw. habe er im Zuge dessen seine „wahre“ sexuelle Identität entdeckt), angesichts seiner kulturellen Herkunft und der rigiden Sexualmoral der bangladeschischen Gesellschaft, welche (für mitteleuropäische Verhältnisse) vergleichsweise späte Selbsterkenntnisse in diesem Zusammenhang plausibel erscheinen lässt, nachvollziehbar ist, zumal selbst Personen ohne Migrationshintergrund (beispielsweise der obgenannte Zeuge entsprechend seiner eigenen Angaben) durchaus regelmäßig erst im späteren Verlauf ihres Lebens (und selbst nach dem Eingehen heterosexueller Bindungen und der Zeugung von Kindern) zu ihrer Homosexualität stehen.

2.4.6. Insgesamt hatte der erkennende Richter nach Durchführung der mündlichen Verhandlung, Anhörung der geladenen Zeugen und Sichtung der vorgelegten Beweismittel an der Homosexualität des BF keine Zweifel.

2.4.7. Die Homosexuellen drohende Verfolgung ist den unter Punkt 1.5. zitierten landeskundlichen Feststellungen zu entnehmen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist nicht gegeben, da sich die Verfolgung auf das gesamte Staatsgebiet Bangladeschs bezieht, was ebenfalls dem Länderinformationsblatt entnommen werden kann.

2.5. Die zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der vom BVwG herangezogenen Erkenntnisquelle (aktuelles Länderinformationsblatt zum Irak), die im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1. Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.):

3.1.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet.

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon – wie in ähnlicher beschriebenen Weise – betroffen ist.

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiter ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

3.1.2. Nach Ansicht des BVwG sind im konkreten Einzelfall der BF die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Gründe, nämlich wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Homosexuellen, gegeben und entspricht dies auch der ständigen sowie der rezenten Rechtsprechung des VfGH sowie des VwGH.

3.1.2.1. Laut den vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zitierten Länderfeststellungen sind homosexuelle Handlungen in Bangladesch illegal und können mit bis zu lebenslangem Freiheitsentzug bestraft werden. Homosexualität sei gesellschaftlich "absolut verpönt"; wo Homosexuelle als solche erkannt würden, hätten sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen. Jedes Jahr werde über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet. Indem sich das BVwG mit diesen, von ihm selbst herangezogenen Länderfeststellung nicht auseinandergesetzt hat, hat es seine Entscheidung mit Willkür belastet. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass das BVwG insbesondere angesichts seiner eigenen Feststellungen zur homosexuellen Orientierung des Beschwerdeführers ("der [...] offensichtlich den Umgang zu einem homosexuellen Kreis in Österreich gefunden hat und Kontakt zu einem homosexuellen Österreicher hatte", was "sich aus den vorgelegten Bestätigungen" ergebe) jede Auseinandersetzung mit der Frage unterlässt, ob der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auf Grund der vom Bundesverwaltungsgericht erkennbar nicht in Zweifel gezogenen Homosexualität Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt wäre. Im Zuge einer derartigen Prüfung hätte sich das BVwG des Näheren mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt, ob - weil für die Gewährung von Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht nur jene Gründe maßgeblich sind, die den Antragsteller zum Verlassen des Herkunftsstaates bewogen haben, sondern auch jene, die zum Entscheidungszeitpunkt eine asylrelevante Verfolgung begründen können - dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung drohe, oder ob eine solche Verfolgung gegebenenfalls im Hinblick auf Art 2 und 3 EMRK bei der Prüfung, ob dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, aufzugreifen sei. (VfGH vom 07.06.2021, E959/2021)

Vor dem Hintergrund der vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) selbst getroffenen Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr auf Grund seiner Homosexualität verfolgt werden würde, ist nicht nachvollziehbar, weshalb das BVwG die Bescheidbeschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen hat. (VfGH vom 22.09.2021, E1961/2021)

