BVwG I409 1426967-2

BVwGI409 1426967-231.1.2016

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:I409.1426967.2.00

 

Spruch:

I409 1426967-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Marokko alias Libyen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24. Oktober 2015, Zl. 810949007-1372748/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27. Jänner 2016, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 10 Abs. 1 Z 3, § 55, § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 55 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste am 24. August 2011 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 25. August 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, den die belangte Behörde mit Bescheid vom 11. Mai 2012 als unbegründet abwies.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. September 2015 wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 Asylgesetz 2005 an die belangte Behörde zurückverwiesen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. Oktober 2015 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß §§ 57 und 55 AsylG" nicht erteilt. "Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung "gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen. Weiters wurde "gemäß § 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt I) und "gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG die Frist für Ihre freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung" festgelegt (Spruchpunkt II).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 23. November 2015 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid

A) 1. Feststellungen:

A) 1.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Marokko und bekennt sich zum moslemischen Glauben; am 25. September 2015 absolvierte er den "ÖIF-Test Niveaustufe A2". Seine Familie lebt in Marokko.

Weitere Feststellungen zu seiner Identität - vor allem zu seinem Namen und seinem Geburtsdatum - können allerdings nicht getroffen werden.

Der Beschwerdeführer ist (spätestens) am 25. August 2011 in das Bundesgebiet eingereist und bereits mit Bescheid vom 11. Mai 2012 wurde sein Asylantrag als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 25. September 2015.

In Österreich täuschte er die belangte Behörde über seine Herkunft, zumal er zunächst behauptete aus Libyen zu stammen. Weiters erschlich sich der Beschwerdeführer Grundversorgungsleistungen, indem er - (u.a.) unter dem Namen eines Freundes - "schwarz" arbeitete.

Vor seiner Ausreise aus Marokko bestritt der gesunde und daher erwerbsfähige Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt als Maler.

Aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

A) 1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Marokko:

Zur aktuellen Lage in Marokko werden folgende Feststellungen getroffen:

"Politische Lage

Marokko ist ein zentralistisch geprägter Staat, unterteilt in 16 Regionen, die ihrerseits in 61 Provinzen ("Wilayas") unterteilt sind (AA 7.2015a). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 und Kundgebungen der marokkanischen "Bewegung 20. Februar" leitete der König 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Die in Marokko überwiegend auf ökonomisch-soziale Verbesserungen, aber nicht auf "Regimewechsel" gerichteten Proteste wurden so aufgefangen (AA 7.2015a). Die am 1.7.2011 in Kraft getretene Verfassung bringt im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land: Erstmals wurde auf staatsrechtlicher Ebene ein Grundrechtskatalog eingeführt und der Primat eingegangener völkerrechtlicher Verpflichtungen vor dem innerstaatlichen Recht stipuliert. Diese Verfassung wurde durch Referendum (97 Prozent Zustimmung) angenommen, sodass Staats- und Regierungsform demokratisch legitimiert sind. Die Verfassung sieht selbst ein Verfahren zu ihrer Änderung vor; allerdings sind der Disposition des Verfassungsgesetzgebers neben dem islamischen Charakter des Staates und der monarchischen Staatsform insbesondere das demokratische Prinzip und der Grundrechts-Acquis entzogen. Die neue Verfassung belässt maßgebliche beim König exekutive Reservat- und Gestaltungsrechte; er steht über den Staatsgewalten und ist staatsrechtlicher Kontrolle entzogen. In Bezug auf die Königsmacht bringt die Verfassung nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung, aber keinen Bruch mit dem bisherigen politischen System an sich. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Neu ist die Einführung einer regionalen Staatsebene mit demokratischen Institutionen und Selbstverwaltung, die allerdings erst im Detail zu konzipieren und umzusetzen ist. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 9.2014).

Das Land ist eine konstitutionelle Monarchie mit dem König als weltlichem und geistigem Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und "Anführer der Gläubigen" (direkter Nachkomme des Propheten Mohammed) (AA 7.2015a; vgl. GIZ 6.2015a). Der König hat den Vorsitz im Ministerrat. Er ist befugt, Minister zu entlassen, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen (USDOS 25.6.2015). Einige Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen. Folgende Ressorts werden als sogenannte "Souveränitätsministerien" (Ministères de Souveraineté) nach wie vor personell direkt vom König besetzt bzw. stehen unmittelbar unter seiner Kontrolle: Inneres; Äußeres; Verteidigung; Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen (GIZ 6.2015a).

Regierungschef Benkirane von der Partei Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) amtiert seit den letzten Parlamentswahlen am 25.11.2011. Er ist der erste Regierungschef Marokkos, der einer Partei des politischen Islam angehört. Die vier Regierungsparteien sind die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung ("Parti de la Justice et du Développement", PJD), die Nationale Versammlung der Unabhängigen ("Rassemblement National des Indépendants", RNI), die Volksbewegung ("Mouvement Populaire") und die Partei für Fortschritt und Sozialismus, PPS. Erst im Oktober 2013 ist die Partei Rassemblement National des Indépendants (RNI) in die Regierung eingetreten, nachdem die Istiqlal-Partei die Regierung im Juli 2013 verlassen hatte. Die großen Oppositionsparteien sind seitdem die Istiqlal-("Unabhängigkeits-")Partei, die Partei Authentizität und Modernität (PAM), die sozialdemokratische Union Socialiste des Forces Populaires (USFP) und die Union Constitutionelle (Verfassungsunion, UC) (AA 7.2015a).

Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern:

* Unterhaus (Chambre des Représentants, madschliss an-nuwwab)

* Oberhaus (Chambre des conseillers, madschliss al mustascharin)

Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt (jüngste Wahl: 25.11.2011). Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das aktive Wahlrecht gilt ab 18, das passive Wahlrecht ab 23 Jahren. Das Oberhaus besteht gemäß Artikel 63 der Verfassung vom 1.7.2011 aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden. Die Zusammensetzung des Oberhauses folgt einem komplexen Schema: Zwei Fünftel der Mitglieder werden von Wahlversammlungen gewählt, in denen Vertretern von Berufsverbänden, Unternehmerverbänden und Arbeitnehmervertretungen sitzen. Drei Fünftel der Mitglieder werden von Gremien gewählt, in denen Vertretern aus den 16 Regionen (17 Wilayas) sitzen (GIZ 6.2015a).

