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13 Zeitliche Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben (§ 19 EStG 1988)

BMFBMF-010200/0024-IV/6/201925.8.2015

13.1 Vereinnahmung

13.1.1 Allgemeines

Rz 4601
Einnahmen sind einem Steuerpflichtigen zugeflossen, sobald er die volle Verfügungsmacht über sie erhält (VwGH 17.10.1984, 82/13/0266; VwGH 22.2.1993, 92/15/0048). Bei geldwerten Vorteilen ist ein Zufluss auch dann gegeben, wenn der Empfänger den Vorteil auf Grund einer Verfügungsbeschränkung nicht weitergeben bzw. weiterveräußern kann (zB Aktien, die einem zeitlich befristeten Veräußerungsverbot unterliegen).

Entscheidend ist die objektive Verfügungsmöglichkeit und nicht die Kenntnis des Steuerpflichtigen von einem Geldeingang. Somit ist ein auf das Bankkonto des Zahlungsempfängers eingezahlter Betrag mit dem Zeitpunkt der Gutschrift durch die Bank und nicht erst im Zeitpunkt der Verständigung von dieser Gutschrift zugeflossen (VwGH 7.2.1982, 82/14/0088).

Rz 4602
Für den Zeitpunkt der Vereinnahmung von Geld (oder geldwerten Vorteilen) ist es ohne Bedeutung, wann der obligatorische Anspruch (Übergang des bürgerlich-rechtlichen Eigentums) darauf entstanden ist. Wird ein Geschäft zB am 22. Dezember eines Kalenderjahres abgeschlossen, erhält der Steuerpflichtige aber die ihm aus dem Geschäft zustehende Geldleistung erst am 15. Jänner des folgenden Kalenderjahres auf seinem Konto gutgeschrieben, so ist der Zufluss erst im folgenden Kalenderjahr erfolgt (VwGH 14.12.1979, 0377/79).

Ist der Steuerpflichtige aber gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter der Schuldner-Körperschaft, ist der Zufluss grundsätzlich mit der Fälligkeit der Forderung anzunehmen, außer die Gesellschaft ist zahlungsunfähig (VwGH 23.03.2010, 2007/13/0037). Entscheidend für die Annahme eines Zuflusses von Gesellschafter-Geschäftsführerbezügen bereits mit deren Fälligkeit ist das Vorliegen eines beherrschenden Einflusses des Gesellschafter-Geschäftsführers auf die Gesellschaft über die Gesellschafterversammlung (VwGH 30.11.1993, 93/14/0155) und damit ein besonderes Naheverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner. Aus welchen Umständen sich ein solcher beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft ergibt, ist dabei nicht wesentlich, womit neben dem Fall des Mehrheitsgesellschafters auch andere Konstellationen beherrschenden Einflusses möglich sind, wie etwa aufgrund eines Naheverhältnisses zu anderen Anteilsinhabern (VwGH 30.10.2014, 2012/15/0143).

Rz 4603
Daher bewirken auch Gutschriften in den Büchern des Schuldners oder die Zustellung einer Gutschriftsanzeige in der Regel kein Zufließen beim Gläubiger, weil damit noch keine Verfügungsmacht über den gutgeschriebenen Betrag erlangt wird; maßgeblich ist die reine Geldbewegung (VwGH 18.1.1983, 82/14/0076). Gibt der Schuldner jedoch zusätzlich zur Gutschrift in seinen Büchern zu erkennen, dass der Betrag von nun an dem Gläubiger zur tatsächlichen Verwendung zur Verfügung steht, ist damit der Zufluss verwirklicht. Dies wird etwa dann anzunehmen sein, wenn der Schuldner dem Gläubiger eine Auszahlungsverfügung in die Hand gibt, mit der dieser jederzeit bei ihm (zB bei der Betriebskasse) oder bei der kontoführenden Bank das Geld abholen kann (VwGH 20.9.1988, 88/14/0114; VwGH 19.5.1992, 92/14/0011) bzw. bei Benachrichtigung des Berechtigten über die jederzeit behebbare Gutbuchung auf einem Verrechnungskonto.

