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5.9.9.5 Vorübergehende doppelte Haushaltsführung

BMF2022-0.882.74219.12.2022

Rz 346
Liegen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung (Rz 344 und Rz 345) nicht vor oder sind sie weggefallen (zB (Ehe)Partner beendet seine berufliche Tätigkeit), können die Kosten für eine beruflich veranlasste Begründung eines zweiten Haushalts am Beschäftigungsort vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Dabei ist von einer angemessenen Frist auszugehen, die sich nach den Möglichkeiten der Beschaffung eines Familienwohnsitzes (bei Alleinstehenden eines Wohnsitzes) im Einzugsbereich des Beschäftigungsortes orientiert. Die Frage, ob bzw. wann dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines (Familien-)Wohnsitzes zumutbar ist, kann nicht schematisch vom Ablauf eines bestimmten Zeitraums abhängig gemacht werden; vielmehr sind die Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen (VwGH 22.04.1986, 84/14/0198). Im Allgemeinen wird aber

Rz 347
Die Beibehaltung der bisherigen Wohnung am Beschäftigungsort bei Verlegung des Familienwohnsitzes an einen auswärtigen Ort ist grundsätzlich nicht beruflich veranlasst.

Wird aber erstmals ein gemeinsamer Familienwohnsitz am Beschäftigungsort des einen (Ehe)Partners gegründet und der andere (Ehe)Partner muss, weil er seine bisherige Erwerbstätigkeit beibehält, auch seinen bisherigen Wohnsitz außerhalb der üblichen Entfernung vom neuen Familienwohnsitz beibehalten, so sind seine durch die Beibehaltung erwachsenden Mehraufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig.

Siehe auch Beispiel Rz 10347.

Rz 348
Ist der Steuerpflichtige regelmäßig an zwei oder mehreren Arbeitsstellen tätig und liegen nicht die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung vor, so ist der Familienwohnsitz innerhalb eines angemessenen Zeitraums (siehe Rz 346) in den Nahbereich einer dieser Beschäftigungsorte zu verlegen. Hinsichtlich des (der) anderen Beschäftigungsorte(s) können sodann die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung vorliegen.

Rz 349
Als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kommen unvermeidbare Mehraufwendungen in Betracht, die dem Abgabenpflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss (VwGH 23.05.2000, 95/14/0096). Es sind somit jene Kosten absetzbar, welche der Steuerpflichtige für eine zweckentsprechende Unterkunft (vgl. VwGH 23.11.2011, 2010/13/0148) für sich allein aufwenden muss. Darüber hinaus gehende Wohnkosten sind gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 nicht abzugsfähig.

Zu den unvermeidbaren Mehraufwendungen zählen:

Als Werbungskosten sind die Aufwendungen für eine zweckentsprechende Unterkunft anzuerkennen, höchstens jedoch die bezahlten Wohnkosten. Erhält der Steuerpflichtige nicht steuerpflichtige Ersätze, sind diese von den Aufwendungen abzuziehen. Dies gilt auch für Förderungen des Arbeitsmarktservice gemäß § 34 AMSG und der Bundesrichtlinie "Beihilfen zur Förderung der regionalen Mobilität und Arbeitsaufnahme (REMO)", BGS/AMF/0722/9997/2015 (Entfernungsbeihilfe für Unterkunftskosten).

Beispiele:

1. Der Steuerpflichtige mietet in A eine 30m²-Wohnung um 400 Euro brutto. Für eine 55m²-Wohnung müsste eine Bruttomiete von 700 Euro bezahlt werden. Die Aufwendungen des Steuerpflichtigen stellen in Höhe von monatlich 400 Euro Werbungskosten dar.

2. Der Steuerpflichtige mietet in B von einem Freund eine 100m²-Wohnung um 600 Euro brutto; die Wohnung wird auch vom studierenden Sohn benützt. Für eine 55m²-Wohnung müsste eine Bruttomiete von 650 Euro bezahlt werden. Die Aufwendungen des Steuerpflichtigen stellen in Höhe von monatlich 600 Euro Werbungskosten dar.

3. Der Steuerpflichtige mietet in C eine 80m²-Wohnung um 1.000 Euro. Für eine 55m²-Wohnung müsste eine Bruttomiete von 500 Euro bezahlt werden. Die Aufwendungen des Steuerpflichtigen stellen in Höhe von monatlich 500 Euro Werbungskosten dar.