Das Parlament hat folgende Aufgaben: Verabschiedung von Gesetzen; Ratifizierung von Dekreten des Königs (Dahir) (GZ 6.2015a)

Quellen:

Sicherheitslage

Marokko ist im regionalen Kontext ein vergleichsweise politisch stabiles Land mit guter touristischer und sicherheitspolitischer Infrastruktur (AA 16.7.2015). Das französische Außenministerium rät zu normaler Aufmerksamkeit im Land (das einzige in Nordafrika!), außer in den Grenzregionen zu Algerien und in der Westsahara zu erhöhter Aufmerksamkeit (FD 10.6.2015). Es gibt aber auch in Marokko Gefahrenelemente. So besteht ein Risiko terroristischer Anschläge mit islamistischem Hintergrund, die insbesondere auf ausländische Staatsangehörige abzielen können. Eine mögliche Gefahr von Anschlägen oder sonstigen Aktionen durch die bislang vor allem in Algerien terroristisch aktiven Al Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) auf marokkanischem Gebiet kann nicht ausgeschlossen werden. Es muss auch mit Einzeltätern gerechnet werden (AA 16.7.2015).

Marokko steht im Kampf gegen den Terrorismus im Lager des Westens. Die marokkanischen Dienste gelten als gut unterrichtet und operationell fähig; die laufende Aushebung von Terrorzellen spricht für deren Effizienz. Allerdings konnte z.B. das spektakuläre Attentat auf des Innenstadt-Cafe "Arganá" in Marrakesch (April 2011) mit 17 Toten nicht verhindert werden. AQIM und andere islamisch-fundamentalistische Gruppierungen, Salafisten und IS-Kämpfer werden als Staatsfeinde Nummer eins betrachtet. Besondere Sorge gilt seit Ausbruch der Mali-Krise einer vermuteten Verbindung der Polisario mit fundamentalistischen Elementen aus dem Sahel (AQIM, Ansareddine, Mujao) sowie aus Syrien und dem Irak. Im vergangenen Jahrzehnt waren marokkanische Staatsbürger in terroristische Aktivitäten im Ausland verwickelt und Marokko war von Terroranschlägen im eigenen Land betroffen. Die Behörden scheinen besorgt, dass marokkanische Extremisten mit Erfahrung im Irak, Afghanistan, Syrien, oder Libyen oder nach ihren Aufenthalten in Westeuropa radikalisiert zurückkehren und Terroranschläge in Marokko durchführen bzw. Terrornetzwerke bilden (ÖB 9.2014).

Marokkanische Spezialkräfte haben am 24.3.2015 mehrere geplante Anschläge eines örtlichen Ablegers der Terrormiliz "jIslamischer Staat" (IS) verhindert. In diesem Zusammenhang gab es laut Geheimdienst gemeinsame Zugriffe in mehreren Städten. Dabei seien insgesamt 13 Mitglieder der Terrorzelle festgenommen worden. Die Gruppe habe mehrere Entführungen in Marokko geplant. Es kämpfen gemäß Inlandsgeheimdienst mehr als 1.300 Marokkaner für den IS in Syrien und im Irak, darunter auch Frauen und Kinder (SO 24.3.2015). Zähle man Marokkaner aus europäischen Ländern hinzu, komme man auf

1.500 bis 2.000 (SO 19.12.2014).

Quellen:

West-Sahara

Der Konflikt in und um die Westsahara schwelt seit Jahrzehnten. Als sich nach dem Tod des Diktators Franco die Spanier 1975 aus ihrer damaligen Kolonie zurückzogen, marschierte Marokko in das Nachbarland ein. Seitdem hält Marokko große Teile des Territoriums besetzt und betrachtet das Gebiet als Bestandteil seines Landes. Dagegen wehrt sich die Bewegung Frente Polisario, die die Unabhängigkeit der Westsahara anstrebt. Ein rund 2.500 Kilometer langer Sandwall spaltet heute die Region Westsahara in Nordwestafrika. Auf der einen Seite liegt der von Marokko kontrollierte, größere Teil; er umfasst rund 80 Prozent des Territoriums. Auf der anderen Seite befinden sich die restlichen 20 Prozent in der Hand der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario (DW 7.3.2013). Seit 1991 herrscht ein Waffenstillstand, den die UN-Mission MINURSO bis heute überwacht. Die Frente Polisario hatte den Waffenstillstand mit der Bedingung verknüpft, per Referendum über die Unabhängigkeit abstimmen zu dürfen. Dieses Referendum ist aber bis heute nicht abgehalten worden (DW 7.3.2013; vgl. DRK 17.12.2014). Der Status des Territoriums und die Frage der Unabhängigkeit sind somit weiterhin ungeklärt (CIA 23.6.2015; vgl. VB 25.3.2014a); das Territorium wird von Marokko sowie der Frente Polisario beansprucht. Letztere bildete im Februar 1976 eine Exilregierung in Algerien, in der Nähe von Tindouf, die von Präsident Mohamed Abdelaziz geführt wird (CIA 23.6.2015). Der Status "ungeklärt" wird solange anhalten, bis eine Einigung im Rahmen der Verhandlungen unter Federführung der UN erzielt wird (VB 25.3.2014a). Auch junge Sahrauis fügen sich in das neue System: Sie wollen lieber ein friedliches Leben unter marokkanischer Herrschaft als einen Krieg für die Unabhängigkeit (DRK 17.12.2014).

Quellen:

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 25.6.2015). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 25.6.2015; vgl. ÖB 9.2014) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen. Behörden respektieren Anordnungen der Gerichte fallweise nicht (USDOS 27.2.2104).

Die Staatsführung bezeichnet die Reform des Justizwesens als eine der Hauptbaustellen der Regierungsagenda. Eine Hohe Kommission zur Ausarbeitung einer Justizreform wurde 2012 unter Vorsitz des Justizministers einberufen, die 2013 ein breitangelegtes Konzept für den Neuaufbau des Justizsektors vorgelegt hat, das seitdem in Diskussion steht. Eine methodische Schwäche ist darin zu ersehen, dass die Rechtsberufe in die Reformarbeiten nicht auf gleicher Augenhöhe eingebunden sind, was zu einem mitunter polemisch geführten Diskurs des federführenden Justizministers mit den Standesvertretern von Richterschaft, Rechtspflegern und Gerichtsbeamten und dem Barreau führt. Im Zentrum steht die richterliche Unabhängigkeit: Hauptverhandlungsgegenstand bilden das Verfassungs- Durchführungsgesetz über den Obersten Justizrat, als zentrales Organ richterlicher Selbstverwaltung, und das Richter- und Staatsanwaltsdienstgesetz. Parallel werden Novellierungen von Prozessrecht, Strafvollzugsrecht und Materiegesetzen wie dem Presserecht vorangetrieben (ÖB 9.2014).

