Normen
31992R2913 ZK 1992 Art239 Abs1;
31992R2913 ZK 1992 Art239 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Zur Darstellung des Sachverhaltes, insbesondere des Verwaltungsgeschehens, wird vorerst gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 29. März 2007, Zl. 2006/16/0178, verwiesen, mit dem die Beschwerde der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Beschwerdeführerin gegen die im Instanzenzug ergangene - einer unberechtigten Inanspruchnahme der Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 durch die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin folgende - nachträgliche buchmäßige Erfassung einer Einfuhrumsatzsteuerschuld in der Höhe von EUR 1,145.534,40 sowie einer Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG in der Höhe von EUR 56.833,37 als unbegründet abgewiesen wurde.
In ihrer Eingabe vom 18. Juni 2003 hatte die Beschwerdeführerin u.a. einen Eventualantrag auf "Erstattung/Erlass" der nachträglich buchmäßig erfassten Abgabenforderungen nach Art. 236 und 239 ZK gestellt und hiezu vorgebracht, sie habe sich auf die Angaben ihres Geschäftspartners verlassen und die UID-Nummern so wie ihr bekannt gegeben in die Anmeldung aufgenommen. Ihr sei daher kein wie immer geartetes Verschulden anzulasten. Sie habe mit "Fug und Recht" von der Richtigkeit der bekannt gegebenen UID-Nummern und der Unternehmereigenschaft der Empfänger ausgehen können. Ein tatsächlicher Schaden sei nicht entstanden, weil bei ordnungsgemäßer Abwicklung der innergemeinschaftlichen Lieferung der Empfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wäre, wodurch letztendlich ein "Nullsummenspiel" gegeben sei. Man habe sämtliche Maßnahmen ergriffen, um Informationen und Unterlagen zu sammeln und der Behörde zu übergeben. Diese Unterlagen belegten das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und die tatsächliche Übergabe der Waren an innergemeinschaftliche Empfänger. Man könne der Beschwerdeführerin keinen Vorwurf eines betrügerischen Verhaltens machen. Vielmehr wäre zu berücksichtigen, dass auch die Zollbehörde die entsprechenden Überprüfungsmaßnahmen hinsichtlich der UID-Nummern nicht ergriffen hätte. Wie gleichgelagerte Fälle gezeigt hätten sei der Wert der Güter mit Null anzusetzen. Ergänzend wird vorgebracht, die nicht vorgenommene Überprüfung der UID-Nummer durch die Zollbehörden wäre als deren Irrtum bzw. Fehler zu bewerten, der den Tatbestand für die Nichtfestsetzung von Einfuhrabgaben im Sinn des Art. 220 Abs. 2 ZK darstelle.
Die Abweisung des Antrages auf Erstattung oder Erlass nach Art. 236 ZK ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Erstattung oder Erlass nach Art. 239 ZK in Verbindung mit Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO und § 83 ZollR-DG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG als unbegründet ab. Begründend erwog die belangte Behörde nach Wiedergabe der zitierten Bestimmungen, die Beschwerdeführerin sei im verfahrensgegenständlichen Fall nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil die Waren nicht für ihr Unternehmen eingeführt worden seien. Demnach seien zur Entscheidung über die Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer sowie der Abgabenerhöhung die Bestimmungen des Zollkodex, der Zollkodex-Durchführungsverordnung und des Zollrechts-Durchführungsgesetzes anzuwenden. Eine Befassung der Kommission habe gemäß § 83 ZollR-DG zu unterbleiben.
Die für den vorliegenden Antrag auf Erstattung vorgebrachten Gründe erfüllten keinen der in den Art. 900 bis Art. 903 ZK-DVO beschriebenen Tatbestände; eine Erstattung auf Grund eines sogenannten Katalogfalles scheide daher aus. Die nationalen Verwaltungen würden jedoch ermächtigt, über alle in den Art. 236 bis 238 ZK und Art. 900 ZK-DVO genannten Fälle hinaus in besonderen Einzelfällen eine Erstattung zu gewähren, wenn Umstände vorlägen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtlicher Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen seien. Bei dem Terminus "besondere Fälle" in Art. 899 Abs. 2 erster Satz ZK-DVO handle es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff. Für gemeinschaftsrechtlich geschuldete Abgabenbeträge ergebe sich dessen Auslegung aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sowie aus der Entscheidungspraxis der Kommission zu Art. 239 ZK. Für die Erstattung oder den Erlass von sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben hingegen, worunter die Einfuhrumsatzsteuer falle und gemäß § 98 Abs. 3 ZollR-DG hinsichtlich des Verfahrens auch die Abgabenerhöhung zu subsumieren sei, habe Österreich diesen Gesetzesbegriff in § 83 ZollR-DG legal definiert. Demnach liege ein besonderer Fall dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweise oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet sei. Eine Existenzgefährdung sei im gesamten Verfahren nicht geltend gemacht worden, daher erübrige sich eine diesbezügliche Prüfung. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ziele insgesamt betrachtet auf das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit ab.
