FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:G306.2283695.1.00
Spruch:
G306 2283695-1/9ESCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 26.03.2024 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES!
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Kroatien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mbH (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2023, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist im Bundesgebiet seit 2020 durchgehend mit Hauptwohnsitz meldeamtlich erfasst.
2. Am 12.07.2021 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung (Sonstige) erteilt.
3. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX (im Folgenden: NAG Behörde) vom 18.01.2023 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) gemäß § 55 Abs. 3 NAG hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung des BF befasst. Darin wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Anmeldebescheinigung gemäß § 51 NAG nicht (mehr) vorliegen würden. Der BF habe am 17.06.2021 einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung nach § 51 Abs. 1 Z 2 NAG (sonstige Angelegenheit) eingebracht. Er habe einen kroatischen Pensionsbescheid vorgelegt, wonach er monatlich ca. € 250,00 beziehe. Am 09.08.2022 habe der BF bei der Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Ausgleichszulage eingebracht. Am 17.01.2023 habe der BF vor der NAG Behörde angegeben, eine monatliche Pension aus Kroatien iHv ca. € 450,00 bis € 500,00 zu beziehen und davon € 120,00 Alimente an seine Exfrau zu bezahlen.
4. Am 16.03.2023 wurde der BF durch ein Organ des BFA niederschriftlich einvernommen.
5. Mit dem oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem BF durch Hinterlegung zugestellt am 09.11.2023, wurde der BF gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 3 FPG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).
6. Mit per E-Mail am 05.12.2023 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch die im Spruch genannte Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).
Darin wurden die Aufhebung der ausgesprochenen Ausweisung, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, in eventu die Behebung des Bescheides und Zurückverweisung an die erste Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides und die zeugenschaftliche Einvernahme der Lebensgefährtin des BF beantragt.
7. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem BVwG am 29.12.2023 vorgelegt und langten am 04.01.2024 ein.
8. Am 25.01.2024 bzw. 01.02.2024 brachte der BF medizinische Unterlagen in Vorlage.
9. Am 26.03.2024 fand in der Grazer Außenstelle des BVwG eine mündliche Verhandlung statt, an der der BF, die RV des BF und die Lebensgefährtin des BF via Videokonferenz teilnahmen. Die belangte Behörde wurde korrekt geladen, verzichtete jedoch auf eine Teilnahme.
Am Ende der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.
Der RV des BF sowie der belangten Behörde wurde eine Ausfertigung der Niederschrift auf elektronischem Wege am 26.03.2024 übermittelt.
Weder der BF oder sein RV noch die belangte Behörde gaben einen Rechtsmittelverzicht ab.
10. Mit am 27.03.2024 beim BVwG eingelangtem Schriftsatz der belangten Behörde wurde die schriftliche Ausfertigung des am 26.03.2024 mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum) und ist kroatischer Staatsangehöriger und geschieden. Er spricht Kroatisch und Bosnisch.
Er wurde in Kroatien geboren, hat dort neun Jahre die Schule besucht und war auf einem Frachtschiff erwerbstätig.
1.2. Eigenen Angaben zu Folge hatte der BF in Kroatien eine Herztransplantation bzw. wurden ihm zwei neue Herzklappen transplaniert. Dem ärztlichen Befund von Dr. XXXX und Dr. XXXX , Fachärzte für Innere Medizin, vom XXXX .2023 sind folgende Diagnosen betreffend den BF zu entnehmen: akuter Vorderwandmyokardinfarkt 21.11.2022, Stent LAD, Zustand nach Myokardinfarkt 2016 und 2018, ischämische Cardiomyopathe, EF 35 – 40% und Nikotinabusus. Der Gesundheitszustand des BF wurde wie folgt beurteilt: „Echokardiographisch weiterhin hochgradig eingeschränkte Linksventrikelfunktion, die QS-Komplexe schlank. Der Pat. vom klinischen Aspekt her grundsätzlich stabil, Belastungsdyspnoe NYHA II, CCS I. Medikamentös ist der Pat. im Grunde austherapiert, der Blutdruck im unteren Normbereich, vorerst konservatives Procedere, leichtes Gehtraining wird mit dem Pat. besprochen. Wünschenswert wäre auch eine weitere Reduktion des Nikotinkonsums bzw. absolute Nikotinkarenz. Verlaufskontrolle in 1 Jahr, bei Auftreten von Beschwerden jederzeit auch früher.“ Der BF steht aufgrund seiner Erkrankungen in ärztlicher und medikamentöser Behandlung. Am 21.11.2022 wurde ihm im Bundesgebiet ein Stent eingesetzt.