Es gilt die Unschuldsvermutung. Gesetzlich ist ein faires Verfahren mit dem Recht auf Berufung für alle Bürger vorgesehen. Dieses Recht wird vor allem bei Fällen mit Westsahara-Bezug nicht immer respektiert. Angeklagte haben das Recht bei ihrer Verhandlung anwesend zu sein und rechtzeitig einen Anwalt zu konsultieren, obwohl diese Rechte nicht immer gewährleistet sind (USDOS 25.6.2015). Verwaltungsentscheidungen können vor Verwaltungsgerichten appelliert werden, der Instanzenzug führt zum Kassations-Gerichtshof. Die Verfassung sieht eine Reihe von Räten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (Oberster Justizrat, Gleichstellungs-Rat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (ÖB 9.2014).

Quellen:

Sicherheitsbehörden

Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die Nationalpolizei (DGSN) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den "Forces auxiliaires" handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Autobahnen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium und ist als Bestandteil der militärischen Struktur dem König als oberstem militärischen Befehlshaber zugeordnet. Die Justizpolizei untersteht ebenfalls in letzter Instanz dem König. Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist abgesehen von Einzelfällen effektiv. Es besteht jedoch kein systematischer Mechanismus, Menschenrechtsverletzungen und Korruption wirksam zu untersuchen und zu bestrafen, was Straffreiheit bei Vergehen durch die Sicherheitskräfte begünstigt (USDOS 26.5.2015). Es existieren zwei Nachrichtendienste, der Auslandsdienst DGED ("Direction Générale d'Etudes et de Documentation") und der Inlandsdienst DGST ("Direction Générale de la Surveillance du Territoire"). Die Streitkräfte einschließlich der Gendarmerie Royale verfügen über eigene Nachrichtenabteilungen (ÖB 9.2014).

Quellen:

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt. Trotzdem gibt es immer wieder Berichte über Folterungen und Gewaltanwendung gegenüber Gefangenen durch Sicherheitskräfte (USDOS 25.6.2015; vgl. AI 25.2.2015; vgl. AA 28.11.2014), vor allem in Fällen mit Bezug zur Staatssicherheit (USDOS 25.6.2015). Gerichte akzeptieren weiterhin angeblich unter Folter erzwungene Geständnisse als Beweismittel (AI 25.2.2015). Nach Einschätzung der marokkanischen Menschenrechtsorganisation OMDH ("Organisation Marocaine des Droits de l'Homme") handelt es sich bei den bekannt gewordenen Fällen von Folter nicht um staatlich angeordnete und somit systematische Folter, sondern um Fehlverhalten einzelner Personen (AA 28.11.2014). Wenn auch eine systematische Anwendung von Folter und anderen erniedrigenden Behandlungsweise nicht anzunehmen ist, werden Folter und folterähnliche Methoden punktuell praktiziert. Diese Umstände werden von Menschenrechts-NGOs und von unabhängigen Beobachtern wiederholt angeprangert, wie insbesondere CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte), UN Sonderbeauftragter für Folter Juan Mendez, Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen, die frühere UN-HCHR Navi Pillay. Trotz wiederholter Ankündigungen hat Marokko das Fakultativprotokoll zur Antifolter-Konvention noch nicht ratifiziert. Justizminister Ramid hat jüngst die Staatsanwälte aufgerufen, Hinweisen und Anzeigen auf Folter rigoros nachzugehen, gleichzeitig aber auch auf den Verleumdungstatbestand hingewiesen, falls sich Anschuldigungen als haltlos erweisen (ÖB 9.2014).

Quellen:

Korruption

Das Gesetz sieht für behördliche Korruption Strafen vor, doch setzt die Regierung das Gesetz nicht effektiv um. Staatsbedienstete sind häufig in Korruptionsfälle verwickelt und gehen straffrei aus. Korruption stellt bei der Exekutive, inklusive der Polizei, bei der Legislative und in der Justiz ein ernstes Problem dar. Es gibt Berichte von Korruption im Bereich der Regierung und auch von deren Untersuchung aber mangelnder strafrechtlicher Verfolgung (USDOS 25.6.2015). Im Juni 2014 wurde vom Ministerrat ein Gesetzesentwurf zur Einrichtung der Instance nationale de la probité et de la lutte contre la corruption (INPLC) angenommen, welche die Instance centrale de prévention de la corruption als für den Kampf gegen die Korruption zuständige Behörde ablösen soll. An der neuen Behörde wird kritisiert, dass sie nur beratende, untersuchende und sensibilisierende Funktionen ausüben soll. Des Weiteren ist die Anonymität der Beschwerdeführer nicht gewährleistet (EC 25.3.2015). Marokko belegt im Korruptionswahrnehmungsindex 2014 den 80. von insgesamt 174 Plätzen (TI 2015).

Quellen:

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Menschenrechtsorganisationen publizieren Berichte über Menschenrechtsfälle. Die Einstellung der Regierung gegenüber lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen variiert jedoch, abhängig von der politischen Orientierung der Organisation und der Sensitivität der jeweiligen Angelegenheit. Alles, was den Themenbereich Westsahara betrifft, wird mit besonderem Argwohn betrachtet. Die Regierung trifft sich gelegentlich mit Vertretern der beiden größten Menschenrechtsorganisationen (Organisation Marocaine des Droits Humains/OMDH und Association Marocaine des Droits Humains/AMDH) aber auch mit Vertretern der Dachorganisation im Bereich Haftbedingungen (USDOS 25.6.2015).

Der NGO-Bereich/Menschenrechtsverteidiger stellt sich als breit gefächerte Landschaft (ca. 90.000 Vereinigungen) dar, mit einer aktiven und sich artikulierenden Menschenrechts-Verteidigerszene, die mit dem CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) korreliert und dessen Arbeit ergänzt oder diesem sogar voraneilt. Sichtbarste und mit Veranstaltungen und Berichten hervortretende Protagonisten der Menschenrechtsszene sind die OMDH und die AMDH. Die Zivilcourage der einzelnen Aktivisten verdient Anerkennung, weil nicht nur Gefahr besteht, mit staatlicher Repression in Konflikt zu geraten, sondern auch an die Grenzen von der Gesellschaft Tolerierten zu stoßen (ÖB 9.2014).

Quellen:

Ombudsmann

Menschenrechtsangelegenheiten werden durch den Nationalen Rat für Menschenrechte (CNDH), die interministerielle Abordnung über Menschenrechte (DIDH), und die Institution des Médiateur (Ombudsmann) wahrgenommen (USDOS 25.6.2015).