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) stellt im fortgesetzten Verfahren (nach E v 22.06.2021, E641/2021) fest, "dass dem BF auf Grund seiner behaupteten sexuellen Orientierung im Fall der Rückkehr nach Bangladesch eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung droht". Dennoch erkennt das BVwG dem Beschwerdeführer nicht den Status eines Asylberechtigten, sondern (nur) den eines subsidiär Schutzberechtigten zu. Damit verkennt das BVwG, dass eine Person, deren Leben oder Freiheit von staatlichen Behörden bzw von einer Privatperson oder privaten Gruppierungen, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten, wegen Vorliegens eines in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Konventionsgrundes bedroht wird, als Flüchtling (auch) dann anzuerkennen und ihr gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist, wenn derartige Gründe zum Entscheidungszeitpunkt eine asylrelevante Verfolgung begründen können. Indem das BVwG daher den Beschwerdeführer, der nach den Feststellungen und der Beweiswürdigung des BVwG wegen seiner sexuellen Orientierung einer konkret gegen seine Person gerichteten staatlich zu verantwortenden Verfolgung ausgesetzt ist, nicht als Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK anerkannt hat, hat es im Hinblick auf §3 Abs1 AsylG 2005 die Rechtslage grob verkannt. Das Erkenntnis ist daher bereits aus diesem Grund im Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten aufzuheben. (VfGH vom 01.03.2022, E3916/2021)

3.1.2.2. Vorweg ist festzuhalten, dass eine Verfolgung von Homosexuellen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die wiederum auf Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union Bezug nimmt, Asyl rechtfertigen kann. Es wurde auch bereits ausgesprochen, dass von einem Asylwerber nicht erwartet werden kann, seine Homosexualität im Herkunftsstaat geheim zu halten, um eine Verfolgung zu vermeiden (vgl. VwGH 23.2.2021, Ra 2020/18/0500, mwN auch aus der Judikatur des EuGH; VwGH 13.1.2022, Ra 2020/14/0214). Die Alternativbegründung des angefochtenen Erkenntnisses, dem Revisionswerber drohe bei heimlicher Ausübung einer gleichgeschlechtlichen Orientierung im Herkunftsstaat keine Verfolgung, erweist sich schon deshalb als nicht tragfähig. Aus demselben Grund ist auch die weitere Erwägung des BVwG, der Revisionswerber habe über einen langen Zeitraum auf das Ausleben seiner gleichgeschlechtlichen Orientierung ohne „größere Probleme gehabt zu haben“, verzichtet, kein zulässiges Argument, um sein Schutzansuchen abzulehnen. So geht das BVwG, wie die Revision zu Recht geltend macht, auf die Umstände dieses Verzichts (nämlich die Angst vor den Konsequenzen einer möglichen Offenlegung seiner sexuellen Orientierung in den Aufenthaltsstaaten) mit keinem Wort ein. In seiner primären Begründung verneint das BVwG beweiswürdigend, dass der Revisionswerber vor seiner Flucht die behauptete gleichgeschlechtliche Beziehung gehabt und deshalb bereits in Bangladesch Verfolgung erfahren habe. Für die Asylgewährung kommt es aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung (hier: des BVwG) bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (VwGH 21.12.2022, Ra 2021/18/0411, mwN). Insoweit erweist es sich als entscheidungswesentlich, ob das BVwG von einer aktuell bestehenden gleichgeschlechtlichen Orientierung des Revisionswerbers ausgeht, die bei Rückkehr nach Bangladesch zu Verfolgung führen würde. Eine Verfolgung homosexueller Personen in Bangladesch nimmt das BVwG grundsätzlich an, wie dies im Rahmen seiner Alternativbegründung zum Ausdruck kommt. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass die Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis die Frage der sexuellen Orientierung des Revisionswerbers nicht beantworten. Die oben in Rn. 3 wörtlich wiedergegebene Begründung des angefochtenen Erkenntnisses scheint darauf hinzudeuten, dass das BVwG insoweit Zweifel hegt, ohne dafür allerdings nachvollziehbare Erwägungen darzulegen. So lässt sich aus den Ausführungen zum Umstand, dass der Revisionswerber mit einem namentlich genannten Mann noch keine dauerhafte Wohn- und Lebensgemeinschaft führt, nichts über seine sexuelle Orientierung ableiten. Das angefochtene Erkenntnis ist daher schon deshalb mangelhaft begründet und lässt eine abschließende Beurteilung der Frage, ob dem Revisionswerber wegen seiner sexuellen Orientierung im Herkunftsstaat Verfolgung droht, nicht zu. (VwGH vom 20.03.2023, Ra 2022/18/0126)