Einrichtungsgegenstände können nur dann als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn sie zur üblichen Wohnungsausstattung zählen (gewöhnlicher Haushaltsbedarf; siehe UFSW 29.07.2009, RV/3704-W/08). Soweit die Anschaffungskosten der einzelnen Gegenstände den Wert von geringwertigen Wirtschaftsgütern iSd § 13 EStG 1988 (1.000 Euro einschließlich einer allenfalls in Rechnung gestellten Umsatzsteuer; bis 2022 800 Euro; bis 2019 400 Euro) nicht übersteigen, können sie im Jahr der Anschaffung in vollem Umfang als Werbungskosten abgeschrieben werden. Alle anderen Gegenstände sind im Wege der Absetzung für Abnutzung zu berücksichtigen (siehe UFSF 11.12.2007, RV/0307-F/07). Für die Ermittlung der Nutzungsdauer der einzelnen Gegenstände können die deutschen amtlichen AfA-Tabellen als Hilfsmittel herangezogen werden (vgl. EStR 2000 Rz 3115). Es bestehen aber keine Bedenken, für sämtliche Einrichtungsgegenstände eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 10 Jahren anzusetzen. Wird ein Gegenstand im Kalenderjahr mehr als sechs Monate genutzt, dann ist der gesamte auf ein Jahr entfallende Betrag abzusetzen, sonst die Hälfte dieses Betrages.

Für Zeiträume, in denen ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einkünfte bezieht (zB Arbeitslosengeld gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988), sind Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung nicht abzugsfähig (vgl. § 20 Abs. 2 EStG 1988).

Zu den Kosten für Familienheimfahrten siehe Stichwort "Familienheimfahrt" in Rz 354.

Siehe auch Beispiel Rz 10349.

Randzahl 350: entfällt

Rz 351
Voraussetzung für den Abzug von Kosten eines zweiten Haushalts am Berufsort ist das Vorliegen eines Mehraufwands. Ist die Beibehaltung der Wohnmöglichkeit an einem auswärtigen Ort für den Steuerpflichtigen mit keinerlei Kosten verbunden (Wohnmöglichkeit bei den Eltern), so kann von Mehrkosten nicht gesprochen werden (VwGH 16.3.1988, 87/13/0200).

In einer Partnerschaft (Lebensgemeinschaft) mit Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft ist es angesichts der vielfältigen wirtschaftlichen Lasten jedoch nicht erforderlich, genau nachzuweisen, wer welche Kosten des gemeinsamen Familienwohnsitzes trägt. Erwachsen einer Steuerpflichtigen demnach Kosten für einen berufsbedingten zweiten Haushalt und werden diese Kosten von ihr getragen, sind diese auch dann als Werbungskosten absetzbar, wenn die Miete für die Wohnung am Familienwohnsitz vom Lebensgefährten finanziert wird (VwGH 29.11.2006, 2002/13/0162).

Die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung können auch gegeben sein, wenn sich der Dienstnehmer auf Dienstreise im Sinne des § 26 Z 4 EStG 1988 zweiter Tatbestand befindet. Ein Werbungskostenabzug kommt aber stets nur insoweit in Betracht, als Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Beschäftigung außerhalb des Familienwohnsitzes nicht vom Arbeitgeber gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 abgegolten werden.

Rz 352
Kehrt der Steuerpflichtige ungeachtet der weiten Entfernung an mindestens elf Tagen im Kalendermonat zum Familienwohnsitz zurück, liegt kein Anwendungsfall für die Berücksichtigung von Familienheimfahrten vor, sondern es steht das Pendlerpauschale für Wegstrecken über 60 km zu (vgl. Rz 259a).

Daneben können für die Wegstrecke, die über 120 km hinausgeht, die tatsächlichen Fahrtkosten geltend gemacht werden. Der Gesamtbetrag (jeweiliges Pendlerpauschale und tatsächliche Fahrtkosten für die über 120 km hinausgehende Strecke) ist jedoch immer mit dem höchsten Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 begrenzt (vgl. UFS 21.12.2005, RV/0321-I/05; UFS 08.04.2010, RV/1390-L/07).

Allfällige Nächtigungskosten für jene Tage, an denen der Dienstnehmer nicht an seinen Familienwohnsitz zurückkehrt, sind gesondert absetzbar.

Insgesamt dürfen die genannten Aufwendungen (Pendlerpauschale, tatsächliche Fahrtkosten ab 120 km, (gelegentliche) Nächtigungskosten) aber nicht höher sein als die Kosten einer zweckentsprechenden Zweitwohnung und die mit dem Pendlerpauschale begrenzten Familienheimfahrten.

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