vorheriges Dokument
nächstes Dokument

BGBl I 107/2023

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

107. Bundesgesetz: Änderung des Gesetzes über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung
(NR: GP XXVII RV 2089 AB 2122 S. 224 . BR: AB 11260 S. 956 .)

107. Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, BGBl. I Nr. 72/2009, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 6/2023, wird wie folgt geändert:

1. In § 1 werden nach der Wortfolge „in diesem Bereich tätigen ausländischen und internationalen Einrichtungen“ ein Beistrich und die Wortfolge „zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen im Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres“ eingefügt.

2. In § 2 Abs. 1 wird die Wortfolge „seinem Stellvertreter“ durch die Wortfolge „einem seiner zwei Stellvertreter“ ersetzt.

3. In § 2 Abs. 2 wird das Wort „sein“ durch das Wort „seine“ sowie das Zahlwort „fünf“ durch das Zahlwort „zehn“ ersetzt.

4. In § 2 Abs. 5 wird die Wortfolge „sein Stellvertreter“ durch die Wortfolge „seine Stellvertreter“ ersetzt.

5. In § 2 entfällt Abs. 6 und werden nach Abs. 5 folgende Abs. 6 bis 12 eingefügt:

„(6) Abweichend von § 7 Abs. 2 zweiter Satz des Ausschreibungsgesetzes 1989 (AusG), BGBl. Nr. 85/1989, hat der Leiter der Zentralstelle für die Begutachtungskommission für den Direktor sowie für die Stellvertreter ein Mitglied zu bestellen. Der für den öffentlichen Dienst zuständige Bundesminister hat das weitere Mitglied zu bestellen, wobei dabei auf die Geschlechterparität Bedacht zu nehmen ist.

(7) Dem Direktor und den Stellvertretern ist die Ausübung jeder Nebenbeschäftigung mit Ausnahme von Publikationen sowie Tätigkeiten im Bereich der Lehre untersagt. Die Ausübung einer unentgeltlichen sonstigen Nebenbeschäftigung kann ausnahmsweise durch die Dienstbehörde genehmigt werden. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Ausübung dieser Nebenbeschäftigung den begründeten Verdacht hervorrufen würde, dass die Nebenbeschäftigung die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben behindert, die Vermutung der Befangenheit hervorruft oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet.

(8) Sonstige Bedienstete des Bundesamts dürfen Nebenbeschäftigungen mit Ausnahme von Publikationen sowie Tätigkeiten im Bereich der Lehre nur nach Genehmigung durch die Dienstbehörde ausüben, wobei vor der Entscheidung der Dienstbehörde eine Stellungnahme des Direktors einzuholen ist. Bei der Beurteilung, ob die Ausübung einer Nebenbeschäftigung nach § 56 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333/1979, oder § 5 Abs. 1 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG), BGBl. Nr. 86/1948, oder der dazu erlassenen Verordnungen unzulässig ist, ist das sich aus dem Aufgabenbereich des Bundesamts (§ 4) ergebende dienstliche Interesse besonders zu berücksichtigen.

(9) Vor Beginn der Tätigkeit haben sich der Direktor, seine Stellvertreter sowie sonstige Bedienstete des Bundesamts in Leitungsfunktionen einer Sicherheitsüberprüfung für den Zugang zu streng geheimer Information gemäß § 55 Abs. 3 Z 3 SPG, sonstige Bedienstete des Bundesamts einer Sicherheitsüberprüfung zumindest für den Zugang zu geheimer Information gemäß § 55 Abs. 3 Z 2 SPG zu unterziehen. Die Sicherheitsüberprüfung ist alle drei Jahre zu wiederholen. Bei Vorliegen von Anhaltspunkten, wonach ein Bediensteter nicht mehr vertrauenswürdig sein könnte, ist die Sicherheitsüberprüfung vor Ablauf dieser Frist zu wiederholen.