Aufgrund des Gesundheitszustandes des BF nahmen der BF, seine Lebensgefährtin sowie die RV des BF per Videokonferenz an der mündlichen Verhandlung teil.
1.3. Der BF weist im Bundesgebiet von 20.07.2020 bis 17.12.2020 eine Nebenwohnsitzmeldung und seit 17.12.2020 eine durchgehende Hauptwohnsitzmeldung auf.
1.4. Aus dem Sozialversicherungsauszug des BF ergibt sich seit dem 21.01.2021 bis laufend eine Meldung bei der ÖGK „Auslandsbetreuter Wohnsitz in Österreich“.
1.5. Am 17.06.2021 wurde dem BF eine Anmeldebescheinigung „sonstige Angelegenheiten“ iSd § 51 Abs. 1 Z 2 NAG ausgestellt.
1.6. Am 09.08.2022 stellte der BF bei der Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Ausgleichszulage. Eine Ausgleichszulage wurde vom BF bisher nie bezogen. Eigenen Angaben zu Folge zog der BF diesen Antrag wieder zurück.
1.7. Der BF ist mittlerweile XXXX Jahre alt und bezieht eine monatliche Pension aus Kroatien iHv € 562,93. Zusätzlich erhält der BF noch einen Behinderungszuschuss iHv € 120,00 aus Kroatien. Er wird weiters nachweislich von seiner Lebensgefährtin finanziell unterstützt.
1.8. Der BF führt seit dem Jahr 2020 eine Lebensgemeinschaft mit XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina. Die Lebensgefährtin des BF ist seit dem Jahr 1997 durchgehend mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet und im Besitz eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“. Der BF und seine Lebensgefährtin sind seit Dezember 2020 an derselben Wohnadresse mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Die Lebensgefährtin des BF bezieht eine Pension iHv € 1.150,00.
Das gemeinsame Einkommen des BF und seiner Lebensgefährtin beträgt sohin € 1.832,93.
Die monatlichen Fixkosten des BF und seiner Lebensgefährtin für Mietkosten inkl. Betriebskosten, Stromkosten und Versicherungskosten für das KFZ der Lebensgefährtin belaufen sich auf etwa € 465,00 und werden von der Lebensgefährtin des BF bezahlt.
1.9. Der Lebensmittelpunkt des BF liegt seit dem Jahr 2020 in Österreich. Er hält sich lediglich etwa zwei bis drei Mal jährlich zu Besuchszwecken in Kroatien auf.
Die Exfrau, ein Sohn, eine Enkeltochter, und ein Bruder des BF sind in Kroatien wohnhaft. Eine Tochter lebt in Italien, ein Sohn in Deutschland. Der BF steht in Kontakt mit seinen Angehörigen. Der BF hat keine Schulden und besitzt gemeinsam mit seiner Exfrau ein Haus in Kroatien.
1.10. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akte durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:
2.2.1. Soweit oben Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum), zur Staatsangehörigkeit, zum Familienstand, den Sprachkenntnissen und dem Leben des BF in Kroatien getroffen wurden, beruhen diese auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen in den gegenständlichen Beschwerden nicht entgegengetreten wurde, den Angaben des BF (AS 31, 33) sowie der im Akt einliegenden Kopie des kroatischen Reisepasses des BF, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind (AS 35, 96).
2.2.2. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF (AS 33, VHP Seite 5) sowie insbesondere dem ärztlichen Befund von Dr. XXXX und Dr. XXXX , Fachärzte für Innere Medizin, vom XXXX .2023 (OZ 6) und dem im Akt einliegenden Stent Ausweis (AS 41).
