3.1. Allgemeine Dokumentationsvorschriften
3.1.1. Rechtsgrundlagen
§ 124 BAO sieht vor, dass derjenige, der nach Unternehmensrecht oder anderen gesetzlichen Vorschriften zur Führung und Aufbewahrung von Büchern verpflichtet ist, diese Verpflichtungen auch im Interesse der Abgabenerhebung zu erfüllen hat. Daneben ist die Buchführungspflicht nach § 125 BAO zu beachten.Bücher im Sinn des Abgabenrechts sind Aufschreibungen, die der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG 1988 bzw. § 5 EStG 1988) dienen. Daraus folgt, dass die Buchführung nicht nur der Ermittlung des unternehmensrechtlichen Gewinns dient, sondern auch die Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns ermöglichen muss. Durch eine den Vorschriften der BAO entsprechende Buchführung muss daher der Betriebsvermögensvergleich mit seinen steuerlichen Werten, sonach mit den Werten der Steuerbilanz ermöglicht werden. Der Begriff der Buchführung schließt damit den gesamten Ableitungsprozess aus der unternehmensrechtlichen Gewinnermittlung durch Vornahme einer Mehr-Weniger-Rechnung ein. Denn erst durch diese Ableitung wird es begrifflich möglich, die Werte der Steuerbilanz zu ermitteln.Inländische Konzerngesellschaften sind zwar zivilrechtlich nicht dazu verpflichtet, bei Verträgen mit ihrer ausländischen Muttergesellschaft dem Fremdvergleich entsprechende Preise zu vereinbaren, da insoweit Vertragsfreiheit gilt. Auch wenn daher keine unternehmensrechtliche Verpflichtung besteht, Belegmaterial über die fremdverhaltenskonforme Preisgestaltung zu erstellen, kann daraus aber nicht abgeleitet werden, dass auch keine steuerliche Dokumentationsverpflichtung bestünde. Weil der Begriff "Buchführung" die Erfassung sämtlicher Geschäftsvorfälle in einer Art und Weise erfordert, dass daraus eine Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinnes möglich wird, verlangt dies nach einer Gewinnermittlung unter Beachtung des in § 6 Z 6 EStG 1988 und Art. 9 OECD-MA festgeschriebenen Fremdvergleichsgrundsatzes. Beruft sich daher ein internationaler Konzern darauf, dass es unternehmensrechtlich genügt, lediglich die von der ausländischen Muttergesellschaft in Rechnung gestellten Einkaufspreise zu verbuchen und sind diese Einkaufspreise gemessen im Fremdvergleich überhöht, dann erwächst daraus die steuergesetzliche Verpflichtung, die Bücher so zu ergänzen, dass eine steuerrechtliche Gewinnermittlung mit fremdvergleichstauglichen Daten ermöglicht wird.Ergänzend statuiert § 131 Abs. 1 Z 5 BAO die Verpflichtung, die zu den Büchern oder Aufzeichnungen gehörigen Belege derart geordnet aufzubewahren, dass die Überprüfung der Eintragungen jederzeit möglich ist. "Überprüfung der Eintragungen" bedeutet im gegebenen Zusammenhang die Überprüfung der steuerlichen Richtigkeit der in den Büchern vorgenommenen Eintragungen. Dem Belegmaterial muss daher - soweit Geschäftsbeziehungen zu verbundenen Unternehmen betroffen sind - zu entnehmen sein, dass den Erfordernissen des Fremdverhaltens im Sinn des § 6 Z 6 EStG 1988 und des Art. 9 OECD-MA entsprochen wird. Für die Auslegung, in welchem Umfang ein Belegsystem erforderlich ist, ist auf die OECD-VPL zurückzugreifen (Hinweis insb. auf das dreistufige Dokumentationskonzept in Kapitel V der OECD-VPL und auf die besonderen Dokumentationserfordernisse für Kostenverteilungsverträge in Z 8.50 ff OECD-VPL).Bei der behördlichen Prüfung, ob der Fremdvergleichsgrundsatz in den Beziehungen zu den ausländischen verbundenen Unternehmen eingehalten wurde, ist gegebenenfalls auch auf § 138 BAO zurückzugreifen. Denn nach dieser Bestimmung haben Abgabepflichtige auf Verlangen der Abgabenbehörden in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Anbringen sind im gegebenen Zusammenhang vor allem die Steuererklärungen, in denen die steuerpflichtigen Gewinne unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Sinne des § 6 Z 6 EStG 1988 und Art. 9 OECD-MA auszuweisen sind. Treten im Rahmen einer abgabenbehördlichen Außenprüfung Zweifel an der gesetzeskonformen Gewinnermittlung auf, dann trifft den Abgabepflichtigen die Mitwirkungsverpflichtung des § 138 BAO. Es dürfen hierbei zwar keine offenbar unerfüllbaren Aufträge zum Nachweis der Richtigkeit der Parteibehauptungen auferlegt werden (VwGH 25.9.1964, 1528/63; 24.2.2004, 99/14/0247). Doch ist davon auszugehen, dass ein behördliches Auskunftsverlangen, das sich im Rahmen der international anerkannten Dokumentationserfordernisse der OECD-VPL bewegt (Hinweis insb. auf das dreistufige Dokumentationskonzept in Kapitel V der OECD-VPL und auf die besonderen Dokumentationserfordernisse für Kostenverteilungsverträge in Z 8.50 ff OECD-VPL), grundsätzlich nichts Unerfüllbares verlangt.Der Abgabepflichtige hat demnach im Rahmen der ihn nach den Bestimmungen der §§ 124, 131 und 138 BAO treffenden Obliegenheiten zu belegen, dass die Preisgestaltung in Geschäftsbeziehungen zu verbundenen Unternehmen auf der Grundlage der Bestimmungen des § 6 Z 6 EStG 1988 und der Art. 7 und 9 OECD-MA dem Grundsatz des Fremdverhaltens entspricht (Angemessenheitsdokumentation). Die