BFG RV/5200106/2013

BFGRV/5200106/201323.11.2016

Keine Erstattung der nacherhobenen Einfuhrumsatzsteuer nach Lage der Sache gemäß § 83 ZollR-DG, wenn offensichtliche Fahrlässigkeit vorliegt.

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.5200106.2013

 

Beachte:
Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2017/16/0037. Mit Erk. v. 21.11.2017 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/5200036/2017 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. über die als Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigende Berufung der Bfin, Adr, vertreten durch die V., Adr1, gegen den Bescheid des Zollamtes Z. vom 20. März 2013, Zahl nnnnnn/nnnn/21/2011, betreffend Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer, nach der am 28. September 2016 durchgeführten mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht erkannt:

 

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem als "Mitteilung gem. Art. 221 (1) ZK" bezeichneten Bescheid vom 23. März 2011, Zahl nnnnnn/nnnn/01/2011, teilte das Zollamt der Beschwerdeführerin die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt € 198.758,76 und die Festsetzung einer Abgabenerhöhung in Höhe von € 7.756,73 mit, weil die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 in näher bezeichneten 13 Einfuhrfällen nicht vorliegen würden. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 16. Juli 2015, RV/5200073/2011, rechtskräftig abgewiesen. Die gleichzeitig festgesetzte Abgabenerhöhung wurde bereits mit Bescheid (Berufungsentscheidung) vom 30. November 2012, GZ. ZRV/0096-Z2L/2012, aufgehoben.

Mit Eingabe vom 20. März 2012 beantragte die Beschwerdeführerin die Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 239 des Zollkodex in Verbindung mit § 83 ZollR-DG und begründete dies damit, dass die Antragstellerin nur mit der Verzollung, nicht aber auch mit dem Transport der Waren beauftragt gewesen sei. Für die Durchführung der Zollabfertigungen sei auch eine entsprechende Vollmacht erteilt und im Abgabenverfahren vorgelegt worden. Die Beschwerdeführerin habe eine qualifizierte Bestätigung der UID-Nummer eingeholt, die die Richtigkeit und den aufrechten Bestand der UID-Nummer ergeben habe. Die Waren seien aus Österreich wieder ausgeführt worden und laut den im Abgabenverfahren ebenfalls vorgelegten CMR-Frachtbriefen bzw. der Empfangsbestätigungen jeweils am Bestimmungsort angekommen. Der Beschwerdeführerin seien im Zusammenhang mit den Verzollungen auch Rechnungen übermittelt worden, welche den Zollanmeldungen zugrunde gelegt worden sind. Die Beschwerdeführerin habe daher alle Pflichten eingehalten, die ihr für die Durchführung der Zollanmeldung gesetzlich oblegen seien.

Einen Hinweis darauf, dass es sich beim Empfänger um ein Scheinunternehmen gehandelt habe und "betrügerisch" sei, sei der Beschwerdeführerin nicht bekannt gewesen. Dagegen spreche auch, dass die durchgeführten Level-2-Abfragen den aufrechten Bestand der UID-Nummer und die Übereinstimmung mit dem Empfänger ergeben haben.

All dies zeige, dass die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht in betrügerischer Absicht und auch nicht offensichtlich grob fahrlässig gehandelt hätten. Selbst wenn ein Umsatzsteuerkarussell vorgelegen haben sollte, sei die Beschwerdeführerin und auch keiner ihrer Mitarbeiter daran beteiligt gewesen.

In der Vorschreibung von Abgaben in Höhe von insgesamt weit über einer Million Euro nach über vier Jahren wegen eines angeblichen Umsatzsteuerkarussells, an dem die Beschwerdeführerin und ihre Mitarbeiter nicht beteiligt gewesen seien und ihnen auch nicht auffallen habe können, liege jedenfalls eine unbillige Härte, die eine Erstattung begründe. Dies insbesondere auch im Hinblick auf die Glaubensregelung nach Art. 7 Abs. 4 UStG 1994, wonach eine Lieferung als steuerfrei zu behandeln sei, obwohl die Voraussetzungen nach Art. 7 Abs. 1 UStG nicht vorliegen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben beruhe und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen habe können.

Darüber hinaus berufe sich das Zollamt unrichtigerweise auf § 71a ZollR-DG. Im vorliegenden Fall sei jedoch keine Eingangsabgabenschuld nach Art. 204 ZK entstanden.

Das Zollamt könne sich auch nicht auf die EuGH-Urteile C-439/04 und C-440/04 berufen, weil es im vorliegenden Fall nicht um die Frage des Vorsteuerabzugs, sondern um die nachträgliche Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer gehe.