2.2.3. Die Wohnsitzmeldungen des BF im Bundesgebiet ergeben sich aus der Abfrage des Zentralen Melderegisters (ZMR). Die Versicherung des BF im Bundesgebiet ergibt sich aus dem Sozialversicherungsdatenauszug.
2.2.4. Die Ausstellung einer Anmeldebescheinig ergibt sich aus den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen (AS 95) und der Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister (IZR).
2.2.5. Dass der BF einen Antrag auf Ausgleichszulage stellte, ergibt sich aus den Ausführungen der NAG Behörde (AS 4), den Feststellungen im angefochtenen Bescheid sowie den Beschwerdeausführungen (AS 87). Dass der BF nie eine Ausgleichszulage bezog kann dem Sozialversicherungsdatenauszug entnommen werden. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG brachten die RV des BF sowie der BF selbst vor, der Antrag sei wieder zurückgezogen worden (VHP Seite 6).
2.2.6. Die Feststellungen zur finanziellen Situation des BF ergeben sich insbesondere aus der Bestätigung der kroatischen Pensionsversicherungsanstalt vom 11.09.2023 über den Bezug einer Pension iHv € 562,93 (AS 92) und den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung (VHP Seite 5, 7). So gab er in der mündlichen Verhandlung an, aufgrund seiner Erkrankungen seit dem Jahr 2004 eine Pension iHv rund € 570,00 und weiters € 120,00 Pflegegeld zu beziehen. Weiters liegt im Akt eine Bestätigung der kroatischen Pensionsversicherungsanstalt vom 18.07.2020 über den Bezug einer Pension iHv 3.246,62 Kuna ein (AS 39).
2.2.7. Die Feststellungen zur Lebensgefährtin des BF ergeben sich aus den Angaben des BF, der Einvernahme der Lebensgefährtin in der mündlichen Verhandlung, der Einsichtnahme in das ZMR sowie den im Akt einliegenden Kopien des Reisepasses (AS 97) und des Aufenthaltstitels der Lebensgefährtin (AS 37, 98ff).
Die Feststellungen zu den finanziellen Verhältnissen des BF und seiner Lebensgefährtin ergeben sich aus den Angaben der Lebensgefährtin in der mündlichen Verhandlung, wonach ihre Pension seit Jänner 2024 € 1.150,00 betrage. Im Akt liegt weiters eine Bestätigung der Pensionsversicherungsanstalt vom 01.01.2023 betreffend den Bezug einer Pension iHv € 1.053,64 ein (AS 93). Die Lebensgefährtin des BF gab überdies an, sie komme für die Miete inkl. Betriebskosten iHv € 302,00, die Stromkosten iHv € 23,00, Handykosten von € 19,00 – 20,00 und Kosten für ihren PKW iHv € 120,00 auf. Der BF bezahle das Essen, Zigaretten und alles andere (VHP Seite 8).
2.2.8. Die Feststellung, dass sich der BF seit dem Jahr 2020 lediglich zwei bis drei Mal jährlich in Kroatien aufhält ergibt sich aus seinen Angaben (AS 32, VHP Seite 4).
2.2.9. Die Feststellungen zum Aufenthalt von Angehörigen in Kroatien, Italien und Deutschland und dem Kontakt zu diesen ergeben sich aus den Angaben des BF (AS 32f, 88, VHP Seite 5).
2.2.10. Dass der BF in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jeder der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 8 leg cit. als EWR-Bürger, ein Fremder der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.
Der BF ist auf Grund seiner kroatischen Staatsangehörigkeit EWR-Bürger gemäß § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
3.1.1. Der mit „Ausweisung“ betitelte § 66 FPG lautet:
§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:
§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;
3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.
(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.
Der mit "Anmeldebescheinigung" betitelte § 53 NAG lautet:
§ 53. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.
(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1. nach § 51 Abs. 1 Z 1: eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbständigkeit;
2. nach § 51 Abs. 1 Z 2: Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz;
3. nach § 51 Abs. 1 Z 3: Nachweise über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz sowie eine Erklärung oder sonstige Nachweise über ausreichende Existenzmittel;
4. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;
5. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern ab Vollendung des 21. Lebensjahres und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung;
6. nach § 52 Abs. 1 Z 4: ein Nachweis des Bestehens einer dauerhaften Beziehung mit dem EWR-Bürger;
7. nach § 52 Abs. 1 Z 5: ein urkundlicher Nachweis einer zuständigen Behörde des Herkunftsstaates der Unterhaltsleistung des EWR-Bürgers oder des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder der Nachweis der schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe, die die persönliche Pflege durch den EWR-Bürger zwingend erforderlich machen."
Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet:
§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.
(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von
1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;
2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder
3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.
(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie
1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;
2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder
3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;
Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.
(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.
(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn
1. sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;
2. der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder
3. der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.
Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:
§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.
Der mit „Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate“ betitelte Art. 7 der Freizügigkeitsrichtlinie lautet auszugsweise:
(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er
a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder
b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder
c) - bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und
- über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder
d) ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstaben a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.
[…]
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:
§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.
3.1.2. Der Beschwerde war aus folgenden Gründen stattzugeben:
Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können u.a. EWR-Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
Wenn das Aufenthaltsrecht nach §§ 51, 52 und 54 NAG nicht besteht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 NAG nicht erbracht werden, oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen gemäß § 55 Abs. 3 NAG davon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass die Fremdenpolizeibehörde hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde.
Die Fremdenpolizeibehörde ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller zu befassen.
Nach Art. 7 Abs. 1 lit. a und b der Freizügigkeitsrichtlinie hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist, oder für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen.
„Bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie - in Österreich umgesetzt durch § 51 Abs. 1 Z 2 NAG 2005 - in Anspruch nehmen zu können, ist eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen zu berücksichtigen, was notwendig impliziert, dass die Beantragung von Sozialleistungen und allenfalls ein Bezug derselben nicht schon per se bedeutet, dass keine ausreichenden Existenzmittel vorliegen (vgl. EuGH 11.11.2014, Dano, C-333/13; EuGH 19.09.2013, Brey, C-140/12).“ (vgl. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0047)
„Nach Art. 8 Abs. 4 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38 EG) dürfen die Mitgliedstaaten keinen festen Betrag für die Existenzmittel festlegen, die sie als ausreichend betrachten, sondern müssen die persönliche Situation des Betroffenen berücksichtigen. Dieser Betrag darf in keinem Fall über dem Schwellenbetrag liegen, unter dem der Aufnahmemitgliedstaat seinen Staatsangehörigen Sozialhilfe gewährt, oder, wenn dieses Kriterium nicht anwendbar ist, über der Mindestrente der Sozialversicherung des Aufnahmemitgliedstaats. Demgemäß ist bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie in Anspruch nehmen zu können, eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen (vgl. EuGH (Große Kammer) 11.11.2014, Dano, C-333/13). Die Mitgliedstaaten können zwar einen bestimmten Betrag als Richtbetrag angeben, sie können aber nicht ein Mindesteinkommen vorgeben, unterhalb dessen ohne eine konkrete Prüfung der Situation des einzelnen Betroffenen angenommen würde, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt (vgl. EuGH 19.09.2013, Brey, C-140/12). Es bedarf also bei der Frage, ob ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen, einer konkreten Einzelfallbeurteilung (vgl. VwGH 10.04.2014, 2013/22/0034).“ (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0222)
„EWR-Bürger verfügen jedenfalls über ausreichende Existenzmittel, wenn diese über der im Aufnahmemitgliedstaat (hier: in Österreich) geltenden Sozialhilfegrenze liegen. Diese Grenze, die sich aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung ergibt, ist marginal niedriger als für sonstige Drittstaatsangehörige, für die zur Berechnung des Lebensunterhaltes die Richtsätze nach § 293 ASVG herangezogen werden. Zu beachten ist allerdings, dass nach Art 8 Abs 4 RL 2004/38/EG weder direkt noch indirekt ein fester Betrag für die Höhe der ausreichenden Existenzmittel festgelegt werden darf, bei dessen Unterschreiten das Aufenthaltsrecht automatisch versagt werden darf (EuGH 19.09.2013, C-140/12, Pensionsversicherungsanstalt/Brey, VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0222).“ (Abermann, in Abermann/Czech/Kind/Peryl, NAG Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz inkl Integrationsgesetz2 (2019), § 51 Rz 12)
