VwGH 96/16/0160

VwGH96/16/016020.8.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. Juni 1996, Zl. GA 9-359/2/96, betreffend Stempelgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art18 Abs2;
GebG 1957 §14 TP6 Abs1;
GebG 1957 §14 TP6 Abs5 Z1;
GebG 1957 §14 TP6;
GO VwGH 1965 Art14 Abs4;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwGG §59 Abs2;
VwRallg;
B-VG Art18 Abs2;
GebG 1957 §14 TP6 Abs1;
GebG 1957 §14 TP6 Abs5 Z1;
GebG 1957 §14 TP6;
GO VwGH 1965 Art14 Abs4;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwGG §59 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Inhalt der Beschwerde ergibt sich im Zusammenhalt mit der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides folgendes:

Die Beschwerdeführerin begehrte am 3. April 1995 als Parteienvertreterin (im hg. Beschwerdeverfahren Zl. 94/16/0112) gemäß Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes fristgerecht die Zustellung von Ausfertigungen der im hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1995 zitierten, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Vorerkenntnisse und entrichtete dafür S 120,-- Eingabengebühr. Bereits am 4. April 1995 stellte sie an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im folgenden kurz: Finanzamt) einen Antrag auf Rückerstattung gemäß § 241 Abs. 2 BAO, und zwar mit der Begründung, der Antrag gemäß Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes liege ausschließlich im Interesse des Verwaltungsgerichtshofes.

Gegen die abweisliche Entscheidung des Finanzamtes berief die Beschwerdeführerin. Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat die Ansicht, ein auf Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes gestützter Antrag auf Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung eines in einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zitierten, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Vorerkenntnisses unterliege der Eingabengebühr gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG. Es liege im Interesse der Partei, ein in der Vergangenheit ergangenes Erkenntnis anzufordern, das sie über die bestehende Rechtslage informiere.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Rückerstattung der von ihr entrichteten Eingabengebühr verletzt, weil ein Antrag nach Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes gebührenfrei sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes lautet:

"(4) Verweist ein Erkenntnis in seinen Entscheidungsgründen auf die Begründung eines früheren, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Erkenntnisses, so ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des bezogenen Vorerkenntnisses zuzustellen, wenn sie dies binnen zwei Wochen nach Zustellung des Erkenntnisses in ihrer eigenen Streitsache verlangen."

Gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG unterliegen Eingaben von Privatpersonen (natürlichen und juristischen Personen) an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheiten ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises, die die Privatinteressen der Einschreiter betreffen, einer festen Gebühr von S 120,--.

Zwar unterliegen Eingaben an die Gerichte gemäß § 14 TP 6 Abs. 5 leg. cit. der Eingabengebühr nicht, jedoch sind von dieser Gebührenbefreiung u.a. Eingaben an den Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich ausgenommen.

Die Beschwerdeführerin vermeint, daß im vorliegenden Fall aus zwei Gründen der Tatbestand der Eingabengebühr nicht erfüllt sei: Zum einen fehle es bei einem Verlangen gemäß Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes am Privatinteresse, weil diese Bestimmung ausschließlich im Interesse des Verwaltungsgerichtshofes geschaffen worden sei; zum anderen betreffe ein Antrag gemäß Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes nicht den öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis des Verwaltungsgerichtshofes.

Dazu ist folgendes zu sagen:

Der Beschwerdeführerin ist lediglich zuzugestehen, daß die Bestimmung des Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes nicht losgelöst vom öffentlichen Interesse zu sehen ist. Insbesondere im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 43 Abs. 2 VwGG ist es durchaus im öffentlichen Interesse gelegen, zum Zwecke der Verkürzung von Erkenntnisausfertigungen auf Vorjudikatur zu verweisen. Den von der Beschwerdeführerin damit angesprochenen "Interessen des Verwaltungsgerichtshofes", bei denen es sich um öffentliche Interessen handelt, wäre aber bereits mit der gerade erwähnten Bestimmung des § 43 Abs. 2 VwGG allein auch gedient. Die gemäß § 43 Abs. 6 VwGG des weiteren normierte Pflicht der Zustellung schriftlicher Ausfertigungen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes an die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und das den Parteien in diesem Zusammenhang durch Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes eingeräumte Recht, auch die Zustellung schriftlicher Ausfertigungen der in Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes zitierten Vorerkenntnisse zu verlangen (sofern diese nicht ohnehin in der Amtlichen Sammlung publiziert wurden), dienen in erster Linie dem (allfälligen) Informationsbedürfnis der Verfahrensparteien. Stellt eine Verfahrenspartei einen Antrag gemäß Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes, so verfolgt sie damit in erster Linie ihr privates Informationsinteresse.

Da nach der - im übrigen auch von der Beschwerdeführerin selbst erwähnten - ständigen hg. Judikatur bereits ein teilweises Privatinteresse zur Erfüllung des Tatbestandes nach § 14 TP 6 Abs. 1 GebG genügt (vgl. dazu die bei Fellner, MGA Stempel- und Rechtsgebühren5 95 Abs. 3 bzw. 119 E 52 zu § 14 TP 6 referierte hg. Judikatur) und weil (anders als dies die Beschwerdeführerin sehen will) keine Rede davon sein kann, Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes sei ausschließlich im öffentlichen Interesse geschaffen worden, erfüllt auch ein Antrag gemäß Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes das Tatbestandselement "Privatinteresse" des § 14 TP 6 Abs. 1 GebG.