Ein besonderer Fall liege im Übrigen auch deshalb vor, weil von den Abgabenbehörden und vom Bundesministerium für Finanzen die Auskunft erteilt worden sei, dass ein Zollspediteur, der auf die Sonder-UID eine Versendung zur innergemeinschaftlichen Weiterbeförderung anmelde und die vorstehend angeführten Unterlagen sowie die Abfrage der UID-Nummer-Überprüfung auf Level-2 durchgeführt habe, nicht zur Haftung für die Einfuhrumsatzsteuer herangezogen werden könne. Ausschließlich im Hinblick auf diese Auskunft, die durch die Interessenvertretungen weiterverbreitet worden sei, seien die Zollspediteure bereit gewesen entsprechende Verzollungen überhaupt durchzuführen, weil sie im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Auskunft davon ausgegangen sind, dass eben bei entsprechend sorgfältigen eigenem Verhalten kein Haftungsrisiko für die hohen Beträge an Einfuhrumsatzsteuer bestünde. Es sei anerkannt, dass die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes durch die Abgabenbehörden jedenfalls einen besonderen Grund im Sinn des Art. 239 ZK (§ 83 ZollR-DG) darstelle.

Festzuhalten sei auch, dass für die Erstattung wegen Billigkeit nach § 83 ZollR-DG ein solcher besonderer Grund nach Art. 239 ZK gar nicht erforderlich sei und angesichts des Umstandes, dass die Waren nachweislich nicht in Österreich in den freien Verkehr gebracht worden seien, die sachliche Rechtfertigung für eine Vorschreibung der österreichischen Einfuhrumsatzsteuer fehle, die beantragte Erstattung daher jedenfalls zu gewähren sei.

Das Zollamt Z. wies den Antrag mit Bescheid vom 20. März 2013, Zahl nnnnnn/nnnn/21/2011, ab.

In seiner Begründung führte das Zollamt aus, dass anders als die Antragstellerin offenbar vermeine, Voraussetzung eines Erlasses nach Lage der Sache gemäß Art. 239 ZK iVm § 83 ZollR-DG das Fehlen offensichtlicher Fahrlässigkeit sei. Der Umstand, dass die Antragstellerin ihrer Aufzeichnungspflicht nach § 6 Z 2 der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 nicht nachgekommen sei, bedeute, dass der Buchnachweis unvollständig sei, was grobe Fahrlässigkeit darstelle. Existenzgefährdung, bei dessen Vorliegen betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit keinen Ausschließungsgrund darstellen würde, sei nicht geltend gemacht worden.

Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 22. April 2013 der Rechtsbehelf der Berufung eingebracht.

Ergänzend zu den bisherigen Ausführungen wurde vorgebracht, dass die Behauptung, sie habe ihre Aufzeichnungspflichten verletzt, unrichtig sei. Dies werde nicht näher begründet und auch in der Verordnung Nr. BGBl. 401/1996 werde zu den Anforderungen eines CMR-Frachtbriefes keine näheren Ausführungen gemacht. Die erforderlichen Daten ergäben sich aus den Unterlagen.

Außerdem gehe aus den Jahresabschlüssen 2005 bis 2010 hervor, dass die Beschwerdeführerin in diesen Jahren gerade einmal zwei Angestellte beschäftigt habe, ihr Anlagevermögen zu keinem Zeitpunkt € 8.000,00 überschritten habe und zuletzt rund € 3.165,00 betragen habe. Im Jahr 2010 habe der Bilanzgewinn insgesamt € 73.963,00 betragen, darin sei aber ein Gewinnvortrag aller Vorjahre von rund € 58.000,00 enthalten, sodass der Jahresgewinn insgesamt rund € 15.000,00 betragen habe. Angesichts dieser Bilanzzahlen sei wohl auch für das Zollamt evident, dass die Bezahlung der vorgeschriebenen Einfuhrumsatzsteuer, die nicht als Vorsteuer abgesetzt werden könne, eine ernsthafte Gefährdung der Existenz der Gesellschaft bedeute. Allein aus diesem Grund sei die beantragte Erstattung zu gewähren.

Das Zollamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 29. Mai 2013, Zahl nnnnnn/nnnn/49/2011, als unbegründet ab und begründete dies damit, dass den Namen und die Anschrift des Beauftragten aufzuzeichnen in Abholfällen Teil des Buchnachweises sei. Die Vorschrift sei klar und unmissverständlich. Abgesehen davon, dass allgemeinen Auskünften unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht dieselbe Wirkung beigemessen werden könne, wie einer verbindlichen Zusage oder Auskunft im Einzelfall, sie die Beschwerdeführerin ihrer gesetzlichen Nachweispflicht nicht nachgekommen.