Rz 4604
Ist der Schuldner zahlungsunfähig, begründet die Gutschrift keinen Zufluss (VwGH 12.12.1978, 2090/78). Die Zahlungsunfähigkeit setzt ein dauerndes Nichtzahlenkönnen voraus. Eine bloße Zahlungsstockung, dh. ein lediglich vorübergehend und kurzzeitiger Mangel an Zahlungsmitteln, der durch alsbaldige Mittelbeschaffung - wie etwa durch kurzfristig mögliche Verwertung vorhandener Aktiva oder Aufnahme eines Überbrückungskredites - wieder behebbar ist, stellt keine Zahlungsunfähigkeit dar (vgl. VwGH 29.7.1997, 95/14/0014). Ist der Schuldner zahlungsunwillig oder unterbleibt die Auszahlung, weil der Schuldner in Täuschungs- bzw. Betrugsabsicht handelt, liegt ebenfalls kein Zufluss vor.

Rz 4605
Bei einer Gutschrift von Betriebssteuern wird der Zufluss mit der Gutschrift am Konto des Steuerpflichtigen beim Finanzamt bewirkt, und zwar auch dann, wenn es zu keiner Rückzahlung, sondern zu einer Guthabensverwendung gemäß § 215 BAO kommt (VwGH 27.9.1972, 0117/71). Verfügungsbeschränkungen iSd § 239 BAO hindern nicht die Annahme eines Zuflusses.

Rz 4606
Die Vereinnahmung eines Geldbetrages durch einen Bevollmächtigten bewirkt einen Einnahmenzufluss beim Vollmachtgeber (VwGH 12.11.1980, 1300/80; VwGH 7.2.1990, 86/13/0072).

Rz 4607
Ein steuerlich wirksamer Zufluss liegt weiters bei Anzahlungen auf noch nicht erbrachte Leistungen, Akontozahlungen oder Vorauszahlungen vor (VwGH 15.6.1979, 0659/75; VwGH 31.7.1996, 92/13/0015, betreffend vorausgezahlte Provisionen; VwGH 5.10.1982, 82/14/0006, betreffend Handelsvertreter; VwGH 24.6.1986, 84/13/0214, betreffend Rechtsanwalt). Auf die Fälligkeit wirtschaftlich bereits zugegangener Einnahmen kommt es grundsätzlich nicht an (VwGH 10.11.1987, 86/14/0201; VwGH 26.6.1990, 89/14/0278); daher sind auch Vorauszahlungen vor Fälligkeit zugeflossen und - trotz Fälligkeit nicht gezahlte Beträge - nicht zugeflossen.

Rz 4608
Vorauszahlungen wie insbesondere Bezugsvorschüsse und Mietvorauszahlungen sind grundsätzlich nach den allgemeinen Zufluss-Grundsätzen - unabhängig von der Fälligkeit, nach Maßgabe der Erlangung der Verfügungsmacht - zu beurteilen. Zur Abgrenzung zum Darlehen siehe Rz 6411, zu Bezugsvorschüssen siehe LStR 2002 Rz 632 und 633.

Rz 4609
Änderungen in den Folgejahren, insbesondere die Rückzahlung, können den einmal erfolgten Zufluss nicht mehr rückgängig machen (VwGH 29.1.1965, 0300/63, betreffend verdeckte Ausschüttung). Auch die Rückgängigmachung des Rechtsgeschäftes ändert nichts am bereits erfolgten Zufluss (VwGH 15.9.1967, 0618/67, betreffend Spekulationsgeschäft; VwGH 18.1.1983, 82/14/0076, betreffend Rückzahlung von Vorauszahlungen bei nicht zustandegekommenen Verträgen). Auch das weitere Schicksal zugeflossener Beträge beim Steuerpflichtigen ist unmaßgeblich (VwGH 2.2.1951, 0345/48; VwGH 24.11.1970, 1573/68). Siehe im Übrigen auch LStR 2002 Rz 631 bis 639.

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