BFG RV/7300015/2023

BFGRV/7300015/20235.9.2023

Finanzordnungswidrigkeit, finanzielle Schwierigkeiten

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2023:RV.7300015.2023

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Der Finanzstrafsenat Wien 3 des Bundesfinanzgerichtes hat durch die Vorsitzende ***7***r, den Richter ***8*** und die fachkundigen Laienrichter ***9*** und ***12*** in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Andrea Waldmann, Loquaiplatz 12/1, 1060 Wien wegen der Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeiten gemäß § 49 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom 22. Februar 2023 gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom 23. November 2022, FV 001 474 150, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5.9.2023 in Anwesenheit des Beschuldigten, seiner Verteidigerin Mag. Andrea Waldmann, der Amtsbeauftragten Mag. *** sowie der Schriftführerin *** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird dahingehend Folge gegeben, dass bei unverändertem Schuldspruch die Geldstrafe gemäß § 49 Abs. 2 FinStrG auf € 4.000,00 herabgesetzt wird.

Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen ausgesprochen.

Gemäß § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG betragen die Kosten des Verfahrens € 400,00.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom 23. November 2022, FV 001 474 150, wurde ***Bf1*** schuldig erkannt, er habe in Wien als für die abgabenrechtlichen Belange der Firma ***4*** in Wien verantwortlicher handelsrechtliche Geschäftsführer vorsätzlich Lohnabgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge, Zuschläge zu Dienstgeberbeiträgen) für 11/2020 - 6/2021 und 8-9/2021 in Gesamthöhe von € 35.670,43 nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet, bzw. bis zu diesen Terminen auch nicht gemeldet.

Er habe hierdurch die Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen und werde hierfür nach § 49 Abs. 2 FinStrG mit einer Geldstrafe in Höhe von € 6.000.- bestraft.

Gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG werde für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 15 Tagen festgesetzt.

Gemäß § 185 FinStrG habe der Bestrafte die Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 500.- und des allfälligen Vollzuges zu ersetzen.

Zu den Entscheidungsgründen wird im Erkenntnis ausgeführt:

"Vorweg sei festgehalten, dass der Beschuldigte zur heutigen mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen ist, sodass gemäß § 126 FinStrG in seiner Abwesenheit verhandelt und das Erkenntnis gefällt werden konnte.

Über die Vermögens- und Ertragslage des finanzstrafrechtlich bereits zweifach in Erscheinung getretenen Beschuldigten ist nichts Näheres bekannt.

Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens, insbesondere Einsichtnahme in die Veranlagungsakten und Verlesung des Strafaktes steht nachstehender Sachverhalt fest:

Die Firma ***4*** in Wien wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 24.1.2020 gegründet und im Firmenbuch unter ***5*** registriert. Als Firmengegenstand wird die Personenbeförderung mit PKW ausgewiesen. Seit Gründung der Gesellschaft war der nunmehrige Beschuldigte alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer.

Auf Grund einer Außenprüfung hinsichtlich Lohnabgaben, im Rahmen derer eine Abfuhrdifferenz hinsichtlich der Zeiträume 8-9/2021 festgestellt wurde (s. Prüfungsbericht, Bl. 6), wurde das Abgabenkonto einer Überprüfung unterzogen und verspätete Lohnabgabenmeldungen für 11/2020-6/2021 (Meldung erst am 11.8.2021 - somit verspätet- und nicht binnen Monatsfrist entrichtet) festgestellt.

Als jahrelang im Geschäftsleben selbständig Tätiger wusste der Beschuldigte über seine Verpflichtung zur Abgabe inhaltlich richtiger Abgabenerklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen zu den jeweiligen Fälligkeitsdaten Bescheid.

Bei der nicht rechtzeitigen Abgabe der im Spruch bezeichneten Erklärungen hielt der Beschuldigte eine verspätete, nämlich nicht spätestens am 5. Tag nach jeweils eingetretener Fälligkeit erfolgte Entrichtung der im Spruch angeführten Abgaben ernstlich für möglich und fand sich damit ab.

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die Feststellungen der Betriebsprüfung im Bericht vom 4.7.2022.

Die strafbestimmenden Wertbeträge gründen sich auf die Ergebnisse des im Strafakt erliegenden Betriebsprüfungsberichtes, verbunden mit den Berechnungen der Finanzbehörde. Im strafbestimmenden Wertbetrag sind keinerlei Sicherheitszuschläge enthalten.

Am 20.9.2022 erfolgte seitens des Beschuldigten mittels elektronischer mail eine Rechtfertigung, in der im Wesentlichen auf verspätete Zahlungen des Fixkostenzuschusses durch die Republik Österreich verwiesen wird.

Dazu hat der Spruchsenat erwogen:

Nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begeht eine Finanzordnungswidrigkeit, wer vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen sind, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben wird.

Nach § 8 (1) FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Das Verhalten des Beschuldigten erfüllt das vom Gesetz vorgegebene Tatbild in objektiver und subjektiver Hinsicht, wobei die verspätete Zahlung des Fixkostenzuschusses durch die Republik Österreich den Beschuldigten selbstredend nicht exkulpiert.

Es war daher mit einem Schuldspruch vorzugehen.

Nach der Bestimmung des § 49 Abs. 2 FinStrG wird die Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 FinStrG mit einer Geldstrafe bis zur Hälfte des Verkürzungsbetrages geahndet.