Da die Beschwerdeführerin zu 100 % Dienstleistungen für die Muttergesellschaft erbringe und die Anmeldungen auch von letzterer abgegeben worden seien, würden weder der versteuerte, noch der tatsächliche Gewinn der Beschwerdeführerin die Gefährdung der Existenz beweisen. Diese hänge vielmehr davon ab, inwieweit die Muttergesellschaft in der Lage und willens sei, für die Abgabenforderung gegenüber der Tochtergesellschaft einzustehen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde (nunmehr Vorlageantrag) vom 6. Juni 2013, mit den im Wesentlichen bisherigen Vorbringen. Die gleichzeitig beantragte mündliche Verhandlung wurde am 28. September 2016 durchgeführt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist gemäß § 323 Abs. 38 BAO die am 31. Dezember 2013 beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängige Beschwerde vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

§ 26 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 bestimmt, dass für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß gelten, soweit im UStG nichts anderes bestimmt ist.

Art. 239 Abs. 1 der hier noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. Nr. L 302 vom 19. Oktober 1992. (Zollkodex - ZK) lautet:

"Artikel 239

(1) Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben können in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 genannten Fällen erstattet oder erlassen werden; diese Fälle

- werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt;

- ergeben sich aus Umständen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Nach dem Ausschussverfahren wird festgelegt, in welchen Fällen diese Bestimmung angewandt werden kann und welche Verfahrensvorschriften dabei zu beachten sind. Die Erstattung oder der Erlass kann von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden."

Art. 899 Abs. 1 und 2 der hier ebenfalls noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. Nr. L 253 vom 11.10.1993 S. 1 (Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO) lautet:

"Artikel 899

(1) Stellt die Entscheidungsbehörde, bei der eine Erstattung oder ein Erlass nach Artikel 239 Absatz 2 Zollkodex beantragt worden ist, fest,

- dass die für diesen Antrag vorgebrachten Gründe einen der in Artikel 900 bis 903 beschriebenen Tatbestände erfüllen und keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt, so erstattet oder erlässt sie die betreffenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben;

- dass die für diesen Antrag vorgebrachten Gründe einen der in Artikel 904 beschriebenen Tatbestände erfüllen, so lehnt sie die Erstattung oder den Erlass der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben ab.

(2) In allen anderen Fällen, ausgenommen bei einer Befassung der Kommission gemäß Artikel 905, entscheidet die Entscheidungsbehörde von sich aus, die Einfuhr oder Ausfuhrabgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn es sich um besondere Fälle handelt, die sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.

Ist Artikel 905 Absatz 2 zweiter Anstrich anwendbar, so können die Zollbehörden erst entscheiden, die in Frage stehenden Abgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn das nach den Artikeln 906 bis 909 eingeleitete Verfahren abgeschlossen ist."

§ 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) in der Fassung BGBl. I Nr. 34/2010 lautete:

"§ 2. (1) Das im § 1 genannte Zollrecht der Union, dieses Bundesgesetz und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben beziehen (Zollrecht im Sinn des Artikels 1 des Zollkodex), gelten weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten unionsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist."

§ 83 ZollR-DG in der Fassung BGBl. I Nr. 34/2010 lautete:

"§ 83. Im Falle einer Erstattung oder eines Erlasses der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben nach den Bestimmungen des Artikels 239 ZK in Verbindung mit Artikel 899 Abs. 2 ZK-DVO liegt ein besonderer Fall dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet ist. Letzterenfalls stellt die betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten keinen Ausschließungsgrund für die Gewährung einer Erstattung oder eines Erlasses dar, sofern alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht. Eine Vorlage an die Europäische Kommission hat zu unterbleiben."

Die Beschwerdeführerin beantragte als Anmelderin im Zeitraum 4. November 2009 bis 24. Februar 2010 in insgesamt 13 Einfuhrfällen unter Verwendung ihrer Sonder-UID die Überführung von Parfümeriewaren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung (Verfahren 4200). Als indirekt vertretener Empfänger wurde in den Zollanmeldungen die slowakische Gesellschaft A.s.r.o angegeben. Die Beschwerdeführerin hat weder die Transporte organisiert, noch diese selber durchgeführt.

Nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens liegt im Beschwerdefall laut rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 16. Juli 2016, RV/5200073/2011, jedoch ein als innergemeinschaftliche Lieferung geltendes Verbringen der Gegenstände im Sinn des Art. 7 Abs. 2 iVm Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, sohin eine von A.s.r.o vorgenommene Verbringung der Gegenstände dieses Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat nicht vor, weil die in Rede stehenden Waren nicht zur Verfügung (Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG 1994) und nicht für Unternehmenszwecke des von der Beschwerdeführerin indirekt vertretenen, in Feld 8 der jeweiligen Zollanmeldungen genannten Empfängers in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sind, sondern die Versendungen der Waren in einen anderen Mitgliedstaat jener Person, die unter Verschleierung ihrer Identität als Geschäftsführer des genannten Unternehmens nach außen aufgetreten ist, zuzurechnen sind.

Ein Bestätigungsverfahren nach Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 wurde laut Protokolldaten in Übereinstimmung mit der vorgelegten schriftlichen Bestätigung nur im Zeitpunkt der Übermittlung der Fiskalvertretervollmacht am 23. Oktober 2009 durchgeführt.

Die Nacherhebung der zunächst unerhoben gebliebenen Einfuhrumsatzsteuer bei der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 23. März 2011 erfolgte auf der Grundlage des § 71a ZollR-DG.

Die Beschwerdeführerin vertritt zusammengefasst die Ansicht, dass aufgrund der Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer ihre Existenz gefährdet sei, außerdem ein "besonderer Fall" im Sinn des Art. 239 ZK in Verbindung mit § 83 ZollR-DG vorliege und ihr weder betrügerische Absicht, noch offensichtliche Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne.

Art. 239 Abs. 1 zweiter Anstrich erster Satz ZK legt fest, dass sich die Fälle, in denen Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben erstattet oder erlassen werden können, aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.

Aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 239 Abs. 1 zweiter Anstrich erster Satz ZK sowie des Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO ergibt sich e contrario, dass Umstände, die auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind, nicht "besondere Fälle" im Sinn des Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO sein können, in denen Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben erstattet werden können (vgl. VwGH 2.9.2008, 2008/16/0031 mwN).

§ 83 ZollR-DG definiert für den Bereich der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben (darunter die Einfuhrumsatzsteuer) den Begriff des "besonderen Falles" und schließt betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten nur bei Existenzgefährdung des Abgabenschuldners nicht aus.

Die Beschwerdeführerin, eine 100%-Tochter der schweizerischen V-AG, erbringt ausschließlich Leistungen für die AG. Sie ist als in Form einer Gesellschaft geführte Zweigniederlassung der AG zu betrachten. Dies zeigt sich nicht zuletzt durch die enge personelle Verschränkung der Gesellschaften beim Geschäftsführer und bei den Mitarbeitern. So wurden die Zollanmeldungen zumindest teilweise von Angestellten der AG erstellt und der Geschäftsführer hat nach eigenen Angaben für seine (zusätzliche) Tätigkeit bei der Beschwerdeführerin keine eigene Entlohnung erhalten. Darüberhinaus verwendete die Beschwerdeführerin die Zahlungsaufschubbewilligung der AG.

Eine ernsthafte Existenzgefährdung durch die Abgabenbelastung wurde im gegenständlichen Beschwerdefall nicht nachgewiesen. Es mag dahin gestellt bleiben, ob die Nachforderung der Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von € 198.758,76 bei einem ausgewiesenen Eigenkapital von rund € 153.000,00 (Jahresabschluss 2014) und einem durchschnittlichen Jahresgewinn von rund € 15.000,00 in den letzten fünf Jahren als Überschuldung im Sinne der Insolvenzordnung zu beurteilen ist. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist aufgrund der gesellschaftlichen Verflechtung neben der Einbeziehung der Vermögenslage der V-AG auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin in den Konzern D. eingebunden und konzernintern versichert und rückversichert ist. Die Einfuhrumsatzsteuerschuld wurde aus diesem Titel zwischenzeitlich auch von der D-AG entrichtet.