Zur entscheidungsrelevanten Frage der Homosexualität des Revisionswerbers stellt das BVwG - wie oben dargestellt - einerseits dessen Outing „in Österreich“ fest, und dass er hier „mit einem bengalischen Jungen zusammen“ sei, geht aber letztlich nur von einer „behaupteten“ sexuellen Orientierung aus. Die weiteren Feststellungen zu „Behauptungen“ des Revisionswerbers, oder zu Sachverhalten, die sich „behaupteter maßen“ oder „nach Aussage“ des Revisionswerbers ereignet haben sollen, stellen letztlich nur eine Wiedergabe dessen Vorbringens dar und lassen für sich nicht erkennen, ob das BVwG vom Vorliegen dieser Tatsachen überzeugt ist oder nicht und diese der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt hat. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtet das BVwG dann die vorgebrachte Verfolgung „wegen seiner Homosexualität“ als nicht glaubhaft und scheint die Schilderung des Revisionswerbers, wonach er seine homosexuellen Neigungen in Bangladesch (jahrelang, ohne verfolgt zu werden) ausleben habe können, seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Es erachtet aber das Vorbringen, wonach der Revisionswerber in Bangladesch ein Leben als heimlich homosexuell orientierter Mann geführt habe, als unglaubwürdig. Das BVwG führt an, dass bestimmte Umstände eine homosexuelle Orientierung nicht belegen könnten, und sieht sich schließlich im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen zu einer Alternativbegründung „selbst unter Zugrundelegung einer bestehenden Homosexualität“ veranlasst - geht also offenbar von einer nicht gegebenen homosexuellen Orientierung aus. Dem Erkenntnis ist somit auch in Zusammenschau der Erwägungsteile nicht in der erforderlichen Klarheit zu entnehmen, ob das BVwG von einer Homosexualität des Revisionswerbers ausgeht und diesen Umstand seiner Entscheidung zugrunde legt oder nicht, was eine nachprüfende Kontrolle dieses Begründungsstranges des Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof verunmöglicht. Aber auch die Alternativbegründung des BVwG, wonach „selbst unter Zugrundelegung einer bestehenden Homosexualität“ keine asylrelevante Verfolgung anzunehmen sei, kann die Entscheidung ohne Auseinandersetzung mit der individuellen Situation des Revisionswerbers und seinem Verfolgungsvorbringen nicht alleine tragen. Nach den vom BVwG getroffenen Feststellungen, wonach Homosexualität in Bangladesch gesellschaftlich absolut verpönt sei und von den Betroffenen nicht offen gelebt werden könne, bei Bekanntwerden dies nicht nur zu gesellschaftlicher Diskriminierung führe, sondern auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen sei und jedes Jahr über dutzend Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet würden, die meist straflos blieben, kann dem Vorbringen des Revisionswerbers, anders als das BVwG meint, nicht von vornherein jegliche Asylrelevanz abgesprochen werden (vgl. VwGH 26.1.2021, Ra 2020/14/0122; in diesem Sinne auch VwGH 14.4.2021, Ra 2020/18/0126, und VwGH 23.2.2021, Ra 2020/18/0500). Die Frage der drohenden Verfolgung des Revisionswerbers wird auf Basis gesicherter Feststellungen zu seiner individuellen Situation vor dem Hintergrund dieser Länderfeststellungen zu beurteilen sein. (VwGH vom 13.01.2022, Ra 2020/14/0214)