(10) Im Rahmen der Geschäftseinteilung ist eine Organisationseinheit einzurichten, der die Ermittlung von Misshandlungsvorwürfen nach § 4 Abs. 5 sowie Ermittlungen nach § 4 Abs. 4 obliegen und die unmittelbar einem der Stellvertreter als deren Leiter unterstellt ist (Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe). In dieser sind nach Absolvierung der Ausbildung gemäß Abs. 11 nur dauernd mit der Funktion betraute Bedienstete zu verwenden.

(11) Bedienstete der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe haben zeitnah eine spezielle Ausbildung insbesondere im Bereich der Grund- und Menschenrechte zu absolvieren, welche durch die Sicherheitsakademie (§ 11 SPG) durchzuführen ist.

(12) Zur Bewältigung der durch dieses Bundesgesetz zugewiesenen Aufgaben hat der Bundesminister für Inneres dem Bundesamt die notwendige Sach- und Personalausstattung bereitzustellen sowie die interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammensetzung der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe sicherzustellen. Nach Maßgabe der Verfügbarkeit können mit Zustimmung des Leiters der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe die interdisziplinären und multiprofessionellen Ressourcen auch zur Wahrnehmung sonstiger dem Bundesamt zugewiesener Aufgaben eingesetzt werden.“

6. In § 4 Abs. 1 Z 9a wird das Klammerzitat „§ 168d“ durch das Klammerzitat „§ 168g“ ersetzt.

7. In § 4 Abs. 1 Z 13 wird das Zitat „Z 1 bis 9a und Z 11“ durch das Zitat „Z 1 bis 8, Z 9, Z 9a und Z 11“ersetzt.

8. In § 4 Abs. 3 entfällt der zweite Satz.

9. Dem § 4 werden folgende Abs. 4 und 5 angefügt:

„(4) Das Bundesamt ist bundesweit für kriminalpolizeiliche Ermittlungen zuständig bei Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt mit Todesfolge sowie lebensgefährdendem Waffengebrauch (§ 7 Waffengebrauchsgesetz 1969, BGBl. Nr. 149/1969) durch

  1. 1. Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, soweit es sich um Bedienstete des Bundes handelt,
  2. 2. sonstige Bedienstete der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (§ 2b Abs. 2 Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz [SNG], BGBl. I Nr. 5/2016) sowie
  3. 3. sonstige Bedienstete des Bundesministeriums für Inneres oder diesem nachgeordneter Dienststellen, die zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind.

(5) Das Bundesamt ist darüber hinaus bundesweit für Ermittlungen im Zusammenhang mit Misshandlungsvorwürfen gegen Organe oder Bedienstete gemäß Abs. 4 Z 1 bis 3 zuständig. Ein Misshandlungsvorwurf ist der Verdacht oder Vorwurf einer

  1. 1. vorsätzlichen strafbaren Handlung gegen Leib und Leben im Rahmen einer dienstlichen Tätigkeit ohne Zusammenhang mit der Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt,
  2. 2. strafbaren Handlung gegen Leib und Leben, wenn ein hinreichender Grund für die Annahme besteht, dass diese auf eine unverhältnismäßige Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt (§§ 4 bis 6 Waffengebrauchsgesetz 1969) zurückzuführen ist, oder
  3. 3. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Rahmen einer dienstlichen Tätigkeit.

    Eine Zuständigkeit des Bundesamtes besteht nicht, wenn sich ein Misshandlungsvorwurf gemäß Abs. 5 Z 3 auf ein Verhalten gegenüber einem Bediensteten des Ressortbereichs des Bundesministeriums für Inneres bezieht und kein Anfangsverdacht gemäß § 1 Abs. 3 der Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, vorliegt.“

10. Nach § 4 wird folgender § 4a samt Überschrift eingefügt:

„Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe

§ 4a. (1) Die Wahrnehmung der Aufgaben nach § 4 Abs. 4 und 5 sowie die Bearbeitung von Meldungen nach § 5 Abs. 3 letzter Satz obliegen der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe (§ 2 Abs. 10). Die Ermittlungen sind stets zügig und ohne unnötige Verzögerungen sowie unter Heranziehung interdisziplinärer und multiprofessioneller Expertise (§ 2 Abs. 12) zu führen.

