Normen
§ 8 Abs. 3 KStG
Tatbestand:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine inländische GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist u. a. der Vertrieb importierter dänischer Produkte. Das Stammkapital der Klägerin wird zu gleichen Teilen von zwei dänischen Muttergesellschaften gehalten. Die Klägerin vertreibt die von den dänischen Muttergesellschaften produzierten bzw. exportierten Markenartikel in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) im Alleinvertrieb.
Anläßlich einer Betriebsprüfung beanstandete der Prüfer, daß seit Aufnahme des Vertriebs der aus Dänemark importierten Produkte in Deutschland im Jahre 1965 sich die dänischen Muttergesellschaften nicht an den hohen Werbe- und Einführungskosten der Klägerin beteiligt hätten. Hinsichtlich der seit 1976 importierten Marke "X" waren der Klägerin u. a. deshalb zumindest ab 1979 erhebliche Verluste aus dem Vertrieb dieses Produktes erwachsen. In dem Verzicht auf einen nach seiner Ansicht branchenüblichen Werbekostenausgleich sah der Prüfer eine verdeckte Gewinnausschüttung an die dänischen Muttergesellschaften, denn ein fremder Dritter hätte einen entsprechenden Werbekostenzuschuß verlangt und erhalten. Die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung setzte der Prüfer ausgehend von einer branchenüblichen Beteiligung an derartigen Werbe- und Einführungskosten mit dem Mindestsatz von 50 v. H. der jeweils pro Jahr aufgewendeten Werbekosten an. Grundlage für die vom Prüfer angenommene Branchenüblichkeit der Aufteilung der Markterschließungskosten zwischen Exporteur und inländischem Vertriebsunternehmen waren Auskünfte, die im Laufe der Außenprüfung bei zwölf inländischen Importeuren eingeholt worden waren.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Feststellungen der Betriebsprüfung in den Körperschaftsteuerbescheiden für 1977 bis 1982 sowie in den Bescheiden gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977) zum 31. Dezember 1977 bis zum 31. Dezember 1983. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegte Klage sah das Finanzgericht (FG) als begründet an.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob im Streitfall eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 und eine andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 anzunehmen oder auszuschließen sind, fehlt es an den notwendigen tatsächlichen Feststellungen.
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854). Die Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) ist nach der Rechtsprechung des BFH durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Die andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 unterscheidet sich von der verdeckten Gewinnausschüttung nur dadurch, daß an die Stelle der für letztere vorausgesetzten Einkommensminderung der tatsächliche Vermögensabfluß (oder verhinderte -zufluß) tritt.
2. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Vertriebsgesellschaft wird für die GmbH, deren Geschäfte er führt, nur dann ein neues Produkt am Markt einführen und vertreiben, wenn er daraus bei vorsichtiger und vorheriger kaufmännischer Prognose innerhalb eines überschaubaren Kalkulationszeitraumes und unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Marktentwicklung (bezogen auf dieses Produkt) für die GmbH - ggf. nach Verlusten innerhalb einer vertretbaren Anlaufzeit - einen angemessenen Gesamtgewinn erwarten kann. Denn es ist die Aufgabe einer GmbH als eines Erwerbsunternehmens, Gewinne zu erzielen und die Gewinne nach Möglichkeit zu steigern (BFH-Urteil in BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854).
Die Gewinnerwartung entsprechend den vorstehenden Grundsätzen ist betriebswirtschaftlich zu belegen; insbesondere sind dafür die vorab erstellte Absatzplanung, Werbestrategie und Gewinnplanung für den erwartbaren Absatzzeitraum geeignet. Für die Beurteilung der Plausibilität der Gewinnprognose können die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums, insbesondere wenn die Gesellschaft darin Verluste (hier: aus der Einführung des streitigen Produkts) erzielt hat, wichtige Anhaltspunkte bilden (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 1990 I R 22/88, BFH/NV 1990, 768). In der Regel kann davon ausgegangen werden, daß die später eingetretene tatsächliche Entwicklung der prognostizierten entspricht, sofern nicht unerwartete, mit außergewöhnlichen Kosten verbundene Umstände eingetreten sind. Die Verlustphase der Anlaufzeit wird zudem - abgesehen von besonderen Umständen im Einzelfall - einen Zeitraum von drei Jahren nicht übersteigen.
