BFG RV/7500016/2025

BFGRV/7500016/20259.4.2025

Glaubhaft gemachte Ortsabwesenheit

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2025:RV.7500016.2025

 

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Martina Salzinger in der Verwaltungsstrafsache gegen ***9***, betreffend das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 17. September 2024, Zahl ***3***, wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung, über die Beschwerde vom 21.11.2024 beschlossen:

I.Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 50 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

II.Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gemäß § 25a Abs. 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) kraft Gesetzes nicht zulässig.

III.Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Begründung

1.Verfahrensgang

Mit Straferkenntnis vom 17.9.2024, ***3***, wurde dem Beschwerdeführer (kurz Bf.) vom Magistrat der Stadt Wien, ***MA***, angelastet, als Lenker die Parkometerabgabe hinterzogen zu haben, in dem er das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***4***, am 6.7.2023 um 12:58 Uhr in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in ***5*** gegenüber, abgestellt habe, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben, da der Parkschein Nr. ***6*** Spuren von entfernten Entwertungen aufgewiesen habe. Dadurch habe der Bf. die Rechtsvorschrift des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung, verletzt. Das Straferkenntnis enthielt folgende, auszugsweise wiedergegebene, Rechtsmittelbelehrung: "Sie haben das Recht gegen diesen Bescheid Beschwerde zu erheben (…). Die Beschwerde ist innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich bei uns einzubringen."

Aktenkundig ist, dass das Straferkenntnis vom 17.9.2024, ***3***, mit RSb Brief an den Bf. (Adresse: ***7***) versendet und die Sendung nach erfolglosem Zustellversuch des Postorganes am ***2*** beim Postamt hinterlegt und am selben Tag zur Abholung bereitgehalten worden ist. Laut Aufzeichnungen der vorlegenden Behörde wurde die Sendung nicht vom Bf. behoben.

In der Folge wurde der Bf. mit Mahnung vom 5.11.2024, Zahl: ***3*** vom ***MA***, daran erinnert, dass er mit dem Straferkenntnis vom 17.9.2024 zu einer Geldstrafe von € 140,00 und zu sonstigen Kosten von € 19,00 verpflichtet worden sei.

Mit E-Mail vom 21.11.2024 richtete der Bf. eine mit "Klärung der Zahlungsaufforderung Mahnung vom 5.11.2024" betitelte Eingabe an die Magistratsabteilung, die der Magistrat der Stadt Wien auf Grund der Bezugnahme auf die GZ. ***3*** als Beschwerde gegen das oben angeführte Straferkenntnis gewertet und dem Bundesfinanzgericht samt dem bezughabenden Akt zur Entscheidung vorgelegt hat.

Das Bundesfinanzgericht räumte dem Bf. mit Verspätungsvorhalt vom 24.1.2025 unter Darstellung der gegeben Sach- und Rechtslage die Möglichkeit ein, entsprechende Einwendungen gegen den Zustellvorgang im Zusammenhang mit dem angefochtenen Straferkenntnis vorzubringen und diese durch entsprechende Nachweise auch zu untermauern oder zumindest glaubhaft darzulegen, dass eine rechtsgültige Zustellung (infolge Zustellmangel, Abwesenheit von der Abgabestelle, etc…) im Ergebnis nicht erfolgt sei.

Im Antwortschreiben vom 12.2.2025 stellte der Bf. klar, dass er sich zum Zeitpunkt der behaupteten Zustellung am ***2*** nachweislich nicht an seiner Meldeadresse befunden habe und verwies auf den beigelegten "Ortsabwesenheitsnachweis".

Übermittelt wurde die Kopie einer am ***8*** von der Österreichische Post AG auf den Bf., auf dessen Wohnsitzadresse und auf den Zeitraum ***1*** bis 31.10.2024 bezogene Ortsabwesenheitsmeldung für RSa- und RSb-Sendungen bei der Post.

2. Beweiswürdigung, festgestellter Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung

Entsprechend der Bestimmung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 (alle Gesetzesstellen sind im hier und im Folgenden in der für den gegenständlichen Fall geltenden Fassung angegeben), erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG), BGBl. I Nr. 14/2013, ist das Verfahren für gemäß Art. 131 Abs. 5 B-VG dem Bundesfinanzgericht übertragene Rechtsmittel betreffend Verwaltungsübertretungen im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt.

Zufolge § 38 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, BGBl Nr 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Nach § 50 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

§ 31 Abs. 1 VwGVG legt fest, dass, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss erfolgen.

§ 44 VwGvG bestimmt:

"(1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist."

Gemäß § 24 VStG gilt, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, das Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, auch im Verwaltungsstrafverfahren. Die §§ 2, 3, 4, 11, 12, 13 Abs. 8, 14 Abs. 3 zweiter Satz, 37 zweiter Satz, 39 Abs. 3, 41, 42, 44a bis 44g, 51, 57, 68 Abs. 2 und 3, 75 und 78 bis 82 AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden.