(2) Soweit ein Anfangsverdacht gemäß § 1 Abs. 3 (StPO) vorliegt, hat die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe der Staatsanwaltschaft unverzüglich zu berichten (Anfallsbericht).

(3) Soweit bei einem Misshandlungsvorwurf gemäß § 4 Abs. 5 Z 3 kein Anfangsverdacht gemäß § 1 Abs. 3 StPO vorliegt, hat die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe die für die Führung eines Ermittlungsverfahrens - mit Ausnahme des Rechts auf Akteneinsicht - sowie die für die Beweiserhebung maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, § 53 Abs. 2 und 4 SPG sinngemäß und das Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, anzuwenden.

(4) Die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe hat den unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufenen Vorgesetzten (Dienstvorgesetzter) über die Einleitung ihrer Ermittlungen zu informieren und über deren Ergebnisse zu berichten. Von der Berichterstattung über die Ergebnisse an den Dienstvorgesetzten sind der betroffene Bedienstete sowie die Person, die von einem lebensgefährdenden Waffengebrauch (§ 4 Abs. 4) oder einer Misshandlung (§ 4 Abs. 5) betroffen sein könnte, durch die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe zu verständigen. Außerdem hat die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe die Dienstbehörde über Tatsachen, die für die Beurteilung einer vorläufigen Suspendierung (§ 112 BDG 1979) oder einer Dienstfreistellung nach VBG von Relevanz sein können, zu informieren.

(5) Erlangt der Dienstvorgesetzte nach Einleitung der Ermittlungen oder nach Berichterstattung gemäß Abs. 4 erster Satz Kenntnis über neue sachverhaltsrelevante Tatsachen, hat er diese an die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe zu übermitteln. Im Übrigen hat der Dienstvorgesetzte nach Einleitung der Ermittlungen von Erhebungen zur Klarstellung des Sachverhaltes gemäß § 109 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 Abstand zu nehmen; nach Berichterstattung durch die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe hat der Dienstvorgesetzte nach § 109 BDG 1979 oder nach den Bestimmungen des VBG vorzugehen.

(6) Bei Misshandlungsvorwürfen gemäß § 4 Abs. 5 Z 3, bei denen kein Anfangsverdacht gemäß § 1 Abs. 3 StPO vorliegt, gelten die §§ 94 Abs. 2 und 114 Abs. 2 und 3 BDG 1979 mit der Maßgabe, dass anstelle des Strafverfahrens nach der StPO das Ermittlungsverfahren der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe bis zur Berichterstattung an den Dienstvorgesetzten gemäß Abs. 4 erster Satz tritt.“

11. Der bisherige Text des § 5 erhält die Absatzbezeichnung „(1)“; der nunmehrige Abs. 1 lautet:

„(1) Die Sicherheitsbehörden oder -dienststellen, die vom Anfangsverdacht einer Straftat im Sinne des § 4 Abs. 1 Kenntnis erlangen, haben diese unbeschadet ihrer Berichtspflichten nach der StPO unverzüglich schriftlich dem Bundesamt zu berichten (Meldepflicht).“

12. Dem § 5 werden folgende Abs. 2 und 3 angefügt:

„(2) Die Sicherheitsbehörden oder -dienststellen, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, die Dienstbehörde oder der Dienstvorgesetzte, die vom Verdacht einer Straftat im Sinne des § 4 Abs. 4 oder vom Verdacht oder Vorwurf im Sinne des § 4 Abs. 5 Kenntnis erlangen, haben diese unbeschadet ihrer Berichtspflichten nach der StPO unverzüglich schriftlich der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe zu berichten (Meldepflicht). Enthält die Meldung des Dienstvorgesetzten an die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, hat dieser gleichzeitig auch die Dienstbehörde zu benachrichtigen (§ 109 BDG 1979); die Meldung an die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe erfüllt in diesem Fall auch die Anzeigepflicht der Dienstbehörde nach § 78 StPO.