Der CNDH wurde - nach den Pariser Kriterien - als nationale Grundrechtsinstitution eingerichtet (ÖB 9.2014; vgl. USDOS 25.6.2015) und ist in der Verfassung direkt verankert. Er wird von den meisten Menschenrechtsorganisationen und der breiten Öffentlichkeit als glaubwürdige und proaktive Regierungsorganisation zum Schutz der Menschenrechte gesehen und erstellt Berichte über psychiatrische Anstalten, Strafvollzug, Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Situation von Asylsuchenden und Migranten. Seine Aufgabe liegt in der Beobachtung und Aufzeigung menschenrechtsrelevanter Entwicklungen und Sachverhalte, er kann Wahrnehmungen durch Vorort-Inspektionen machen, ohne dass ihm der Zugang verwehrt werden darf. Eigene Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten stehen allerdings nicht offen. 14.000 - ein Drittel - der an den CNDH gerichteten Beschwerden betreffen Justiz, Strafvollzug und behauptete Menschenrechtsverletzungen. Der CNDH legt jährlich einen Bericht vor, der dem König und dem Parlament zur Kenntnis gebracht wird und nimmt auch zu Individualfällen Stellung bis hin zur Intervention. Im Wege von Begutachtungsverfahren und durch Stellungnahmen zu einzelnen Gesetzesvorhaben übt der CNDH kraft seines moralischen Gewichts nicht selten Einfluss auf Gesetzesinhalte aus wo Menschenrechtsinteressen betroffen sind. 13 Außenstellen des CNDH wurden in Provinzstädten eingerichtet, sodass eine stärkere räumliche Nähe zu potentiellen Beschwerdeführern angeboten wird (ÖB 9.2014).

Quellen:

Wehrdienst

Die allgemeine Wehrpflicht ist seit dem 31. August 2006 abgeschafft. Frauen haben Zugang zu allen Truppengattungen. Die Armee ist als Arbeitgeber begehrt, da sie einen Ausweg aus Armut, Analphabetismus und Arbeitslosigkeit bietet. Die marokkanischen Streitkräfte sind nicht in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt. Allerdings befindet sich der Großteil der Armee dauerhaft und unverändert auf dem Gebiet der Westsahara (AA 28.11.2014).

Quellen:

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Desertion steht unter Strafe. Bestrafungen aufgrund von Wehrdienstverweigerung und Desertion sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt geworden. Ein Großteil aller Wehrstrafdelikte verjährt nach drei bzw. fünf Jahren (AA 28.11.2014).

Quellen:

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Grundrechtskatalog (Kapitel I und II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen; als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Allerdings sind caveats angebracht:

* Die Verfassung selbst stellt den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) quasi als "Baugesetze" des Rechtsgebäudes

* In der Verfassung sind über 20 Verfassungsdurchführungsgesetze und weitere einfache Durchführungsgesetze vorgesehen, die erst zu geringem Teil existieren und bis Ende der laufenden Legislaturperiode (2016) erlassen werden müssen.

* Die Fortgeltung des vorhandenen Rechtsbestandes, der mit der neuen Verfassungslage, v.a. in Bereichen wie Familien-, Medien- und Strafrecht, teilweise nicht mehr konform ist (Juristen sprechen von einer Million zu novellierender Paragraphen) (ÖB 9.2014).

Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme sind die mangelnde Möglichkeit der Bürger, die konstitutionellen Vorgaben bezüglich der Regierungsform des Landes (Monarchie) zu ändern, Korruption auf allen Ebenen der Regierung und weitverbreitete Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipen durch die Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind die Anwendung von Folter v.a. während der Untersuchungshaft seitens der Sicherheitskräfte und schlechte Haftbedingungen. Die Regierung beschränkt die Meinungs- und Pressefreiheit sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und die Religionsfreiheit (USDOS 25.6.2015).

Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen, sofern die Tabuthemen "König", "Islam" und "territoriale Integrität" nicht berührt werden. Die marokkanische Regierung begründet Strafverfolgungsmaßnahmen stets mit Verstößen gegen marokkanische Strafgesetze. Marokkanische NGOs behaupten, dass Strafverfahren oftmals nur als Deckmantel zur Verfolgung politisch Andersdenkender dienen (AA 28.11.2014).

Quellen:

Meinungs- und Pressefreiheit

Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken die Meinungsfreiheit, vor allem im Bereich der Presse und den sozialen Medien, ein. Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie, staatliche Institutionen, Staatsangestellte wie etwa militärische Führungskräfte und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität und den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 25.6.2015). Die unabhängige marokkanische Presse untersucht und kritisiert weiterhin Regierungsbeamte und Vorhaben der Regierung. Gehen Journalisten dabei zu weit, sind sie Verfolgung und Belästigung ausgesetzt. Die Pressegesetze enthalten Bestimmungen, die bei Verbreitung von Falschinformationen, die die öffentliche Ordnung gefährden, oder bei herabwürdigenden Äußerungen zu Gefängnisstrafen führen können (HRW 29.1.2015).

Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die schon zitierten "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen. Durch Fokussierung auf Einzelfälle, deren Publizierung gar nicht behindert wird, entsteht eine generalpräventive Grundstimmung:

die Marokkaner wissen sehr gut abzuschätzen, wann sie mit Äußerungen in tiefes Wasser geraten könnten. Dies hindert aber nicht, dass Jugend, Menschenrechtsaktivisten, Interessensvertreter dennoch laufend ihre Stimme erheben, wobei nicht jede kritische oder freiherzige Äußerung unbedingt Konsequenzen haben muss; insbesondere Medien und Persönlichkeiten mit großer Visibilität wird ein gewisser Freiraum zugestanden. Gegenüber Regierung, Ministern und Parlament etwa kann ganz freimütig Kritik geübt werden. Die "kritische Masse" für das Eingreifen der Obrigkeit scheint erst beim Zusammentreffen mehrerer Faktoren zustande zu kommen: Etwa Infragestellen des Autoritätsgefüges (Königshaus, Sicherheitskräfte) oder Kritik am Günstlingsumfeld des Hofes ("Makhzen") verbunden mit publizitärer Reichweite des Autors (ÖB 9.2014).

Die - auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten - Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten - vor allem im Gebiet der Westsahara selbst - besonders exponiert sind (ÖB 9.2014).