Unbeschadet dessen würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter keine Vermögensminderungen wegen zu hoher Einführungspreise oder wegen des Aufwands der Markteinführung und Werbung hinnehmen, wenn dieser Aufwand üblicherweise von Dritten - insbesondere vom Hersteller oder Lieferanten - getragen wird (vgl. zu letzterem BFH-Urteile vom 12. März 1980 I R 186/76, BFHE 130, 296, BStBl II 1980, 531, und vom 1. Februar 1967 I 220/64, BFHE 88, 545, BStBl III 1967, 495). Bei den Kosten der Einführung eines Produkts wird man eine solche Übung indes nur bei vergleichbaren Umständen innerhalb der betreffenden Branche annehmen können (vgl. BFH in BFHE 88, 545, BStBl III 1967, 495). Dies setzt weitgehend einheitliche Branchenverhältnisse und eine repräsentative Anzahl von Vergleichsfällen voraus. Zudem ist das wirtschaftliche Interesse des Herstellers/Lieferanten im Vergleich zum Interesse des Vertriebspartners am Absatz des Produkts zu würdigen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Oktober 1992 I R 69/88, nicht veröffentlicht - n. v. -).
3. Die Tatsachenfeststellung und -würdigung des FG wird den vorstehenden Anforderungen nicht gerecht; seine Entscheidung war deshalb aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Das FG wird unter Beachtung der oben dargelegten Voraussetzungen festzustellen und zu würdigen haben, ob die Klägerin im Streitfall bei der gebotenen kaufmännischen Prognose einen angemessenen Gewinn aus dem Vertrieb des Produkts erwarten durfte, ersatzweise, ob es in der Branche der Klägerin üblich war, daß der Vertriebspartner die Markteinführungs- und Werbekosten trug.
Zwar hat das FG angeführt, nach seiner Ansicht hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter bei sonst gleichen Umständen ebenfalls die Entscheidung getroffen, das Produkt ohne Werbekostenbeteiligung von Hersteller oder Exporteur auf dem deutschen Markt einzuführen, da es unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten wahrscheinlich sei, daß bei einer langfristig angelegten Marktstrategie hieraus letztlich ein angemessener Betriebsgewinn verbleibe. Indes hat das FG die konkreten Fakten und Zahlen nicht dargelegt, auf die es diese Annahme gründet. Das Revisionsgericht kann damit nicht überprüfen, ob die Vorinstanz insoweit die Denkgesetze, die allgemeinen Erfahrungssätze und die anerkannten Schätzmethoden beachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 1990 I R 119/85, BFH/NV 1991, 415). Es reicht nicht aus, lediglich - wie es das FG getan hat - allgemein auf den Erfolg des streitigen Produkts auf dem dänischen Markt und auf "Gewinnmöglichkeiten" hinzuweisen, die sich aufgrund einer testweisen Einführung im norddeutschen Grenzland ergeben hätten.
Ebensowenig vermögen die tatsächlichen Feststellungen des FG, die Muttergesellschaften der Klägerin hätten fremden Dritten in anderen Ländern das streitige Produkt zu den gleichen Bedingungen wie an die Klägerin geliefert, seine Würdigung zu tragen. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte sich dennoch auf das Geschäft zu diesen Bedingungen nur eingelassen, wenn daraus für die GmbH ein angemessener Gewinn zu erwarten und kein gleichwertiges Konkurrenzprodukt zu besseren Bedingungen zur Verfügung gestanden hätte. Dazu fehlt es indes an Feststellungen des FG.
4. Eine Berichtigung von Einkünften gemäß § 1 des Außensteuergesetzes kommt nicht in Betracht; die Vorschrift gilt nur "unbeschadet anderer Vorschriften", kommt also nicht zum Zuge, soweit nach anderen Vorschriften die Einkünfte bzw. das Einkommen zu erhöhen sind (BFH-Urteil vom 9. November 1988 I R 335/83, BFHE 155, 101, BStBl II 1989, 510).