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8. Entstehen der Gebührenschuld für Schriften (§ 10 und § 11 GebG)

BMFBMF-010206/0094-IV/9/201812.2.2019

8.1. Schriften und Amtshandlungen nach § 10 GebG

Rz 124
Nach dem GebG sind nur diejenigen Schriften und Amtshandlungen gebührenpflichtig, die in den Tarifposten des § 14 GebG (siehe Rz 181 ff) aufgezählt sind. Das sind:

8.1.1. Prinzip der Schriftlichkeit - Urkundenprinzip

Rz 125
Weist eine Schrift oder Amtshandlung die gesetzlich geforderten Merkmale auf, unterliegt sie einer Stempelgebühr (siehe Rz 55). Das GebG knüpft - besonders in diesem Bereich der Stempelgebühr - an formale Kriterien an (VwGH 15.1.1981, 3627/80) und wird vom Prinzip der Schriftlichkeit (Urkundenprinzip) beherrscht (VwGH 19.12.1986, 86/15/0071). Schriftlichkeit ist aber nicht in einem engen Wortsinn zu verstehen. Die Gebührenpflicht ist zwar grundsätzlich vom Vorhandensein eines Schriftstückes abhängig, das Vorliegen von Papier ist jedoch nicht erforderlich (siehe Rz 126).

Rz 126
Auch automationsunterstützt oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebrachte Eingaben und Beilagen, sowie auf diese Weise ergehende Erledigungen, amtliche Ausfertigungen, Protokolle und Zeugnisse sind den Schriften gleichzuhalten (zB Fax oder E-Mail).

Rz 127
Wurde eine Schrift tatsächlich verfasst, so unterliegt sie der Gebührenpflicht, auch wenn ihre Errichtung bei zweckmäßigerer Vorgangsweise hätte unterbleiben können (VwGH 7.10.1993, 93/16/0018). Wird der Weg einer gebührenpflichtigen Eingabe gewählt, dann kann die Gebührenpflicht nicht mit dem Hinweis abgewendet werden, dass auch ein anderer, nicht gebührenpflichtiger Weg zur Verfolgung des Anliegens offen gestanden wäre (VwGH 20.8.1996, 96/16/0160).

Rz 128
Wird dort, wo das für die jeweilige Materie anzuwendende Verfahrensgesetz es zulässt, an die Behörde keine (weder eine schriftliche noch eine automationsunterstützte oder sonst technisch mögliche) Eingabe gerichtet, sondern der Weg der telefonischen oder persönlichen Vorsprache gewählt, führt das zu keiner unsachlichen Ersparnis der Eingabengebühr (VwGH 4.3.1982, 81/15/0050).

Beispiel:

Wird ein Antrag mündlich gestellt und entscheidet die Behörde nach Durchführung des Verfahrens mit schriftlichem Bescheid über das Ansuchen, entsteht mangels schriftlicher Eingabe durch die schriftliche Erledigung keine Gebührenschuld für die (mündliche) Eingabe.

8.1.2. Ausnahme bei Verwendung der Bürgerkarte (§ 11 Abs. 3 GebG)

Rz 129
Für Eingaben und Beilagen, die auf elektronischem Weg unter Inanspruchnahme der Funktion Bürgerkarte (§§ 4 ff E-GovG) eingebracht werden, ermäßigen sich die in den Tarifposten 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 und 2 des § 14 GebG angeführten Beträge

von 3,90 Euro

auf 2,30 Euro,

von 14,30 Euro

auf 8,60 Euro,

von 21,80 Euro

auf 13,10 Euro,

von 47,30 Euro

auf 28,40 Euro.

Rz 130
Gemäß § 4 Abs. 1 E-GovG dient die Bürgerkarte dem Nachweis der eindeutigen Identität eines Einschreiters und der Authentizität des elektronisch gestellten Anbringens in Verfahren, für die ein Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine für den Einsatz der Bürgerkarte taugliche technische Umgebung eingerichtet hat.

Die Bürgerkarte besteht definitionsgemäß (§ 2 Z 10 E-GovG) aus zwei untrennbar miteinander verbundenen Elementen, nämlich der qualifizierten elektronischen Signatur und einer Personenbindung.

