EAS 3440
Verkauft eine vormals in Großbritannien, aber seit 2020 in Österreich ansässige Person im Jahr 2021 zwei in Großbritannien belegene Liegenschaften1 , so stellt sich die Frage, ob und, wenn ja, in welchem Ausmaß Österreich ein Besteuerungsrecht am Veräußerungsgewinn zukommt.
Die Veräußerung der britischen Liegenschaften unterliegt in Österreich der Immobilienertragsteuer gemäß § 30 ff EStG 1988. Gemäß Artikel 13 Abs. 1 DBA-Großbritannien dürfen die Gewinne aus dem Verkauf der Liegenschaften in Großbritannien besteuert werden. Österreich darf gemäß Artikel 21 Abs. 1 lit. a DBA-Großbritannien unter Anrechnung der in Großbritannien erhobenen Steuern ebenfalls besteuern. Somit steht Österreich ein grundsätzliches Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen zu.
Für Zwecke der Ermittlung der Einkünfte gemäß § 30 EStG 1988 ist zwischen Alt- und Neuvermögen zu unterscheiden (vgl. EStR 2000 Rz 6631). Handelt es sich bei den Liegenschaften um "Altvermögen", dh. Grundstücke, die vor dem 31. März 2002 angeschafft wurden und damit am 31. März 2012 grundsätzlich nicht steuerverfangen waren, so beträgt der zu versteuernde Veräußerungsgewinn gemäß § 30 Abs. 4 EStG 1988 pauschal 14 Prozent des Veräußerungserlöses, unabhängig von den tatsächlichen Anschaffungskosten. Handelt es sich dagegen um "Neuvermögen", dh. ab dem 31. März 2002 angeschaffte Grundstücke, so ist der Veräußerungsgewinn gemäß § 30 Abs. 3 EStG 1988 als Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten zu ermitteln.
Daran vermag auch das DBA-Großbritannien nichts zu ändern, da es keine Einschränkung im Hinblick auf die Ermittlung des Veräußerungsgewinns für die Grundstücke vorsieht: Artikel 13 OECD-MA ist grundsätzlich bezogen auf den Veräußerungszeitpunkt anzuwenden. Dies leitet sich einerseits aus dem zeitpunktbezogenen Begriff der "Veräußerung" ab (Schuch, Die Zeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 231 f mwN), und andererseits aus der Systematik dieser Bestimmung, die einen Gleichlauf zur laufenden Besteuerung nach den jeweiligen DBA-rechtlichen Besteuerungstatbeständen anstrebt.
Dementsprechend ist auch die Bemessungsgrundlage für die Steuer auf Veräußerungsgewinne im Sinne von Artikel 13 OECD-MA bezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu berechnen. Artikel 13 unterscheidet nicht anhand des Ursprungs des Veräußerungsgewinns, welcher über längere Zeit anwachsen oder in relativ kurzer Zeit entstehen kann, und überlässt es dem nationalen Recht, ob die jeweiligen Gewinne besteuert werden sollen oder nicht (OECD-MK Art 13 Rz 11). Darüber hinaus muss laut dem OECD-Kommentar die Bemessungsgrundlage nach dem innerstaatlichen Recht des jeweiligen Staates berechnet werden (OECD-MK Art 13 Rz 12).
Der Zuzugsstaat (Österreich) kann somit für sich das Recht in Anspruch nehmen, im Fall einer nach dem Zuzug stattfindenden Veräußerung den gesamten nach seinem Recht eintretenden Wertzuwachs zu besteuern (EAS 3163 vom 21.06.2010). Eine etwaige dadurch eintretende Doppelbesteuerung wird gemäß Artikel 21 Abs. 1 lit. a DBA Großbritannien durch die Anrechnung der in Großbritannien erhobenen Steuern vermieden.
Bundesministerium für Finanzen, 4. November 2022
- 1 Redaktionelle Anmerkung: Im Rahmen einer Korrektur am 9. November 2022 wurde der Zusatz "(Eigentum 50:50)" entfernt.
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | Art. 13 Abs. 1 DBA GB (E), Doppelbesteuerungsabkommen Großbritannien und Nordirland (Einkommensteuer, Verhinderung der Steuerverkürzung), BGBl. III Nr. 32/2019 |
Schlagworte: | unbewegliches Vermögen, Veräußerungsgewinne, Step-up, stille Reserven, Zuzug, DBA Großbritannien, Aufwertung, Wegzugsbesteuerung |
Verweise: | EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 6660 |