BVwG I420 2150907-1

BVwGI420 2150907-13.7.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:I420.2150907.1.00

 

Spruch:

I420 2150907-1/11E

 

I420 2150906-1/11E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Magdalena HONSIG-ERLENBURG als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, sowie der minderjährigen XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, beide vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.03.2017, Zl. 15-1095062507/151789110 und 16-1137589102/161658505, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2018, zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Die Verfahren der am XXXX geborenen Erstbeschwerdeführerin sowie ihrer minderjährigen Tochter, der am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführerin, sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

 

Die Erstbeschwerdeführerin stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 17.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Noch am selben Tag wurde die Erstbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihre Mutter Mitglied eines geheimen Kultes gewesen sei. Nach dem Tod der Mutter hätte sie als Erstgeborene deren Nachfolge im Kult antreten müssen, was sie als Christin nicht machen habe wollen. Daraufhin sei sie davongelaufen und habe in einem nicht fertiggestellten Gebäude übernachtet, wo sie von zwei Männern vergewaltigt worden sei. Danach habe sie mit Hilfe eines Pastors Nigeria verlassen.

 

Am XXXX wurde die Zweitbeschwerdeführerin geboren und am 06.12.2016 brachte die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin einen Asylantrag für diese ein.

 

In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 23.02.2017 wiederholte die Erstbeschwerdeführerin, dass sie den Platz ihrer Mutter in einem Geheimkult einnehmen hätte sollen und damit bedroht worden sei, dass im Falle ihrer Weigerung sie und ihre Geschwister umgebracht werden würden. Daraufhin sei sie weggerannt, habe einige Tage in einem unfertigen Gebäude geschlafen, wo sie von vier Männern des Kultes zusammengeschlagen und von zwei davon vergewaltigt worden sei. Die Mitglieder des Kultes hätten nämlich die Kraft, sie in ganz Nigeria aufzuspüren. Dann habe sie auf Anraten eines Pastors Nigeria verlassen. Zur Polizei sei sie nicht gegangen, da zu den Mitgliedern des Kultes auch Polizisten zählen würden.

 

In der Folge wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 03.03.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführerinnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführerinnen Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide). Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin wurde als nicht glaubhaft angesehen, da dieses in sich unschlüssig und widersprüchlich gewesen sei bzw. ihre Angaben vollkommen unplausibel erscheinen würden. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass den Beschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr nach Nigeria Gefahren drohen würden, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Es würden sich keine Anhaltspunkte ergeben haben, dass die Erstbeschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr nicht selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können sollte, zumal sie jung, gesund sowie arbeitsfähig sei und über eine Lehre als Friseurin verfüge. Ferner könne davon ausgegangen werden, dass die Erstbeschwerdeführerin in Nigeria Verwandte habe, welche sie bei einer Rückkehr beherbergen und unterstützen könnten.

 

Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 06.03.2017 wurde den Beschwerdeführerinnen gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

 

Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde fristgerecht am 21.03.2017 Beschwerde erhoben sowie eine Vollmacht für die Vertretung durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vorgelegt. Es wurde beantragt das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG durchführen; die angefochtenen Entscheidungen hinsichtlich Spruchpunkt I. beheben und den Beschwerdeführerinnen den Status als Asylberechtigte zuerkennen; in eventu die angefochtenen Bescheide hinsichtlich Spruchpunkt II. beheben und den Beschwerdeführerinnen den Status subsidiär Schutzberechtigter gewähren; feststellen, dass die Abschiebung nach Nigeria auf Dauer unzulässig ist sowie die erlassenen Rückkehrentscheidungen ersatzlos beheben; in eventu die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG beheben und zur Erlassung neuer Bescheide an die Behörde zurückverweisen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.05.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die Beschwerdeführerinnen und ihre Rechtsvertretung sowie zwei Vertreterinnen des BFA teilnahmen. Im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Englisch wurde die Erstbeschwerdeführerin u.a. zu ihrer Identität, zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat, zu den Fluchtgründen sowie zu ihrem Leben in Österreich ausführlich befragt. Die Erstbeschwerdeführerin wiederholte ihr bisheriges Vorbringen und gab im Widerspruch dazu an, dass ihre Mutter ihr bereits vor dem Tod mitgeteilt habe, dass sie dem Ogboni-Kult angehöre. Bei einer Rückkehr befürchte sie vom Ogboni-Kult geopfert zu werden, zumal ihr dies auch angedroht worden sei. Auch ihrer Tochter könnte etwas zustoßen und könnte diese Opfer von Genitalverstümmelung werden. Ob die Mitglieder des Ogboni-Kultes in der Zwischenzeit nach ihr gefragt hätten, wisse sie allerdings nicht. Außerdem sei die Situation für alleinerziehende Frauen in Nigeria sehr schwer. In Nigeria würden noch Verwandte leben und sie habe telefonischen Kontakt zu diesen. Ihre Schwestern würden mit ihrer Großmutter in einem Lehmhaus leben und es gehe ihnen gut.

 

Die Beschwerdevorlagen langten am 24.03.2017 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführerinnen:

 

Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige Nigerias. Sie sind somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz. Die Identität der Erstbeschwerdeführerin steht nicht fest, jene der Zweitbeschwerdeführerin steht fest.

 

Die Erstbeschwerdeführerin hält sich seit spätestens 17.11.2015 in Österreich auf. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren.

 

Die Erstbeschwerdeführerin ist volljährig, Angehörige der Volksgruppe Edo und bekennt sich zum christlichen Glauben (römisch-katholisch).