(3) Kein Bundesbediensteter darf davon abgehalten werden, einen Verdacht oder Vorwurf im Sinne des § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 4 oder 5 auch direkt und außerhalb des Dienstweges an das Bundesamt zu melden (Melderecht). Darüber hinaus ist jedermann berechtigt, einen Misshandlungsvorwurf im Sinne des § 4 Abs. 5 an das Bundesamt zu melden.“

13. In § 6 Abs. 1 wird nach dem Zitat „Meldepflicht nach § 5“ das Zitat „Abs. 1 und 2“ eingefügt sowie die Wortfolge „Bundesamt oder die WKStA (§ 20a Abs. 2 StPO)“ durch die Wortfolge „Bundesamt, die WKStA (§ 20a Abs. 2 StPO) oder eine andere zuständige Staatsanwaltschaft“ ersetzt.

14. In § 6 Abs. 2 wird nach der Wortfolge „Das Bundesamt kann“ die Wortfolge „bei einem Anfangsverdacht einer Straftat im Sinne des § 4 Abs. 1 und bei Ermittlungen gemäß § 4 Abs. 4“ eingefügt.

15. In § 6 Abs. 3 wird nach der Wortfolge „die Durchführung von Ermittlungen“ die Wortfolge „bei einem Anfangsverdacht einer Straftat im Sinne des § 4 Abs. 1“ eingefügt.

16. Dem § 6 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Bei Ermittlungen gemäß § 4 Abs. 5 kann die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe andere Sicherheitsbehörden und -dienststellen nur mit der Durchführung von kriminaltechnischen Untersuchungen, der kriminalpolizeilichen Tatortarbeit sowie einzelnen unaufschiebbaren Beweissicherungs- und Ermittlungsmaßnahmen beauftragen.“

17. In § 7 wird nach dem ersten Satz der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgender Satz eingefügt:

„Weisungen an das Bundesamt im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe sind überdies dem Beirat (§ 9a) zu übermitteln.“

18. In § 8 Abs. 4 wird nach dem zweiten Satz der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgender Satz angefügt:

„diesfalls und im Fall der Verhinderung eines Mitglieds der Rechtsschutzkommission hat an Stelle des betroffenen Mitglieds ein Stellvertreter des Rechtsschutzbeauftragten (§ 91a SPG) einzuschreiten.“

19. Nach § 9 werden folgende §§ 9a bis 9d samt Überschriften eingefügt:

„Unabhängiger Beirat Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe

§ 9a. (1) Zum Zweck der Sicherstellung der gesetzmäßigen Aufgabenerfüllung der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe ist beim Bundesminister für Inneres ein unabhängiger Beirat Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe (Beirat) eingerichtet. Diesem obliegt unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Grund- und Menschenrechte die begleitende strukturelle Kontrolle der Tätigkeit der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe, insbesondere im Hinblick auf die Erkennung organisatorischen Optimierungsbedarfs, sowie die diesbezügliche Beratung. Angelegenheiten und Ermittlungen, die der Kontrolle durch die Staatsanwaltschaften oder die Gerichte oder dem besonderen Rechtsschutz durch die Rechtsschutzkommission (§§ 8 und 9) oder einer sonstigen Rechtsschutzeinrichtung unterliegen, sind davon nicht umfasst.

(2) Der Beirat kann aus eigenem sowie über Ersuchen des Bundesministers für Inneres oder des Direktors tätig werden und diesen Empfehlungen erteilen.

(3) Der Beirat besteht aus einem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und sieben weiteren Mitgliedern sowie sieben Ersatzmitgliedern (Beiratsmitglieder). Der Vorsitzende und sein Stellvertreter müssen besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Grund- und Menschenrechte aufweisen und das Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen haben.

(4) Die Beiratsmitglieder werden vom Bundesminister für Inneres für die Dauer von sieben Jahren bestellt. Wiederbestellungen sind zulässig.

