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Homeoffice als Betriebsstätte

BMFBMF-010221/0323-IV/8/201827.6.20192019

EAS 3415

 

Übt ein in Österreich ansässiger Arbeitnehmer eines in Deutschland ansässigen Unternehmens seine Tätigkeit (auch) an seinem inländischen Wohnsitz (Homeoffice) aus, so kann dadurch für das deutsche Unternehmen eine beschränkte Steuerpflicht ausgelöst werden. Inländische Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens ist gemäß § 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 gegeben, wenn das Homeoffice eine Betriebsstätte iSd § 29 Abs. 1 BAO begründet. Gemäß § 29 Abs. 1 BAO gilt jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Betriebs dient, als Betriebsstätte.

Werden im Homeoffice in der Wohnung des Arbeitnehmers im Wesentlichen ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellter Laptop und ein Mobiltelefon zur Arbeitsausübung genutzt, so kann darin bereits eine "feste örtliche Anlage oder Einrichtung" bestehen. Darüber hinaus erfordert § 29 BAO die Ausübung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes an diesem Ort. Somit kann eine Betriebsstätte durchaus auch in der inländischen Wohnung des Mitarbeiters gegeben sein; denn auch von einem Angestellten angemietete Räumlichkeiten können für den Arbeitgeber eine Betriebsstätte begründen, wenn sie für Zwecke des Unternehmens verwendet werden (EAS 1521 mit Verweis auf BFH vom 30.1.1974, BStBl II 327, siehe auch EStR 2000 Rz 7926). Dementsprechend kann es keinen Unterschied machen, ob betriebsstättenbegründende Räumlichkeiten einem ausländischen Unternehmen von einem Dritten oder von seinem eigenen Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden (vgl. Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes, Internationales Steuerrecht I/121 Z 00 Rz 197). Es genügt, dass sich in der Wohnung eine - wenn auch nur geringfügige - Tätigkeit für den Gewerbebetrieb abspielt (VwGH 1.10.1991, 90/14/0257; EAS 180; EAS 350; EAS 1119; EAS 1521; EAS 1590; EAS 1705; EAS 2450; EAS 2754; EAS 3270; EAS 3392). Eine gewisse Verfügungsmacht des Unternehmers über die Anlage oder Einrichtung ist notwendig (vgl. Ritz, BAO6, § 29 Rz 7 mit Verweis auf BFH, BStBl 1987 II 162). Diese Verfügungsmacht wird dem Arbeitgeber faktisch im Wege der betrieblichen Nutzung des Homeoffice durch seinen Arbeitnehmer verschafft. Damit kann auch für Zwecke der Lohnsteuer eine Betriebsstätte iSd § 81 Abs. 1 EStG 1988 gegeben sein, wonach die für die Dauer von mehr als einem Monat unterhaltene feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung der durch den Arbeitnehmer ausgeführten Tätigkeit dient, eine Betriebsstätte begründet (siehe auch LStR 2002 Rz 1206).

Nach herrschender Auffassung wird im Fall der bloßen Vergabe von "echter Heimarbeit" in der Wohnung des Heimarbeiters keine Betriebsstätte für den Arbeitgeber begründet (Ritz, BAO6, § 29 Rz 8). Echte Heimarbeiter (vgl. EStR 2000 Rz 7927a, LStR 2002 Rz 405 2. Satz; sowie zB EAS 1705; EAS 1763; EAS 3277) sind nur solche Arbeiter, die unter das Heimarbeitsgesetz 1960 fallen. Gemäß § 2 Abs. 1 Heimarbeitsgesetz 1960 ist "Heimarbeiter, wer, ohne Gewerbetreibender nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung zu sein, in eigener Wohnung oder selbst gewählter Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Personen, die Heimarbeit vergeben, mit der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Waren beschäftigt ist". Die Tätigkeiten, die unter diese Bestimmung fallen, sind sonach beschränkt. Unter das Heimarbeitsgesetz 1960 fallen manuelle Tätigkeiten und minderqualifizierte Schreibarbeiten. Nicht unter das Heimarbeitsgesetz 1960 fällt daher etwa die Tätigkeit des Übersetzers (VwGH 27.10.1972, 0836/72). Selbst die Durchführung von "einfachen" Schreibkrafttätigkeiten (Schreibarbeit nach Band) fällt nicht unter das Heimarbeitsgesetz 1960 (VwGH 20.11.1981, 0153/80). Ist daher beispielsweise ein Homeoffice-Mitarbeiter eines Software-Unternehmens im Bereich der Programmierung oder Qualitätssicherung tätig, oder hat ein Arbeitnehmer strategische Aufgaben/Entwicklungsaspekte oder Dokumentations-/Support-Aufgaben inne, so fallen diese Tätigkeiten nicht unter das Heimarbeitsgesetz 1960, weshalb auch kein Fall eines echten Heimarbeiters gegeben ist.

Im Ergebnis kann daher aufgrund der Homeoffice Tätigkeit des inländischen Arbeitnehmers für das deutsche Unternehmen eine Betriebsstätte nach rein nationalem Recht begründet werden. In einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, ob ein innerstaatlicher Besteuerungsanspruch Österreichs auch nach dem Abkommensrecht aufrechterhalten wird und ob durch das Homeoffice eine Betriebsstätte iSd Art. 5 DBA-Deutschland vorliegen kann. Gemäß den Ausführungen des OECD-MK zu Art. 5 Z 12, hängt das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung iSd Art. 5 im Allgemeinen von folgenden Faktoren ab: "Effective power to use that location" (Verfügungsmacht), "extent of the presence of the enterprise at that location" (Dauerhaftigkeit) und "activities that it performs there" (unternehmerische Tätigkeit). Insbesondere die Faktoren der Dauerhaftigkeit und der Verfügungsmacht sind iZm einer Homeoffice-Betriebsstätte zu prüfen (OECD-MK Art. 5 Z 18):

Darüber hinaus können auch noch folgende Aspekte bei der Prüfung einer Homeoffice-Betriebsstätte relevant sein:

Letztlich ist das Vorliegen einer Betriebsstätte vom zuständigen Finanzamt zu beurteilen. Dabei ist auch zu beachten, ob der Sachverhalt auf Seiten beider Abkommenspartner korrespondierend beurteilt wird.

Bundesministerium für Finanzen, 27. Juni 2019

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 81 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 29 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 29 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 1 Heimarbeitsgesetz 1960, BGBl. Nr. 105/1961
Art. 5 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 5 Abs. 4 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002

Schlagworte:

Homeoffice, Heimarbeit, Betriebsstätte, feste örtliche Anlage oder Einrichtung, Verfügungsmacht, Lohnsteuer, Arbeitsplatz

Verweise:

EAS 1521
EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 7926
VwGH 01.10.1991, 90/14/0257
EAS 180
EAS 350
EAS 1119
EAS 1590
EAS 1705
EAS 2450
EAS 2754
EAS 3270
EAS 3392
LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 1206
EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 7927a
LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 405
EAS 1763
EAS 3277
VwGH 27.10.1972, 0836/72
VwGH 20.11.1981, 0153/80
EAS 2966
EAS 3323
UFS 16.05.2011, RV/0787-L/10

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