 

Die Erstbeschwerdeführerin ist ledig und befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Sie leidet an keinen lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Auch die Zweitbeschwerdeführerin ist gesund.

 

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt über eine achtjährige Schulbildung und eine Lehre als Friseurin. Aufgrund ihrer Arbeitserfahrung in Nigeria hat sie eine Chance auch hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

 

Die Familie der Erstbeschwerdeführerin, bestehend aus ihren Geschwistern, ihrer Großmutter sowie diversen Onkeln und Tanten, lebt in Nigeria. Zu ihrer Familie besteht telefonischer Kontakt.

 

In Österreich verfügen die Beschwerdeführerinnen über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

 

Die Erstbeschwerdeführerin geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.

 

Die Erstbeschwerdeführerin weist in Österreich, abgesehen von Deutschkurs-Besuchen und dem regelmäßigen Verrichten einer gemeinnützigen Tätigkeit sowie geschlossenen Freundschaften, keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

 

Die Erstbeschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

 

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführerinnen:

 

Entgegen ihrem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin von Mitgliedern eines geheimen Kultes bzw. des Ogboni-Kultes verfolgt worden sei. Unabhängig von der Frage der Glaubhaftmachung ihres Fluchtgrundes muss diesbezüglich aber festgestellt werden, dass ihr Vorbringen keine Asylrelevanz entfalten würde (siehe rechtliche Würdigung). Bei einer hypothetischen Wahrunterstellung des Vorbringens würde der Erstbeschwerdeführerin zudem eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehen, könnte sie sich doch außerhalb ihres früheren Wohnortes Benin City, beispielsweise bei ihrer Großmutter und ihren Geschwistern in Uhen niederlassen. Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin und aufgrund der persönlichen Verhältnisse der Erstbeschwerdeführerin sowie der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

 

Für die Zweitbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

 

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Die Beschwerdeführerinnen verfügen über keine sonstigen Aufenthaltsberechtigungen. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerinnen nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Die Beschwerdeführerinnen sind auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

 

1.3. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:

 

Aufgrund des Umstandes, dass es inzwischen eine aktuelle Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 07.08.2017 gibt, wurde dieses den Beschwerdeführerinnen im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung übermittelt und im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert. Den folgenden Feststellungen wurde nicht entgegengetreten:

 

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Wahlen von Präsident und Nationalversammlung 2015 und die seitdem stattgefundenen Wahlen der Gouverneur- und Landesparlamente in 31 von 36 Bundesstaaten haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im All Progressives' Congress (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments und regiert nun auch in 23 der 36 Bundesstaaten. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung stark geschwächt. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungs-partei behaupten (AA 21.11.2016). Bei den Präsidentschaftswahlen am 28.3.2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel (GIZ 7.2017a).

 

Im Länderbericht ergibt die geschilderte allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Personen der Beschwerdeführerinnen gerichtete Verfolgungsgefahr, die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land, sodass sich Bürger in jedem Teil des Landes niederlassen können. Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Darüber hinaus sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen.

 

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden (USDOS 13.4.2016). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein. Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016b).

 

In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen (CIA 7.6.2017; vgl. GIZ 7.2017b). Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch" (AA 21.11.2016). Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein Teil des Landes ist von starker Verfolgung betroffen (der Teil, der überwiegend von Muslimen bewohnt wird), wohingegen der andere, überwiegend von Christen bewohnte, Landesteil überhaupt nicht beeinträchtigt ist.

 

Der Begriff "Kult" ist in Nigeria sehr weitgreifend und kann für jede organisierte Gruppe von Menschen verwendet werden, um welche sich Geheimnisse ranken. Der Begriff umfasst auch eine religiöse Dimension (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013, EASO 6.2017), die generell auf die Verwendung von Juju abzielt. Die Spannweite reicht von den berühmten Ogboni über ethnische Vigilantengruppen bis zu Bruderschaften an Universitäten. Kulte und Geheimgesellschaften sind vor allem im Süden von Nigeria verbreitet, nur in geringem Maße im Norden. Die geheimen Bruderschaften operieren bis hinauf in die gesellschaftliche Elite des Landes (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013; vgl. EASO 6.2017). Mitglieder dieser Kulte sind auch hochrangige Nigerianer, Beamte, Unternehmer, Politiker und sogar Sicherheitskräfte (DT 18.6.2016). Es wird in Nigeria weithin angenommen, dass Personen an der Macht geheime Netzwerke bilden, bei welchen der Missbrauch okkulter Kräfte zur Routine gehört (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013). Viele treten Kulten bei, da diese mit Macht, Reichtum und Ansehen in der Gesellschaft verbunden werden. Es gibt auch eigene Kulte für Frauen (DT 18.6.2016; vgl. EASO 6.2017). Kulte greifen generell niemanden an, der nicht selbst in Kult-Aktivitäten involviert ist (VA1 16.11.2015; vgl. IRB 3.12.2012). Das "Secret Cult and Similar Activities Prohibition" Gesetz aus dem Jahr 2004 listet offiziell ca. 100 Kult-Gruppen auf, die verboten worden sind. Diese Kulte umfassen kriminelle Banden; spirituell und politisch motivierte Gruppen auf der Suche nach Macht und Kontrolle; sowie Banden, die Wasserwege, Durchfahrtswege oder Ölreserven kontrollieren (UKHO 1.2013; vgl. EASO 6.2017). Personen, die sich vor einer Schlechtbehandlung/Misshandlung durch derartige Gruppierungen fürchten, können entweder Schutz erhalten oder aber eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen, um der befürchteten Misshandlung zu entgehen (UKHO 12.2013).