(5) Das Vorschlagsrecht kommt zu

  1. 1. dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs für den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter,
  2. 2. dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag für ein Mitglied und ein Ersatzmitglied,
  3. 3. der Österreichischen Ärztekammer für ein Mitglied und ein Ersatzmitglied,
  4. 4. der Österreichischen Universitätenkonferenz für ein Mitglied und ein Ersatzmitglied,
  5. 5. zwei vom Bundesminister für Inneres bestimmten, privaten gemeinnützigen Einrichtungen, die sich der Wahrung der Grund- und Menschenrechte oder der Opferrechte widmen, für je ein Mitglied und ein Ersatzmitglied,
  6. 6. zwei von der Bundesministerin für Justiz bestimmten, privaten gemeinnützigen Einrichtungen, die sich der Wahrung der Grund- und Menschenrechte oder der Opferrechte widmen, für je ein Mitglied und ein Ersatzmitglied.

    Die vorschlagsberechtigten Einrichtungen haben sich um eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter und um eine plurale sowie diverse Zusammensetzung des Beirats zu bemühen.

(6) Nach Abs. 4 darf nicht zum Beiratsmitglied bestellt werden, wer in den letzten zwölf Jahren Direktor oder Stellvertreter des Bundesamts war. Darüber hinaus dürfen Personen nicht bestellt werden, die vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen gemäß den §§ 2 und 3 Z 1 bis 4 und 7 des Geschworenen- und Schöffengesetzes 1990 (GSchG), BGBl. Nr. 256/1990, ausgeschlossen oder zu diesem nicht zu berufen sind.

(7) Die Bestellung zum Beiratsmitglied erlischt bei Verzicht, im Todesfall oder mit Wirksamkeit der Neu- oder Wiederbestellung. Wenn ein Grund besteht, die volle Unbefangenheit eines Beiratsmitglieds in Zweifel zu ziehen, hat sich dieses des Einschreitens in der Sache zu enthalten.

(8) Der Bundesminister für Inneres kann auf Vorschlag des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters ein Beiratsmitglied vorzeitig abberufen,

  1. 1. wenn es auf Grund seiner gesundheitlichen Verfassung die mit seiner Funktion verbundenen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann oder
  2. 2. wenn es mit seiner Funktion verbundene Pflichten grob verletzt hat oder dauernd vernachlässigt.

    Darüber hinaus hat der Bundesminister für Inneres ein Beiratsmitglied vorzeitig abzuberufen, wenn eine Ernennungsvoraussetzung wegfällt.

(9) Vor Beginn der Tätigkeit hat sich jedes Beiratsmitglied einer Sicherheitsüberprüfung zumindest für den Zugang zu vertraulicher Information gemäß § 55 Abs. 3 Z 1 SPG zu unterziehen. Die Sicherheitsüberprüfung ist alle drei Jahre zu wiederholen. Bei Vorliegen von Anhaltspunkten, wonach ein Beiratsmitglied nicht mehr vertrauenswürdig sein könnte, ist die Sicherheitsüberprüfung vor Ablauf dieser Frist zu wiederholen.

(10) Der Beirat ist beschlussfähig, wenn der Vorsitzende oder sein Stellvertreter und zumindest vier weitere Beiratsmitglieder anwesend sind. Er trifft seine Entscheidungen mit einfacher Mehrheit. Eine Stimmenthaltung ist unzulässig. Der Beirat hat nähere Regelungen zu seinem Zusammenwirken, insbesondere über die Aufgaben des Vorsitzenden, die Rechte und Pflichten der Beiratsmitglieder, die Einberufung von Sitzungen sowie die Vertretung der weiteren Beiratsmitglieder im Verhinderungsfall, in einer Geschäftsordnung zu treffen.