Die in der mündlichen Verhandlung für die Existenzgefährdung ins Treffen geführte Rückzahlungsforderung der Konzernmutter, die die Beschwerdeführerin nicht erfüllen könne, was zur Entscheidung führen könnte, die Gesellschaft zu liquidieren bzw. Insolvenz anzumelden, vermag eine Existenzgefährdung, welche unmittelbar "durch die Abgabenbelastung" verursacht würde, nicht aufzuzeigen. Eine allfällige Liquidation oder Insolvenz der Gesellschaft, die im Übrigen keine eigenen Mitarbeiter mehr hat und deren Sitz sich in Untermiete in einem Container am Amtsplatz des Zollamtes befindet, ist unter diesen Umständen nur als interne wirtschaftliche Entscheidung zu betrachten. Daran vermag auch das weitere Vorbringen nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre Möglichkeit, in der Union als Zollanmelderin aufzutreten, ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal für die in der Schweiz ansässige V-AG darstellt und ihre Auflösung auch Auswirkungen auf die Bestandskraft der AG haben könnte. Hinsichtlich des Hinweises des Beschwerdevertreters in der mündlichen Verhandlung auf zukünftig höhere zu zahlende Versicherungsprämien aufgrund des Versicherungsfalles gilt das Gleiche.

Mangels Vorliegens einer Existenzgefährdung, für die die Abgabenbelastung kausal ist, kommt es im vorliegenden Erstattungsfall darauf an, ob betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt.

Betreffend die Beschwerdeführerin finden sich keine Hinweise, dass betrügerische Absicht vorliegt. Zur Frage, ob "offensichtliche Fahrlässigkeit" im Sinn des Art. 239 Abs.1 zweiter Anstrich des Zollkodes vorliegt, hat der EuGH in seinem Urteil vom 11. November 1999, C-48/98 , EU:C:1999:548, Söhl & Söhlke, ausgeführt, dass hierbei insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründet, sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers berücksichtigt werden müssen (Rn 56). Hinsichtlich der Erfahrung des Wirtschaftsteilnehmers ist zu untersuchen, ob er im Wesentlichen im Einfuhr- und Ausfuhrgeschäft tätig ist und ob er bereits über eine gewisse Erfahrung mit der Durchführung dieser Geschäfte verfügt (Rn 57). Was die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers betrifft, muss sich dieser, sobald er Zweifel an der richtigen Anwendung der Vorschriften hat, deren Nichterfüllung eine Abgabenschuld begründen kann, nach Kräften informieren, um die jeweiligen Vorschriften nicht zu verletzen (Rn 58).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29. März 2007, 2006/16/0178, Folgendes ausgeführt:

"Tritt der Abnehmer bei einer Bestellung unter der UID-Nr. eines anderen Mitgliedstaats auf, so erklärt er damit, dass die Voraussetzungen für eine steuerfreie Lieferung an ihn erfüllt sind. Die Erklärungen des Abnehmers hat der Unternehmer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (Unternehmer) zu prüfen. Maßgebend sind nicht die persönlichen Fähigkeiten, Gewohnheiten und Kenntnisse des Unternehmers, sondern ein objektiver Maßstab, das Verhalten eines ordentlichen, gewissenhaften Kaufmannes, wobei der Sorgfaltsmaßstab nach Geschäftszweigen differenzieren kann (Hinweis Ruppe, UStG 19943, Art. 7 Tz 25; Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht III, 50). Im Regelfall wird der Sorgfaltspflicht dadurch Genüge getan, dass der Unternehmer sich die UID-Nr. des Abnehmers nachweisen lässt. Entscheidend sind aber letztlich die Umstände des Einzelfalles. Konnte der Unternehmer nach den bei der Lieferung gegebenen Umständen auch bei der Anwendung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabes davon ausgehen, dass der Abnehmer Unternehmenseigenschaft besitzt und die Lieferung für sein Unternehmen bestimmt ist, bedarf es keiner weiteren Kontrollschritte. Dies wird bei langjährigen unproblematischen Geschäftsbeziehungen oder bei Geschäften mit international bekannten Abnehmern zutreffen. Bestehen Zweifel an den Gültigkeitskriterien der vorgelegten UID-Nr. so entspricht es der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmannes, die zumutbaren Schritte zu unternehmen, um sich Gewissheit über die Gültigkeit der UID-Nr. zu verschaffen. Zumutbar ist jedenfalls die Inanspruchnahme des Bestätigungsverfahrens nach Art. 28. Abs. 2 UStG 1994 (Hinweis Ruppe, UStG 19943, Art. 7 BMR, Tz 26)."

Die Beschwerdeführerin hat es in allen dreizehn Einfuhrfällen, in denen ihr die Einfuhrumsatzsteuer vorgeschrieben worden ist, unterlassen ein Bestätigungsverfahren im Sinn des Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 in Anspruch zu nehmen. Eine Überprüfung erfolgte lediglich am 23. Oktober 2009, also in dem Zeitpunkt, in dem ihr im Wege der Schweizer Verkäuferin die "Vollmacht zur Fiskalverzollung/EU-Einfuhrabfertigung" gleichen Datums übermittelt wurde.