Im angefochtenen Erkenntnis führte das BVwG unter Zugrundelegung von Länderfeststellungen aus, dass es dem Revisionswerber nicht gelungen sei, eine in seinem Herkunftsstaat bestehende konkrete Bedrohungssituation für seine Person glaubhaft zu machen. Es erwog in Bezug auf den vom Revisionswerber vorgebrachten Vorfall, bei dem er mit seinem Partner bei homosexuellen Handlungen beobachtet, angegriffen und in der Folge polizeilich angezeigt worden sein solle, dass ein einmaliger körperlicher Übergriff, bei dem der Revisionswerber nicht verletzt worden sei und der anschließend bloß eine Anzeige zur Folge gehabt habe, noch keine asylrelevante Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) bzw. der einschlägigen Judikatur darstelle. Das ergebe sich aus dem Umstand, dass es zu keiner systematischen Verfolgung Homosexueller in Bangladesch komme. In Bangladesch stünden homosexuelle Beziehungen zwar unter Strafe; der die Homosexualität pönalisierende § 377 des bengalischen Strafgesetzbuches (BPC) werde jedoch aktuell nicht angewandt, weshalb keine staatliche Bestrafung des Revisionswerbers zu befürchten sei. Dass Homosexuelle von bestimmten Gesellschaftskreisen schikaniert oder diskriminiert würden, komme zwar vor; dies erfolge jedoch nicht systematisch. Außerdem gebe es in Bangladesch mehrere NGOs und Onlinegemeinschaften für homosexuelle Männer. Zudem sei die Homosexuellenszene in Bangladesch im Wachsen begriffen und feiere immer wieder kleine Erfolge. Die Zahl an sichtbar homosexuellen Männern in Dhaka und Chittagong steige merklich an. Auch in Sylhet und Khulna gebe es eine (wenn auch schwach ausgeprägte) Szene. Zu erwähnen seien auch die sog. „Hijras“, denen Eunuchen und Personen mit unterentwickelten oder missgebildeten Geschlechtsorganen zugerechnet werden würden. Diese seien am 15. November 2013 legal als das „dritte Geschlecht“ anerkannt worden, was eine gewisse Progressivität indiziere. Es sei daher äußerst unwahrscheinlich, dass der Revisionswerber bei Rückkehr asylrelevante Verfolgungshandlungen aufgrund seiner vorbringlichen sexuellen Orientierung erdulden müsse. Zudem hätte er die Möglichkeit gehabt, eine innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch zu nehmen, zumal es sich bei Bangladesch um den achtbevölkerungsreichsten Staat der Erde handle und dieser über kein organisiertes Meldewesen verfüge. In seine Erwägungen bezog das BVwG auch zwei Anfragebeantwortungen der BFA-Staatendokumentation aus 2013 und 2016 mit ein, zählte die darin angeführten registrierten Diskriminierungen von LGBTI-Personen in Bangladesch auf und kam zu dem Schluss, dass diese angesichts des Bevölkerungsreichtums des Staates lediglich von geringem Umfang seien und keine Systematik erkennen ließen. Zudem würden Personen gleichen Geschlechts insbesondere in großen Metropolen (etwa Dhaka) ohne große Angst zusammenleben können, sofern sie sich diskret verhielten. Dagegen bringt die Revision insbesondere vor, das BVwG habe die Homosexualität des Revisionswerbers nicht in Zweifel gezogen. Zur Situation von Homosexuellen habe es selbst festgestellt, dass Homosexualität in Bangladesch gesellschaftlich absolut verpönt sei und nicht offen gelebt werden könne. Würden Homosexuelle als solche erkannt, hätten sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung und Misshandlungen bis hin zu Mord zu rechnen. Dies gelte für das gesamte Staatsgebiet von Bangladesch. Ob eine Vollziehung des § 377 BPC drohe, sei daher unerheblich. Für das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr sei es - obwohl dies im Revisionsfall durch die polizeiliche Anzeige ebenfalls indiziert sei - nicht erforderlich, dass diese direkt von staatlichen Behörden ausgehe. Es sei bereits ausreichend, wenn diese von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehe, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Aufgrund der geltenden Gesetzeslage im Herkunftsstaat, insbesondere des § 377 BPC, könne sich der Revisionswerber nicht an die staatlichen Behörden um Schutz wenden. Ein staatlicher Schutz sei somit ausgeschlossen. Das Vorliegen objektiv begründeter Furcht vor Verfolgung hätte das BVwG daher nicht ohne weitere Begründung damit verneinen dürfen, dass dem Revisionswerber (möglicherweise) keine staatliche Bestrafung drohe. Das BVwG gehe auch rechtsirrig davon aus, dass dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen würde. Zunächst sei die Situation für Homosexuelle in ganz Bangladesch gleich. Bereits dies schließe eine innerstaatliche Fluchtalternative aus. Zudem könne von einem Asylwerber nicht erwartet werden, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim halte, um eine Verfolgung zu vermeiden. Damit zeigt die Revision vor dem Hintergrund der dargelegten hg. Rechtsprechung zur Verfolgung wegen sexueller Orientierung einerseits und den dem Erkenntnis vom BVwG selbst zugrunde gelegten - jedoch nicht näher in die rechtliche Beurteilung einbezogenen - Länderfeststellungen andererseits einen relevanten Begründungsmangel auf. Im Übrigen stand im Entscheidungszeitpunkt des angefochtenen Erkenntnisses auch bereits eine - vom BVwG nicht berücksichtigte - aktuellere Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage homosexueller Personen in Bangladesch aus dem Jahr 2018 zur Verfügung („Anfragebeantwortung zu Bangladesch: Lage von LGBT-Personen, speziell in Dhaka und anderen Großstädten: Gewalt und Behandlung durch den Staat [a-10588]“, die u.a. darlegt, dass andere Gesetze als der (gegenständliche) strafrechtliche § 377 des bengalischen Strafgesetzbuches benutzt würden, um homosexuelle Frauen und Männer zu kriminalisieren. Zudem wurde darin die Frage, ob homosexuelle Personen offen in Bangladesch leben könnten, sowohl in Bezug auf ländliche als auch auf städtische Gebiete verneint. Da nicht auszuschließen ist, dass das BVwG bei näherer Auseinandersetzung mit den eigenen Länderfeststellungen und der Berücksichtigung aktueller Länderberichte zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, erweist sich der aufgezeigte Begründungsmangel als wesentlich, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war. (VwGH vom 14.04.2021, Ra 2020/18/0126)

