1.3.1. Warenlieferungen
1.3.1.1. Produktionsgesellschaften
Bei der Prüfung, ob die von einer Produktionsgesellschaft für konzerninterne Warenlieferungen in Rechnung gestellten Verrechnungspreise dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, ist im Rahmen der Funktionsanalyse festzustellen, ob die Produktion nach der Grundform einer Eigenproduktion oder nach jener eines Lohnfertigers oder in einer Zwischenform (zB Auftragsfertiger) ausgeübt wird. Im Fall der Eigenproduktion ist die Übernahme eigener Marktchancen und Marktrisiken gegeben, während im Fall der reinen Lohn- oder Auftragsfertigung von einer Aktivität mit Dienstleistungscharakter auszugehen ist.Die Funktionen eines Lohnfertigers und die damit verbundenen Risiken sind im Vergleich zu jenen eines Eigenproduzenten als gering zu qualifizieren. Zur Einstufung eines Produzenten als bloßen Lohnfertiger führen in der Regel folgende Umstände:- über die Produktpolitik und die Fertigungsschritte entscheidet ein anderes Unternehmen (der Auftraggeber); daher besteht keine oder nur eine untergeordnete Dispositionsfreiheit im Produktionsablauf;
- die Technologie wird vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt; daher betreibt der Lohnfertiger keine eigene Forschung und Entwicklung und besitzt kein Eigentum an den entsprechenden immateriellen Vermögenswerten;
- zumindest teilweise werden vom Auftraggeber Material und Rohstoffe beigestellt, daher besteht nur eine sehr eingeschränkte Beschaffungsfunktion;
- es gilt in der Regel eine "just in time"-Konzeption, sodass nur eine geringe Lagerhaltung nötig ist;
- der Lohnfertiger hat keinen eigenen Vertrieb, die Ware wird im vollen Umfang zu garantierten Absatzpreisen vom Auftraggeber abgenommen.
Im Vergleich zum Lohnfertiger nimmt ein Auftragsfertiger mehr Funktionen wahr (zB die Beschaffung des für die Fertigung notwendigen Materials und der Rohstoffe) und übernimmt dementsprechend auch mehr Risiken. Der Auftraggeber bestimmt jedoch auch beim Auftragsfertiger die Produktionsmenge und garantiert die Abnahme der produzierten Waren, sodass ein Auftragsfertiger in der Regel ebenfalls als Routineunternehmen einzustufen ist.
Angesichts des geringen Funktions- und Risikoprofils eines Konzernunternehmens mit bloßem Lohn- oder Auftragsfertigungscharakter ist - sofern keine Vergleichspreise feststellbar sind - der Verrechnungspreis für die erbrachte Dienstleistung nach der Kostenaufschlagsmethode (oder der kostenbasierten TNMM) zu ermitteln, wobei der Routinecharakter der Funktionen keinen Anspruch auf Teilnahme an dem vom Konzern erzielten Residualgewinn gestattet.Auch wenn die Warenproduktion in Niedriglohnländer verlagert wird, steht dem Lohnfertiger nur eine seinen Routinefunktionen angemessene Vergütung zu, die nach der Kostenaufschlagsmethode ermittelt wird (Rz 198).1.3.1.2. Vertriebsgesellschaften
Konzerne bedienen sich ganz unterschiedlicher Vertriebsstrukturen. Während Eigenhändler und Limited-Risk-Distributoren Waren von Konzerngesellschaften ein- und in der Regel an Drittkunden verkaufen, agieren Kommissionäre und Handelsvertreter als Geschäftsvermittler (siehe Rz 271 ff für die damit einhergehende Frage der Begründung einer Vertreterbetriebsstätte). In jedem Fall müssen die konzerninternen Transaktionen fremdüblich entsprechend dem Funktions- und Risikoprofil der Vertriebsgesellschaft vergütet werden. Als Methode wird häufig die Wiederverkaufspreismethode oder eine umsatzbezogene TNMM verwendet. Tritt hingegen bei einer Vertriebsaktivität die Dienstleistung in den Vordergrund, so wird sich die Kostenaufschlagsmethode (oder eine kostenbezogene TNMM) als die zielgenauere Methode erweisen (EAS 2128).Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer (Rz 16) einer (inländischen) Vertriebsgesellschaft wird - nach Ablauf einer Anlaufphase - einen angemessenen Gesamtgewinn erwarten (BFH 17.2.1993, I R 3/92, BStBl II 1993, 457).Beispiel:
Wendet ein Vertriebsunternehmen die Preisvergleichsmethode in einer Art an, die nach einer Anlaufphase nicht zu einem angemessenen Gesamtgewinn führt, könnte sich im Rahmen einer Außenprüfung die Wiederverkaufspreismethode als die geeignetere Methode erweisen. Sollte diesfalls die ausländische Produktionsgesellschaft nicht in der Lage sein, auch selbst einen angemessenen Produktionsgewinn zu erzielen, weshalb die ausländische Steuerverwaltung eine Gegenberichtigung zunächst verweigert, könnte dieser Besteuerungskonflikt im Wege eines Verständigungsverfahrens geklärt werden. Darin wird auch zu prüfen sein, ob die Verluste des ausländischen Produzenten möglicherweise nur durch marktwerterhöhende Aufwendungen oder durch aufklärungsbedürftige Transaktionen mit Niedrigsteuerländern verursacht worden sind.