Der Einwand der Beschwerde, dass die UID-Nummer gültig gewesen sei, geht insofern ins Leere, als es auf die Überprüfung der Gültigkeit der UID-Nummer im Zeitpunkt der Anmeldung durch die Beschwerdeführerin ankam. Der Einwand, dass eine Überprüfung der UID-Nummer zum Ergebnis geführt hätte, dass diese gültig gewesen sei, steht mit den Feststellungen im Abgabenverfahren in Widerspruch, wonach die in den Zollanmeldungen genannte A.s.r.o keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübte, die in Rede stehenden Waren nicht zu deren Verfügung und nicht für deren Unternehmenszweck in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sind, sondern die Versendungen der Waren in einen anderen Mitgliedstaat jener Person, die unter Verschleierung ihrer Identität als Geschäftsführer des genannten Unternehmens nach außen aufgetreten ist, zuzurechnen sind (vgl. hierzu auch VwGH 2.9.2008, 2008/16/0031).

Die Abgrenzung der "offensichtlichen Fahrlässigkeit" im Sinn des Art. 239 Abs. 1 ZK von sonstiger Fahrlässigkeit erfolgt danach, ob es sich um einen Fehler handelt, der "nicht hätte passieren dürfen" oder um einen Fehler der "passieren kann". Die fachliche Erfahrung als Anmelderin für die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr kann nicht in Zweifel gezogen werden, ist die Gesellschaft gerade zu diesem Zweck im Zollgebiet errichtet worden. Die Vorschriften über das Bestätigungsverfahren im Sinn des Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 sind auch nicht als komplex anzusehen. Die Beschwerdeführerin muss sich im gegenständlichen Fall daher vorwerfen lassen, dass ihre Mitarbeiter nicht nur in einem, sondern in insgesamt dreizehn Einfuhrfällen mit demselben Auftraggeber ein Bestätigungsverfahren im Sinn des Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 im Zeitpunkt der Zollanmeldung unterlassen haben. In Anbetracht dieser gehäuften Unterlassung kann nicht mehr bloß von einem Fehler gesprochen werden, der "passieren kann", sondern es liegt eine Kette von Fehlern vor, die keinesfalls passieren dürfen. Es liegt somit offensichtliche Fahrlässigkeit im besagten Sinn vor (vgl. VwGH, aaO).

Im Rahmen der Prüfung, ob offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt, kann außerdem nicht unberücksichtigt bleiben, dass hier nicht von einer langjährigen unproblematischen Geschäftsbeziehung oder von einem Geschäft mit einem international bekannten Abnehmer gesprochen werden kann. Ein sorgfältig agierender Zollspediteur hätte im Hinblick darauf, dass er für die Ordnungsmäßigkeit der Unterlagen haftet (Art. 199 ZK-DVO), selbst mit der ihr genannten Abnehmerin keinen direkten Kontakt hatte und weder die Transporte organisierte, noch diese selbst durchführte, Unterlagen (zB die Fiskalvertretervollmacht) und Aufträge über Dritte übermittelt wurden, zur Risikominimierung weitere Informationen, etwa im Rahmen von sogenannten Due Diligence Überprüfungen, über die Tätigkeit und die Liquidität der ihr unbekannten Gesellschaft eingeholt. Dies auch deshalb, weil die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall keine Kontrolle über die tatsächlichen Warenbewegungen hatte und aufgrund der insofern klaren gesetzlichen Bestimmung des § 71a ZollR-DG immer damit rechnen hätte müssen, nachträglich mit der Einfuhrumsatzsteuer belastet zu werden, die zutreffendenfalls eine Weiterverrechnung an ihren Kunden erforderlich gemacht hätte.

Die Einholung weiterer Informationen wäre unter den gegebenen Umständen daher geboten und auch zumutbar gewesen, um nicht ungewollt in einen Missbrauch umsatzsteuerrechtlicher Bestimmungen miteinbezogen zu werden. Die Beschwerdeführerin hat jedoch offenbar auf von einem Dritten vorgelegte bzw. übermittelte Unterlagen vertraut und Missbrauch der Bestimmungen der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung in Kauf genommen. Es ist daher vom Vorliegen einer offensichtlichen Fahrlässigkeit auszugehen.