Daran vermag auch das von der Beschwerdeführerin auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG gestützte Argument nichts zu ändern, es wäre ausgeschlossen, einen nachträglichen Kostenbestimmungsantrag zu stellen, um den Ersatz der Stempelgebühren für einen Antrag gemäß Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes zu erhalten. Da auch ein solcher Antrag dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zuzuordnen ist und weil die dafür zu entrichtende Eingabengebühr daher unter die Stempelgebühren des § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG fallen, steht einer Antragstellung auf Aufwandersatz gemäß § 59 Abs. 2 Z. 4 VwGG innerhalb der dort normierten Frist nichts entgegen. Der Partei, die einen solchen Antrag fristgerecht stellt, wäre somit Aufwandersatz zuzusprechen, sofern sie die obsiegende Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist. Daß auch "nachträglich entstandene Kosten" ersatzfähig sind, ist im übrigen (wie insbesondere § 54 Abs. 2 ZPO zeigt) dem österreichischen Verfahrensrecht keineswegs fremd.

Was die Behauptung der Beschwerde anlangt, ein Antrag nach Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes betreffe nicht die Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises des Gerichtshofes, ist auf folgendes zu verweisen: Die Beschwerdeführerin argumentiert in diesem Zusammenhang mit dem rein formalen Argument, das Tätigwerden des Gerichtshofes beruhe diesfalls nicht auf einem Gesetz, sondern auf einer Rechtsquelle sui generis. Unter den Begriff "öffentlich-rechtlicher Wirkungskreis" falle aber nur jener Bereich, der einer Gebietskörperschaft bzw. deren Organen unmittelbar durch ein Gesetz aufgetragen worden sei. Dies wurde zwar in der hg. Judikatur wiederholt so ausgesprochen (vgl. z.B. Fellner aaO 115, 116 E 38 zu § 14 TP 6 GebG), jedoch übersieht die Beschwerdeführerin dabei, daß der Terminus Gesetz in diesem Zusammenhang als Gesetz im materiellen Sinn zu verstehen ist, wozu bekanntermaßen auch Rechtsverordnungen gehören, und daß es sich bei der GO des Verwaltungsgerichtshofes um eine solche handelt (vgl. BGBl. Nr. 45/1965). In der hg. Judikatur wurde des weiteren klargestellt, daß es für den Begriff öffentlich-rechtlicher Wirkungskreis wesentlich darauf ankommt, daß sich die Gebietskörperschaft (bzw. deren Organ) dem betreffenden Aufgabenbereich nicht entziehen kann, daß ihr die entsprechenden Aufgaben also durch öffentlich-rechtliche Normen verpflichtend übertragen wurden (Fellner aaO E 38 und 39 zu § 14 TP 6 GebG). Gerade das trifft aber auch für die Aufgaben des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art. 14 Abs. 4 seiner GO zu, weil eine rechtzeitige Antragstellung die Verpflichtung des Gerichtshofes begründet, die entsprechenden schriftlichen Ausfertigungen zitierter Vorerkenntnisse den antragstellenden Parteien zuzustellen (arg.: "... ist den Parteien ... zuzustellen ...").

Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf den Vertrieb von Entscheidungskopien (insbesondere im Rahmen entgeltlicher Abonnements) verweist, so ist dieser Vergleich nicht geeignet, die Gebührenpflicht eines Antrages gemäß Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes in Zweifel zu ziehen. Der Vertrieb von Entscheidungskopien im Wege des privatrechtlichen Institutes des Kaufvertrages erfolgt entgeltlich, wohingegen jene Ausfertigungen von Vorerkenntnissen, die einer Partei eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in ihrer eigenen Streitsache auf Grund eines Antrages gemäß Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes zugestellt werden, unentgeltlich abgegeben werden. Das entsprechende Verlangen der Partei stellt eine von der Gebührenbefreiung des § 14 TP 6 Abs. 5 Z. 1 GebG nicht erfaßte Eingabe an den Verwaltungsgerichtshof dar, die aus den vorstehenden Gründen den Tatbestand der Eingabengebühr erfüllt.

Allein der Umstand, daß der Partei auch der gebührenfreie Weg des kaufweisen Erwerbes einer Ausfertigung einer Entscheidung offensteht, hindert die Gebührenpflicht eines Antrages nach Art. 14 Abs. 4 GO des Verwaltungsgerichtshofes nicht, weil es einer Partei in vielen Fällen ganz allgemein immer freisteht, anstelle einer gebührenpflichtigen schriftlichen Eingabe ein gebührenfreies mündliches (insbesondere auch telefonisches) Anbringen (z.B. iS des § 13 Abs. 1 AVG) zu erstatten (vgl. Fellner, Gebühren- und Verkehrsteuern, Bd I, 2. Teil Stempel- und Rechtsgebühren, Erg D 4/3 D vorletzter Absatz zu § 14 TP 6 GebG). Wählt aber eine Partei den Weg einer gebührenpflichtigen schriftlichen Eingabe, dann kann sie die Gebührenpflicht nicht dadurch abwenden, daß sie darauf hinweist, es wäre ihr auch ein anderer, nicht eingabegebührenpflichtiger Weg zu Verfolgung ihres Anliegens offengestanden. In diesem Zusammenhang erübrigt sich daher auch jedes weitere Eingehen auf die Argumentation der Beschwerde mit einem "Rechtsanspruch auf freie Zugänglichkeit der Höchstgerichtsjudikatur".

Da sohin insgesamt bereits der Beschwerdeinhalt erkennen ließ, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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