Zu Recht macht die Revision geltend, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes neben der Verfolgung durch staatliche Akteure auch einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zukommt, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Die Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden ist dabei grundsätzlich daran zu messen, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind und ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat. Dabei muss auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden, ob die revisionswerbenden Parteien unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände in der Lage sind, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vgl. etwa VwGH 10.4.2020, Ra 2019/19/0415, mwN). Zudem weist die Revision zutreffend darauf hin, dass es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung ankommt. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Revisionswerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Entscheidend ist, dass der Asylwerber im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. - im vorliegenden Fall - des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste. Eine „Vorverfolgung“ ist jedoch als ernsthafter Hinweis für die Begründetheit der Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 Statusrichtlinie und damit als Indiz für eine mögliche Verfolgung anzusehen (vgl. etwa VwGH 12.6.2020, Ra 2019/18/0440). Im gegenständlichen Fall stellte das BVwG fest, dass der homosexuelle Revisionswerber vor seiner Ausreise aus Bangladesch mehrfach Ziel gewaltsamer Übergriffe von Privatpersonen war, die im Zusammenhang mit seiner sexuellen Orientierung standen. Dabei legte das BVwG offenkundig jenen Sachverhalt zugrunde, den der Revisionswerber im Laufe des Verfahrens schilderte und der auch von der Revision noch einmal näher dargestellt wird. Um diesen - von der Intensität her den Charakter von Verfolgungshandlungen erreichenden - Gewalttätigkeiten zu entgehen, flüchtete der Revisionswerber zunächst aus dem Heimatdorf in die bengalische Hauptstadt, wo er jedoch erneut in Gefahr geriet. Seitens der staatlichen Sicherheitsbehörden wurde ihm zwar gegenüber einer - nach den Feststellungen des BVwG - „protestierenden“ bzw. „aufgebrachten Menschenmenge“ Schutz gewährt, dies allerdings verbunden mit einer geforderten „Garantieerklärung“, zukünftig „derartiges Verhalten“ zu unterlassen. Nach den Länderfeststellungen des BVwG steht Homosexualität in Bangladesch auch unter Strafe (wenngleich das Gesetz „nicht aktiv“ angewandt werde), Homosexuelle würden von Polizisten „schikaniert“ und Homosexualität sei „gesellschaftlich absolut verpönt“; Homosexuelle würden gesellschaftlich diskriminiert, in Einzelfällen auch misshandelt und getötet. Bei dieser Ausgangslage ist nicht nachvollziehbar, wenn das BVwG zu dem Schluss kam, dem Revisionswerber sei es nicht gelungen, eine in seinem Herkunftsstaat bestehende konkrete Bedrohungssituation aus Gründen seiner sexuellen Neigung glaubhaft zu machen. Als Begründung für diese Einschätzung führt das BVwG lediglich an, er habe nämlich keine konkrete Verfolgung durch staatliche Autoritäten oder seine eigene Familie darlegen können. Allein das greift zu kurz, weil der Revisionswerber, wie oben gezeigt, durchaus gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen privater Personen in der Vergangenheit glaubhaft schildern konnte, gegen die ihm, wie die Revision richtig ausführt, kein oder nur eingeschränkter staatlicher Schutz gewährt wurde. Letztlich ist aber entscheidend, welche Gefahren dem Revisionswerber bei Rückkehr drohen würden, wenn er seine Homosexualität nicht geheim hielte (was von ihm nach der zitierten einschlägigen Rechtsprechung auch nicht erwartet werden darf). (VwGH vom 23.02.2021, Ra 2020/18/0500)