Nach § 23 FinStrG bemisst sich die Strafe nach der Schuld des Täters und sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe, sowie die persönlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen.

Bei der Strafbemessung war im Einzelnen

mildernd: die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten sowie die - wenngleich geringfügige - teilweise Schadensgutmachung;

erschwerend: zwei einschlägige Vorstrafen.

Bei Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und die Täterpersönlichkeiten ist die ausgesprochene Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe schuld- und tatangemessen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht zwingend auf der angezogenen Gesetzesstelle.

****

Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten vom 22.2.2023 in der wie folgt ausgeführt wird:

"I. Vollmachtsbekanntgabe

ln umseits bezeichneter Rechtssache hat der Beschwerdeführer Rechtsanwalt ***11*** mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt; um Zustellung aller künftigen Schriftstücke ausschließlich an ihn wird höflich ersucht.

II. Beschwerde

Gegen das Erkenntnis der belangten Behörde zu GZ SpS 187/22-11 vom 23.11.2022, dem Beschwerdeführer zugestellt am 26.1.2023, erhebt dieser rechtzeitig nachstehende Beschwerde:

Das Erkenntnis vom 23.11.2022 wird sowohl wegen materieller Rechtswidrigkeit, als auch in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschritten sowohl hinsichtlich dem Grunde als auch der Höhe der verhängten Geldstrafe und des Kostenersatzes zur Gänze angefochten. Dazu im Einzelnen:

Verhandlung in Abwesenheit: Dem Beschwerdeführer wird sein Recht auf Gehör entzogen

Seit 09/2021 ist der Beschwerdeführer an der Adresse ***1***, ***2***, gemeldet. Interessanterweise wurde ihm damals die Aufforderung zur Rechtfertigung auch an die Adresse ***3*** zugestellt, die Ladung zur Verhandlung am 23.11.2022 aber nicht. Mangels ordnungsgemäßer Ladung hatte der Beschwerdeführer keine Information über eine anberaumte Verhandlung und wurde ihm damit rechtswidrig die Möglichkeit vorenthalten, sich zu verteidigen.

Im Zuge seiner Rechtfertigung, die er am 20.09.2022 per E-Mail gesendet hatte, erwähnte der zuständige Sach-Bearbeiter zwar, "auf den Spruchsenatstermin am 23.11.2022, 09:40 Uhr, wird hingewiesen"; nachdem der Beschwerdeführer aber in der Folge keine Ladung erhalten hat, erkundigte er sich einen Tag vor dem geplanten Verhandlungstermin noch unter Hinweis darauf, dass er keine Ladung bekommen hätte, wo dieser Termin stattfände und ob da seine Anwesenheit erwünscht / möglich / erforderlich wäre - darauf erhielt er aber keine Antwort.Das Fernbleiben liegt somit im Verschulden der belangten Behörde. Das Erkenntnis ist bereits aus diesem Grund mit Nichtigkeit bzw. schweren Formmängeln behaftet und zu beheben.

Mangelhaftigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; Das Erkenntnis ist nicht nachvollziehbar

1.

1.1 Mangelhaftigkeit des Spruchs

Die Bedeutung der Begründung eines Bescheides für das Rechtsstaatsprinzip erläutert Beiser (Steuern, 357) wie folgt: "Erst die Begründung macht den Bescheid für den Abgabepflichtigen nachvollziehbar und kontrollierbar. Die Bescheidbegründung ist für einen effizienten Rechtsschutz des Abgabepflichtigen von grundlegender Bedeutung: Der Abgabepflichtige soll nicht rätseln müssen, warum ihm eine Abgabe vorgeschrieben wird."

Ein zentrales Begründungselement ist die Anführung des Sachverhaltes, den die Behörde (als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung) als erwiesen annimmt (zB. VwGH 27.5.1998,95/13/0282, 0283; 26.2.2004, 99/15/0053; 21.10.2004, 2000/13/0026; 20.1.2005, 2002/14/0116); eine zusammenhängende Darstellung dieses Sachverhaltes kann durch den bloßen Hinweis auf irgendwelches dem Abgabepflichtigen bekanntes "Aktenmaterial" nicht ersetzt werden (zB VwGH 28.5.1997, 94/13/0200; 26.11.1997, 95/13/0061; 24.4.2002, 95/13/0277).

Nach der Rspr hat die Bescheidbegründung jedenfalls in der Darstellung der rechtlichen Beurteilung zu bestehen, nach welcher die Behörde die Verwirklichung welcher abgabenrechtlicher Tatbestände durch den in der Begründung angeführten Sachverhalt für gegeben erachtet (zB VwGH 27.5.1998, 97/13/0013; 22.5.2003, 2003/16/0025, 0026; 3.7.2003, 98/15/0128).

1.2. Aus der Begründung hat weiters hervorzugehen, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliegt VwGH 27.11.2003, 2000/15/0076;

1.3. (zB VwGH 26.2.2004 99/15/0053; 22.12.2004; 2000/15/01 22).

Die die Beweiswürdigung betreffenden Erwägungen haben schlüssig darzulegen, was die Behörde veranlasst hat, ein Beweismittel dem anderen vorzuziehen (VwGH 12.11.1997, 97/16/0204; 27.5.1998, 95/13/0282, 0283; 26.11.2003, 98/13/0173; 17.5.2004, 2003/17/0133).