Eine sachliche Unbilligkeit sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff komme. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen müsse seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst habe, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt sei. Die Auswirkungen genereller Normen oder auch die Folgen des allgemeinen Unternehmerwagnisses stellten keine sachliche Unbilligkeit dar.
Eine sachliche Unbilligkeit durch die Abgabenbelastung liege nach Ansicht der belangten Behörde im verfahrensgegenständlichen Fall nicht vor, weil die Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer als indirekte Vertreterin des Importeurs eine Auswirkung der geltenden Rechtslage sei; vielmehr trete genau das vom Gesetzgeber beabsichtigte Ergebnis ein. Es entstehe dadurch auch keine anormale Belastungswirkung, weil sowohl die Einfuhrumsatzsteuer als auch die Abgabenerhöhung in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe berechnet und buchmäßig erfasst worden seien. Auch handle es sich nicht um einen atypischen Vermögenseingriff, weil ein derartiger Vermögenseingriff, verglichen mit anderen Fällen, alle Normunterworfenen mit den gleichen Auswirkungen treffe.
Darüber hinaus sei der von der Beschwerdeführerin mit dem Hinweis auf die kriminelle Energie des Geschäftspartners angesprochene außergewöhnliche Geschehensablauf nicht erkennbar. Wie in der (in dieser Sache ergangenen) Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Salzburg vom 22. November 2007 ausführlich dargelegt, habe die Beschwerdeführerin offensichtlich fahrlässig gehandelt, weil sie es in allen acht Fällen unterlassen habe, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Verfahrens einer steuerbefreienden innergemeinschaftlichen Lieferung mittels des vorgesehenen Bestätigungsverfahrens zu prüfen. Hätte die Beschwerdeführerin die ihr zumutbaren Überprüfungen vorgenommen, hätte sich die - wie in der (Administrativ-) Beschwerdeschrift bezeichnet - "massive kriminelle Energie" der Auftraggeberin nie derart entfalten können.
Ein Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen sei unter den gegebenen Umständen nicht erkennbar. Tatsächlich sei für die finanzielle Belastung der Beschwerdeführerin nicht die gesetzeskonforme Abgabeneinhebung ursächlich, sondern das Verhalten ihres Geschäftspartners, dass durch die offensichtliche Fahrlässigkeit der Beschwerdeführerin begünstigt worden sei. Dieser Sachverhalt sei dem Bereich des allgemeinen Unternehmerwagnisses zuzuordnen, das, wie bereits erwähnt, keine Unbilligkeit darstelle.
Da es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, das Vorliegen eines besonderen Falles im Sinn der Bestimmung des Art. 239 ZK in Verbindung mit Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO und § 83 ZollR-DG darzulegen, sei die (Administrativ-) Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen.
Die Beschwerde wäre auch bei Vorliegen eines besonderen Falles abzuweisen gewesen, weil im Hinblick auf den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt und die Rechtsprechung des EuGH eine offensichtliche Fahrlässigkeit der Beschwerdeführerin zweifelsfrei erkennbar sei. Der EuGH habe sich in seinem Urteil vom 11. November 1999 in der Rechtsache C-48/98 mit dem Begriff der offensichtlichen Fahrlässigkeit im Sinn des Art. 239 ZK befasst und Kriterien für deren Prüfung festgelegt. Demnach müsse bei der Beantwortung der Frage, ob offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliege, insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründe, sowie die Erfahrung und Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Erfahrung des Wirtschaftsteilnehmers sei zu untersuchen, ob er im Wesentlichen im Einfuhr- und Ausfuhrgeschäft tätig sei und ob er bereits über eine gewisse Erfahrung mit der Durchführung dieser Geschäfte verfüge. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfolge die Abgrenzung zwischen einem Fehler, der "nicht hätte passieren dürfen" und einem Fehler, der "passieren kann" (Arbeitsfehler).