 

Zur wirtschaftlichen Lage ist allgemein auszuführen, dass Nigeria seit 2014 als die größte Volkswirtschaft Afrikas gilt, im Jahr 2014 wurde sogar das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika übertroffen (GIZ 6.2016c; vgl. AA 5 .2016), neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 3.12.2015).

 

Es ist davon auszugehen, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014).

 

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014).

 

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 7.2014).

 

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik. (IOM 8.2014). Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 4.7.2017). Laut dem Gesundheitsministerium gibt es weniger als 150 Psychiater in Nigeria (IRIN 13.7.2017). Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 21.11.2016). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 21.11.2016). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 3.3.2017). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten An-tibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 21.11.2016).

 

Es besteht auch wie im Länderbericht ausgeführt, keine Gefahr dahingehend, dass ein ob eines abgelehnten Asylantrages rückgeführter Asylwerber bei seiner Rückkehr nach Nigeria mit staatlichen Repressionen zu rechnen habe. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt außerdem darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 7.2014).

 

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.4. Zur Situation von Frauen und Kindern in Nigeria:

 

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).

 

Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4 .2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).

 

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).

 

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).

 

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).

 

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).

 

Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).

 

Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).

 

Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).

 

Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO .2.2017). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9.2.2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).

 

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel:

 

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).

 

Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).

 

Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).

 

Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).

 

Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).

 

Eine Auswahl spezifischer Organisationen:

 

• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:

info@awegng.org , aweg95@yahoo.com , nosaaladeselu@yahoo.co.uk (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).

 

• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).

 

• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA),19 , Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja;, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com , wrapa399@yahoo.com , (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).

 

• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org , wacolnig@gmail.com , wacolnig@yahoo.com , wacolenugu@yahoo.com ; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:

+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).

 

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kinder:

 

Die Rechte des Kindes werden in Nigeria nur unzureichend gewährleistet. Der Child Rights Act, mit dem die UN-Kinderrechtskonvention in nationales Recht umgesetzt werden soll, wurde bislang lediglich von 24 der 36 Bundesstaaten verabschiedet (AA 21.11.2016; vgl. UNICEF o.D.). Insbesondere die nördlichen Bundesstaaten sehen in einigen Bestimmungen (Rechte des Kindes gegenüber den eigenen Eltern, Mindestalter für Eheschließungen) einen Verstoß gegen die Scharia. Die staatlichen Schulen sind im Allgemeinen in einem beklagenswerten Zustand. Gewalt und sexuelle Übergriffe gegenüber Schülerinnen und Schülern sind an den meisten Schulen Alltag (AA 21.11.2016).

 

Straßenkinder, vor allem weibliche, werden zudem oft Opfer von Menschenhändlern. Kinderarbeit und -prostitution, Vernachlässigung und Aussetzung von Kindern sind verbreitet (AA 21.11.2016; vgl. UNICEF o.D.).

 

Das Arbeitsministerium und die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP) schätzen, dass mehr als 15 Millionen Kinder arbeiten, davon 2,3 Millionen in gefährlichen Bereichen. Dabei bleibt auch Zwangsarbeit weit verbreitet. Frauen und Mädchen müssen als Hausangestellte, Buben als Straßenverkäufer, Diener, Minenarbeiter, Steinbrecher, Bettler oder in der Landwirtschaft arbeiten. Im Jahr 2013 hat die Regierung einen Nationalen Aktionsplan und eine Nationale Strategie, um Kinderarbeit zu bekämpfen, verabschiedet. Da die Gesetze aber so gut wie nicht umgesetzt werden, ist der Schutz der Kinder inadäquat. Um Kinder zumindest vor den schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu bewahren, betreibt die Regierung Interventionen, und es gibt diesbezüglich gemeinsam mit NGOs geführte Ausbildungsstätten im Land (USDOS 3.3.2017).

 

Das Gesetz sieht bei einer Eheschließung ein Mindestalter von 18 Jahren vor. Allerdings haben bei weitem nicht alle Bundesstaaten das betreffende o.g. Gesetz (Child Rights Act) ratifiziert. Jene Bundesstaaten, die dies nicht taten, haben kein Mindestalter für eine Eheschließung. Vor allem die nördlichen Bundesstaaten halten sich nicht an das offizielle Mindestalter auf Bundesebene (USDOS 3.3.2017). Kinderehen, in denen Mädchen in jungen Jahren mit zumeist älteren Männern verheiratet werden, sind vor allem im Norden des Landes noch weit verbreitet (AA 21.11.2016; vgl. UNICEF o.D.). Nach einem Bericht der Nationalen Bevölkerungskommission sind etwa 12 Prozent der 15-jährigen in Nigeria von Kinderehen betroffen, die oft zu Schwangerschaften in jungem Alter mit gesundheitlichen Schädigungen sowie dem vorzeitigen Abbruch der Schulbildung führen (AA 21.11.2016). Immer wieder werden Mädchen auch in eine Zwangsehe verkauft. Die Regierung hat dagegen keine rechtlichen Schritte getätigt (USDOS 3.3.2017).