3.1.3. Wie dem gegenständlichen Sachverhalt zu entnehmen ist, hält sich der BF seit 2020 durchgehend in Österreich auf. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt, welche auch für die Mietkosten, Betriebskosten und Stromkosten aufkommt. Der BF ist sozialversichert, bezieht eine monatliche Pension aus Kroatien in der Höhe von € 562,93 und erhält zusätzlich noch einen Behinderungszuschuss iHv € 120,00 aus Kroatien. Die Lebensgefährtin des BF bezieht eine Pension iHv € 1.150,00. Das gemeinsame Einkommen des BF und seiner Lebensgefährtin beträgt sohin € 1.832,93. Aus den vorgelegten Unterlagen und den Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG geht hervor, dass das gemeinsamen Pensionseikommen ausreicht, um den Lebensunterhalt finanzieren zu können. Die monatlichen Einnahmen des BF und seiner Lebensgefährtin kommen in etwa der Basisleistung/Bemessungsgrundlage nach dem Sozialhilfegesetzt gleich bzw. erreichen beinahe betragsmäßig den Richtwert iSd § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG iHv € 1.921,44. Im Lichte der oben zitierten Judikatur des VwGH ist daher vom Vorliegen hinreichender finanzieller Mittel zur Deckung eines Unterhalts auszugehen, sodass der BF, welcher auch über eine bestehende Sozialversicherung verfügt, die Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes iSd § 52 Abs. 1 Z 2 NAG erfüllt.
Auch ergaben sich insbesondere in Ansehung seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit keinerlei Hinweise, wonach vom BF eine gemäß § 55 Abs. 3 NAG einem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht entgegenstehende Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgehe, sodass sein persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, darstellen würde (vgl. VwGH 05.02.2021, Ra 2020/21/0439, mwN).
3.1.4. "Nach § 66 Abs. 2 FrPolG 2005 und § 9 BFA-VG 2014 ist bei Erlassung einer auf § 66 FrPolG 2005 gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessem Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind" (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049).
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Unter „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, ÖJZ 2007, 852 ff).
Der BF lebt seit Juli 2020 durchgehend im Bundesgebiet und hielt sich hier den obigen Ausführungen nach auch rechtmäßig im Sinne eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet auf. Er führt seit vier Jahren eine Lebensgemeinschaft mit einer in Österreich daueraufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen und lebt mit dieser seit vier Jahren im gemeinsamen Haushalt. Insbesondere ist auch der schlechte Gesundheitszustand des BF zu berücksichtigten. Eine verpflichtende Ausreise des BF aus dem Bundesgebiet würde einen massiven Einfluss auf dessen Betreuungslage nehmen. Ein Mitumziehen der Lebensgefährtin nach Kroatien kommt angesichts des Umstandes, dass sie keine Unionsbürgerin, sondern Drittstaatsangehörige ist, nicht ohne weiteres in Betracht. Die Ausweisung würde sich daher auch aus diesem Gesichtspunkt gemäß § 9 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK insgesamt als rechtswidrig erweisen.
3.1.5. Im Ergebnis kommt das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass dem BF sohin im Zeitpunkt der Entscheidung ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich zusteht und er zudem über ein schützenswertes Privat- und Familienleben iSd Art 8 EMRK verfügt, welches durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme im konkreten Fall unverhältnismäßig beeinträchtigt würde, sodass mangels vorliegender Gefährdung öffentlicher Interessen die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung iSd §§ 66 FPG iVm § 55 NAG gegenständlichen nicht vorliegen (siehe VwGH 16.02.2012, 2009/01/0062: hinsichtlich der nur deklaratorischen Wirkung einer Anmeldebescheinigung).
Im Ergebnis erweist sich eine Ausweisungsentscheidung gegen den BF gemäß § 66 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG iVm § 51 Abs. 1 Z 2 NAG sohin als unzulässig und war der gegenständlichen Beschwerde sohin stattzugeben und in Konsequenz der Behebung der für den Ausspruch eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG Grundlage bildenden Ausweisungsentscheidung der angefochtene Bescheid zur Gänze zu beheben.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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