Der bloße Hinweis auf durchgeführte Erhebungen reicht nicht (VwGH 6.7.1990, 88/17/0059; 24.11.1997, 93/17/0063); ebenso wenig ein bloßer Hinweis auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (VwGH 30.8.1995, 94/16/0290).

Die belangte Behörde aber ergeht sich in Floskeln. Sie führt aus, dass aufgrund der Einsichtnahme in die Veranlagungsakten und Verlesung des Strafaktes bzw. aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens der Sachverhalt feststehe. Die Behörde trifft keinerlei Feststellungen dazu, in welchen Zeiträumen der Beschwerdeführer die Abgabenmeldungen rechtsrichtig abgegeben und die entsprechenden Abgaben abgeführt; dass er sich bei der Durchführung einer steuerlichen Vertretung bediente bzw. dazu, dass infolge Corona die Branche im Ausnahmezustand gewesen war.

Das Erkenntnis ist daher schon aus diesem Grunde rechtswidrig und zu beheben.

Hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen, hätte er im Zuge der Einvernahme darlegen können, dass er ein mit den rechtlichen Werten verbundener Geschäftsführer ist und ihm lediglich grobe Sorgfaltswidrigkeit, nicht aber Vorsatz vorzuwerfen ist, dass er seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist:

Es ist freilich darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer schon in seiner Rechtfertigung darauf hingewiesen hat, dass er nur deshalb in die Situation kam, weil a) die COFAG den Fixkostenzuschuss iHv EUR 800.000 und die Ausfallsbonus Zahlungen so lange zurückgehalten hat wegen der Abgleichung der Zahlen aus 2019, die ja nicht vorhanden waren, weil das Unternehmen erst 2020 gegründet worden war, und beim Thema Kurzarbeit die rückwirkende Beantragung abgelehnt worden war, weil das Unternehmen des Beschwerdeführers als "besonders betroffenes Unternehmen" nicht anerkannt wurde, weil es nicht mindestens 50%-Umsatzausfall vorzuweisen hatte (wiederum deshalb, weil es 2019 noch nicht bestanden hatte, somit der Umsatz mit "0" anzunehmen gewesen war: Aber wenn für den ersten Fixkostenzuschuss die Planrechnungen akzeptiert wurden um den Umsatzausfall zu kalkulieren, warum dann nicht bei dieser rückwirkenden Beantragung der letzten Kurzarbeit auch? Noch dazu, da eine rechtzeitige Beantragung vor Beginn nicht möglich war, weil ja das Modell erst erarbeitet wurde und erst Mitte Juli überhaupt beantragt werden konnte. Das hat der Beschwerdeführer auch beantragt, die Entscheidung der Ablehnung wurde ihm aber erst Anfang August mitgeteilt, daher konnte er ihn dann erst für ab September beantragen, wodurch sein Unternehmen insgesamt um 2 Monate "umgefallen" war und dies bei der Anzahl Mitarbeiter auch hohe Kosten bedeutete.b) geriet der Antrag des Beschwerdeführers bei der ÖGK in Verstoß, sodass in Summe eine Corona-Existenzangst und ein emotionaler Ausnahmezustand eingetreten war, der den Beschwerdeführer zu seiner Sorglosigkeit führte.

Der verfahrensgegenständliche Vorfall ist also eine Verkettung unglücklicher Umstände, gewissermaßen der Super-GAU.

2. Beschwerde gegen die verhängte Strafhöhe

Bei Ermessensentscheidungen sind im Übrigen die maßgebenden Umstände und Erwägungen aufzuzeigen (VwGH 23.10.1987,84/17/0220); solche Entscheidungen sind insoweit zu begründen, als dies die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erfordert (VwGH 17.10.2002, 2000/17/0099; 16.10.2003, 2003/16/0118; 24.3.2004, 2001/14/0083).

Dies dient ua dem Schutz vor Willkür und der rechtsstaatlichen Kontrolle (VwGH 20.12.1989, 89/01/0216, ZfVB 1990/5-6/2253).

Die Begründung muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für die Partei als auch für die Höchstgerichte nachvollziehbar ist (VwGH 19.12.2002,98/15/0210; 27.2.2003, 98/15/0188; 3.8.2004, 2000/13/0039; 22.12.2004, 2004/1 5/0036).

Die belangte Behörde unterlässt im bekämpften Erkenntnis detaillierte Ausführungen zu den erschwerenden Umständen und verschweigt die Milderungsgründe.

Im Übrigen fehlen die Ausführungen zur Bemessung der Strafhöhe gänzlich.

Die Behörde hat dann aber nach der Rsp immer dann mit einer Einschätzung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorzugehen, wenn der Beschuldigte im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Angaben über diese Umstände verweigert (Hinweis Erkenntnisse vom 22. April 1992, 92/03/0019, vom 21. Juni 1999, 98/17/0009, vom 27. April 2000, 98/10/0003), eine solche Schätzung verlangt, dass deren Grundlagen konkret und nachvollziehbar (auch ziffernmäßig) in Anschlag gebracht und daraus schlüssig die monatliche Einkommenssituation abgeleitet wird; in diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof etwa die Auffassung vertreten, dass unter einem angenommenen durchschnittlichen Monatseinkommen eines unselbständigen Erwerbstätigen in Österreich das Einkommen zu verstehen ist, das diesbezüglich in amtlich verlautbarten statistischen Unterlagen ausgewiesen wird (vgl. nochmals das Erkenntnis ZI. 98/10/0003).