(11) Zur Bewältigung der administrativen Tätigkeiten des Beirats hat der Bundesminister für Inneres die notwendige Sach- und Personalausstattung bereitzustellen. Zur Sicherstellung der Unabhängigkeit sind dem Beirat Büroräumlichkeiten außerhalb des Bundesamts zur Verfügung zu stellen. Die Beiratsmitglieder haben Anspruch auf eine dem Zeit- und Arbeitsaufwand entsprechende Vergütung. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, mit Verordnung Pauschalsätze für die Bemessung dieser Vergütung festzusetzen.

Beirat als Meldestelle

§ 9b. Jedermann ist berechtigt, einen Misshandlungsvorwurf im Sinne des § 4 Abs. 5 schriftlich oder elektronisch an den Beirat zu melden. Der Beirat hat diese Meldung unverzüglich der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe zur Behandlung zuzuleiten.

Erfüllung der Aufgaben des Beirats

§ 9c. (1) Die Beiratsmitglieder sind bei der Besorgung ihrer Aufgaben unabhängig, an keine Weisungen gebunden und unterliegen der Amtsverschwiegenheit sowie den sonstigen Geheimhaltungspflichten, die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Tätigkeit der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe zur Anwendung kommen. Sie sind nicht verpflichtet die Identität einer Auskunftsperson preiszugeben.

(2) Das Bundesamt ist verpflichtet, den Beirat bei seiner Tätigkeit zu unterstützen.

(3) Die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe hat dem Beirat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben jederzeit Einblick in alle erforderlichen Unterlagen und Aufzeichnungen zu gewähren und ihm auf Verlangen Abschriften (Ablichtungen) einzelner Aktenstücke unentgeltlich auszufolgen sowie Auskünfte zu erteilen; insofern kann ihm gegenüber keine Amtsverschwiegenheit geltend gemacht werden. Dies gilt jedoch nicht für Auskünfte und Unterlagen über die Identität von Personen oder über Quellen, deren Bekanntwerden die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden würde, und für Abschriften (Ablichtungen), wenn das Bekanntwerden der Information die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden würde. Darüber hinaus ist die Übermittlung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Beirats unbedingt erforderlich ist. Enthalten Unterlagen oder Aufzeichnungen Daten, die auf Grundlage der StPO ermittelt wurden, sind die Staatsanwaltschaften und Gerichte sowie die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe nach vorheriger Befassung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts ermächtigt, im Rahmen des Verfahrens zur begleitenden strukturellen Kontrolle der Tätigkeit der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe benötigte personenbezogene Daten nach Maßgabe des § 76 Abs. 4 StPO an den Beirat auf dessen Ersuchen zu übermitteln.

(4) Der Direktor sowie der Leiter der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe (§ 2 Abs. 10) sind verpflichtet, dem Beirat zumindest halbjährlich für ein Gespräch zur Verfügung zu stehen.

(5) Der Beirat erfüllt weder Aufgaben der Sicherheits- oder Kriminalpolizei noch ist er Dienst- oder Disziplinarbehörde.

(6) Der Beirat ist ermächtigt, personenbezogene Daten, einschließlich solcher über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten gemäß Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 679/2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. L 119 vom 04.05.2016 S. 1, sowie besondere Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung) von Personen, deren Daten im Rahmen des Verfahrens zur begleitenden strukturellen Kontrolle der Tätigkeit der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe benötigt werden, zu verarbeiten, sowie an die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe, die Staatsanwaltschaften und Gerichte zu übermitteln, sofern die jeweiligen Daten zur Erfüllung von gesetzlich übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Besondere Kategorien personenbezogener Daten sowie Daten gemäß Art. 10 Datenschutz-Grundverordnung dürfen nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß und schriftlich dokumentiert verarbeitet und übermittelt werden.

(7) Der Beirat hat ihm nach diesem Bundesgesetz übermittelte Daten, Weisungen (§ 7), Abschriften und Ablichtungen (Abs. 3) zu löschen, sobald der darauffolgende Bericht gemäß § 9d Abs. 1 erstattet wurde.