Aus den im Vorigen angeführten Gesetzesstellen ergibt sich, dass eine Beschwerde gemäß § 28 iVm § 50 iVm § 31 VwGVG mit Beschluss zurückzuweisen ist, wenn sie unzulässig ist. Unzulässig ist eine Beschwerde etwa, wenn ein Bescheid nicht vorliegt (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz 824).

Die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde setzt somit voraus, dass das angefochtene Straferkenntnis wirksam ergangen ist. Ist dies nicht der Fall, so liegt kein Bescheid vor und ist damit die Beschwerde unzulässig und daher zurückzuweisen.

Schriftliche Erledigungen iSd § 18 Abs. 2 AVG müssen zu ihrer (Außen-)Wirksamkeit dem Empfänger nach den Bestimmungen des ZustG zugestellt werden. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so äußert ein derartiger Vorgang keine Rechtswirkungen, sofern es nicht zu einer Heilung iSd § 7 ZustG kommt. (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz 191 und Rz 203).

Gemäß § 21 AVG sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz vorzunehmen.

§ 17 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, normiert:

"(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte."

Die im Akt der Verwaltungsbehörde aufliegende Formularabfertigung betreffend den Beschwerdefall weist den ***2*** als Beginn der Abholfrist aus. Das Ende der zweiwöchigen Abhol-Mindestfrist lag somit jedenfalls vor Ende Oktober 2024.

Dem Zustellgesetz ist zu entnehmen, dass die gesetzliche Vermutung der rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung im Sinne des dritten Satzes des Abs. 3 des § 17 Zustellgesetz im Falle der Ortsabwesenheit des Empfängers nicht greift (vgl. VwGH 12.6.1997, 96/09/0005).

Die durch den dritten Satz des § 17 Abs. 3 ZustG normierte Zustellwirkung der Hinterlegung wird aber nicht durch Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abwesenheit ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (so VwGH 27.07.2007, 2006/10/0040, 24.02.2009, 2008/06/0233, 19.12.2012, 2012/06/0094).

Will eine Behörde davon ausgehen, ein Dokument sei durch Hinterlegung zugestellt, so trifft sie von Amtswegen die Pflicht festzustellen, ob auch tatsächlich durch Hinterlegung eine Zustellung bewirkt wurde und ob nicht etwa der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (vgl. VwGH 27. 8. 1990, 89/15/0139).

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 45 Abs. 2 AVG gilt gemäß § 38 VwGVG sowie § 24 VStG auch für das Verwaltungsstrafverfahren vor dem Bundesfinanzgericht uneingeschränkt. Danach ist das Verwaltungsgericht bei der Beweiswürdigung nicht an feste Beweisregeln gebunden, sondern hat den Wert der aufgenommenen Beweise nach bestem Wissen und Gewissen nach deren innerem Wahrheitsgehalt zu beurteilen.

In diesem Sinne wurde dem Bf. mit Vorhalt vom 24. Jänner 2024 Gelegenheit geboten, ein allfälliges Zustellhindernis bekanntzugeben.

Der Bf. führte seine Abwesenheit von der Abgabestelle Hauptwohnsitz vom ***1*** bis 31.10.2024 ins Treffen und untermauert seine Ausführungen mit der Vorlage der diesbezüglichen Ortsabwesenheitsmeldung bei der Post.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes erscheint es in freier Beweiswürdigung als glaubhaft, dass dem Bf. wegen ununterbrochener Abwesenheit im angegebenen Zeitraum die Behebung des streitgegenständlichen Straferkenntnisses nicht möglich war.

Der Beschwerdeführer hat zudem nicht behauptet, dass ihm das angefochtene Straferkenntnis tatsächlich zugekommen ist und auch der Akteninhalt bietet keinerlei Hinweis für so eine Annahme.

Das angefochtene Straferkenntnis ist dem Beschwerdeführer somit im Ergebnis nicht wirksam zugestellt worden und daher auch nicht wirksam ergangen. Es liegt daher kein Bescheid vor. Weiters ist die dagegen gerichtete Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 50 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen. Eine mündliche Verhandlung konnte entfallen.

Nichtzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegenständlich wird eine Revision der belangten Behörde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Rechtsfolgen einer unzulässigen Beschwerde ergeben sich unmittelbar aus den angeführten Gesetzesstellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 9. April 2025

Zusatzinformationen

Materie:

Verwaltungsstrafsachen Wien

betroffene Normen:

§ 28 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 31 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 50 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013

Verweise:

VwGH 27.08.1990, 89/15/0139
VwGH 12.06.1997, 96/09/0005
VwGH 27.07.2007, 2006/10/0040

Stichworte