Dem bekämpften Erkenntnis ist aber überhaupt nicht zu entnehmen, wie hoch die belangte Behörde das Einkommen des Beschwerdeführers angenommen hat, worin jedenfalls eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens insoweit zu erblicken ist, als sowohl die Entscheidungsgrundlage als auch die Entscheidung der Behörde dadurch nicht nachvollziehbar ist.

Tatsächlich hat der Beschwerdeführer, wie oben ausgeführt, mit Corona seine gesamte Lebensgrundlage verloren; er hat derzeit ein Einkommen von weniger als EUR 1.800 netto monatlich und kein nennenswertes Vermögen.

3. Gemäß § 19 VStG wären die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des BF bei der Bemessung der Geldstrafe zu berücksichtigen gewesen; dies ist augenscheinlich nicht geschehen; im Hinblick auf das anzunehmende "durchschnittliche Monatseinkommen" eines unselbständig Erwerbstätigen in Österreich mutet die von der belangten Behörde verhängte Strafe geradezu existenzbedrohend bzw. vernichtend an! Unterlässt die Behörde die Erhebung dieser wesentlichen Umstände, ist ihre Entscheidung mit Verfahrensmängeln belastet (VwGH Gz 2006/03/0155 vom 29.01.2007).

Im Ergebnis hat sich die belangte Behörde nur unzureichend mit dem objektiven Sachverhalt, noch mit der subjektiven Tatseite bzw. dem Unrechtsgehalt der Tat selbst oder den Rahmenbedingungen für die Ermittlung der Strafe auseinandergesetzt. Das angefochtene Erkenntnis ist daher im Ergebnis begründungslos und bereits aus diesem Grunde aufzuheben.

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist gemäß § 19 Abs. 1 VStG stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

5. Außerdem steht die Strate völlig außerhalb des subjektiv Machbaren für den Beschuldigten.

6. Beweis: Einvernahme des Beschwerdeführers;

7. Aus all den genannten Gründen stellt der Beschuldigte daher den Antrag

Aus all den genannten Gründen beantragt der Beschwerdeführer, das Bundesfinanzgericht möge das angefochtene Erkenntnis außer Kraft setzen und

a) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung,

b) die Ladung des Beschwerdeführers, seines Vertreters sowie der bereits benannten und noch zu nennenden Zeugen bewirken und hierauf

c) der gegenständlichen Beschwerde Folge geben, das Erkenntnis vom 23.11.2022 ersatzlos beheben in eventu die verhängte Geldstrafe auf ein schuldangemessenes Ausmaß reduzieren."

Mit Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei ***11*** vom 11.5.2023 wurde der Widerruf der Vertretungsvollmacht bekanntgegeben.

Am 5.6.2023 wurde RA Mag. Andrea Waldmann, Loquaiplatz 12/1, 1060 Wien, mit der rechtlichen Vertretung betraut und diese dem BFG mittels Fax bekanntgegeben.

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In der mündlichen Verhandlung vom 5.9.2023 wurde wie folgt vorgehalten, erhoben und ergänzend ausgeführt:

"Die Vorsitzende begrüßt die anwesenden Parteien und erteilt dem Berichterstatter das Wort, der den Sachverhalt und die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens vorträgt.

Die Vorsitzende gibt bekannt, dass die Verteidigerin letzte Woche Donnerstag Akteneinsicht genommen hat.

Die Verteidigerin verweist auf das schriftliche Vorbringen und beantragt wie dort. Ergänzend wird ausgeführt, dass die vom Bf. vertretene Gesellschaft erst zu Beginn des Jahres 2020 gegründet wurde. Der Bf. war an der Gesellschaft mit 51 % beteiligt und alleiniger Gf. Betriebsgegenstand war die Personenbeförderung. Bekanntlich kam es im März 2020 wegen Corona zu einem Lock-Down, weswegen der Betriebstätigkeit nicht wie geplant nachgekommen werden konnte. Der Bf. hat die steuerlichen Agenden an eine Steuerberaterin übergeben und sich in der Folge vorrangig um die Förderungen im Zusammenhang mit der Pandemie angenommen. Er hat sich hinsichtlich der Meldungen auf die steuerliche Vertreterin verlassen, die ihm am 09.08.2021 mit E-Mail mitgeteilt hat, dass auf dem Abgabenkonto ein Guthaben von € 8.000,00 bestehe (siehe Beilage 1 die vorgelegt und zum Akt genommen wird).

In der Folge ist bei der ***4*** im November 2021 ein Konkursverfahren eröffnet worden, daher wurden die Abgabenschuldigkeiten bei der Gesellschaft nicht entrichtet.

Über das Vermögen des Bf. wurde am 20.7.2023 ein Konkursverfahren eröffnet, dazu gab es noch keine erste Tagsatzung. Der Bf. fungiert derzeit als gewerberechtlicher Gf. ***10*** und verdient brutto monatlich € 1.400,00.