Im Rahmen einer Wahrunterstellung ist es erforderlich, in der Entscheidung offenzulegen, von welchen als hypothetisch richtig angenommenen Sachverhaltsannahmen bei der rechtlichen Beurteilung konkret ausgegangen wird, um sowohl den Verfahrensparteien als auch dem Verwaltungsgerichtshof die Überprüfung zu ermöglichen, ob einerseits die derart erfolgte rechtliche Beurteilung - und daher auch die Annahme, keine (allenfalls: ergänzenden) Feststellungen zum Vorbringen treffen zu müssen - dem Gesetz entspricht, und ob andererseits überhaupt bei der rechtlichen Beurteilung vom Inhalt des Sachverhaltsvorbringens ausgegangen wurde (vgl. VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0069; 21.10.2014, Ro 2014/03/0076). Bei einer „Wahrunterstellung“ ist vom gesamten Vorbringen des Revisionswerbers auszugehen (vgl. VwGH 25.3.2015, Ra 2014/18/0168). Schon diesem Erfordernis hat das BVwG nicht entsprochen, lässt es doch das eigentliche Fluchtvorbringen der Verfolgung durch Private aufgrund der Homosexualität und den mangelnden staatlichen Schutz davor völlig außer Acht. Nach den vom BVwG getroffenen Feststellungen, wonach Homosexualität in Bangladesch gesellschaftlich absolut verpönt sei und von den Betroffenen nicht offen gelebt werden könne, bei Bekanntwerden dies nicht nur zu gesellschaftlicher Diskriminierung führe, sondern auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen sei und jedes Jahr über dutzend Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet würden, die meist straflos blieben, kann dem Vorbringen des Revisionswerbers nicht von vornherein jegliche Asylrelevanz abgesprochen werden. (VwGH vom 26.01.2021, Ra 2020/14/0122)