Bei der technischen Umsetzung von Online-Formularen existieren neben dem Standardfall, dass sowohl die Personenbindung verwendet wird als auch die Daten des Online-Formulars qualifiziert elektronisch signiert werden, auch Umsetzungen, bei denen nur elektronisch signiert wird. Bei selbst erstellten PDF-Anträgen, die mit der Bürgerkarte qualifiziert elektronisch signiert werden, wird technisch bedingt nie die Personenbindung verwendet. Bei der Verwendung der Bürgerkarte ergibt sich für den Nutzer jedoch kein Unterschied, ob die Personenbindung im Hintergrund mitverwendet wird oder nicht. Dies wird ausschließlich durch die Datenanwendung des Betreibers (Online-Formular) bzw. die PDF-Signatursoftware gesteuert.

Da es somit an der jeweiligen technischen Umsetzung liegt, ob bei der Verwendung der Bürgerkarte beide Elemente (qualifizierte elektronische Signatur und die Personenbindung) zur Anwendung kommen, dies für den Durchschnittsanwender jedoch nicht auf den ersten Blick erkennbar sein dürfte, kommt die Gebührenermäßigung auch dann zur Anwendung, wenn die Personenbindung (das zweite Element) nicht gegeben ist.

Die Gebührenermäßigung des § 11 Abs. 3 GebG kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Antrag unter Verwendung der Bürgerkarte erstellt und signiert wurde, auch wenn er in der Folge im Wege eines E-Mails übermittelt wird.

Ein im E-Mail selbst gestellter Antrag, der nicht unter Verwendung der Bürgerkarte erstellt wurde, ist hingegen nicht von der Gebührenermäßigung erfasst.

In Schriftstücken der Behörde (etwa in Rechtsmittelhinweisen) ist auf die ermäßigte Gebühr hinzuweisen, wenn die Möglichkeit besteht bzw. es zulässig ist, dass der Antrag unter Verwendung der Bürgerkarte (§§ 4 ff E-GovG) eingebracht werden kann.

8.1.3. Gleichschriften

Rz 131
Werden Schriften mehrfach ausgefertigt, unterliegt jede einzelne Ausfertigung (Gleichschrift) der Gebühr, wenn sie die Voraussetzungen für die Gebührenpflicht erfüllt (VwGH 1.12.1976, 0288/75 und 0289/75).

8.1.4. Urkundeninhalt

Rz 132
Maßgeblich für die Bemessung der Gebühr ist ausschließlich der Inhalt der Schrift (VwGH 16.11.1995, 94/16/0057, VwGH 6.10.1994, 92/16/0191). Der wahre, allenfalls vom Urkundeninhalt abweichende Wille der Parteien ist nicht zu erforschen (VwGH 16.11.1995, 94/16/0057).

Rz 133
Weist eine Schrift die inhaltlichen Merkmale des gebührenpflichtigen Gegenstandes von mehr als einer Tarifpost des § 14 GebG auf, so begründet sie die Gebührenpflicht nach jeder der in Frage kommenden Tarifposten (VwGH 22.4.1991, 90/15/0072).

Beispiel:

Notarielle Unterschriftsbeglaubigung nach § 14 TP 13 GebG in einem gemäß § 14 TP 7 Abs. 1 Z 4 GebG gebührenpflichtigen Protokoll.

Rz 134
Ist für einen gebührenpflichtigen Haupttatbestand auch ein speziellerer Tatbestand vorgesehen, fällt nur die Gebühr für den spezielleren Tatbestand an.

Beispiel:

Eine beglaubigte amtliche Abschrift unterliegt nur der Gebühr nach § 14 TP 1 GebG und nicht zusätzlich der Gebühr als Zeugnis nach § 14 TP 14 GebG.

Rz 135
Inhalt und Zweck, der mit der Schrift verfolgt wird, müssen aus der Urkunde zum Ausdruck kommen. Werden zu einer unklaren Eingabe später Schriftstücke zur Erläuterung nachgereicht, so ist die ursprüngliche Eingabe anhand der nachgereichten Schriftstücke zu beurteilen (VwGH 14.11.1996, 94/16/0148). Die für eine Gebührenbefreiung oder -begünstigung maßgebenden Umstände müssen aus der Schrift selbst ersichtlich sein (VwGH 16.11.1995, 94/16/0057).

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