Normen
BAO §20;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs2;
BAO §20;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war alleiniger Geschäftsführer der P-GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 23. Dezember 1997 das Konkursverfahren eröffnet worden ist.
Mit Bescheid vom 23. Juni 1999 machte das Finanzamt gegenüber dem Beschwerdeführer die Haftung nach §§ 9 und 80 BAO für uneinbringliche Abgabenschulden der P-GmbH in Höhe von 7,414.409 S (Umsatzsteuer 1993 bis 1996 samt Säumniszuschlägen) geltend.
Am 9. Juli 1999 brachte der Beschwerdeführer Berufung gegen den Haftungsbescheid ein.
In der Folge wurden vom Finanzamt im Juli 1999 die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers festgestellt. Befragt nach Forderungen gegenüber Dritten gab der Beschwerdeführer Honorar- und Provisionsforderungen, eine Lebensversicherung und eine Forderung gegenüber einer natürlichen Person, aber keine Sparguthaben an.
Im Zuge einer Vorsprache des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde wurde von dieser auf die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch das Finanzamt verwiesen und zum Ausdruck gebracht, die wirtschaftlichen Verhältnisse ließen nicht darauf schließen, dass mit einem Einbringungserfolg zu rechnen sei. Die belangte Behörde akzeptiere daher, dass der Beschwerdeführer ab Jänner 2000 zwölf Monatsraten zu je 90.000 S (und die P-GmbH den Betrag von 1,142.881,84 S) entrichte. Anschließend werde die Haftung mit Berufungsvorentscheidung auf 1,080.000 S eingeschränkt.
Die belangte Behörde teilte dieses Ergebnis dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12. Oktober 1999 mit.
Im Februar 2000 ergaben Ermittlungen des Finanzamtes, dass der Beschwerdeführer über - bei Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Juli 1999 nicht einbekannte - Sparbücher und Wertpapierdepots in Millionenhöhe verfüge.
Mit Bescheid vom 15. Februar 2000 widerrief das Finanzamt die mittlerweile erfolgte Bewilligung der Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO unter Hinweis darauf, dass Ermittlungen der Prüfungsabteilung Strafsachen ergeben hätten, dass der Beschwerdeführer bei der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse erhebliche Vermögenswerte verschwiegen habe, welche zur Besicherung von Kreditverhältnissen bei Banken dienten.
Mit Berufungsvorentscheidung gab das Finanzamt der Berufung teilweise Folge, indem es den Haftungsbetrag um bereits entrichtete Beträge minderte. Die vom Finanzamt im Zuge des Haftungsverfahrens erhobenen wirtschaftlichen Umstände des Beschwerdeführers hätten eine wesentliche Grundlage für die Inaussichtstellung einer Verminderung der Haftung auf 1,080.000 S dargestellt. Der Beschwerdeführer habe dabei allerdings erhebliche Sparguthaben und Wertpapierdepots nicht offen gelegt. Unter diesen Umstände stelle es keine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben dar, wenn die Behörde von der Zusage einer teilweise positiven Erledigung der Berufung abgehe.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz verwies der Beschwerdeführer darauf, dass er mittlerweile den Betrag von 1,080.000 S fristgerecht entrichtet habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nur dahingehend Folge, dass sie den Haftungsbetrag um von der Primärschuldnerin entrichtete Abgabenbeträge minderte. In der Bescheidbegründung wird u.a. ausgeführt, die von der belangten Behörde am 11. bzw 12. Oktober 1999 erteilte Zusage sei auf der Basis der vom Finanzamt erhobenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers erfolgt. Der Grundsatz von Treu und Glauben sei bei Ermessensentscheidungen von Bedeutung. Der Beschwerdeführer habe aber gewusst, dass die Abgabenbehörde bei ihren Erwägungen über die Erledigung der Berufung insbesondere auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers Bedacht nehme. Weil er Spareinlagen und Wertpapiere in nicht unerheblichem Ausmaß verschwiegen habe, habe er nicht darauf vertrauen können, dass die unter Annahme eines unvollständigen Sachverhaltes getroffene Zusage aufrecht bleibe. Entsprechendes habe ihm spätestens seit dem Widerruf der Aussetzung der Einhebung der Haftungsschuld mit Bescheid vom 15. Februar 2000 und der Pfändung von Herausgabeansprüchen erkennbar sein müssen. Es bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen des Beschwerdeführers, wenn er Spar- und Wertpapierguthaben in Millionenhöhe verschweige. Es sei nicht unbillig, wenn die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erwirkte Zusage einer bestimmten Erledigung nicht beachtet werde, zumal der Haftungsbetrag durch Zugriff auf die Spar- und Wertpapierguthaben allenfalls teilweise einbringlich gemacht werden könne. Im Zuge der Ermessensübung sei auch das Verhalten des Beschwerdeführers bei der Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten als Geschäftsführer zu beachten. In dieser Hinsicht sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer bei der Überwachung der mit der Buchführung betrauten Hilfspersonen zumindest auffallend sorglos gehandelt habe. Er habe damit seine abgabenrechtlichen Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt. Es sei daher sachlich, die Haftung im vollen Ausmaß geltend zu machen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertreter auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Die Geltendmachung einer Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1996, 94/17/0122). Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens (vgl das hg Erkenntnis vom 23. Jänner 1997, 95/15/0173).
Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, müssen sich gemäß § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen
Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich die Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof darauf, ob vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht wurde, oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmissbrauches - nicht der Fall gewesen ist. Ermessensentscheidungen sind daher von der Behörde insoweit zu begründen, als dies die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erfordert (vgl das hg Erkenntnis vom 14. Jänner 2003, 97/14/0176). Die Begründung des Bescheides hat die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (Ritz, BAO-Kommentar, Tz 13 zu § 20 BAO).
Grundsätzlich war es im gegenständlichen Fall im Rahmen der Ermessensübung beachtlich, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer für den Fall der Zahlung bestimmter Beträge zu bestimmten Stichtagen die Einschränkung der Haftung auf den Betrag von 1,080.000 S in Aussicht gestellt hat. Der belangten Behörde ist aber zuzustimmen, dass dieser Umstand dann nicht mehr im Rahmen der Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen ist, wenn er auf der Grundlage unrichtiger Vorstellungen der Behörde über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers erfolgt ist. Solches ist etwa bei neuen Erkenntnissen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen der Fall.
Im gegenständlichen Fall erlangte die belangte Behörde, nachdem sie dem Beschwerdeführer eine Einschränkung der Haftung in Aussicht gestellt hatte, Kenntnis von Sparbüchern und Wertpapieren. Allerdings hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren eingewendet, dass dieses Kapitalvermögen seit langer Zeit den Banken verpfändet sei. Es bestünden Haftungen gegenüber Banken, die um ein Vielfaches höher seien als die in Rede stehenden Kapitalvermögen. Er habe die Kapitalvermögen irrtümlich nicht angegeben, weil wegen der Bankhaftungen in Wahrheit kein Aktivum bestehe. Der Beschwerdeführer hat auch eine Bestätigung der V-Bank und eine Bestätigung der R-Bank vorgelegt, aus welchen sich ergibt, dass eine Behebung der Vermögenswerte im Hinblick auf die bereits seit vielen Jahren bestehende Verpfändung zu Gunsten der jeweiligen Bank nicht möglich sei.
Die belangte Behörde hat es im angefochtenen Bescheid unterlassen, sich - im Rahmen der Begründung ihrer Ermessensentscheidung - mit dem entsprechenden Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander zu setzen. Es wäre Aufgabe der belangten Behörde gewesen darzulegen, welche konkreten Annahmen über die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers die Grundlage für die Inaussichtstellung der Einschränkung der Haftung bildete, und ob das neu hervorgekommene Kapitalvermögen eine relevante Änderung der Einschätzung der wirtschaftlichen Situation des Beschwerdeführers zur Folge hat. Überdies wäre aufzuklären gewesen, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer das Kapitalvermögen zunächst nicht vollständig angegeben hat.
Weil sohin im gegenständlichen Fall der angefochtene Bescheid die erforderliche Begründung des Ermessens nicht enthält, war er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 333/2003.
Wien, am 24. März 2004
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