Anforderungen in Bezug auf die Verrechnungspreisdokumentation sind zeitnah zu erfüllen. Dies bedeutet, dass die Dokumentation grundsätzlich zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls bzw. auf jeden Fall spätestens zum Zeitpunkt der Erstellung und Einreichung der Steuererklärung für das Wirtschaftsjahr, in dem der Geschäftsvorfall stattfand, erstellt werden muss (Z 5.8 OECD-VPL).Die Aufzeichnungen müssen einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Frist die Prüfung ermöglichen, ob und inwieweit die Abgrenzung der Einkünfte zwischen dem Steuerpflichtigen und dem verbundenen Unternehmen dem Grundsatz des Fremdverhaltens entspricht. Dafür müssen die erbrachten und honorierten Leistungen grundsätzlich im Einzelnen konkret und detailliert erfasst dargestellt werden (VwGH 28.1.2003, 99/14/0100). Unsortierte Massencomputerausdrucke erfüllen diese Aufgabe nicht. Auch die bloße Vorlage von Urkundenkonvoluten ist nicht ausreichend, wenn sich aus solchen Unterlagen der konkrete Leistungsinhalt und der konkrete Wert der Leistungen nicht nachvollziehbar ergibt (VwGH 8.7.2009, 2007/15/0036). Die Leistungsbeschreibung muss in einem solchen Maße konkret sein, dass die Einschätzung des genauen Marktwerts der Leistung möglich ist und in der Folge die Feststellung darüber getroffen werden kann, ob auch ein fremder Dritter jene Gegenleistung zu erbringen bereit gewesen wäre, welche von der verbundenen Gesellschaft geleistet wurde. Einer besonders exakten Leistungsbeschreibung bedarf es insbesondere dann, wenn der Vertragsgegenstand in der Erbringung schwer fassbarer Leistungen (zB Bemühungen, Beratungen, Kontaktvermittlung, Know-how-Überlassung) besteht (VwGH 26.1.2012, 2009/15/0032; 19.4.2018, Ra 2017/15/0041; 27.11.2020, Ra 2019/15/0162; 17.3.2021, Ra 2020/15/0113).Liegt eine Verrechnungspreisdokumentation vor, die den Bestimmungen der BAO über Aufzeichnungen sowie den für Verrechnungspreise einschlägigen Normen entspricht, so hat sie die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich, ist der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen und die Abgabenbehörde trifft die Beweislast für den Nachweis, dass die Verrechnungspreise nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen (EAS 604). Die Behörde ist sowohl bei materiellen als auch bei formellen Unzulänglichkeiten der Aufzeichnungen berechtigt, die Grundlagen für die Abgabenerhebung gemäß § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen. Es müssen aber die formellen Beanstandungen so schwerwiegend sein, dass sie einen berechtigten Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Aufzeichnungen nach sich ziehen (VwGH 2.6.1992, 87/14/0160). Das Ergebnis der Schätzung muss den tatsächlich erzielten wirtschaftlichen Ergebnissen und Verhältnissen möglichst nahe kommen (BFG 9.6.2015, RV/1100098/2011); dabei ist der Fremdvergleichsgrundsatz zu berücksichtigen. Es können nicht nur einzelne Verrechnungspreise für Waren, Dienstleistungen oder Lizenzen geschätzt werden, sondern zB auch Gewinnmargen sowie Gewinn- oder Kostenaufschläge.Bei Verrechnungspreisfällen handelt es sich überdies um Auslandssachverhalte, sodass gemäß § 115 Abs. 1 zweiter Satz BAO eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen besteht. Die erhöhte Mitwirkungspflicht hat beispielsweise zur Folge, dass es am Abgabepflichtigen liegt, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhaltselemente beizuschaffen oder im Ausland lebende Zeugen zu kontaktieren und stellig zu machen (vgl. EStR 2000 Rz 1123). Weiters ist beispielsweise bereits während der Geschäftstätigkeit dafür Vorsorge zu treffen, dass für das Abgabeverfahren erforderliche Urkunden und Dokumente verfügbar sind; alle relevanten Sachverhaltselemente sind so zu dokumentieren, dass sie für die Abgabenbehörde nachvollziehbar sind. Vom Abgabepflichtigen darf allerdings unter Berufung auf die erhöhte Mitwirkungspflicht nichts Unmögliches oder für das Abgabenverfahren Unerhebliches verlangt werden (EStR 2000 Rz 1121). Kommt der Abgabepflichtige der erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nach, so hat die Behörde den maßgebenden Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO) festzustellen (dh. jenen Sachverhalt anzunehmen, der die überragende Wahrscheinlichkeit oder gar Gewissheit für sich hat) bzw. die Bemessungsgrundlage allenfalls zu schätzen.Im Ermittlungsverfahren kann es zweckmäßig sein, dass die Abgabenbehörde im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Amtshilfeinstrumente von ausländischen Behörden weitere Informationen beschafft oder einzelne bzw. alle Angaben des Abgabepflichtigen überprüft. Eine bestehende internationale Amtshilfemöglichkeit entbindet den Abgabepflichtigen jedoch nicht von der Erfüllung der ihn treffenden Offenlegungs- und Mitwirkungspflichten (EAS 604, EAS 909, EAS 1089). Denn ein Informationsaustausch auf Ersuchen setzt voraus, dass bereits alle Informationsquellen, die üblicherweise im innerstaatlichen Besteuerungsverfahren zur Verfügung stehen, ausgeschöpft sind (OECD-MK Art. 26 Z 9).