Es wird daher der Beschwerdeantrag auf Aufhebung des Erkenntnisses und Einstellung des Verfahrens aufrechterhalten. Der Bf. hat keinen Vorsatz zu verantworten, es liegt max. eine Sorgfaltspflichtverletzung vor. Sollte der Senat dennoch zu einem Schuldspruch kommen, wird zu berücksichtigen sein, dass der Bf. aus einer finanziellen Notlage heraus gehandelt hat, die einen Schuldausschließungsgrund nahekommt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Schadensgutmachung im Ausmaß von 3 % vorliegt.

Zu den aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gibt der Beschuldigte an:

Besch.: kein Vermögen, Schulden: ca. € 80.000,00, Sorgepflichten: Keine

V: Sie hatten eine Steuerberaterin?

Bf.: Ja.

V: Die Steuerberaterin hat auch die Lohnverrechnung gemacht? Die von ihr errechneten lohnabhängigen Abgaben wurden im Zuge der Prüfung von der Abgabenbehörde als Abfuhrdifferenzen festgestellt, das heißt, dass die richtig berechneten Beträge eben nicht gemeldet und nicht bei Fälligkeit entrichtet wurden.

Bf.: Ja.

V: Am Firmenkonto waren nur Sie zeichnungsberechtigt? Wer hätte die Abgaben entrichten sollen?

Bf.: Ja, ich.

V: Haben Sie von der Steuerberaterin Erlagscheine zur Bezahlung erhalten? Wurde Ihnen nicht gesagt was zu bezahlen war?

Bf.: Ich habe jeden Monat Unterlagen mit der Höhe der lohnabhängigen Abgaben bekommen. Für mich war es aber vorrangig wichtig, dass die Dienstnehmer ihren Arbeitsplatz behalten. Ich habe zudem meine ganzen Kräfte für die Erlangung von Förderungen gebündelt und war mit den unterschiedlichen und rasch wechselnden Regelungen in der Pandemie sehr unter Druck. Es gab in dieser Zeit ja auch Sonderstundungen, dazu ist aber bei der ÖGK, nehme ich an, ein Fehler passiert, jedenfalls ging dies auch nicht erwartungsgemäß durch. In dem Zusammenhang habe ich mich auf die Steuerberatungskanzlei verlassen und nicht monatlich die lohnabhängigen Abgaben überwiesen.

V: Die lohnabhängigen Abgaben für 11, 12/2020, 1-5/2021 wurden erst am 11.08.2021 nachgemeldet. Diese Abgabenschuldigkeiten hätten auch als Selbstanzeige gemeldet werden können, wenn die Geldmittel zur Nachentrichtung vorhanden sind.

Frage an die AB: Gibt es am 09.08.2021 ein Guthaben von € 8.000,00?

AB: Es gibt vom 27.07.2021 ein Guthaben in der Größenordnungen € 8.344,05, aber am 11.08.2021 bestand deswegen kein verrechenbares Guthaben für die verfahrensgegenständlichen Abgaben mehr, weil bereits Abgaben ab 08/2020 nachgemeldet wurden und das Guthaben auf die ältesten Abgabenschuldigkeiten verrechnet wurde.

V: Hat die Steuerberaterin festgestellt, dass die Lohnabgaben nicht gemeldet wurden?

Bf.: Das kann ich so nicht sagen. Die Kommunikation mit der Steuerberaterin war immer sehr knapp. Es gab 2020 zudem einen Steuerberaterwechsel. Sie hat demnach in einem Zeitraum von fast 1 Jahr mich nicht darauf aufmerksam gemacht, dass keine Meldungen erfolgt sind und ich die Abgabenschuldigkeiten demnach nicht wie gesetzlich vorgesehen entrichtet habe.

V: Sie haben aber schon 2 Vorstrafen nach § 49 FinStrG, das heißt, Sie kennen die gesetzlichen Fälligkeiten und die Verpflichtung Abgaben monatlich entrichten zu müssen.

Bf: Ja, weil es zuvor Probleme gegeben hat, habe ich die Steuerberatungskanzlei gewechselt. Es ist leider passiert.

Frage an Bf. von ***13***: Gab es vor dem August 2021 eine Bilanzbesprechung für 2020?

Bf.: Nein, ich habe das Thema zwar angesprochen, aber ein allfälliger Besprechungstermin wurde nicht realisiert, da Corona das Alltagsgeschehen dominiert hat.

***13***: Wie haben die Unterlagen ausgesehen, die Sie monatlich von der Steuerberaterin bekommen haben?

Bf.: Ich habe die Löhne für die Dienstnehmer und deren Lohnkonten gesehen und als letztes Blatt war eine Auflistung angehängt, welche Abgaben monatlich angefallen sind. Dies ohne Hinweis bis wann ich sie zu bezahlen habe.

FA: Haben Sie sich die Buchungen am Abgabenkonto in Finanzonline angesehen?

Bf.: Nein. Ich habe mich in diesen Punkten zu sehr auf die Steuerberaterin verlassen.

FA: Was haben Sie sich ausgemacht bzgl. der Lohnabgaben?

Bf.: Die Steuerberaterin hätte die Meldung erstatten sollen. Dafür hat sie auch die Zugänge für Finanzonline bekommen.

FA: Haben Sie die Steuerberaterin immer fristgerecht und vollständig bezahlt?