 

Der weitverbreitete Glaube an Kinderhexen und mit traditionellen Glaubensvorstellungen verbundene Rituale führen zu zum Teil schwersten Menschenrechtsverletzungen an Kindern (Ausgrenzung, Aussetzung, Mord), insbesondere an Kindern mit Behinderungen (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Entsprechende Fälle werden überwiegend aus der südlichen Hälfte Nigerias berichtet, besonders gehäuft aus der Region Südosten und den Bundesstaaten Akwa Ibom und Edo (AA 21.11.2016; vgl. DW 15.6.2016). Nigerias Regierung ist sich des Ausmaßes des Problems bewusst. Bereits 2008 verabschiedete das Land verschärfte Gesetze, um Kinder besser vor Hexenverfolgung und Gewalt zu schützen. Bis heute habe es allerdings keine Verurteilung auf Grundlage dieser Gesetze gegeben (DW 15.6.2016).

 

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

 

 

 

 

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerden folgende Erwägungen getroffen:

 

2.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

 

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerinnen:

 

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerinnen getroffen wurden, beruhen diese auf den in den angefochtenen Bescheiden getroffenen und unbestritten gebliebenen Feststellungen sowie auf der Geburtsurkunde der Zweitbeschwerdeführerin.

 

Da die Erstbeschwerdeführerin entweder nicht im Stande oder nicht Willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht ihre Identität nicht fest.

 

Laut Artikel 25 (1c) des Kapitels III der Verfassung Nigerias aus dem Jahr 1999, welche noch immer in Kraft ist, ist jede Person durch Geburt nigerianischer Staatsbürger, wenn ein Elternteil die nigerianische Staatsbürgerschaft hat. Aufgrund der nigerianischen Staatsbürgerschaft der Erstbeschwerdeführerin ist daher auch für die Zweitbeschwerdeführerin von einer solchen auszugehen.

 

Die Feststellungen betreffend die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin ergeben sich aus den Aussagen der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerinnen und zur Arbeitsfähigkeit der Erstbeschwerdeführerin ergeben sich aus den Aussagen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar. Betreffend den Befund der Erstbeschwerdeführerin vom 19.03.2018 mit der Diagnose "Keloid am oberen Ohrpol links bei Z.n. Piercing" (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Keloid ) ist anzuführen, dass es sich dabei zum einen um keine lebensbedrohliche Erkrankung handelt, welche in Nigeria nicht behandelbar wäre und sie zum anderen nach komplikationslosem Eingriff in Lokalanästhesie in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden konnte.

 

Die Feststellungen zur Ausbildung, zur Berufserfahrung und zur Familie der Erstbeschwerdeführerin in Nigeria ergeben sich aus ihren Aussagen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung.

 

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände sowie die Integrationsbemühungen der Beschwerdeführerinnen in Österreich beruhen auf den Aussagen der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung sowie auf den vorgelegten Dokumenten (diverse Deutschkursbestätigungen, Bestätigung und Arbeitsvertrag betreffend die ehrenamtliche Tätigkeit, Empfehlungsschreiben).

 

Die Feststellungen zum Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 25.06.2018 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

 

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Erstbeschwerdeführerin entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

 

2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerinnen:

 

Für die Zweitbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

 

Die Erstbeschwerdeführerin gab zusammengefasst an, dass sie Nigeria wegen einer Verfolgung durch den Ogboni-Kult, da sie sich geweigert habe, den Platz ihrer verstorbenen Mutter einzunehmen, verlassen habe.

 

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

 

Das BFA hatte das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin als unglaubwürdig qualifiziert. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der Erstbeschwerdeführerin, wie in der Beschwerde gefordert, Gelegenheit gewährt, Widersprüche aufzuklären und ihre Fluchtgründe noch einmal ausführlich darzutun. Doch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung muss das Bundesverwaltungsgericht sich dem BFA dahingehend anschließen, dass das Vorbringen zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft ist; dies aus den folgenden Erwägungen:

 

Die Erstbeschwerdeführerin widerspricht sich, wie vom BFA treffend dargelegt, bei ihren Angaben bezüglich des Zeitpunktes, an welchem sie von der Zugehörigkeit ihrer Mutter zum Ogboni-Kult erfahren haben will. So gab sie bei ihrer Erstbefragung an, dass sie erst am Begräbnistag erfahren habe, dass ihre Mutter dem Ogboni-Kult angehört habe (AS 17). Bei ihrer Einvernahme durch das BFA erklärte die Erstbeschwerdeführerin dann aber, dass sie bereits vor der Beerdigung ihrer Mutter von ihrer Kult-Mitgliedschaft erfahren habe, da sie Fotos ihrer Mutter in der für Mitglieder des Ogboni-Kultes typischen roten Kleidung gesehen habe (AS 125). Auch in der Beschwerde wird angeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin erstmals bei der Trauerfeier einen Hinweis auf die Zugehörigkeit ihrer Mutter zum Ogboni-Kult erhalten habe (S. 5 Beschwerde). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab sie dann aber an, dass sie, als ihre Mutter krank gewesen sei, entsprechende Fotos gefunden und von der Mitgliedschaft erfahren habe (S. 9 Verhandlungsprotokoll). Auf entsprechenden Vorhalt der erkennenden Richterin, dass sie im behördlichen Verfahren angegeben habe, nach dem Tod der Mutter, aber vor dem Begräbnis, von der Mitgliedschaft erfahren zu haben, erklärte sie: "Ja, als sie krank war, suchte ich nach Medikamenten und sah das Foto. Ich brachte sie dann ins Krankenhaus, wo sie verstarb. [...] Als sie krank war, hat sie mir auch schon gesagt, dass sie Mitglied der Ogboni Bruderschaft ist. Nach dem Tod habe ich dann Fotos gefunden und wusste, dass sie die Wahrheit gesagt hatte." Auf neuerlichen Vorhalt seitens der erkennenden Richterin, dass es sich bei ihrer Angabe, ihre Mutter hätte ihr noch zu Lebzeiten erzählt, dass sie Mitglied des Ogboni-Kultes sei, um ein ganz neues Vorbringen handeln würde, meinte sie lediglich: "Das tut mir leid. Es ist schon lange Zeit her und ich kann mich nicht mehr an alles erinnern."