3.1.3. Unbestritten ist, dass dem BF auf Grund seiner nunmehrigen sexuellen Orientierung im Fall der Rückkehr nach Bangladesch eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung droht. Damit ist, so der VfGH, eine Person, deren Leben oder Freiheit von staatlichen Behörden bzw. von einer Privatperson oder privaten Gruppierungen, wenn der Staat nicht gewillt oder in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten, und diese Person asylrelevant bedroht wird, als Flüchtling auch dann anzuerkennen und den Status des Asylberechtigten zu erteilen, wenn derartige Gründe zum Entscheidungszeitpunkt eine asylrelevante Verfolgung begründen können.

Der BF hat im Verfahren erkennbar dargelegt, dass er wegen seiner behaupteten Homosexualität in seinem Herkunftsland Diskriminierungshandlungen ausgesetzt wäre. Es ist davon auszugehen, dass die Homosexualität des BF im Fall einer Rückkehr in seiner Umgebung offenkundig wird, womit der BF mit hoher Wahrscheinlichkeit Opfer diskriminierender Praktiken der Gesellschaft in Bangladesch werden würde, vor denen staatliche Organe Homosexuelle - den Länderfeststellungen zufolge - nicht zu schützen vermögen, sondern den Berichten zufolge vielmehr selbst in Schikanen involviert sein können.

Im Fall einer Rückkehr wäre der BF der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt und würde dieser maßgeblichen Einschränkungen in seinem Beziehungs- und Sexualleben unterliegen. Der BF wäre gezwungen, seine sexuelle Orientierung im Geheimen – unter ständiger Angst entdeckt zu werden – zu leben, um sich nicht der Gefahr von Diskriminierung, strafgerichtlicher Verfolgung oder körperlicher Schädigung auszusetzen.

Dies ist mit der Rechtsprechung nicht vereinbar, wonach auch vom BF nicht erwartet werden kann, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung hinsichtlich seiner sexuellen Ausrichtung übt ("l'expression de son orientation sexuelle"), um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden (siehe dazu auch VfGH 21.06.2017, E3074/2016; VfGH 18.09.2014, E910/2014).

Dem BF, der wegen seiner sexuellen Orientierung einer staatlichen Bedrohung sowie potentieller privater Verfolgung, ohne, dass dieser Verfolgung hinreichender behördlicher Schutz entgegenstünde, wie den Länderberichten zu entnehmen ist, ausgesetzt wäre, ist somit der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Im Verfahren haben sich schließlich keine Hinweise auf die in Artikel 1 Abschnitt C und F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ergeben.

Im vorliegenden Einzelfall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie des Verfassungsgerichtshofs und der in diesem konkreten Fall speziell den BF betreffenden Umstände, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gegeben, dem BF war daher in Stattgebung der Beschwerde der Status des Asylberechtigten zu erteilen.

3.1.4. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass den Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2. ersatzlose Behebung der Spruchpunkte II., III., IV., V. und VII. (Spruchpunkt II.):

Aufgrund der Erteilung internationalen Schutzes iSd GFK waren die Spruchpunkte II., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides zwingend ersatzlos zu beheben und damit aus dem Rechtsbestand zu entfernen.

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, zum Refoulementschutz und zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Das Schwergewicht liegt zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

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