Quellen:

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Die Verfassung gewährleistet Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Diese Rechte sind jedoch gesetzlichen Einschränkungen unterworfen. Sie verwendet administrative Verzögerungen und andere Methoden, um ungewünschte friedliche Versammlungen zu unterbinden und wendet exzessive Gewalt an, um Demonstrationen aufzulösen. Die Regierung verbietet politische Oppositionsgruppen indem sie ihnen den NGO-Status nicht zuerkennt (USDOS 25.6.2016). Die Behörden tolerieren zahlreiche Demonstrationen und Versammlungen, die politische Reform fordern oder dem Protest gegen Regierungsmaßnahmen dienen. Einige Versammlungen werden allerdings gewaltsam aufgelöst und Teilnehmer dabei angegriffen (HRW 29.1.2015).

Die von der islamisch-wertkonservativen PJD (Parti de la Justice et du Développement) dominierte Regierung agiert im Kontext der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Demonstrationen) nach einem law-and-order-Muster; ein diesbezüglicher Paradigmenwechsel aufgrund der neuen Verfassung in Haltung, Zugang und Kontrolle zu obrigkeitsstaatlichem Handeln ist nicht zu erkennen. Ein robustes Durchgreifen der Ordnungskräfte ist v.a. bei Demonstrationen und Kundgebungen zu beobachten, wobei Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften rasch als "Widerstand gegen die Staatsgewalt" interpretiert werden, um dann als Rechtfertigung für Festnahmen, Anzeigen und Verurteilungen herangezogen zu werden. Derartiges Vorgehen wird laufend kolportiert, wobei auf der Manifestantenseite zumeist die Bewegung des 20. Februar, arbeitslose Akademiker ("chômeurs diplomés"), islamistische Sympathisanten aber z.B. auch die Vereinigung der Berufsrichter stehen. Die Behörden legen das Versammlungsgesetz engherzig aus; es kommt laufend zu nichtgenehmigten Kundgebungen mit entsprechendem Eingreifen des Sicherheitsapparats. Neu ist jedoch, dass die Zivilgesellschaft die in der Verfassung zugestanden Rechte zunehmend einfordert und dabei rechtliche Argumente auf ihrer Seite weiß (ÖB 9.2014).

Quellen:

Opposition

Die Bewegung 20. Februar, die Auslöser bzw. Anführer der Protestbewegung im Jahr 2011 war, hat seit der Verfassungsreform und der Parlamentswahl an Bedeutung verloren. Die Organisation Al Adl Wal Ihsane (Gerechtigkeit und Wohlfahrt) stellt die wichtigste islamistische Massenbewegung im Land dar und ist somit der bedeutendste Gegenspieler der regierenden PJD im islamistischen Lager. Trotz Verbots 1990 wird sie von staatlicher Seite geduldet. Die Bewegung "Islah wa Tawhid" ("Reform und Einheit") ist die politische Heimat der Regierungspartei PJD, hat Vorbehalte gegenüber westlichen Demokratie-Modellen und ist gesellschaftspolitisch radikaler als die Partei. Es sind keine Bezüge zum Terrorismus bekannt. Daneben gibt es eine Vielzahl von kleineren gewaltbereiten islamistischen Gruppen, unter denen die "Salafija Jihadia" die prominenteste Stellung einnimmt. Dieser Gruppierung wird von offizieller Seite eine Vielzahl von Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Bestrebungen vorgeworfen, unter anderem Tötungen von marokkanischen Staatsbediensteten sowie die Federführung bei den Terroranschlägen in Casablanca im Jahr 2003 (AA 28.11.2014).

Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die schon zitierten "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen (ÖB 9.2014). Soweit die politische Opposition sich gewaltlos verhält und die Tabuthemen "König", "Islam" und "territoriale Integrität" nicht berührt, kann sie sich weitgehend frei betätigen. Festnahmen von gewaltlosen politischen Oppositionellen oder politisch motivierte Verfahren sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (AA 28.11.2014).

Quellen:

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in Marokko sind hart (HRW 29.1.2015) und besorgniserregend (EC 25.3.2015). Die Zustände in den Gefängnissen sind schlecht und entsprechen generell nicht internationalen Standards (USDOS 25.6.2015). Sie sind durch Überbelegung (USDOS 25.6.2015; vgl. HRW 29.1.2015; vgl. AI 25.2.2015), schlechte hygienische Zustände (USDOS 25.6.2015; vgl. AI 25.2.2015) sowie mangelnde sanitäre Einrichtungen (AI 25.2.2015) und mangelnde Grundversorgung von Insassen geprägt. Gemäß Angaben des CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) ist die angemessene medizinische Versorgung von Häftlingen in Gefängnissen nicht gewährleistet (USDOS 25.6.2015; vgl. AI 25.2.2015). Besuchsrechte durch Angehörige sind eingeschränkt (AI 25.2.2015). Die Zustände in den marokkanischen Gefängnissen waren zu Jahresende 2012 Gegenstand von Berichten des UN Sonderbeauftragten für Folter, Juan Mendez, und des CNDH. Beide Berichte konstatierten zum Teil unhaltbare Zustände im marokkanischen Strafvollzug und im Polizeigewahrsam sowie punktuell die Anwendung folterähnlicher Praktiken. Diese niederschmetternde Kritik traf die für den Strafvollzug verantwortliche Administration, die de facto außerhalb der Regierungshierarchie steht. Die Gefängnispopulation beträgt rund 70.000, davon knapp die Hälfte Untersuchungshäftlinge. Ein Grund für die Misere ist die Überbelegung (bis zu 100 Prozent). Seit den kritischen Berichten ist es allerdings zum Bau neuer Haftanstalten gekommen und die neue Führung der Strafvollzugsverwaltung unter Mohamed Saleh Tamek, einstmals selbst politischer Häftling, bemüht sich um offenere Kommunikation und mehr Transparenz (ÖB 9.2014).

Die Regierung gestattet NGOs aus dem sozialen, religiösen oder Bildungsbereich den Zutritt zu Gefängnissen. Unabhängigen Menschenrechtsbeobachtern und nationalen Menschenrechts-NGOs wird der unbegleitete Zutritt zu Gefängnissen nicht gewährt (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Todesstrafe

Die Todesstrafe wird in Marokko zwar weiter verhängt (zum Beispiel gegen den Hauptattentäter des Anschlags von Marrakesch im April 2011), aber seit 1993 nicht mehr vollstreckt (AA 7.2015a; vgl. HRW 29.1.2015). Es gibt eine Koalition von Menschenrechtsorganisationen in Marokko, die sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt (AA 7.2015a).