 

Weiters ist dem BFA zuzustimmen, wenn es anführt, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen ist, die Zeitspanne des Aufenthaltes der Mitglieder des Ogboni-Kultes beim Leichnam der Mutter homogen darzulegen. So gab sie bei ihrer Erstbefragung an, dass die Mitglieder des Kultes die Türe verschlossen hätten und einige Stunden im Raum, in welchem die Mutter aufgebahrt gewesen sei, verbracht hätten (AS 17). Bei ihrer Erstbefragung erklärte sie dann, dass sich die Kult-Mitglieder eine Stunde im Raum mit dem Leichnam der Mutter befunden hätten (AS 125). In der mündlichen Verhandlung sprach die Erstbeschwerdeführerin dann wieder von zwei bis drei Stunden (S. 11 Verhandlungsprotokoll). Auf entsprechenden Vorhalt der erkennenden Richterin, meinte sie lapidar: "Ja, das stimmt. Ich weiß es nicht genau, aber sie waren lange Zeit dort."

 

Zudem widerspricht sich die Erstbeschwerdeführerin, wenn sie bei ihrer Einvernahme anführte, die Anhänger des Ogboni-Kultes seien in das Haus ihrer Familie gekommen und ins Zimmer gegangen, in welchem die Mutter aufgebahrt gewesen sei, wo sie dieser ein Auge und eine Brust abgeschnitten hätten, weswegen ihr nichts anderes übrig geblieben sei, als ihre Mutter so zu begraben (AS 123), aber in der mündlichen Verhandlung erklärte, dass die Mitglieder eine Woche nach der Beerdigung der Mutter in die Aufbewahrungshalle gekommen seien (S. 8 Verhandlungsprotokoll).

 

Ein weiterer Widerspruch betrifft die Angaben der Erstbeschwerdeführerin betreffend den zeitlichen Abstand zwischen dem Tod der Mutter und der Beerdigung. So gab sie zu Beginn ihrer Einvernahme beim BFA an, dass die Mutter am 31.08.2015 verstorben und beerdigt worden sei (AS 118 und 124). Im Verlauf der Einvernahme vor dem BFA erklärte sie dann, dass zwischen dem Ableben der Mutter bis zu ihrem Begräbnis eine Woche vergangen sei (AS 127). Dann unterschied die Erstbeschwerdeführerin zwischen der Trauerzeremonie in Benin City und der Beerdigung in Uhen und erklärte, dass dazwischen zwei Tage gelegen seien, an den genauen Todeszeitpunkt könne sie sich allerdings nicht erinnern (AS 130). In der mündlichen Verhandlung gab sie dann wiederum an, dass die Beerdigung am selben Tag, nämlich am 31.08.2015 stattgefunden habe (S. 10 Verhandlungsprotokoll).

 

Wie das BFA im angefochtenen Bescheid ebenfalls richtig dargestellt hat, entbehren auch die Angaben der Erstbeschwerdeführerin bezüglich des Leichentransportes von Benin City nach Uhen jeglicher Glaubwürdigkeit, zumal sie angab, dass das Dorf sehr weit von Benin City entfernt gewesen sei und sie ganze zwei Tage für die Strecke benötigt hätten. Erst auf entsprechenden Vorhalt des BFA, dass Uhen lediglich ca. 60 km von Benin City entfern sei, meinte sie: "Das Auto ist kaputt geworden." (AS 130). Unabhängig davon ist dem BFA zuzustimmen, dass auch die Angaben zum Transport (Größe des Autos, Anzahl der Personen im Auto usw.) unplausibel und nicht realitätsnah erscheinen (AS 131).

 

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass es äußerst unwahrscheinlich erscheint, dass die Erstbeschwerdeführerin zwar regelmäßig mit ihrer Großmutter telefoniert, sich aber nicht erkundigt hat, ob in Uhen nach ihr gesucht worden sei (S. 15 Verhandlungsprotokoll). Würde sie tatsächlich von den Mitgliedern des Ogboni-Kultes verfolgt werden, müsste diese Information für sie doch von großem Interesse sein.

 

Zusammengefasst verharrte die Erstbeschwerdeführerin während der gesamten Einvernahme in einer wortkargen Darlegung einiger weniger Eckpunkte einer Schilderung, die Antworten auf die gestellten Fragen waren grundsätzlich kurz und total vage - eine detaillierte oder umfassende Schilderung der Ereignisse war ihr im Zuge der gesamten Einvernahme nicht möglich. Obwohl die Erstbeschwerdeführerin aufgefordert wurde, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen, wurden die, für den Gang der Fluchtgeschichte erforderlichen Fragen, von ihr lediglich in äußerst knappster Weise und total pauschal beantwortet. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist jedoch davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend zu schildern, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist. Die knappen, vagen und inhaltsleeren Angaben der Erstbeschwerdeführerin waren jedoch nicht geeignet, eine derart schwere Verfolgung glaubhaft zu machen, die sie dazu getrieben hätte, ihr Heimatland zu verlassen.