Bf.: Sie wurde ordnungsgemäß, aber vielleicht nicht immer fristgerecht bezahlt. In der Pandemie hat man grundsätzlich bezahlt, wenn man die Geldmittel dafür hatte. Das Wort fristgerecht hatte in der Wirtschaft damals eine andere Bedeutung. Man war von der Auszahlung zugesagter Förderungen abhängig. Da wir keine Vergleichszahlen aus Vorzeiträumen hatten, war es halt in meinem Fall besonders aufwändig, die Verhandlungen zu den Förderungen zu führen.

Vertreterin: Wenn Sie "später" bezahlt haben, gab es dazu Vereinbarungen mit der Steuerberaterin?

Bf.: Ja, das war einvernehmlich.

Der Amtsbeauftragte beantragt die Einvernahme der steuerlichen Vertreterin Dr. ***6*** wegen des Vorbringens, dass sie die Meldungen hätte vornehmen sollen. Darüber hinaus wird Abweisung der Beschwerde angesichts der einschlägigen Vorstrafen beantragt. Daraus war die Verpflichtung Lohnabgaben entrichten zu müssen klar.

Der Verteidigerin beantragt die Stattgabe der Beschwerde und Einstellung des Verfahrens, in evento einer Herabsetzung der Strafe und spricht sich mit Hinweis auf das für durchgeführte Verfahren gegen eine Einvernahme von Dr. ***6*** aus.

Um 10:47 Uhr zieht sich der Senat zur Beratung zurück.

Nach seinem Wiedererscheinen um 10:55 Uhr verkündet die Vorsitzende gemäß §§ 134, 157 FinStrG den Beschluss: Die Einvernahme von ***6*** wird nicht durchgeführt, da es verfahrensgegenständlich nicht relevant ist, aus welchem Grund eine Meldung jeweils unterblieb."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

Gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich einer Finanzordnungswidrigkeit schuldig, wer vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen sind, insbesondere Vorauszahlungen an Umsatzsteuer nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekannt gegeben wird; im übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermins für sich allein nicht strafbar.

Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Gemäß § 98 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

§ 161 Abs. 3 FinStrG: Eine Änderung des angefochtenen Erkenntnisses zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten ist nur bei Anfechtung durch den Amtsbeauftragten zulässig.

Auf Grund der Schuld- und Strafbeschwerde des Beschuldigten hat das BFG in einem Senatsverfahren zu prüfen, ob hinsichtlich der Anlastungen (Taten) für die der Spruchsenat den Beschuldigten schuldig gesprochen hat, der objektive und subjektive Tatbestand des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG erfüllt sind.

Zum objektiven Tatbestand:

Für den Zeitraum 1.1.2020 bis 9/2021 wurde eine Prüfung der lohnabhängigen Abgaben vorgenommen, deren Ergebnisse im Prüfbericht vom 4.7.2022 festgehalten sind.

Die Prüferin stellte Abfuhrdifferenzen zwischen den ausbezahlten Löhnen und Gehältern und den darauf entfallenden Lohnabgaben sowie den Meldungen durch den Beschuldigten fest.

Für die Monate 8 und 9/2021 wurden folgende Abgabenschuldigkeiten nicht gemeldet:

L 8/2021 € 3.542,16, DB 8/2021 € 1.168,20, DZ 8/2021 € 113,82, L 9/2021 € 3.630,76, DB 9/2021 € 1.319,14, DZ 9/2021 € 128,53

Für die Monate 11/2020 bis 6/2021 wurden erst am 11.8.2021 Meldungen erstattet und die Abgabenschuldigkeiten bei Meldungslegung nicht entrichtet.

Abgabe/Zeitraum

Fälligkeit

Meldung

Nicht entrichteter Betrag

L 11/2020

16.12.2020

11.8.2021

537,59

DB 11/2020

  

957,24

DZ 11/2020

  

93,27

L 12/2020

15.1.2021

 

2.569,74

DB 12/2020

  

978,78

DZ 12/2020

  

95,37

L 1/2021

15.2.2021

 

2.125,65

DB 1/2021

  

602,11

DZ 1/2021

  

58,67

L 2/2021

15.3.2021

 

2.448,17

DB 2/2021

  

701,73

DZ 2/2021

  

68,37

L 3/2021

15.4.2021

 

2.375,00

DB 3/2021

  

681,37

DZ 3/2021

  

66,39

L 4/2021

17.5.2021

 

2.316,92

DB 4/2021

  

681,37

DZ 4/2021

  

66,39

L 5/2021

15.6.2021

 

2.394,25

DB 5/2021

  

751,76

DZ 5/2021

  

73,25

L 6/2021

15.7.2021

 

3.301,77

DB 6/2021

  

1.567,51

DZ 6/2021

  

152,73

Gemäß § 79 Abs. 1 EStG hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen.

Gemäß § 41 Abs. 2 FLAG haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu entrichten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen.

Gemäß § 41 Abs. 2 FLAG in der Fassung BGBL 1993/818 sind Dienstnehmer alle Personen, die in einem Dienstverhältnis iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen iSd § 22 Z 2 EStG 1988.

Gemäß § 41 Abs. 3 FLAG idF BGBl 1998/818 ist der Dienstgeberbeitrag von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen. Arbeitslöhne sind dabei Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b EStG 1988, sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art iSd § 22 Z 2 EStG 1988.