Berichte und Empfehlungen des Beirats

§ 9d. (1) Der Beirat hat dem Bundesminister für Inneres bis spätestens 30. April des Folgejahres einen Bericht über seine Aufgabenwahrnehmung und Empfehlungen zu erstatten. Diesen Bericht hat der Bundesminister für Inneres dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zu übermitteln.

(2) Der Beirat kann darüber hinaus jederzeit dem Bundesminister für Inneres und, soweit es ihm geboten erscheint, der Öffentlichkeit berichten. Empfehlungen an den Bundesminister für Inneres und an den Direktor gemäß § 9a Abs. 2 sind zu veröffentlichen. Veröffentlichungen nach diesem Absatz haben unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu erfolgen und so lange zu unterbleiben, als der Zweck laufender Ermittlungen der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe andernfalls gefährdet wäre.

(3) Erlangt der Beirat im Rahmen seiner Aufgabenwahrnehmung Kenntnis von Sachverhalten, die in den Aufgabenbereich der Volksanwaltschaft oder einer anderen Rechtsschutzeinrichtung fallen, hat er diese darüber zu informieren.“

20. In § 12 wird die Wortfolge „Frauen und Männer“ durch die Wortfolge „alle Geschlechter“ ersetzt.

21. Dem § 13 wird folgender Abs. 8 angefügt:

„(8) § 1, § 2 Abs. 1 und 2 sowie Abs. 5 bis 12, § 4 Abs. 1 Z 9a und 13 sowie Abs. 3 bis 5, § 4a samt Überschrift, § 5, § 6, § 7, § 8 Abs. 4, die §§ 9a bis 9d samt Überschriften, § 12, § 15 samt Überschrift und § 16 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023 treten sechs Monate nach dem Tag der Kundmachung in Kraft.“

22. § 15 samt Überschrift lautet:

„Übergangsbestimmungen und vorbereitende Maßnahmen

§ 15. (1) § 2 Abs. 2 und 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023 kommen bei Neu- oder Wiederbestellung des Direktors oder Stellvertreters nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023 zur Anwendung.

(2) Bedienstete des Bundesamts, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023 eine Nebenbeschäftigung bei der Dienstbehörde gemeldet haben, haben die in § 2 Abs. 7 und 8 vorgesehene Genehmigung für Nebenbeschäftigungen unverzüglich, längstens binnen zwei Wochen nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023, bei der Dienstbehörde zu beantragen. Bis zur Entscheidung der Dienstbehörde darf der Bedienstete die Nebenbeschäftigung vorläufig ausüben. Im Übrigen kann die in § 2 Abs. 8 vorgesehene Genehmigung für Nebenbeschäftigungen bereits vor Beginn der Tätigkeit im Bundesamt bei der Dienstbehörde beantragt werden.

(3) § 2 Abs. 9 ist auf Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023 bereits Bedienstete des Bundesamts sind, mit der Maßgabe anzuwenden, dass die erstmalige Sicherheitsüberprüfung innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023 durchzuführen ist.

(4) Sicherheitsüberprüfungen gemäß § 2 Abs. 9 sowie § 9a Abs. 9 und Ausbildungen gemäß § 2 Abs. 11 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023 können bereits mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023vorgenommen werden.

(5) Von dem der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023 folgenden Tag an sind alle vorbereitenden Maßnahmen zu setzen, die für die Ermöglichung einer zeitgerechten Aufgabenwahrnehmung durch die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe erforderlich sind. Insbesondere hat die Ausschreibung der Funktion des Leiters der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe gemäß § 2 Abs. 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023 so zeitgerecht zu erfolgen, dass dieser nach Möglichkeit seine Tätigkeit mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2023 aufnehmen kann.“

23. Der bisherige § 15 erhält die Paragraphenbezeichnung „§ 16“ und lautet:

§ 16. (1) Mit der Vollziehung des § 2 Abs. 6 ist der Bundesminister für Inneres und der für den öffentlichen Dienst zuständige Bundesminister betraut.

(2) Im Übrigen ist mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes der Bundesminister für Inneres betraut.“

Van der Bellen

Nehammer

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)