 

Die Erstbeschwerdeführerin berichtete nicht von sich aus über die Geschehnisse im Rahmen einer narrativen und konkludenten Wiedergabe, so wie eben Menschen berichten, welche das Erzählte tatsächlich erlebt haben. Diese Feststellung kann insofern getroffen werden, als es aus der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts notorisch ist, dass detailreiche Aussagen mit Realkennzeichen in der Regel für die Glaubwürdigkeit des entsprechenden Vortrages sprechen. Hier ergibt sich also in der Gesamtschau mit den anderen Ausführungen zur Beweiswürdigung ein wesentliches Indiz für die mangelnde Glaubwürdigkeit des zentralen Asylvorbringens der Erstbeschwerdeführerin. Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht als Aufgabe des BFA gesehen werden, jede ihrer unzähligen vagen und pauschalen Angaben bzw. Andeutungen durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren, sondern liegt es an der Erstbeschwerdeführerin ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Glaubwürdigkeit zu erlangen.

 

Auch die Behauptung der Erstbeschwerdeführerin, dass die Mitglieder der geheimen Verbindung bzw. des Ogboni-Kultes die Macht hätten, alles zu erfahren (S. 11 Verhandlungsprotokoll) und sie überall finden könnten (AS 129), stellt sich - bei hypothetischer Wahrunterstellung - als rechtlich nicht relevant dar, da sie keine Asylrelevanz begründet, weil eine religiös-fundierte subjektive Furcht, basierend auf dem Glauben an das Übernatürliche, keine Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellt. Die Angst der Erstbeschwerdeführerin, durch die Magie eines anderen gefunden bzw. in weiterer Folge getötet zu werden, stellt zudem eine Bedrohung durch Privatpersonen dar und ist keine Verfolgung von staatlicher Seite aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung.

 

Unter der theoretischen Annahme, dass das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, nämlich, dass sie von Mitgliedern der geheimen Verbindung bzw. des Ogboni-Kultes verfolgt werde, real wäre, müsste das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wie das BFA auch treffend darlegt, auch wegen des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative verneint werden. So könnte sie beispielsweise bei ihren Geschwistern und ihrer Großmutter in Uhen unterkommen, welche dort unbehelligt in einem Lehmhaus leben und denen es gut geht (S. 6 Verhandlungsprotokoll), zumal der Erstbeschwerdeführerin auch nicht bekannt ist, dass die Mitglieder des Ogboni-Kultes dort nach ihr gesucht hätten. Es steht der Erstbeschwerdeführerin frei, sich an einem anderen Ort in Nigeria niederzulassen und wird dies von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes auch für zumutbar gehalten. Die Erstbeschwerdeführerin ist jung, gesund, arbeitsfähig, verfügt über eine Schulbildung sowie Berufserfahrung und sollte im Falle seiner Rückkehr durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, ihren und den Lebensunterhalt ihres Kindes bestreiten können. Die Erstbeschwerdeführerin ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

 

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu dem Schluss, dass es der Erstbeschwerdeführerin nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen ihre Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt. Somit war nicht davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin in Nigeria einer asylrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt war bzw. gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin ist.

 

2.4. Zum Herkunftsstaat:

 

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen in den angefochtenen Bescheiden wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0210).

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Die Beschwerdeführerinnen traten den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert entgegen.

 

Zudem brachten die Beschwerdeführerinnen weitere Quellen ins Beschwerdeverfahren ein, die in gegenständlicher Entscheidung auch Berücksichtigung fanden.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

 

3.1. Zum Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

 

Im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Die Erstbeschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, dass ihr aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention Verfolgung droht. Die Erstbeschwerdeführerin vermochte keine ernstliche, sie betreffende Gefahr einer Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen, wie oben in der Beweiswürdigung (II.2.3.) bereits ausgeführt.

 

Selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung wäre ihr Vorbringen, von Mitgliedern einer geheimen Verbindung bzw. des Ogboni-Kultes verfolgt zu werden, nämlich nicht asylrelevant, wie im Folgenden gezeigt wird:

 

Theoretisch wäre eine Verbindung zum Fluchtgrund der Religion denkbar, handelt es sich doch etwa beim Ogboni-Kult um eine Gemeinschaft, die traditionelle Glaubensformen bzw. -riten integriert hat. Es würde sich dabei aber um eine Verfolgung durch die Anhänger des Kultes und damit durch Privatpersonen handeln.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann aber nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN).

 

Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), die im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts mit zu berücksichtigen ist, muss der Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden wirksam sein. Ein solcher Schutz ist generell gewährleistet, wenn etwa der Herkunftsstaat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Asylwerber Zugang zu diesem Schutz hat. Bei Prüfung (u.a.) dieser Frage berücksichtigen die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 Statusrichtlinie zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers.

 

Die Statusrichtlinie sieht daher einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vg. zum Ganzen VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063).

 

Im vorliegenden Fall hat die Erstbeschwerdeführerin keine fallbezogenen Umstände aufgezeigt, die im gegenständlichen Fall gegen eine Schutzfähigkeit und -willigkeit der nigerianischen Behörden spezifisch ihr gegenüber sprechen würden. Dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin ist auch nicht zu entnehmen, dass sie sich hinsichtlich der von ihr behaupteten Verfolgung durch die Mitglieder der Kultgemeinschaft überhaupt an die Sicherheitsbehörden gewendet hätte (AS 125, S. 13 Verhandlungsprotokoll). Anstatt also sofort das Land zu verlassen, wäre es daher an der Erstbeschwerdeführerin gelegen gewesen, die staatlichen Behörden um ihren Schutz und ihre Hilfeleistung zu ersuchen.

