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1.1.4. Rechtliche Bedeutung der OECD-VPL

BMF2021-0.586.6167.10.2021

Rz 18
In rechtlicher Hinsicht handelt es sich bei den OECD-VPL um eine Empfehlung des Rates der OECD (C(95)126/FINAL idF C(2017)37). Der Rat empfiehlt darin den Regierungen der OECD-Mitgliedstaaten, dass sie:

  1. "1. bei der Prüfung und gegebenenfalls Berichtigung von Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte die Leitlinien [OECD-VPL] befolgen - unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Leitlinien sowie der verschiedenen Kapitel im Zusammenspiel zueinander -, um zu fremdvergleichskonformen Verrechnungspreisen für Geschäftsvorfälle zwischen verbundenen Unternehmen zu gelangen;
  2. 2. die Steuerpflichtigen zur Befolgung der Leitlinien ermutigen; zu diesem Zweck sollten sie die Leitlinien bekannt machen und gegebenenfalls in ihre Landessprache(n) übersetzen lassen;
  3. 3. die Zusammenarbeit in Verrechnungspreisfragen auf bilateraler oder multilateraler Ebene ausbauen."

Rz 19
Die OECD-VPL erlangen aufgrund von Art. 31 WVK (Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, BGBl. Nr. 40/1980) als Auslegungsinstrument für DBA rechtliche Beachtlichkeit (Hinweis auf VwGH 31.7.1996, 92/13/0172 und VwGH 24.11.1999, 94/13/0233; siehe auch UFS 14.3.2005, RV/2154-L/02). Sie sind für die Auslegung der jeweils anwendbaren DBA-Bestimmungen - im Sinne einer dynamischen Interpretation - in ihrer letztgültigen Version heranzuziehen (OECD-MK Art. 9 Z 1 iVm OECD-MA 2017 Introduction Z 33 ff; siehe auch UFS 30.7.2012, RV/2515-W/09). Die letztgültigen OECD-VPL gelten daher grundsätzlich für alle von Österreich abgeschlossenen DBA. Nur wenn sich in einer neueren Version der OECD-VPL eine ausdrückliche Abkehr von Aussagen früherer OECD-VPL und nicht bloß klarstellende oder ergänzende Aussagen finden, so ist dem jeweiligen Geschäftsvorfall die zu diesem Zeitpunkt geltende Version der OECD-VPL zugrunde zu legen. Die VPR 2021 bedienen sich weiterführender Hinweise auf die OECD-VPL in der letztgültigen Fassung und stehen zukünftigen Änderungen der OECD-VPL nicht entgegen.

Rz 20
Rechtliche Beachtlichkeit entfalten die steuerlichen OECD-Empfehlungen aber auch auf der Ebene des originär innerstaatlichen Rechts; und zwar insoweit, als sie Auslegungslücken füllen. Denn originär innerstaatliches Recht wird im Zweifel so zu verstehen sein, dass es einer Umsetzung einer OECD-Empfehlung nicht entgegensteht (siehe zB Rz 15 und Rz 405).

1.1.5. Verrechnungspreise und Einkünftezurechnung

Rz 21
Dem Grunde nach steuerlich anzuerkennende Transaktionen stellen den Ausgangspunkt einer Verrechnungspreisprüfung dar. Unter Beachtung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 21 BAO) sowie der allgemeinen Grundsätze der Einkünftezurechnung ist somit zunächst der wahre wirtschaftliche Gehalt einer Transaktion zu ermitteln. Bei Vorliegen eines Scheingeschäfts (§ 23 BAO) oder aufgrund von Rechtsmissbrauch (§ 22 BAO) kann die Anerkennung einer Transaktion versagt werden. Wird nach diesen allgemeinen Grundsätzen eine Transaktion zwischen verbundenen Unternehmen dem Grunde nach steuerlich anerkannt, gilt auch im Verhältnis zu Niedrigsteuerländern der Fremdvergleichsgrundsatz.

Rz 22
Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 3 EStG 1988 sind demjenigen zuzurechnen, dem die Einkunftsquelle zuzurechnen ist. Die Einkunftsquelle kann sich auf das wirtschaftliche Eigentum, auf ein Mietrecht, auf ein Recht zur Weiter- oder Untervermietung, auf ein Nutzungsrecht oder eine bloße Tätigkeit gründen. Zurechnungssubjekt ist derjenige, der aus der Tätigkeit das Unternehmerrisiko trägt, der also die Möglichkeit besitzt, die sich ihm bietenden Marktchancen auszunützen, Leistungen zu erbringen oder zu verweigern. Die rechtliche Gestaltung ist dabei nur maßgebend, wenn sich in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nichts anderes ergibt (EStR 2000 Rz 104). Einkünfte sind sonach dem tatsächlichen Träger der Erwerbstätigkeit zuzurechnen. Nimmt daher eine ausländische Gesellschaft am Erwerbsleben nicht in der erklärten Art und Weise teil oder erfüllt sie nicht sinnvolle Funktionen, dann sind die Einkünfte nicht ihr, sondern dem tatsächlichen Träger der Erwerbstätigkeit zuzurechnen (VwGH 10.12.1997, 93/13/0185; 15.12.2010, 2008/13/0012).

Rz 23
Wenn eine zwischengeschaltete Gesellschaft Einkünftezurechnungssubjekt ist, ist auf Basis einer Funktionsanalyse (Rz 61) festzustellen, ob sie ein wirtschaftlich signifikantes Risiko trägt oder eine wirtschaftliche Funktion in der Wertschöpfungskette ausübt. Tut sie das nicht, wird ihr aufgrund des Fremdvergleichsgrundsatzes kein Gewinn zugerechnet werden können, da unabhängige Unternehmen einer solchen Gesellschaft üblicherweise keinen Anteil am Gewinn des Geschäfts einräumen würden (Z 2.39 OECD-VPL; BFG 24.4.2015, RV/1100109/2011).

Beispiel:

Die österreichische Konzerngesellschaft A-AG erzeugt Grundprodukte, die zur Weiterverarbeitung durch eine luxemburgische Konzerngesellschaft bestimmt sind. Das Endprodukt wird nach Weiterverarbeitung schließlich durch die luxemburgische Konzerngesellschaft an Fremdkunden verkauft. Wird nun eine luxemburgische Kapitalgesellschaft zwischen den österreichischen Lieferanten und die luxemburgische Konzerngesellschaft "zwischengeschaltet", so wird eine Verletzung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach Art. 6 DBA Luxemburg (entspricht Art. 9 OECD-MA) vermutet, wenn die Gesellschaft nicht nachweisen kann, dass sie ein wirtschaftlich signifikantes Risiko trägt oder eine wirtschaftliche Funktion in der Wertschöpfungskette ausübt (vgl. auch EAS 3210).

Rz 24
Als Missbrauch (§ 22 BAO) ist eine (bloß einen oder mehrere Schritte umfassende) rechtliche Gestaltung oder eine Abfolge rechtlicher Gestaltungen anzusehen, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung unangemessen ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet. Liegt Missbrauch vor, sind die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen - aber eben nicht tatsächlich gewählten - Gestaltung zu erheben wären (VwGH 3.9.2008, 2008/13/0031). Einer derartigen Umqualifizierung stehen die OECD-VPL nicht entgegen, denen zufolge es möglich ist, gewisse Transaktionen für Verrechnungspreiszwecke nicht anzuerkennen, wenn sie einer wirtschaftlichen Rationalität entbehren (Z 1.123 OECD-VPL).

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