Quellen:

Religionsfreiheit

Der Islam ist die Staatsreligion in Marokko. Eine der fundamentalen Säulen Marokkos ist auch der - weitgehend akzeptierte - Anspruch des Königs, neben seiner weltlichen Position gleichzeitig Führer der Gläubigen zu sein (AA 28.11.2014; vgl. USDOS 28.7.2014).

Art. 3 der Verfassung garantiert Religionsfreiheit (AA 28.11.2014; vgl. USDOS 28.7.2014) Der Artikel zielt auf die Ausübung der Staatsreligion ab, schützt aber auch andere Religionen wie Christentum und Judentum. Für weitere Religionsgemeinschaften wie z. B. die Baha'i besteht dieser Schutz nicht. Gleichwohl ist dem Auswärtigen Amt keine Bestrafung eines Angehörigen nicht geschützter Religionsgemeinschaften bekannt. Mit Strafe bewehrt sind allerdings - zumindest in der Praxis für Marokkaner - die Aufgabe des islamischen Glaubens und Atheismus. Religionsregeln wie das Verbot des Alkoholkonsums und die Fastenregeln des Ramadans werden nur auf Marokkaner angewandt. Da der Islam Staatsreligion und der Atheismus unter Strafe gestellt ist, besteht ein großer Druck, den Islam zumindest zum Schein zu praktizieren. Da Laizismus und Säkularismus gesellschaftlich negativ besetzt sind und der Abfall vom Islam als Todsünde gilt, hat ein solches Verhalten die soziale Ausgrenzung der Betroffenen zur Folge. In diesem Bereich besteht kein staatlicher Schutz (AA 28.11.2014). Proselytismus ist nur zum Islam hin erlaubt und steht ansonsten unter Strafe (USDOS 28.7.2014).

Es gibt Berichte von gesellschaftlichen Diskriminierungen basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung, vor allem gegenüber Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen. Christen berichten über sozialen Druck seitens nicht-christlicher Familienangehöriger und Freunde. Juden leben unbehelligt im Land (USDOS 28.7.2014).

Quellen:

Religiöse Gruppen

Mehr als 99 Prozent der Bevölkerung sind sunnitische Moslems. Die restlichen religiösen Gruppen (Christen, Juden, schiitische Moslems und Baha'is) machen weniger als 1 Prozent der Bevölkerung aus. Es gibt im Land etwa 5.000 katholische und protestantische Christen und 3.000-4.000 Juden (USDOS 28.7.2014).

Quellen:

Ethnische Minderheiten

Diskriminierende Gesetzgebung gegenüber Minderheiten ist nicht ersichtlich (AA 28.11.2014). Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geographischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Ob Berber in Marokko eine ethnische Minderheit darstellen, ist umstritten. Immerhin reklamieren 40 Prozent (ÖB 9.2014) oder gar über 50 Prozent der Bevölkerung eine berberische Abstammung. Im Hinblick auf Sprache und Kultur der Berber ist Marokko mittlerweile zu einer aktiven Förderung übergegangen (AA 28.11.2014). Die Sprache der Berber, Amazight, wurde durch die Verfassungsreform 2011 in den Rang einer (weiteren) offiziellen Amtsspracheerhoben. Die gesetzliche Umsetzung steht noch aus (AA 28.11.2014). Der berberische Sprachunterricht im Schulsystem ist nur wenig dicht und führt über die 6. Schulstufe nicht hinaus (d.h. keine höhere Bildung in berberischer Sprache möglich) (ÖB 9.2014).

Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 9.2014).

Quellen:

Bewegungsfreiheit

Gesetzlich ist innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit gewährleistet. Die Behörden respektieren dieses Recht üblicherweise, obwohl die Regierung Reisebewegungen in als militärisch heikel angesehenen Regionen, wie den entmilitarisierten Gebieten der Westsahara, einschränkt (USDOS 25.6.2015). Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Sie können Pässe erhalten und das Land verlassen (AA 28.11.2014; vgl. USDOS 25.6.2015) (mit Ausnahme von Polisario-Angehörigen und Personen, die sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einsetzen) (AA 28.11.2014). Auch Kontakte zu westlichen politischen Beobachtern und Botschaftsvertretern sind ihnen möglich (AA 28.11.2014).

Quellen:

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Marokko ist sowohl Herkunftsland von Migration in Richtung Europa als auch Transitland für irreguläre Migration und Schlepperei aus der Sub-Sahara. Marokko kooperiert mit der EU (FRONTEX) und insbesondere mit Spanien. Die Haltung der marokkanischen Behörden ist ambivalent: Einerseits scheinen die lokalen marokkanischen Behörden die vorbereitenden Aktivitäten der Schlepper kaum zu behindern, andererseits besteht eine effiziente und rigorose Bekämpfung von illegalem Grenzübertritt in Zusammenarbeit mit den spanischen Sicherheitskräften (ÖB 9.2014).

Die Zahl der illegal in Marokko Aufhältigen, überwiegend Afrikaner aus dem Sahel und der Sub-Sahara, wird auf ca. 30.000-40.000 geschätzt, darunter 1.200 (UNHCR) bis 2.000 (marokkanische Angaben) Syrer. Eine erhöhte Sensibilität der marokkanischen Behörden für das Thema hat Platz gegriffen, da Marokko nun auch zum Zielland für illegale Migration aus der Sub-Sahara wird. Parallel dazu treten in der Gesellschaft spürbare Ressentiments gegenüber Schwarzafrikanern ohne Aufenthaltsrecht auf, verbunden mit der Gefahr von deren wirtschaftlicher Ausbeutung. Hinsichtlich des administrativen und humanitären Umgangs mit dieser Personengruppe setzte Ende 2013 ein Umdenken in der marokkanische Asyl- und Migrationspolitik ein, nachdem ein Bericht des CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) auf menschenunwürdige Zustände hingewiesen hatte. Die neue Politik verfolgt verschiedene Stoßrichtungen:

* Legalisierung von UNHCR-Flüchtlingen und neues Asylgesetz

* Legalisierung von illegalen Migranten mit Integrationsvorsprung

* Verschärfung der Gesetzgebung im Bereich Menschenhandel und Schlepperei

* Integrationsmaßnahmen (ÖB 9.2014)

Zwei Drittel der rd. 800 vom UNHCR anerkannten Flüchtlinge in Marokko wurden seitdem mit marokkanischen Papieren ausgestattet, wenn auch deren aufenthaltsrechtlicher Status als "provisorisch" bezeichnet wird. Seitens der illegal aufhältigen Migranten haben rd.