 

Der Erstbeschwerdeführerin ist es damit im Ergebnis nicht gelungen, substantiiert darzulegen, dass ihr der nigerianische Staat keinen wirksamen Schutz vor der von ihr behaupteten Verfolgung gewähren würde, zumal auch im o.a. aktuellen Länderbericht angeführt wird, dass Personen, die sich vor einer Schlechtbehandlung/Misshandlung durch Kulte und Geheimgesellschaften fürchten, Schutz erhalten können.

 

Außerdem besteht in Nigeria - selbst bei Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung in einem Teil des Landes - grundsätzlich in anderen Teilen des Landes eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG 2005, die im Allgemeinen auch zumutbar ist (zu diesem Erfordernis vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.03.2011, 2008/01/0047); im Besonderen wäre es der Erstbeschwerdeführerin zumutbar gewesen, innerhalb Nigerias Schutz vor der von ihr behaupteten Gefahr zu suchen, da es sich bei ihr um einen gesunde und arbeitsfähige Erwachsene handelt, dem ein Ortswechsel ohne weiteres möglich gewesen wäre. In Nigeria gibt es auch keine Einschränkungen der Reisefreiheit, so dass es ihr auch möglich gewesen wäre, sich an einem Ort außerhalb von Benin City, Edo State niederzulassen.

 

Für die Zweitbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

 

3.2. Zum Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage in Nigeria (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr nach Nigeria mit existentiellen Nöten konfrontiert ist.

 

Zudem führt eine Rückkehr nach Nigeria auch im Falle alleinstehender Frauen nicht automatisch dazu, dass sie in eine unmenschliche Lage bzw. eine Notlage geraten und ihre in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte verletzt würden. In Nigeria gibt es einerseits viele Frauengruppen, die praktische Hilfe und Zuflucht anbieten und andererseits nehmen sich sowohl staatliche als auch halbstaatliche Einrichtungen der Rehabilitierung und Betreuung rückgeführter Frauen an und unterhalten in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros. Außerdem können Frauen in Nigeria, wie in den Länderfeststellungen ersichtlich, auf die Hilfe verschiedener Organisationen zurückgreifen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5).

 

Gemäß § 8 Abs. 3 leg. cit. sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht. Wie bereits dargelegt würde der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehen und ist diese auch zumutbar. Alleine aus diesem Grund scheidet die Gewährung von subsidiärem Schutz aus.

 

Soweit die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung angab, dass sie in Bezug auf ihre Tochter befürchte, dass diese in Nigeria Opfer von Genitalverstümmelung werden würde, reicht dies nicht aus, um die reale Gefahr aufzuzeigen, dass eine der Beschwerdeführerinnen in die konkrete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung bzw. des Todes kommen würde.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Derartige Beweise wurden nicht vorgelegt.

 

Im gegenständlichen Fall ist daher nicht davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin in eine Notlage geraten würde, da sie über eine Schulbildung sowie Arbeitserfahrung verfügt und den Großteil ihres Lebens in Nigeria verbracht hat. Dazu kommt, dass sich in Nigeria noch die Geschwister, die Großmutter sowie zahlreiche Onkel und Tanten der Erstbeschwerdeführerin aufhalten, sodass sie bei ihrer Rückkehr auch nicht auf sich alleine gestellt ist. Es ist der Erstbeschwerdeführerin jedenfalls möglich und zumutbar bei einer Rückkehr erneut ihre berufliche Tätigkeit aufzunehmen, um ein für ihren Lebensunterhalt (und für den Lebensunterhalt ihres Kindes) ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Da die Erstbeschwerdeführerin auch über familiäre Anknüpfungspunkte (Kernfamilie) in Nigeria verfügt, kann die Erstbeschwerdeführerin von diesen jedenfalls eine entsprechende Unterstützung in Anspruch nehmen, welche sie vor einer Obdachlosigkeit und existentiellen Notlage bewahren würde. Es ist der Erstbeschwerdeführerin auch unbenommen, gegebenenfalls Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

 

Die Erstbeschwerdeführerin ist in Nigeria aufgewachsen und lebte dort bis zu ihrer Ausreise. Sie ist mit den örtlichen Gegebenheiten somit bestens vertraut und ist auch davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin aufgrund ihres über 21 Jahre andauernden Aufenthaltes in ihrer Heimatstadt - diese hat sie erst im Jahr 2015 verlassen - auch nach wie vor über soziale Kontakte verfügt.

 

Zu der vorgebrachten Erkrankung ist unter Verweis auf die aktuellen Länderfeststellungen noch auszuführen, dass Nigeria über ein Gesundheitssystem und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten verfügt und die gesundheitlichen Probleme der Erstbeschwerdeführerin keinesfalls jene besondere Schwere aufweisen, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als unmenschliche Behandlung erscheinen ließen.