Gemäß § 43 Abs. 1 FLAG ist der Dienstgeberbeitrag für jeden Monat bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Monats an das Finanzamt zu entrichten.

Die Regelung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag, welcher von der in § 41 FLAG 1967 festgelegten Bemessungsgrundlage zu erheben ist, findet sich in § 122 Abs. 7 und 8 des Wirtschaftskammergesetzes 1998 (WKG).

Die lohnabhängigen Abgaben, Lohnsteuer (L), Dienstgeberbeitrag (DB) und Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen (DZ) sind demnach jeweils am 15. des nächstfolgenden Monats zu melden und zu entrichten, was verfahrensgegenständlich im Umfang der Nachforderungsbeträge zu den im Prüfungsbericht genannten Zeiträumen mit den dort genannten Beträgen unterblieb.

Zudem ergibt sich aus dem Abgabenkonto der ***4***, dass für die Monate 11, 12/2020 und 1, 2, 3, 4, 5, 6/2021 ebenfalls nicht zu den gesetzlichen Terminen die Bekanntgabe der Höhe der Abgabenschuldigkeiten vorgenommen wurde und auch deren Entrichtung unterblieben ist.

Verkürzung ist die Nichtentrichtung einer bestimmten Abgabe für einen bestimmten Zeitraum, somit liegen objektiv Verkürzungen zu 10 Tatzeiträumen vor.

Täter und subjektiver Tatbestand:

Die Firma ***4*** in Wien wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 24.1.2020 gegründet und im Firmenbuch unter ***5*** registriert. Als Firmengegenstand wird die Personenbeförderung mit PKW ausgewiesen. Seit Gründung der Gesellschaft war der nunmehrige Beschuldigte alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer. Am 17.11.2021 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet.

Der Beschuldigte war somit verpflichtet, die im Zeitraum seiner handelsrechtlichen Verantwortlichkeit für abgabenrechtliche Belange der von ihm vertretenen Gesellschaft fällig gewordenen Abgabenschuldigkeiten der Abgabenbehörde bekannt zu geben und sie zu entrichten.

Er kannte unzweifelhaft Entrichtungsvorgaben und die Fälligkeiten von Selbstberechnungsabgaben, da er zwei einschlägige Vorstrafen wegen Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG aufweist.

Am 20.9.2022 wurde per Mail eine Rechtfertigung des Beschuldigten an den Amtsbeauftragten erstattet:

"Bzgl. der nicht entrichteten Beträge teile ich mit, dass bis zuletzt eine Menge Förderungen der COFAG erwartet, jedoch nicht ausbezahlt wurden. Auch im Bericht des Masseverwalters ist das ersichtlich.

Verständlicherweise war ich gezwungen, sämtliche Geldeingänge zur Sicherung des Überlebens des Unternehmens und der Arbeitsplätze einzuteilen, zu diesem Zweck habe ich auch mit diversen Institutionen immer wieder Kontakt gehalten und Vereinbarungen getroffen. Die von Ihnen mir vorgeworfenen Beträge sollten von Förderungen bezahlt werden, welche jedoch dann nie eingetroffen sind, laut Bericht des Masseverwalters aber sogar bestätigt waren. Unter anderem handelt es sich dabei um einen Fixkostenzuschuss, welcher im November 2020 (!) beantragt wurde. Aufgrund der Angaben der Regierung in den Medien einerseits, auf der Homepage der COFAG andererseits, zur Dauer der Bearbeitung der Anträge, konnte ich begründet davon ausgehen, dass es nicht 1,5 Jahre dauern würde, bis ein Fixkostenzuschuss zur vollständigen Auszahlungen gelangen würde.

Zum Vorwurf der nicht gemeldeten Abgaben teile ich mit, dass ein Vollmachtsverhältnis mit der Kanzlei ***6*** bestand, ich bzgl. Meldungen daher berechtigterweise davon ausgegangen bin, dass diese Kanzlei Meldungen sämtlicher Art auch durchführen würde. Nachweise über getätigte Meldungen habe ich nach Erhalt Ihres Schreibens angefordert, jedoch leider bis heute nicht erhalten."

Die durch seinen vorübergehenden Verteidiger in der Beschwerdeschrift vorgebrachte Rechtfertigung spricht ebenfalls für finanzielle Schwierigkeiten als Motiv der Unterlassung der Entrichtung, dies kann den Beschuldigten jedoch nicht exkulpieren, da mit der reinen Meldung der Abgaben bei deren Fälligkeit auch bei Nichtentrichtung dem Gesetz Genüge getan worden wäre, aber auch dies unterlassen wurde.

Die fristgerechte Meldung ohne Entrichtung stellt jedoch lediglich einen Strafaufhebungsgrund dar, dazu ist nicht zu prüfen, aus welchem Grund eine Meldung ebenfalls unterblieben ist.

Es ist für die Erfüllung des Tatbestandes der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG irrelevant, dass der Beschuldigte der Meinung gewesen sein mag, dass die Steuerberatungskanzlei Meldungen erstatten würde, weil die subjektive Tatseite nur auf die Entrichtungsverpflichtung abstellt, die bei ihm verblieben ist.