Bei der Beschwerdeführerin handle es sich um einen erfahrenen Wirtschaftsteilnehmer, der im Wesentlichen im Einfuhr- und Ausfuhrgeschäft tätig sei. Die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die sonstige Abgabenschuld begründe, sei nicht gegeben. Im Gegenteil, es handle sich dabei um eine relativ einfach Materie, deren richtige Anwendung ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre. Diese Beurteilung stehe in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der die Ansicht vertrete, dass die Inanspruchnahme des Bestätigungsverfahrens nach Art. 28 Abs. 2 UStG zumutbar sei. Und zum verfahrensgegenständlichen Fall habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 29. März 2007, Zl. 2006/16/0178, gemeint:
"Die Beschwerdeführerin hat ein solches Bestätigungsverfahren nicht in Anspruch genommen und auch nicht behauptet, dass (...) besondere Umstände für eine Abstandnahme von einem solchen Bestätigungsverfahren vorgelegen seien, sodass sie der nach
Artikel 7 Absatz 4 UStG 1994 gebotenen Sorgfalt nicht Genüge getan hat und sich daher nicht auf diese Bestimmung berufen kann (vgl. Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, 2006/16/0070)."
Insgesamt betrachtet sei die Nicht-Inanspruchnahme des Bestätigungsverfahrens als Arbeitsfehler zu qualifizieren, der nicht hätte passieren dürfen. Die Fahrlässigkeit der Beschwerdeführerin sei damit offensichtlich.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin "in ihrem Recht auf Feststellung, dass die bezahlten Abgaben gem Art 239 ZK iVm Art 905 ZK-DVO und § 380 ZollR-DG zu erstatten sind, verletzt. Insbesondere wurden von der belangten Behörde die Bestimmungen des Art 239 ZK in Verbindung mit Art 905 ZK-DVO und § 380 ZollR-DG unrichtig ausgelegt und der Antrag der Beschwerdeführerin zu Unrecht abgewiesen."
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin sieht die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vorerst darin, die belangte Behörde übersehe, dass bei Vorliegen eines "besonderen Falles" im Sinn des Art. 239 ZK in Verbindung mit Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO und § 83 ZollR-DG nicht mehr zu überprüfen sei, ob offensichtliche Fahrlässigkeit vorliege, da bei Vorliegen eines besonderen Falles im Sinn der vorhin zitierten Bestimmungen die Erstattung - unabhängig vom Grad des Verschuldens (also auch bei offensichtlicher Fahrlässigkeit) - zuzusprechen sei. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde liege ein "besonderer Fall" im Sinn der zitierten Gesetzesbestimmungen vor, da Walter St. mit Aufbietung massiver krimineller Energie die Beschwerdeführerin bzw. deren Mitarbeiter dazu bewegt habe, die letztendlich zur Entstehung der Zollschuld führenden Schritte zu setzen, ohne die UID-Nummern zu überprüfen. Die Beschwerdeführerin habe sich auf die Angaben des Auftraggebers, Walter St., verlassen. Dass dieser - wie nachträglich im Rahmen des Strafverfahrens bekannt geworden - offensichtlich bewusst falsche UID-Nummern bekannt gegeben habe, habe der Mitarbeiter der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Auftragsannahme nicht erahnen können. Vielmehr habe er mit auf die ihm vom Auftraggeber gemachten Angaben vertraut und diese seinen weiteren Handlungen zu Grunde gelegt. Eine Überprüfung der UID-Nummern, insbesondere hinsichtlich der Transporte "Fast Trading" und "OY Hamiko Agency Ltd", hätte keinen Hinweis darauf erbracht, dass die UID-Nummern nicht richtig wären, zumal diese ja zum Zeitpunkt der Lieferung gültig gewesen seien. Eine Überprüfung hätte keinen Anlass gegeben, misstrauisch zu werden und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Der Vorwurf der belangten Behörde, dass allein schon das Nichtabfragen der UID-Nummern die Haftung des Anmelders auslöse, möge für die Frage der Entstehung der Abgabenschuld richtig sein, gehe aber bei der Frage, ob ein Erstattungstatbestand vorliege, ins Leere. Die Verletzung der allfälligen Verpflichtung, UID-Nummern bei den dafür vorgesehenen Stellen abzurufen, könne nicht mit der grundsätzlichen Verneinung eines Erstattungstatbestandes sanktioniert werden. Es sei insbesondere bei der Frage des Vorliegens eines Erstattungstatbestandes im Sinne eines "besonderen Falles" zu überprüfen, welche Folgen die Nichtabfrage der UID-Nummern habe. Gerade bei den oben zitierten Transporten hätte die Abfrage der UID-Nummern zu dem Ergebnis geführt, dass diese zum damaligen Zeitpunkt gültig gewesen seien. Einer Durchführung der Lieferungen wäre daher schon aus diesem Grund nichts im Wege gestanden.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde seien daher im gegenständlichen Fall, einerseits durch die Anwendung der kriminellen Energie des Auftraggebers, mit der er die Durchführung der gegenständlichen Transporte nahezu erschlichen habe, andererseits durch den Umstand, dass für zwei Empfänger die angegebenen UID-Nummern richtig gewesen seien, sehr wohl die Voraussetzungen für die Annahme eines besonderen Falles vorgelegen. Auf Grund der Titulierung der Empfänger und des Umstandes, dass zum Teil namhafte Speditionen zwischengeschaltet gewesen seien, habe die Beschwerdeführerin auch davon ausgehen können, dass die Unternehmereigenschaft der Empfänger gegeben sei.