 

Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und des EGMR zu Art. 3 EMRK hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland (einer Abschiebung oder Überstellung) nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaats gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (vgl. dazu etwa VfSlg. 18.407/2008 sowie VwGH 28.04.2010, 2008/19/0139-0143; 11.11.2015, Ra 2015/20/0196, jeweils mwN). Auch hindern psychische Probleme des Fremden bis hin zu Selbstmordabsichten eine Abschiebung nicht, sofern dabei Sorge getragen wird, den Fremden mit konkreten Maßnahmen zu betreuen (vgl. VwGH 25.04.2008, 2007/20/0720-0722).

 

Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (EGMR 22.06.2010, Al-Zawatia, Appl. 50068/08; EGMR 27.05.2008, N./Vereinigtes Königreich, Appl. 26565/05, Rn. 42ff; EGMR 03.05.2007, Goncharova & Alekseytsev, Appl. 31246/06; EGMR 07.11.2006, Ayegh, Appl. 4701/05; EGMR 04.07.2006, Karim, Appl. 24171/05; EGMR 10.11.2005, Paramsothy, Appl. 14492/03).

 

Eine akute lebensbedrohende Krankheit, welche eine Überstellung der Erstbeschwerdeführerin nach Nigeria gemäß der dargestellten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verbieten würde, liegt im konkreten Fall nicht vor, zumal der sich im Akt befindliche Befund von einer Entlassung in gutem Allgemeinzustand spricht und auch in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich nichts vorgebracht wurde. Auch wurde nicht konkret dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Überstellung verschlechtern würde. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.

 

Aufgrund der o.a. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr in ihrem Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten würde, sodass der Ausspruch in Spruchteil II. der angefochtenen Bescheide zu bestätigen war.

 

3.3. Zur Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide):

 

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 Abs. 2 FPG lautet:

 

"§ 52. (1) ...

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige."

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wird mit gegenständlicher Entscheidung abgewiesen.

 

§ 10 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

 

"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird."

 

Daher ist gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

 

Gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war den Beschwerdeführerinnen daher nicht zuzuerkennen.

 

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das BFA einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

 

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen. Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens der Beschwerdeführerinnen im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

 

Im gegenständlichen Fall verfügen die Beschwerdeführerinnen über ein Familienleben in Österreich. Soweit das Familienleben zwischen Erstbeschwerdeführerin und Zweitbeschwerdeführer betroffen ist, greift die Entscheidung jedoch nicht in das Familienleben ein (EGMR, 9.10.2003, 48321/99, Slivenko gg Lettland, EGMR, 16.6.2005, 60654/00 Sisojeva gg Lettland), da beide von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind (VwGH 22.11.2012, 2011/23/067; 26.02.2013, 2012/22/0239; 19.02.2014, 2013/22/0037) und das Familienleben in Nigeria fortgesetzt werden kann.

 

Zu prüfen ist auch ein etwaiger Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerinnen. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff). Soweit die Zweitbeschwerdeführerin betroffen ist, ist diese zwar in Österreich geboren, doch in einem anpassungsfähigen Alter bzw. hat sie erst ca. eineinhalb Jahre in Österreich verbracht, wird von der Erstbeschwerdeführerin betreut und bewohnt gemeinsam mit dieser ein Zimmer in einem Flüchtlingsheim. Es besteht also keine enge Bindung der Zweitbeschwerdeführerin zu Österreich, welche durch eine Ausreise nach Nigeria verletzt würde. Eine Anpassung an das Leben in Nigeria wäre daher möglich. Aus der Perspektive der Zweitbeschwerdeführerin wäre daher der durch eine Rückkehrentscheidung vorgenommene Eingriff in das Privatleben gerechtfertigt.

 

Die Erstbeschwerdeführerin wiederum reiste im November 2015 in Österreich ein. Sie hält sich daher seit ca. zweieinhalb Jahren im Bundesgebiet auf und damit nicht derart lange, dass daraus automatisch von einem Überwiegen ihrer privaten Interessen an einem Aufenthalt in Österreich auszugehen wäre (vgl. dazu Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet), des Verfassungsgerichtshofes (26.04.2010, U 493/10-5: Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes abgelehnt) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06)).

 

Eine besondere Aufenthaltsverfestigung wurde von der Erstbeschwerdeführerin auch nicht behauptet. Es wird nicht verkannt, dass sie begonnen hat, Deutsch zu lernen und dass sie Freunde gefunden hat, doch ergibt sich daraus ebenso wenig eine nachhaltige Verfestigung wie aus dem Umstand, dass sie seit Mai 2018 gemeinnützig tätig ist.

 

Hinsichtlich ihrer strafrechtlichen Unbescholtenheit ist auszuführen, dass dies nach Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420), da der VwGH davon ausgeht, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

 

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK -auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Die Beschwerdeführerinnen sind aber beide gesund und sind, abgesehen von den generellen Problemen für Frauen am nigerianischen Arbeitsmarkt, bei der Erstbeschwerdeführerin keine außergewöhnlichen Umstände zu beachten.

 

Vor diesem Hintergrund überwiegen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen der Beschwerdeführerinnen an einem Verbleib im Bundesgebiet, sodass der damit verbundene Eingriff in ihr Familien- und Privatleben nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes als verhältnismäßig qualifiziert werden kann. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die in den angefochtenen Bescheiden angeordneten Rückkehrentscheidungen aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Nigeria keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt. Daher war kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Asylgesetz zu erteilen.

 

Mit den angefochtenen Bescheiden wurde zudem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen nach Nigeria zulässig ist. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062).

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und auch die Beschwerden gegen Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

 

3.4. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide):

 

In den angefochtenen Bescheiden wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Dass besondere Umstände, die die Beschwerdeführerinnen bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidungen geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

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