Der Senat ist demnach zum Schluss gekommen, dass es der Beschuldigte ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, dass er die geschuldeten lohnabhängigen Abgaben nicht spätestens 5 Tage nach der Fälligkeit entrichtet und damit Verkürzungen begangen hat.

Der Tatbestand ist damit in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt.

Strafbemessung:

Gemäß § 49 Abs. 2 FinStrG wird die Finanzordnungswidrigkeit mit einer Geldstrafe geahndet, deren Höchstmaß die Hälfte des nicht oder verspätet entrichteten oder abgeführten Abgabenbetrages oder der geltend gemachten Abgabengutschrift beträgt.

Gemäß § 23 Abs. 1 FinStrG ist Grundlage für die Strafbemessung die Schuld des Täters.

§ 23 Abs. 2 FinStrG: Bei der Bemessung der Strafe sind die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, ob es dem Täter darauf angekommen ist, sich oder einem Verband, als dessen Entscheidungsträger er gehandelt hat, durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine nicht nur geringfügige fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Eine wiederkehrende Begehung liegt vor, wenn der Täter bereits zwei solche Taten begangen hat oder einmal wegen einer solchen Tat bestraft worden ist. Ebenso ist bei der Bemessung der Strafe darauf Bedacht zu nehmen, ob die Verkürzung oder der Abgabenausfall endgültig oder nur vorübergehend hätte eintreten sollen. Im Übrigen gelten die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß.

§ 23 Abs. 3 FinStrG: Bei der Bemessung der Geldstrafe sind auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen.

Gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG gilt: Wird auf eine Geldstrafe oder auf Wertersatz erkannt, so ist zugleich die für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.

Abs. 2: Die gemäß Abs. 1 anstelle einer Geldstrafe und eines Wertersatzes festzusetzenden Ersatzfreiheitsstrafen dürfen bei Finanzvergehen, deren Ahndung dem Gericht vorbehalten ist, das Höchstmaß von je einem Jahr, wenn jedoch die Geldstrafdrohung das Zweifache des Betrages, nach dem sich sonst die Strafdrohung richtet, übersteigt, das Höchstmaß von je eineinhalb Jahren und wenn dieser Betrag 500.000 Euro übersteigt, das Höchstmaß von je zwei Jahren nicht übersteigen; bei Finanzvergehen, deren Ahndung in den Fällen des § 58 Abs. 2 lit. a dem Spruchsenat vorbehalten ist, dürfen die Ersatzfreiheitsstrafen das Höchstmaß von je drei Monaten und bei den übrigen Finanzvergehen das Höchstmaß von je sechs Wochen nicht übersteigen.

Der Spruchsenat wertete mildernd die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten sowie die - wenngleich geringfügige - teilweise Schadensgutmachung; erschwerend: zwei einschlägige Vorstrafen.

Bei einer Strafdrohung von € 17.835,00 wurde eine Geldstrafe von € 6.000,00 ausgesprochen.

Laut Ausführungen in der Beschwerdeschrift verfügt der Beschuldigte über ein monatliches Einkommen von ca. EUR 1.800 netto und kein nennenswertes Vermögen, nunmehr hat er in der mündlichen Verhandlung sein Einkommen mit € 1.400 angegeben. Zudem wurde über sein Vermögen ein Schuldenregulierungsverfahren mit noch offenem Ausgang eröffnet.

Erschwerend ist weiters der mehrmalige Tatentschluss zu 10 Fälligkeitstagen und der Umstand, dass von einem dauerhaften Abgabenausfall auszugehen ist.

Der Senat ist nach dem persönlichen Eindruck vom Bf. in der mündlichen Verhandlung zu dem Schluss gekommen, dass er nicht trotz der einschlägigen Vorstrafen sein Verhalten vorsätzlich Abgaben nicht zu entrichten einfach ungerührt fortgesetzt hat, sondern die außerordentlichen Umstände in der kurzen Zeit der Existenz der von ihm geführten Gesellschaft dafür ausschlaggebend waren, dass eben wiederum das Geld für die Entrichtung der Abgaben nicht vorhanden gewesen ist. Wegen des vergleichsweise auch für Finanzordnungswidrigkeiten geringen Verschulden des Bf. und dem Handeln aus einer wirtschaftlicher Notlage heraus, kam der Senat demnach zur spruchgemäßen Strafreduktion trotz der Erschwerungsgründe die per se betrachtet zu einem Anheben des Strafsatzes im Rahmen der Spruchpraxis des Spruchsenates geführt hatten.

Unter Abwägung der genannten Milderungs- und Erschwerungsgründe erschienen dem Senat die ausgesprochene Geldstrafe sowie die Ersatzfreiheitsstrafe als tat- und schuldangemessen. Sie entsprechen auch den generalpräventiven (Abhalten potentieller Nachahmungstäter) und spezialpräventiven (Abhalten des Beschuldigten von weiteren Taten) Erfordernissen.

Kostenentscheidung

Die Verfahrenskosten in Höhe von € 400,00 gründen sich auf § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG, wonach pauschal ein Kostenersatz im Ausmaß von 10% der verhängten Geldstrafe, maximal aber ein Betrag von € 500,00 festzusetzen ist.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am 5. September 2023

Zusatzinformationen

Materie:

Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 185 Abs. 1 lit. a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 20 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958

Stichworte