17.500 Anträge auf Regularisierung abgegeben, von denen 5.700 (ca. 30 Prozent) positiv beschieden wurden (Stand Sept 2014), auch dies gilt als außerordentliche und "provisorische" Maßnahme bis zur Erlassung einschlägiger neuer gesetzlicher Vorschriften. Integrationspolitische Maßnahmen stecken noch im Stadium der Ankündigung; echte Hilfe kommt derzeit nur von IO- und NGO-Seite. Als Teil der "neuen Migrationspolitik" hat Marokko Gesetzesvorlagen jeweils für Asyl und Menschenhandel ausgearbeitet (ÖB 9.2014).

Quellen:

Grundversorgung/Wirtschaft

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet, Brot und Zucker wie auch Treibstoffe werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Das Sozialversicherungssystem ist unzureichend (AA 28.11.2014). Eine entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger hat nach wie vor die Großfamilie (AA 28.11.2014; vgl. ÖB 9.2014).

König Mohammed VI. und die Regierung streben eine durchgreifende Modernisierung des Landes an. Marokko soll zu einem Schwellenland mit diversifizierter Industrie und wettbewerbsfähigem Dienstleistungssektor werden, das seine Chancen neben dem Hauptpartner EU verstärkt im Maghreb und im französischsprachigen Afrika sucht. Marokko ist wirtschaftlich stabil, der langjährige Aufschwung hält an. Regierung und Zentralbank gehen 2014 von einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von rund 3 Prozent aus (AA 7.2015b). Formal ist Marokko eine freie Marktwirtschaft. Bedingt durch die starke Stellung der Königsfamilie und alteingesessener Eliten ist der Wettbewerb jedoch verzerrt. Seit dem Machtantritt von König Mohammed VI. hat die Vormachtstellung der Königsfamilie in Schlüsselsektoren wie Landwirtschaft, Bergbau, Einzelhandel, Transport, Telekommunikation und erneuerbaren Energien weiter zugenommen. Gleichzeitig sind immer mehr Marokkaner auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen, um zu überleben (GIZ 6.2015c).

Arbeitslosigkeit, vor allem unter jungen Leuten, Armut und Analphabetismus (besonders in ländlichen Gegenden) bleiben hoch (CRS 18.10.2013; vgl. ÖB 9.2014). Gemäß der Weltbank leben 8 Millionen Marokkaner oder einer von vier in "absoluter Armut oder sind von dieser bedroht". Soziökonomische Probleme führen zu Emigration und sozialen Unruhen und können zur Radikalisierung beitragen. Der Staat versucht durch Sozialprogramme, Initiativen zur Vergabe von zusätzlichen Stellen im öffentlichen Dienst und Gehaltserhöhungen sowie Subventionen für Güter des täglichen Bedarfs gegenzusteuern (CRS 18.10.2013). Laut Informationen der Weltbank steht Marokko in der MENA-Region bei der Höhe der Auslandsüberweisungen von Migranten (Remittances) an dritter Stelle. Zur Sicherung des sozialen und politischen Friedens werden einige Grundnahrungsmittel und Grundgüter des täglichen Bedarfs über die Caisse de Compensation subventioniert. Das jährliche Budget allein dieser Institution liegt bei rund 5 Milliarden Euro, d.h. knapp ein Viertel des Staatshaushaltes. Die Staatsverschuldung hat in den vergangenen Jahren zugenommen (GIZ 6.2015c).

Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org ), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/ ) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen. Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbau. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/ arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.500 Dirham (ca. 225 €). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.711 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur SV angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) bei 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara weniger (ÖB 9.2014).

Quellen:

Medizinische Versorgung

Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Medizinische Dienste sind kostenpflichtig, die Kosten werden bei Mittellosigkeit aber erlassen (AA 28.11.2014). Das marokkanische Gesundheitssystem ist in den Städten im Allgemeinen gut entwickelt, während die ländlichen Gebiete schlechter ausgestattet sind. In den Städten gibt es auch privat geführte Krankenhäuser, die qualitativ hochwertige Leistungen anbieten. Die medizinischen Einrichtungen außerhalb der Städte sind eher einfach und altmodisch, die medizinische Versorgung ist jedoch grundsätzlich gut. Seit kurzem modernisieren marokkanische Krankenhäuser sich durch den Kauf spezieller Ausrüstung, um höherwertigere Behandlungen anbieten zu können (IOM 6.2014). In größeren Städten ist die medizinische Versorgung bei Notfällen (Unfälle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen etc.) möglich. Dagegen ist die Notfallversorgung auf dem Land, insbesondere in den abgelegenen Bergregionen, unzureichend (AA 28.11.2014).

Als Zentren der primären Gesundheitsversorgung betreuen Krankenhäuser die Patienten und bieten eine kostenlose Erstversorgung von leichten Notfällen. In den Zentren der primären Gesundheitsversorgung ist der Zugang kostenlos. Zuständig ist das jeweils nächstgelegene Zentrum am Wohnort. Alle Distrikte Marokkos verfügen über diese Gesundheitszentren, auch die weniger entwickelten Bezirke auf dem Land. Um behandelt werden zu können, sollte der Personalausweis mitgebracht werden (IOM 6.2014).

Private Spitäler, Ambulanzen und Ordinationen bieten medizinische Leistungen in ähnlicher Qualität wie in Europa an, wenn auch nicht in allen fachmedizinischen Bereichen gleich und örtlich auf die Städte beschränkt (Casablanca, Rabat, Tanger und andere größere Städte). Diese Dienstleistungen sind freilich mit entsprechenden Honoraren verbunden. Ein Konsultation beim Wahlarzt (Allgemeinmedizin) kostet ab 150 Dirham (13 €), beim Facharzt ab 200 Dirham (17 €) bis 500 Dirham (45 €) und mehr bei Spezialisten (zum Vergleich der Mindestlohn: 2.500 Dirham/225 €) (ÖB 9.2014). Der Regionalarzt des Auswärtigen Amtes hat bei seinem Besuch im Oktober 2012 festgehalten, dass die medizinische Versorgung in Rabat, soweit sie durch private Institutionen/Krankenhäuser erfolgt, "größtenteils mitteleuropäischen Standard" hat. Selbst modern gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren allerdings nicht, dass im Krankheitsfalle Versorgung und Management des Patienten angemessen funktionieren. Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet (AA 28.11.2014).

Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 28.11.2015).

Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio Personen im RAMED erfasst (knapp 3 Prozent der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten gestioniert. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis ("Carte RAMED"), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationäre Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 9.2014).

Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 141 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 27.000 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.200 Einwohner); daneben bestehen 2.689 Einrichtungen in der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei ansprechen. Freilich ist anzumerken, dass dieser öffentliche Gesundheitssektor in seiner Ausstattung und Qualität und Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen ist. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten. Wer weder unter das RAMED - System fällt noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 9.2014).