Davon abgesehen läge selbst dann, wenn der Beschwerdeführerin keine offensichtliche Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könnte, keine Unbilligkeit nach Lage der Sache im Sinne des § 83 ZollR-DG vor.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum insofern vergleichbaren § 236 BAO liegt eine sachliche Unbilligkeit unter anderem dann vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (VwGH 30.4.1999, 99/16/0086; VwGH 25.1.2001, 98/15/0176; VwGH 26.2.2003, 98/13/0091; VwGH 28.4.2004, 2001/14/0022; VwGH 30.1.2006, 2005/17/0245), "sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist" (VwGH 21.1.2009, 2008/17/0138).

Davon kann im gegenständlichen Fall keine Rede sein. Die Bestimmung des § 71a ZollR-DG sieht vor, dass in den Fällen einer Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 eine nach Art. 204 Abs. 1 ZK entstehende Einfuhrumsatzsteuerschuld auch der Anmelder schuldet, wenn er nicht bereits nach Artikel 204 Abs. 3 ZK selber als Schuldner in Betracht kommt. Eine Einschränkung auf ein "Wissen" oder "Wissen hätte müssen" ist dem § 71a ZollR-DG nicht zu entnehmen. Die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer an die Beschwerdeführerin als Anmelderin, weil die Abgaben beim Verbringer/Erwerber der Waren uneinbringlich sind, entspricht dem Normzweck der genannten Bestimmung.

Im Übrigen übernimmt der Anmelder nach Art. 199 ZK-DVO mit Abgabe einer von ihm oder von seinem Vertreter unterzeichneten Zollanmeldung gemäß den geltenden Vorschriften die Gewähr für die Richtigkeit der in der Zollanmeldung gemachten Angaben, die Echtheit der eingereichten Unterlagen und die Einhaltung aller Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Überführung von Waren in das betreffende Verfahren. Die Inanspruchnahme als Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer nach § 71a ZollR-DG stellt sich daher im gegenständlichen Beschwerdefall als allgemeines Geschäftsrisiko dar, dem jeder Anmelder unterliegt, der Waren zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Wirkung (Verfahren 4200) anmeldet. Insbesondere die Tatsache, dass sich Unterlagen im Nachhinein als falsch, gefälscht oder ungültig erweisen, gehört zu den mit der Tätigkeit einer Zollspedition verbundenen beruflichen und geschäftlichen Risiken, die versuchen kann, Klage auf Schadenersatz gegen diejenigen zu erheben, die in die missbräuchliche Verwendung der fraglichen Unterlagen verwickelt sind. Das bestehende Risiko ist für den Anmelder vorhersehbar und dieser kann sich darauf einstellen (vgl. auch EuGH 13.11.1994 in den verbundenen Rechtssachen 98 und 230/83, EU:C:1984:342, Van Gend & Loos NV/Kommission; EuG 18.1.2000, T-290/97 , EU:T:2000:8, Mehibas Dordtselaan BV, Rz 82f). Es obliegt dem Wirtschaftsbeteiligten, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sich gegen solche Risiken abzusichern.

Die Beschwerdeführerin erblickt eine Unbilligkeit nach Lage der Sache auch darin, dass das Bundesministerium für Finanzen in einem Schreiben im Jahr 2002 in Beantwortung einer Anfrage einem Mitbewerber, welches in der Folge von der Interessenvertretung in der Branche weiterverbreitet worden ist, Folgendes mitgeteilt hat:

"Um die Steuerbefreiung im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung in Anspruch nehmen zu können, muss zum einen für den Erwerber im anderen Mitgliedstaat eine gültige UID-Nummer vorliegen und zum anderen der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung erbracht werden können.

Da diese beiden Voraussetzungen, wie ihrem Schreiben zu entnehmen ist, von Ihnen erfüllt werden - UID-Nummer des Erwerbers geprüft (Stufe 2) und Abliefernachweis durch Übernahmebestätigung des Erwerbers liegt vor, entsteht für sie keine EUSt-Schuld in den von Ihnen beschriebenen Fällen.

Ob der Erwerber im anderen Mitgliedstaat den innergemeinschaftlichen Erwerb bzw. die daran anschließende Umsätze seinem Finanzamt meldet oder nicht, ist für die Gewährung der Steuerbefreiung nicht mehr von Relevanz und fällt in den Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörden des Mitgliedstaates, in dem der Erwerber seine Umsätze tätigt"

Abgesehen davon, dass eine UID-Nummer des (tatsächlichen) Erwerbers im anderen Mitgliedstaat nicht vorliegt, vermag die Beschwerdeführerin aufgrund dieses Schreibens keinen Vertrauensschutz für sich zu beanspruchen, weil die Auskunft einerseits nicht ihr erteilt wurde, mag das Schreiben auch im Wege der Interessensvertretung in der Branche verbreitet worden sein, und andererseits nicht die konkrete Fragestellung bzw. nicht die genaue Schilderung der "... von Ihnen beschriebenen Fälle" enthält.

Dem Schreiben kann nicht unterstellt werden, dass das Bundesministerium für Finanzen damit allgemein zum Ausdruck bringen wollte, dass es nur darauf ankäme, dass eine gültige UID-Nummer "irgendeines" Unternehmens bekannt gegeben und im Bestätigungsverfahren nach Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 nachgeprüft werde. Es darf nicht übersehen werden, dass im vorliegenden Fall eine Verschleierung des tatsächlichen Empfängers vorliegt, die A.s.r.o zwar rechtlich existent war, aber keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltete und nur als Abnehmer/Erwerber vorgeschoben wurde. Die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer ist auch nicht damit begründet worden, dass der Abnehmer die Erwerbe seinem Finanzamt nicht gemeldet hätte.

Soweit sich die Beschwerdeführerin weiters auf eine Änderung der Rechtsansicht der Zollverwaltung beruft, die der Vertreter des Zollamtes in der mündlichen Verhandlung in einem Parallelverfahren bestätigt habe, ist darauf zu verweisen, dass allgemeinen Verwaltungsanweisungen, wie z.B. Richtlinien oder Erlässen, unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht die gleiche Wirkung beigemessen werden kann wie einer verbindlichen Zusage oder Auskunft für den Einzelfall, weil der Grundsatz von Treu und Glauben ein konkretes Verhältnis zwischen dem Abgabepflichtigen und dem Finanzamt voraussetzt, bei dem sich allein eine Vertrauenssituation bilden kann (vgl. VwGH 8.9.1992, 87/14/0091 mwH). Diesen Anspruch erfüllt weder die oben zitierte Anfragebeantwortung, noch eine allfällige andere Rechtsansicht in der Zollverwaltung, mag diese auch in den internen Arbeitsrichtlinien oder in einem Erlass zum Ausdruck gebracht worden sein. Mit dem Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 1. April 1993 in der Rs C-250/91 , EU:C:1993:134, Hewlett Packard France, ist für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil die Auskunft des Bundesministeriums für Finanzen im Jahr 2002 nicht an ein Mitglied der Unternehmensgruppe der Beschwerdeführerin ergangen ist und sich auch kein Hinweis findet, dass der gegenständliche Fall eines Verschleierns des tatsächlichen Erwerbes einer der "beschriebenen Fälle" ist.

Mit dem Vorbringen des Beschwerdevertreters, dass der gegenständliche Fall nicht im Lichte des Kenntnisstandes im Jahr 2016 gesehen werden dürfe, ist darauf zu verweisen, dass die Erstattung nach § 83 ZollR-DG bereits daran scheitert, dass der Beschwerdeführerin offensichtliche Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist und ein Billigkeitsgrund nach Lage der Sache nach den obigen Ausführungen ohnehin nicht vorliegt.

Soweit die Beschwerdeführerin zur Begründung des Erstattungsantrages ins Treffen führt, dass gar keine Einfuhr in Österreich vorliege, weshalb eine Einfuhrumsatzsteuerschuld hier auch nicht entstehen habe können, ist ihr entgegenzuhalten, dass die in Rede stehenden Waren ja gerade in Österreich in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind (vgl. VwGH 28. 9. 2016, Ra 2016/16/0052-3).

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Die für die Lösung des Beschwerdefalls bedeutsamen Rechtsfragen sind, soweit sich deren Lösung nicht ohnedies bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt oder Tatsachenfragen darstellen, in der Rechtsprechung des VwGH und des Europäischen Gerichtshofes ausreichend beantwortet. Die Voraussetzungen einer ordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG liegen somit nicht vor. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die über den Einzelfall hinausgeht, war im gegenständlichen Beschwerdefall nicht zu beantworten.

 

Innsbruck, am 23. November 2016

 

Zusatzinformationen

Materie:

Zoll

betroffene Normen:

§ 2 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Art. 899 Abs. 1 ZK-DVO, VO 2454/93 , ABl. Nr. L 253 vom 11.10.1993 S. 1
Art. 239 Abs. 1 ZK, VO 2913/92 , ABl. Nr. L 302 vom 19.10.1992 S. 1
§ 83 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994

Verweise:

VwGH 29.03.2007, 2006/16/0178
VwGH 21.01.2009, 2008/17/0138
VwGH 02.09.2008, 2008/16/0031

Stichworte