Auch den Zollbehörden sei nicht aufgefallen, dass die UID-Nummern (zum Teil) ungültig gewesen seien. Eine Überprüfung durch die Zollbehörden sei auch nicht erfolgt. Selbst wenn diese Kriterien für die Frage der Abgabenschuld nicht relevant seien, seien sie doch für die Frage, ob ein besonderer Fall im Sinn der zitierten Bestimmungen vorliege, von wesentlicher Bedeutung.
Weiters sei unbeachtet geblieben, dass selbst bei Einhaltung der Vorschriften über die Überprüfung der UID-Nummern die bezahlten Abgaben im Wege des Vorsteuerabzuges hätten zurückerstattet werden müssen, weshalb ein Schaden tatsächlich nicht eingetreten sei. Diese Überprüfungen habe die Behörde jedoch nicht vorgenommen, da sie offensichtlich rechtsunrichtig nicht beachtet habe, dass die Frage, ob offensichtliche Fahrlässigkeit vorliege, für den Umstand, ob ein besonderer Fall vorliege, unerheblich sei.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde liege auch kein Fehler im Ausmaß einer offensichtlichen Fahrlässigkeit vor. Es handle sich bei dem Fehler, der dem Mitarbeiter der Beschwerdeführerin unterlaufen sei, lediglich um einen Arbeitsfehler, der jedenfalls das Vorliegen offensichtlicher Fahrlässigkeit ausschließe. Die Beschwerdeführerin habe im bisherigen Verfahren dargelegt, dass auf Grund der Komplexität des Tagesgeschäftes und der damit verbundenen Belastungen Fehler unterlaufen könnten, die jedem anderen Wirtschaftstreibenden auch passieren könnten. Das Vertrauen auf die Angaben des Auftraggebers könne per se noch nicht als auffallende Sorglosigkeit im Sinn einer offensichtlichen Fahrlässigkeit gewertet werden. Gerade in einem so großen Unternehmen wie dem der Beschwerdeführerin könnten Fehler unterlaufen, die mit dem Betrieb des Unternehmens zwangsläufig verbunden seien. Gerade deshalb habe es geschehen können, dass der Auftraggeber mit massiver krimineller Energie den Mitarbeiter der Beschwerdeführerin habe dazu verleiten können, die UID-Nummern nicht zu überprüfen. Zusammenfassend ergebe sich daher, dass entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde die Voraussetzungen für die Erstattung der vorgeschriebenen Einfuhrabgaben gegeben seien.
Art. 239 ZK lautet:
"Art. 239 (1) Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben können in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 genannten Fällen erstattet oder erlassen werden; diese Fälle
- werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt;
- ergeben sich aus Umständen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Nach dem Ausschussverfahren wird festgelegt, in welchen Fällen diese Bestimmung angewandt werden kann und welche Verfahrensvorschriften dabei zu beachten sind. Die Erstattung oder der Erlass kann von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden.
(2) Die Erstattung oder der Erlass der Abgaben aus den in Absatz 1 genannten Gründen erfolgt auf Antrag; dieser ist innerhalb von zwölf Monaten nach der Mitteilung der Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen. Jedoch können
- in begründeten Ausnahmefällen die Zollbehörden diese Frist verlängern,
- in bestimmten Fällen kürzere Fristen im Ausschussverfahren festgelegt werden."
Art. 899 Abs. 1 und 2 ZK-DVO lautet:
"Art. 899 (1) Stellt die Entscheidungsbehörde, bei der eine Erstattung oder ein Erlass nach Artikel 239 Absatz 2 Zollkodex beantragt worden ist, fest,
- dass die für diesen Antrag vorgebrachten Gründe einen der in Artikel 900 bis 903 beschriebenen Tatbestände erfüllen und keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt, so erstattet oder erlässt sie die betreffenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben;
- dass die für diesen Antrag vorgebrachten Gründe einen der in Artikel 904 beschriebenen Tatbestände erfüllen, so lehnt sie die Erstattung oder den Erlass der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben ab.
(2) In allen anderen Fällen, ausgenommen bei einer Befassung der Kommission gemäß Artikel 905, entscheidet die Entscheidungsbehörde von sich aus, die Einfuhr oder Ausfuhrabgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn es sich um besondere Fälle handelt, die sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.
Ist Artikel 905 Absatz 2 zweiter Anstrich anwendbar, so können die Zollbehörden erst entscheiden, die in Frage stehenden Abgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn das nach den Artikeln 906 bis 909 eingeleitete Verfahren abgeschlossen ist."
§ 83 ZollR-DG lautete in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 161/2005:
"§ 83. Im Falle einer Erstattung oder eines Erlasses der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben nach den Bestimmungen des Artikels 239 ZK in Verbindung mit Artikel 899 Abs. 2 ZK-DVO liegt ein besonderer Fall dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet ist. Letzterenfalls stellt die betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten keinen Ausschließungsgrund für die Gewährung einer Erstattung oder eines Erlasses dar, sofern alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht. Eine Vorlage an die Kommission hat zu unterbleiben."
Die Beschwerde vertritt zusammengefasst primär die Ansicht, dass es sich beim Beschwerdefall um einen "besonderen Fall" im Sinn des Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO handle, sodass eine Erstattung oder ein Erlass unabhängig vom Grad des Verschuldens zu erfolgen habe.
Art. 239 Abs. 1 zweiter Anstrich erster Satz ZK legt fest, dass sich die Fälle, in denen Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben (in anderen als den in den Art. 236, 237 und 238 genannten Fällen) erstattet oder erlassen werden können, aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Ausgenommen bei einer Befassung der Kommission gemäß Art. 905 entscheidet in allen anderen Fällen die Entscheidungsbehörde nach Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO von sich aus, die Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn es sich um besondere Fälle handelt, die sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.
Aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 239 Abs. 1 zweiter Anstrich erster Satz ZK sowie des Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO ergibt sich e contrario, dass Umstände, die auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind, nicht "besondere Fälle" im Sinn des Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO sein können, in denen Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben erstattet werden können. Dieses Auslegungsergebnis steht im Einklang mit den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 11. November 1999, C-48/98 - Söhl & Söhlke, wonach das Fehlen einer "offensichtlichen Fahrlässigkeit" unabdingbare Voraussetzung der Erstattung oder des Erlasses von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben ist (RN 52).
§ 83 ZollR-DG definiert für den Bereich der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben (darunter die Einfuhrumsatzsteuer) den Begriff des "besonderen Falles" und schließt betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten nur bei Existenzgefährdung des Abgabenschuldners nicht aus, worauf im Beschwerdefall kein Hinweis besteht.
Dies bedeutet wiederum, dass die Beantwortung der Frage eines besonderen Falles im Sinn des § 83 ZollR-DG ausgenommen in Fällen der Existenzgefährdung des Abgabenschuldners dahingestellt zu bleiben hat, wenn die maßgeblichen Umstände auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.
In dem genannten Urteil hat der EuGH die Frage, ob "offensichtliche Fahrlässigkeit" im Sinn des Art. 239 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Zollkodex vorliegt, ausgeführt, dass hiebei insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründet, sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers berücksichtigt werden müssen (aaO RN 56). Hinsichtlich der Erfahrung des Wirtschaftsteilnehmers ist zu untersuchen, ob er im Wesentlichen im Einfuhr- und Ausfuhrgeschäft tätig ist und ob er bereits über eine gewisse Erfahrung mit der Durchführung dieser Geschäfte verfügt (aaO RN 57). Was die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers betrifft, muss sich dieser, sobald er Zweifel an der richtigen Anwendung der Vorschriften hat, deren Nichterfüllung eine Abgabenschuld begründen kann, nach Kräften informieren, um die jeweiligen Vorschriften nicht zu verletzen (aaO RN 58). Es ist Sache des nationalen Gerichts, auf der Grundlage dieser Beurteilungskriterien zu untersuchen, ob offensichtliche Fahrlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers vorliegt (aaO RN 59).
Im vorliegenden Beschwerdefall ist allen acht Fällen, in denen die Beschwerdeführerin die Einfuhrumsatzsteuer schuldet und eine Abgabenerhöhung festgesetzt wurde, gemeinsam, dass es die Beschwerdeführerin unterlassen hatte, ein Bestätigungsverfahren im Sinn des Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 in Anspruch zu nehmen. Welche "kriminelle Energie" des Walter St. den Mitarbeiter der Beschwerdeführerin davon abgehalten haben soll, konkretisiert auch die vorliegende Beschwerde nicht. Der Einwand der Beschwerde, dass die UID-Nummern der Firmen Fast Trading GmbH und OY Hamiko Agency Ltd. im Zeitpunkt der Lieferung gültig gewesen seien, geht insofern ins Leere, als es auf die (Überprüfung der) Gültigkeit der UID-Nummern im Zeitpunkt der Anmeldung durch die Beschwerdeführerin ankam. Die in der vorliegenden Beschwerde aufrecht erhaltende Behauptung, eine Überprüfung der UID-Nummern hätte zu dem Ergebnis geführt, dass diese "zum damaligen Zeitpunkt" gültig waren, geht, sofern es sich auf den Zeitpunkt der Lieferung bezieht, ins Leere, setzt sich jedoch im Übrigen, sofern sie sich auf den Zeitpunkt der Anmeldungen beziehen sollte, ohne nähere Begründung in Widerspruch zu den Feststellungen der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom 23. August 2006 betreffend die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuerschuld und der Abgabenerhöhung.
Es handle sich - so das weitere Beschwerdeargument - bei dem Fehler, der dem Mitarbeiter unterlaufen sei, lediglich um einen Arbeitsfehler, der jedenfalls das Vorliegen offensichtlicher Fahrlässigkeit ausschließe.
Die Abgrenzung der "offensichtlichen Fahrlässigkeit" im Sinn des Art. 239 Abs. 1 ZK von sonstiger Fahrlässigkeit erfolgt danach, ob es sich um einen Fehler handelt, der "nicht hätte passieren dürfen", oder um einen Fehler, der "passieren kann" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2004, Zl. 2001/16/0005, mwN; vgl. Huchatz in Witte, Zollkodex4, RN 20 zu Art. 239 mwN).
Die Beschwerdeführerin zieht ihre fachliche Erfahrung als Anmelderin für die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr nicht in Zweifel. Auch sie schätzt die Vorschriften über das Bestätigungsverfahren im Sinn des Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 nicht als komplex ein. Sie muss sich im Beschwerdefall konkret vorwerfen lassen, dass ihr Mitarbeiter nicht nur in einem, sondern in insgesamt acht Geschäftsfällen mit demselben Auftraggeber ein Bestätigungsverfahren im Sinn des Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 unterließ. In Anbetracht dieser gehäuften Unterlassung kann nicht mehr bloß von einem Fehler gesprochen werden , der "passieren kann", sondern liegt eine Kette von Fehlern vor, die keinesfalls hätten passieren dürfen. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie in der Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt in dieser Vielzahl von Fällen eine offensichtliche Fahrlässigkeit im besagten Sinn erblickte.
Liegt aber offensichtliche Fahrlässigkeit im Sinn der Art. 239 Abs. 1 ZK, Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO vor, so ist auf die weitere Frage, ob es sich um einen besonderen Fall im Sinn des Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO, § 83 ZollR-DG handelt, nicht mehr einzugehen. Gleichfalls entbehrt das weitere Beschwerdevorbringen, dass auch den Zollbehörden die Ungültigkeit von UID-Nummern nicht aufgefallen seien und selbst bei Einhaltung der Vorschriften über die Überprüfung der UID-Nummern die entrichteten Abgaben im Wege des Vorsteuerabzuges hätten zurückerstattet werden müssen, weshalb ein Schaden tatsächlich nicht eingetreten ist, der Relevanz für die Frage der Erstattung oder des Erlasses.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Einen Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz (§ 59 Abs. 1 VwGG) hat nur die - unterlegene - Beschwerdeführerin erhoben. Wien, am 2. September 2008
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