Quellen:

Behandlung nach Rückkehr

Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des

Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet. Den Behörden ist bekannt, dass Asylanträge auch dazu dienen, eine längerfristige Aufenthaltsmöglichkeit im Ausland zu erlangen. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (AA 28.11.2014).

Eine Rückkehrhilfe für aus dem Ausland nach Marokko Heimkehrende durch staatliche Institutionen ist nicht bekannt. Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von der IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit der IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung (ÖB 9.2014).

Quellen:

A) 2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Marokko mit Stand 23. Juli 2015.

Weiters fand am 27. Jänner 2016 eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in der die Beschwerdesache im Beisein des Beschwerdeführers erörtert wurde.

A) 2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde und in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

Da der Beschwerdeführer entweder nicht imstande oder nicht willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht allerdings seine Identität nicht fest.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 1. Dezember 2015.

A) 2.2. Zum Herkunftsstaat

Sowohl das vorliegende Erkenntnis als auch das in Rechtskraft erwachsene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. September 2015, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen worden war, gründen auf dem "Länderinformationsblatt der Staateninformation" zu Marokko mit Stand 23. Juli 2015.

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

A) 3. Rechtliche Beurteilung:

A) 3.1. Zur (funktionellen) Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Weder das Asylgesetz 2005 noch das Fremdenpolizeigesetz 2005 sehen eine Entscheidung durch Senate vor, sodass das Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden Beschwerdefall durch Einzelrichter zu entscheiden hat.

A) 3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides

A) 3.2.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

1. § 10 Abs. 1 Z 3, § 55 und § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, lauten:

"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. ...

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) ...

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) ...

2. § 50, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 sowie § 55 Abs. 1, 2 und 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, lauten:

"Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

(4) ...

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) ...

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. ...

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ...

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(10) ...

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) ...

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) ...".

A) 3.2.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

A) 3.2.2.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ 55 und 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides, erster Spruchteil):

1.1. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe liegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

1.2. Auch die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 - die Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG oder die Ausübung einer erlaubten Erwerbstätigkeit - sind nicht erfüllt.

1.3. Weiters ist zu prüfen, ob nicht eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 Asylgesetz 2005 erteilt werden kann. Eine solche wäre gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 leg. cit. zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Dies ist vorliegend nicht der Fall:

Schließlich führt der Beschwerdeführer in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Im Zusammenhang mit seinem Privatleben ist lediglich zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt des volljährigen Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner erstmaligen Einreise am 24. August 2011 knapp viereinhalb Jahre gedauert hat (vgl. dazu allerdings etwa das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 8. April 2008, Nnyanzi gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06, demzufolge der Gerichtshof es nicht erforderlich erachtete, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob während des fast zehnjährigen Aufenthalts des betreffenden Beschwerdeführers ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist).

Von einer "Aufenthaltsverfestigung" allein aufgrund des bisherigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist also nicht auszugehen.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.")

Es liegen auch keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. Die vom Beschwerdeführer vorgelegte Bestätigung eines Medienunternehmens, man werde ihm bei Erteilung eines Aufenthaltstitels Aufträge zur Zustellung von Zeitungen u.ä. anbieten, wird durch den Umstand relativiert, dass diese Bestätigung dem Beschwerdeführer wohl keinerlei Rechtsanspruch vermittelt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 2011, Zl. 2010/21/0361; zur Gewichtung von Einstellungszusagen vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2011, Zl. 2011/22/0065, mwN).

Soweit der Beschwerdeführer für sich ins Treffen führt, er hole den Hauptschulabschluss nach, unterstreicht dies nur die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass er wohl angesichts seiner mangelnden Qualifikation auf dem inländischen Arbeitsmarkt nicht bestehen könnte. Vielmehr ist zu erwarten, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenem wird bestreiten können, sodass er einer inländischen Gebietskörperschaft auf Dauer finanziell zur Last fallen wird.

Außerdem erschlich sich der Beschwerdeführer Grundversorgungsleistungen, indem er - (u.a.) unter dem Namen eines Freundes - "schwarz" arbeitete, ohne den zuständigen Grundversorgungsträger davon in Kenntnis zu setzen.

Dazu kommt, dass er die belangte Behörde über seine Herkunft zu täuschen versuchte, da er sich als libyscher Staatsangehöriger ausgab, offensichtlich um damit seine Chancen auf einen Verbleib in Österreich zu erhöhen bzw. um seine Außerlandesschaffung zu verunmöglichen. Damit handelte er dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gröblich zuwider.

Den - nicht gewichtigen - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit jedenfalls das öffentliche Interesse an der Verhinderung von entgegen den Regelungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erbrachter Arbeit und das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesen gewichtigen öffentlichen Interessen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 2002, Zl. 98/18/0260, vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/18/0365, vom 3. Mai 2005, Zl. 2005/18/0076, vom 17. Jänner 2006, Zl. 2006/18/0001, und vom 9. September 2014, Zl. 2013/22/0246).

Vor diesem Hintergrund und nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen kann ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Asylgesetz 2005 und durch seine Außerlandeschaffung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden.

2. Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ 55 und 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides - im Umfang des ersten Spruchteiles - gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

A) 3.2.2.2. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides, zweiter und dritter Spruchteil):

1. Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz im Beschwerdewege mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. September 2015 als unbegründet abgewiesen wurde, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 gestützt und eine Rückkehrentscheidung erlassen.

2.1. Dem Beschwerdeführer droht in Marokko - wie erst kürzlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. September 2015 rechtskräftig entschieden wurde - keine asylrelevante Verfolgung und auch sonst keine existentielle Bedrohung.

2.2. So gibt es für die Annahme, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juli 2003, Zl. 2003/01/0059), im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt, zumal er gesund und daher erwerbsfähig ist. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht wieder als Maler bestreiten können sollte. Außerdem besteht ganz allgemein in Marokko derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd. Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Außerdem halten sich seine Eltern und Geschwister in Marokko auf, sodass er nach seiner Rückkehr nicht auf sich allein gestellt ist.

2.3. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

3. Da somit eine Rückkehrentscheidung zu erlassen war und eine Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 nach Marokko zulässig ist, erweist sich die Beschwerde insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des zweiten und dritten Spruchteiles des Spruchpunktes II des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

A) 3.2.2.3. Zur Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise

(Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides):

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Derartige "besondere Umstände" wurden vom Beschwerdeführer nicht dargetan und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte